Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Weiterhin ist es auch so, dass wir mit diesen Wasserwerken nicht einfach so weitermachen wollen wie bisher. Es ist doch so, dass das, was die CDU gerade angesprochen hat – sozialverträglich die Stellen abbauen –, genau über Zeitarbeitsfirmen etc. vonstattengegangen ist, wo sie Tarifverträge ausgehandelt haben, wo sie mit kurzzeitigen Verträgen die Leute in quasi Kettenverträge reingebracht haben, um sie in diesem Betrieb zu halten, dass wir dauernd, vor allen Dingen in Westberlin, immer noch platzende Wasserrohrleitungen haben – in meiner Straße sind schon wieder zwei Stück offen, wo wieder mal dran herumgebastelt werden muss. Das sind doch nicht die Zustände, die wir weiter in die Zukunft tragen wollen. Wir wollen doch genauso wenig weiter in die Zukunft tragen, dass wir das ganze Vermögen, das angehäuft wurde, wieder abschöpfen und in den Landeshaushalt bringen.

Wir wollen, dass bei den BWB nach Tarifrecht bezahlt wird. Wir wollen, dass das Netzt, das marode ist, auf einen ordentlichen Stand gebracht wird. Das sind alles Sachen, die allen Berlinerinnen und Berlinern zugutekommen werden. Das können wir aber nicht fordern und auch nicht umsetzen, wenn wir bei den BWB mindestens 60 Millionen Euro im Jahr allein an Zinstilgung hineinpacken. Dann bleibt am Ende des Tages nicht genügend

(Dr. Michael Garmer)

übrig, damit Sie diese ganzen Investitionen, die notwendig sind, auch liefern können.

Deswegen unsere Bedingungen: Der Vertrag muss die Finanzierung über den Landeshaushalt enthalten, und die offenen Verfahren, die anstehen, müssen abgebildet und berücksichtigt werden, dann können Sie um unsere Zustimmung werben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Die Fraktion der Grünen hat als Antragstellerin des dringlichen Antrags Drucksache 17/1167 die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen hingegen beantragen die Überweisung an den Hauptausschuss. Wir müssen also hierüber abstimmen. Wer der Überweisung an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag überwiesen.

Die Piratenfraktion als Antragstellerin des Antrags Drucksache 17/1125 hat ebenfalls die sofortige Abstimmung beantragt. In gleicher Weise beantragen auch hier die Koalitionsfraktionen die Überweisung an den Hauptausschuss. Wir müssen also auch hier abstimmen. Wer der Überweisung des Antrages Drucksache 17/1125 an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist auch dieser Antrag an den Hauptausschuss überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Syrische Flüchtlinge schützen: Aufnahme von Menschen, die Verwandte in Berlin haben

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/1166 Neu

in Verbindung mit

lfd. Nr. 29:

Wohnungen statt Sammellager für Flüchtlinge: Position von Flüchtlingen auf dem Wohnungsmarkt stärken

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1162

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Der zunächst dringlich vorgelegte Antrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 17/1166 ist inzwischen schriftlich zurückgezogen worden.

Für die Beratung der zwei aufgerufenen Anträge steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen alle, wie kontrovers Fragen der Flüchtlings- und Asylpolitik in unserem Land diskutiert werden, dies erst recht in Wahlkampfzeiten, wo diese Diskussion zum Teil schnell in populistische Bahnen gelangt. Deshalb ist es begrüßenswert, dass wir fraktionsübergreifend einen Antrag einbringen konnten. – Herzlichen Dank dafür an alle Fraktionen!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Gestern ist die erste Gruppe von 5 000 syrischen Flüchtlingen in der Bundesrepublik angekommen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind positiv zu bewerten. Sie erhalten zunächst einen sogenannten Wegweiserkurs im Grenzdurchgangslager Friedland. In den Kommunen, denen sie anschließend zugewiesen werden, können sie an Integrationskursen teilnehmen. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung, die eine Arbeitsaufnahme ermöglicht. Schaut man sich in der EU um, so können wir feststellen, dass die Bundesrepublik hier gut dasteht, im Gegensatz zu beispielsweise Frankreich oder England.

Aber wir sollten uns eher an guten Beispielen orientieren, beispielsweise an Schweden, wo wohlgemerkt eine konservative Regierung im Amt ist. Schweden ändert seine Asylpraxis. Konkret können jetzt rund 8 000 Syrer, die bislang nur befristet in Schweden leben durften, für immer dort bleiben. Angehörige, die sich in Syrien oder irgendwo in der Region befinden, können sich an eine schwedische Vertretung wenden, um zu ihren Familien nachzuziehen. Schweden fordert die anderen EU-Staaten auf, ihre Verantwortung in dem Flüchtlingsdrama ebenfalls zu überdenken und mehr syrische Flüchtlinge unter erleichterten Bedingungen aufzunehmen. Das sollte auch Deutschland tun und das Kontingent von 5 000 deutlich erhöhen,

(Heiko Herberg)

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

denn die europäischen Zahlen sind eher eine Fußnote, schaut man sich die Lage in der Region genauer an. Nach den Zahlen des UNHCR vom 3. September dieses Jahres waren die Zahlen der in den Nachbarländern Syriens lebenden Flüchtlinge wie folgt: in der Türkei 460 000, in Jordanien 515 000, im Libanon 716 000, in Ägypten 110 000, im Irak 168 000 – insgesamt also über 2 Millionen syrische Flüchtlinge in den Nachbarstaaten.

Bundesinnenminister Friedrich hat gestern die Einberufung einer europäischen Flüchtlingskonferenz durch die EU gefordert. Es ist höchste Zeit für ein gemeinsames Aufnahmeprogramm der EU-Staaten. Diese müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln und ihrer Verantwortung nachkommen.

Doch zurück in die Bundesrepublik und nach Berlin. In der Bundesrepublik leben über 40 000 syrische Staatsangehörige mit Aufenthaltserlaubnis. Die tatsächliche Zahl dürfte wahrscheinlich höher liegen, denn es kommen noch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie Staatsbürgerinnen und Staatsbürger anderer Nationalität, die Angehörige in Syrien haben, hinzu. Deshalb sind für die Linke die Regelungen zum Familiennachzug von großer Bedeutung. Der Familiennachzug muss unbürokratisch gewährt werden. Die vorliegenden Regelungen der Bundesländer laufen darauf hinaus, dass nur Wohlhabende ihre Familienangehörigen nachholen können, und zwar aus folgendem Grund: Um Angehörige aus Syrien nachzuholen, ist die Abgabe einer Verpflichtungserklärung obligatorisch. Das bedeutet beispielsweise: Eine Familie, die ihre Großeltern nachholen möchte, muss auf unbestimmte Zeit monatlich 1 300 Euro Unterhalt – davon allein 680 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsschutz – bezahlen, und es kämen Kosten für eine zusätzliche Unterkunft hinzu. Welche Familien sollen sich das leisten können?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich habe zwar keine Verwandten in Syrien, aber ich könnte als Abgeordneter für diese Kosten nicht aufkommen. Wir – Die Linke – schließen uns der gemeinsamen Forderung von Pro Asyl und der Flüchtlingsverbände an – ich darf zitieren –:

Insbesondere müssen der Krankenversicherungsschutz der Angehörigen über eine pauschale Regelung sichergestellt und die Anforderungen an den materiellen Beitrag der hier Lebenden abgesenkt und zeitlich befristet werden.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Das mache ich, Frau Vorsitzende! – Ich zitiere weiter:

Auch darf der Nachweis einer nahen Verwandtschaft die Betroffenen nicht vor unnötige bürokratische Probleme stellen.

Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch für meine Fraktion begrüße ich den fraktionsübergreifenden dringlichen Antrag zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien, die in Berlin lebende Verwandte haben. Es ist gut, dass wir uns gemeinsam dazu entschlossen haben. Berlin hat sich entschlossen, eine Aufnahmeanordnung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erlassen. Mit dem Erlass erhalten hier lebende deutsche und syrische Staatsangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis haben und sich mindestens seit dem 1. Januar 2013 in Berlin aufhalten, die Möglichkeit, nähere Angehörige zu sich zu holen. Sobald Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren erzielt worden ist, wird der Erlass in Kraft treten.

[Unruhe]

Darf ich Sie kurz unterbrechen, Frau Abgeordnete?

Verzeihung, meine Damen und Herren! Aber der Hintergrundgeräuschpegel ist doch recht hoch.

[Udo Wolf (LINKE): Das ist die SPD!]

Ich glaube, alle Betroffenen wissen, dass sie gemeint sind.

[Udo Wolf (LINKE): Nein, leider nicht! – Weitere Zurufe]

Ja, auch Sie! – Frau Radziwill, fahren Sie bitte fort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Berlin will und wird seiner humanitären Verantwortung gerecht werden. Wir

(Hakan Taş)

unterstützen den Senat in seinen Bemühungen, möglichst schnell den in Berlin lebenden Flüchtlingen den Nachzug von schutzsuchenden Familienangehörigen zu ermöglichen. Wir wollen eine unbürokratische Einreise ermöglichen und Schutz bieten, und auch aus meiner persönlichen Sicht kann Deutschland mehr Schutz für schutzsuchende Flüchtlinge aus Syrien bieten. Humanitäre Flüchtlingspolitik muss hier Vorrang haben.