Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

Genau das möchten wir. Deshalb haben wir Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir möchten in Berlin ein Tarifbindungs- und Mindestlohngesetz. Das heißt, wir wollen ein Gesetz, das die Tarifbindung garantiert und dafür sorgt, dass tarifliche Standards in dieser Stadt durchgesetzt werden. Dort, wo es keine Tarife gibt, da gilt der Mindestlohn, wie gesagt, als letztes Netz.

[Beifall bei der LINKEN]

Wenn Sie mir hier etwas erzählen – man ist schon ganz ergriffen, wenn man hört, was die Koalition jetzt alles machen will – für die Bereiche, für die Sie die Verantwortung haben, dann, lieber Herr Korte, liebe Frau Monteiro, ist es entweder gelogen, oder Sie haben unterschiedliche Vorstellungen. Der öffentlich geförderte Bereich ist raus aus Ihrem Mindestlohngesetz, und bei den Grünen war er auch nicht drin. Auch dort muss es einen Mindestlohn geben und eine tarifliche Bindung. Wir hatten im ÖBS tarifliche Bindung und Mindestlohn, und das möchten wir jetzt wieder haben. Frau Monteiro sagt, es gilt, ich finde es nicht, Herr Professor Korte sagt, es gilt nicht, aber vielleicht wird es sich im Laufe der Zeit noch regeln.

(Dr. Niels Korte)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, wenn die Zeit angehalten wird.

Ja. – Frau Monteiro!

Frau Breitenbach! Haben Sie sich einmal den Gesetzesvollzug in Bremen und Hamburg angesehen? Sie haben uns vorgeworfen, etwas abgeschrieben zu haben. Dann müsste ja die Umsetzung in etwa ähnlich sein. Was ist Ihnen da aufgefallen zu Teilnehmenden an Beschäftigungsmaßnahmen?

Ich, liebe Frau Monteiro, möchte gern von der Koalition in Berlin hören, ob Sie wollen, dass Ihr Mindestlohngesetz für die Menschen in der öffentlich geförderten Beschäftigung gilt.

[Beifall bei der LINKEN]

In unserem Änderungsantrag Tarifbindungs- und Mindestlohngesetz gilt es. Im Moment gibt es unterschiedliche Aussagen. Wir sagen: Tarifbindung – wenn keine Tarifbindung, dann Mindestlohn. Sie sagen 8,50 Euro, wir sagen 10,00 Euro. Hier geht es nicht um schneller, höher, weiter, sondern: Die Niedriglohnschwelle liegt jetzt bei 9,00 Euro, das heißt, 8,50 Euro reichen nicht, um vor Altersarmut zu schützen.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wollen, Frau Monteiro, wie Sie und wie andere auch, einen bundesweiten Mindestlohn. Wenn es den auf Bundesebene nicht gibt, finden wir es richtig, dass auf Landesebene etwas passiert. Aber wir möchten das Tarifbindungs- und Mindestlohngesetz in Berlin. Ich bitte Sie, sich dem anzuschließen, denn es ist der einzig richtige Weg. Was Sie vorschlagen, ist einfach Murks.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Spies. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mindestlohndebatte geht in die vierte Wiederholung.

Wiederholungen machen Quote. Warum ist das so? – Weil wir noch keinen bundeseinheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn haben. An wem liegt das? – An der CDU-Fraktion in diesem Haus. Denn hätte Berlin den Bundesratsinitiativen zugestimmt, hätten wir schon einen bundesweiten, flächendeckenden Mindestlohn und brauchten uns nicht im Kleinklein über Landesmindestlohngesetze zu unterhalten.

Jetzt sehen wir uns einmal an, wie es zu diesem Antrag gekommen ist. Vorreiter war Bremen, die am 17. Juli 2012 ein Landesmindestlohngesetz eingeführt haben, am 30. April 2013 folgte dann Hamburg. Vor rund anderthalb Jahren haben die Grünen – das wurde schon gesagt – hier einen Gesetzesentwurf eingebracht, der so lange wie möglich von der Koalition verschleppt worden ist, bis er eben am 5. September im Ausschuss landete. Dort, Überraschung!, zwei Tage vorher gab es einen ganz neuen Entwurf der Koalition, der sich in einigen Punkten von dem der Grünen unterscheidet, aber in die gleiche Richtung geht.

Nützt uns dieses Landesmindestlohngesetz wirklich? – Das ist fraglich. In Bremen ist das noch nicht so klar. Auf eine parlamentarische Anfrage der Linken in Bremen konnte die Bremer Landesregierung keine genaue Antwort geben, was denn eigentlich das Bremer Landesmindestlohngesetz bewirkt hat. Tatsächlich gibt es sicherlich Fälle, bei denen ein Landesmindestlohngesetz mehr bewirken kann als das Ausschreibungs- und Vergabegesetz. Aber, der Hinweis kam schon, erst einmal muss sichergestellt werden, dass die Regelungen des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes eingehalten werden, dann kann man sich fragen, inwieweit weitergehende Regelungen in einem Landesmindestlohngesetz wirksam werden.

Wir haben dazu einige Kritik formuliert. Als Erstes, das wurde schon erwähnt, verstehen wir nicht, dass die Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, im Gesetzentwurf der Koalition ausdrücklich ausgeschlossen werden. Wir werden auf jeden Fall die Streichung dieses Ausschließens beantragen, denn wir setzen uns auch dafür ein, dass, soweit man das vergleichen kann, wer in einer Behindertenwerkstatt produktiv Arbeit leistet, dafür auch entsprechend nach Mindestlohn entlohnt werden muss.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zweitens, nun, Kollegin Breitenbach hat gerade gesagt, die Niedriglohnschwelle liegt bereits bei 9 Euro. Das heißt, die 8,50 Euro sind überholt, also zu niedrig. Wenn man hier schon in Wettbewerb über Zahlen tritt, sollte man im Gesetz mindestens diese 9 Euro verankern, wenn man das reinschreiben will.

Was uns aber auch fehlt, ist die Landesmindestlohnkommission. Denn wir setzen uns dafür ein, dass ein Mindestlohn von unabhängigen Akteuren des Arbeitsmarktes und

Experten festgelegt wird. Das müsste eigentlich auch Dr. Korte interessieren, der das gerade eben auch für den bundesweiten Mindestlohn gefordert hat. Im GrünenAntrag ist es drin und im Änderungsantrag der Linken auch.

Schließlich die Wirkung: Ich habe hier öfter kritisiert, dass bei Bürgerarbeit oder Förderung von Arbeitsverhältnissen im Land Berlin der Mindestlohn von 8,50 Euro noch nicht mal erreicht wird. Ich höre mit Freude, Frau Monteiro, dass Sie das in Zukunft anstreben werden. Das können Sie aber auch schon machen ohne ein Landesmindestlohngesetz. Wir werden uns bei der Ausschussberatung noch mit den Einzelheiten beschäftigen. Aber festzustellen bleibt: Was wir brauchen, ist ein bundesweiter flächendeckender Mindestlohn. Und da hat Prof. Korte ja schon im Ausschuss erklärt, dass das weiterhin von seiner Fraktion hier im Abgeordnetenhaus blockiert wird. Das finden wir schade, denn die Mehrheit dieses Hauses ist für den bundesweiten flächendeckenden Mindestlohn, und die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler auch. Vielleicht macht sich das ja beim Wahlergebnis am 22. September bemerkbar. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Den Überweisungen haben Sie bereits eingangs zugestimmt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.3:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 19

a) Personalpolitik I: aufgabenkritische Personalbedarfskonzepte für die Berliner Verwaltung

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1126

b) Personalpolitik II: Shared Services Potenziale nutzen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1127

c) Personalpolitik III: Personalentwicklung und Wissenstransfer sichern

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1128

d) Personalpolitik IV: qualitative Personalgewinnung und Personalbindung forcieren

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1129

e) Öffentlichen Dienst zukunftsfähig machen und nicht in den Kollaps treiben: Personalabbau beenden, Personalentwicklung strategisch ausrichten

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1159

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Goiny. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen legen Ihnen hier vier Anträge vor, die – das hatten wir ja bereits zu Beginn der Haushaltsberatungen und im Laufe des Jahres angekündigt – sich mit dem anstehenden Generationswechsel im öffentlichen Dienst dieser Stadt befassen. Wir, die Fraktion der SPD, aber auch die Fraktion der CDU, haben uns im Laufe des Jahres recht intensiv mit der Frage beschäftigt, wie wir das Personal im öffentlichen Dienst künftig in dieser Stadt aufstellen wollen, mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wir den öffentlichen Dienst in Berlin gestalten wollen und welche Qualifizierungen wir auf den Weg bringen müssen für einen motivierten und leistungsfähigen öffentlichen Dienst und wie wir insbesondere die Frage von Ausbildung und Nachwuchsgewinnung organisieren können. Mit diesen vier Anträgen ergänzen wir das, was der Senat dem Parlament bereits vorgelegt hat. Die Koalition beschäftigt sich, wie gesagt, schon seit geraumer Zeit damit.

Für uns ist eines wichtig: Wir wollen über das Jahr 2016 hinaus, wir sagen, bis zum Jahr 2020, einen Pfad aufweisen, mit dem wir das Personalbedarfskonzept entwickeln wollen. Wir sagen, wir möchten mit dem einen Antrag, den wir Ihnen vorlegen, zunächst einmal die Verwaltung auffordern, sich in ihren Dienststellen mit der Frage zu beschäftigen, wie viel Personal geht, wie viel muss davon ersetzt werden, und welche Aufgaben sollen künftig dann von der Verwaltung wahrgenommen werden. Wir wollen auch Potenziale heben. Wir wollen den öffentlichen Dienst modernisieren. Wir wollen auch Dienste wie Shared Service entwickeln, wo man bestimmte Verwaltungsaufgaben zusammenführen kann, um insgesamt leistungsfähiger zu werden. Und wir möchten auch, weil wir sehen, dass vor dem Hintergrund eines möglicherweise sich abzeichnenden Fachkräftemangels auch der öffentliche Dienst sich bemühen muss, qualifiziertes Nachwuchspersonal für Berlin zu gewinnen, dass wir uns mit der Frage der Ausbildungskapazitäten, mit der Qua

(Alexander Spies)

lität der Ausbildung, wie wir sie organisieren, beschäftigen. Und wir möchten auch, dass möglichst frühzeitig damit begonnen wird und dass junge Menschen, die sich jetzt schon in der Ausbildung befinden, bei entsprechender Unterlegung des Bedarfs jetzt schon eingestellt werden als Auszubildende – das passiert teilweise auch –, aber dass sie auch übernommen werden und dass wir die entsprechende Vorsorge dafür treffen, dass wir nach 2016, wenn das Gros der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die altersbedingt ausscheiden, auf uns zukommt, dann eben die entsprechenden Nachwuchskräfte schon haben. Denn wir müssen sicherstellen, dass wir einen Wissenstransfer organisieren können, nicht dass die erfahrenen älteren Kollegen alle in den Ruhestand gegangen sind, und dann irgendwann kommt der Nachwuchs. Das halten wir nicht für effektiv, und deswegen haben wir einen entsprechenden Vorschlag mit einem weiteren Antrag unterlegt.

Und dann geht es uns auch darum, im Interesse der Beschäftigten des Landes Berlin dafür zu sorgen, dass wir deren Bedingungen verbessern, dass wir auch Quereinsteiger für den öffentlichen Dienst gewinnen, die aus ganz anderen Bereichen kommen, dass wir Fachleute, Expertinnen und Experten gewinnen, dass wir Menschen aus anderen Ländern auch motivieren und für den öffentlichen Dienst gewinnen, dass wir das Gesundheitsmanagement verbessern, um die Arbeitsbedingungen und die Motivation insbesondere im öffentlichen Dienst zu verbessern, und dass wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken. Da haben wir Ihnen eine ganze Reihe von Punkten vorgelegt, mit denen wir uns inhaltlich auseinandersetzen wollen. Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten auch versuchen, noch im Rahmen unserer Haushaltsberatungen mit einzuarbeiten. Wir glauben, wir haben jetzt die Gelegenheit dafür, den öffentlichen Dienst auch für die Jahre nach 2016 fit zu machen. Das ist eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen geschieht. Aber wir haben, glaube ich, mit unseren vier Anträgen eine gute Grundlage geschaffen, um den öffentlichen Dienst in dieser Stadt zukunftsfähig zu machen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung schon jetzt für die vier von uns vorgelegten Anträge. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Goiny! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Remlinger. – Bitte schön!

Frau Präsidentin, vielen Dank! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Goiny! Schöne Worte, harmlose Worte. Das hat sich jetzt für mich, ehrlich gesagt, bisher angehört, als würden wir das erste Mal darüber nachdenken,

dass man sich mal ein bisschen mit Personalpolitik beschäftigen könnte. Ich glaube, wir stehen doch aber an einem ganz anderen Punkt. Es ist die Frage, die wir uns zu stellen haben, wo wir stehen, und zumindest ein ganzer Teil der Beschäftigten, nämlich die angestellten Lehrkräfte, stehen auf der Straße und streiken. Ich glaube, nicht nur mich treibt das Gefühl um, dass im Moment nur die nicht streiken, die das nicht dürfen, weil sie entweder verbeamtet sind oder weil sie vielleicht schon krank zu Hause liegen. Das gilt für weite Bereiche des öffentlichen Dienstes, sowohl in den Hauptverwaltungen als auch den Bezirken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in weiten Teilen überbelastet, unterbezahlt oder auch ganz einfach nicht mehr da.