Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

[Zurufe von den GRÜNEN]

Wir sehen darüber hinaus auch, dass es ein wirtschaftliches Geschäft ist. Wir schreiben da 400 Millionen EBIT – das Thema hatten wir hier schon mal – und haben da eine Wasserpreisrückstellungssenkung von 60 Millionen im Haushalt. Das wollen wir auch – auch das sage ich hier ganz deutlich – politisch verstetigen. Das ist bereits Beschlusslage. Da muss ich nicht heute dreimal im Interview mit Kollegin Pop gefragt werden. Das werden die Fraktionen politisch entscheiden und durchtragen. Das ist von der Rückkaufsoption völlig unabhängig.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Lügen haben kurze Beine!]

Ich würde mich vorsehen, etwas als Lüge zu bezeichnen, von dem Sie das Ergebnis gar nicht absehen können. Da müssten Sie ja antizipieren, dass wir uns nicht durchsetzen. Bisher haben wir uns mit allem durchgesetzt, was wir beschlossen haben. Das wird auch hier nicht anders sein.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Über das Vermögensgeschäft, Frau Kosche, unterhalten wir uns, wenn das hier aufgerufen wird. Und dann müssen Sie Farbe bekennen. Aus der Nummer werden wir Sie nicht rauslassen: Stehen Sie für Rekommunalisierung, oder reden Sie nur darüber? – Wir sind uns da einig und einen deutlichen Schritt weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Schneider! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Herr Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt erst mal was vorwegstellen, wo wir uns offenbar alle einig sind: Wir werden, die Zustimmung des

Abgeordnetenhauses zu dem Vermögensgeschäft vorausgesetzt, die Anteile der einstmalig atypisch still beteiligten Konzerne Veolia und RWE wieder in Landesbesitz zurückbekommen. Das ist erst mal etwas Vernünftiges und Gutes. Kann man erst mal so sagen. Das wollen hier, glaube ich, inzwischen im Haus alle.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Leider nicht!]

Bei Frau Yzer bin ich mir da nicht so sicher, aber im Großen und Ganzen haben hier eigentlich alle ein Bekenntnis dazu abgegeben, dass die Wasserbetriebsanteile alle wieder in die Hand des Landes Berlin zurückkommen sollen.

Da sage ich mal: Wir haben als Linke damals gemeinsam mit den Grünen 1999 schon dafür gekämpft, dass diese Teilprivatisierung überhaupt nicht stattfindet. Dass inzwischen alle Fraktionen die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999 als einen Fehler bezeichnen, als einen schweren Fehler bezeichnen, darüber bin ich schon sehr froh. Das sage ich mal vorweg.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Jetzt ist die Frage: Ist jetzt diese Episode verfehlter Privatisierungspolitik abgeschlossen? Können wir jetzt das Kapitel zumachen? Können wir das Buch schließen? – Da sage ich: Da bleibt erst mal noch eine Reihe von Fragen. Die erste Frage: Ist der Kaufpreis akzeptabel? – Kollege Nußbaum sagt: Ich habe super verhandelt, das ist ein toller Kaufpreis. – Da sage ich mal: Geschenkt! Also ein Finanzsenator, der sich hinstellt und danach sagt: Ich habe beschissen verhandelt, und es ist echt ein blöder Preis –, der könnte auch gleich gehen, der wäre ein ziemlicher Nappel.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN – Vereinzelte Heiterkeit bei der SPD]

Dr. Lederer! Mögen Sie bitte auf Ihre Wortwahl achten!

Das tue ich gern! – Ich würde mal sagen, was den Kaufpreis anbetrifft, den gucken wir uns mal genauer an, wenn das Vermögensgeschäft hier im Parlament liegt und wenn wir die Zahlen im Einzelnen kennen. Dann können wir beurteilen, ob das vielleicht ein gutes Geschäft oder ein schlechtes Geschäft war. Mal völlig abgesehen von der Frage – und darauf sind ja die beiden Anträge von den Piraten und Grünen in der Zielrichtung ausgerichtet –, ob in den Verträgen Vorsorge dafür getroffen ist, evtl. spätere mögliche Ansprüche gegenüber Veolia noch geltend machen zu können oder nicht. Das gucken wir uns an, wenn die Verträge hier auf dem Tisch liegen. Und ich sage auch: Wenn eine solche Klausel in den Verträgen

(Torsten Schneider)

nicht enthalten ist, dann ist ein solches Geschäft für uns als Linke inakzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die zweite Geschichte – und die ist ja viel interessanter –: Werden jetzt die Berliner Wasserbetriebe zukünftig wieder am Gemeinwohl ausgerichtet statt wie bisher am Renditeinteresse der Raub- und Beutegemeinschaft? – Und da sage ich mal: Sieht nicht so aus. Nußbaum hat sich vor die Kamera gestellt und hat gesagt: Wir refinanzieren das jetzt aus dem Anteil, den wir von Veolia zurückkaufen, über die nächsten 30 Jahre. – Und was bedeutet das? – Das bedeutet nichts anderes, als dass die Berlinerinnen und Berliner als Wasserkundinnen und Wasserkunden die Refinanzierung des Rückkaufs des Veolia-Anteils in den nächsten 30 Jahren bezahlen sollen. Nußbaum sagt: Berlin ist arm, wir brauchen das Geld.

Das finde ich dann aber schon ein starkes Stück, denn die Begründung, warum wir bisher die Wasserpreise nicht gesenkt haben, war ja immer: Die Verträge zwingen uns dazu, so hohe Preise zu nehmen. Die Verträge und die Gewinngarantien für RWE und Veolia zwingen uns dazu, die Berlinerinnen und Berliner abzuzocken. Und natürlich – das finde ich im Übrigen auch richtig – verzichtet doch das Land Berlin nicht auf Einnahmen, damit für Veolia und RWE die Rendite garantiert wird. – Das hat eine Logik. Aber jetzt ist ja weder RWE noch Veolia noch da. Da frage ich natürlich: Was hindert die Koalition daran, jetzt dafür zu sorgen, dass die Wasserpreise um mindestens 17 Prozent gesenkt werden, wie es uns das Bundeskartellamt vorgeschrieben hat?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und ich füge noch hinzu: Auch die Abwasserpreise, für die das Kartellamt ja nicht zuständig ist, sind genauso um 17 Prozent überhöht, denn selbst dort wird ja auf das betriebsnotwendige Kapital letztlich die Rendite und damit der Gewinnanteil ausgepreist – nach den bisherigen Verträgen. Und da sage ich: Wenn sich daran nichts ändert, dann führen Sie die Berlinerinnen und Berliner hinter die Fichte. Und da gucke besonders in Richtung CDU, Sie müssen sich an Ihrer eigenen Entschließung messen lassen, die Sie noch im letzten Oktober hier durchgedrückt haben. Da redeten Sie nur vom Frischwasser. Aber Frisch- und Abwasserpreise müssen um 17 Prozent gesenkt werden. Das müssen Sie tun.

Wenn nicht, dann bezahlen die Berlinerinnen und Berliner, nachdem sie schon die Teilprivatisierung bezahlt haben, jetzt den Rückkauf auch noch mal. Und dann können die Berlinerinnen und Berliner stolz von sich sagen: Wir haben unser Wasserwerk zweimal bezahlt. – Das ist unsozial. Ein solches Geschäft, ein solches Spiel machen wir nicht mit und – davon gehe ich aus – auch die Piraten und die Grünen nicht mit. Da können Sie noch so viel von Rekommunalisierung reden. Das ist dann

nichts anderes, als dass Sie die Wasserbetriebe genauso nutzen wie bisher RWE und Veolia, nämlich um die Berlinerinnen und Berliner für den Landeshaushalt abzuzocken. Und das geht nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort Herr Dr. Garmer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Rückkauf der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben von RWE und Veolia war und ist kein Herzensanliegen der CDU-Fraktion.

[Zurufe von der LINKEN]

Aber in der gegebenen Situation ist es die vernünftigste Lösung. Der Privatisierungsvertrag von 1999 war – vorsichtig gesprochen – suboptimal. Die privaten Anteilseigner sind insbesondere vom linken Wirtschaftssenator Wolf jahrelang vors Schienenbein getreten worden, was bei ihnen neben sicherlich auch aktuellen strategischen und finanziellen Überlegungen zum Ausstiegswunsch geführt hat.

[Beifall bei der LINKEN]

Die CDU-Fraktion wird sich daher dem Rückkauf der Anteile nicht grundsätzlich widersetzen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Wir werden aber den Kaufvertrag, sobald der Senat ihn vorgelegt hat, sehr genau prüfen. Für uns ist entscheidend, dass der Kaufpreis stimmt. In die Kaufpreisberechnung müssen natürlich auch die laufenden juristischen Auseinandersetzungen eingepreist werden. Die Auseinandersetzungen, insbesondere das Schiedsverfahren, müssen auch durch den Kaufvertrag beendet werden. Auch das Kartellverfahren muss mit seinem erwarteten Ausgang eingepreist werden.

Darüber hinaus ist unsere Forderung, dass es auch ein solides Finanzierungskonzept für den Rückkauf geben muss, das insbesondere auch sicherstellt, dass es auch in Zukunft Spielräume für eine Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Wasserpreisen gibt, so wie es die Koalition aus SPD und CDU im vergangenen Jahr beschlossen hat.

Wir als CDU-Fraktion sehen diesen Anteilsrückkauf aber keinesfalls als Ende jedweder Zusammenarbeit zwischen den Wasserbetrieben und privaten Partnern, im Gegenteil! RWE und Veolia haben bei den Wasserbetrieben sehr viel Positives erreicht. Sie haben hervorragende Führungskräfte gewinnen können. Sie haben die Was

(Dr. Klaus Lederer)

serbetriebe technisch auf Vordermann gebracht. Und sie haben auch die Effizienz des Unternehmens durch Prozessoptimierung und durch sozialverträgliche Personalreduktion deutlich erhöht.

Wir als CDU-Fraktion stehen daher auch in Zukunft einer Kooperation der Berliner Wasserbetriebe mit privaten Partnern positiv gegenüber, in welcher Form auch immer. Nur eines muss natürlich klar sein: Gewinngarantien, in welcher Form auch immer, darf und wird es in Zukunft natürlich nicht mehr geben.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Der Anteilsrückkauf bei den Wasserbetrieben hat auch nichts zu tun mit der aktuellen Diskussion über eine Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes. Die Koalition aus SPD und CDU hat – wie Sie wissen – beschlossen, dass sich das Land Berlin an der Konzessionsausschreibung für das Stromnetz und das Gasnetz beteiligt. Der Ausgang der beiden Verfahren ist offen. Aber eine zwingende Notwendigkeit für eine Rekommunalisierung gibt es hier nicht, denn mit der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes hat es ja gerade eine Entkommunalisierung der Daseinsvorsorge bei Strom und Gas gegeben, übrigens weitgehend unbemerkt von der Opposition in diesem Haus.

Beim Wasser ist es dagegen anders. Hier trägt nach wie vor die Kommune die Verantwortung für eine sichere und effiziente Ver- und Entsorgung. Sie kann sich aber der Unterstützung privater Partner bedienen, und dies halten wir grundsätzlich für sinnvoll.

Der Anteilsrückkauf ist also eine Entscheidung, die uns zwar nicht begeistert, die aber in der gegebenen Situation die beste Lösung ist – wenn der Preis stimmt, und das werden wir uns im Detail ansehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Herberg. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Es sieht so aus, dass sich 1999 im Prinzip SPD und CDU maßlos über den Tisch haben ziehen lassen und alle Berlinerinnen und Berlin dafür die Zeche zahlen durften. Das können wir heute, hier und jetzt, bzw. wenn wir die Vermögensvorlage haben, wieder rückgängig machen, sodass wir dann die Wasserbetriebe wieder 100 Prozent in der Hand der Berlinerinnen und Berliner haben.

Das, was Herr Dr. Lederer schon angesprochen hat, ist im Prinzip die Wurzel des Problems. Wenn Sie hier eine Vorlage präsentieren würden, die die Finanzierung des Rückkaufs von Veolia aus Landesmitteln, also aus Schulden des Landes, bezahlen würde, d. h. nicht über die BWB finanziert, wenn in diesem Vertrag drinnen stehen würde, dass die offenen Verfahren, die wir noch haben, dort mit angerechnet werden bzw. dass man das noch nachträglich berücksichtigen kann, dann gehe ich davon aus, dass man dem am Ende zumindest mit einer Enthaltung, wie ich es angekündigt habe, aber möglicherweise sogar mit einem positiven Votum begegnen könnte – vielleicht nicht alle, aber von mir persönlich würden Sie ein positives Votum auch bekommen. Das sind aber die beiden kleinen Bedingungen.

Was Sie immer wieder vergessen, ist: Wir bzw. Sie haben schon den RWE-Rückkauf über die BWB finanziert. Das heißt, das liegt dort schon und muss über die nächsten 30 Jahre abfinanziert werden. Das wollen Sie jetzt noch mal wiederholen und auf 60 Millionen Euro pro Jahr anheben. Das Problem, das ich damit habe, ist: Die Wasserpreise werden von jedem Bürger gleich gezahlt, Menschen mit niedrigen Einkommen, Einkommensschwache, Arbeitslose etc., müssen genauso viel bezahlen wie Leute, die viel verdienen. Das ist bei Steuern z. B. anders. Wenn wir das aus dem Landeshaushalt holen, wird das über Steuern finanziert. Das heißt, diejenigen, die viel verdienen, zahlen in diesem Pott viel mehr ein. Es wäre sozialverträglich, das über den Landeshaushalt zu machen und nicht über die BWB.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]