Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Auch die Frage, ob und in welchem Umfang Tarifverträge und vor allem auch Betriebsvereinbarungen weiter gelten, kann nicht politisch geklärt werden. Dafür gibt es Gesetze. Wir können aber – und das ist jetzt die politische Aussage – einem möglichen neuen Betreiber nicht vorschreiben, wie er im Detail sein Unternehmen organisiert und strukturiert. Das muss er selbst wissen. Da werden dann bestimmte Betriebsvereinbarungen in neuen Strukturen möglicherweise nicht mehr passen und müssen dann zwischen den Betriebsparteien neu verhandelt werden. Wir halten das nicht für unzumutbar. Natürlich ist das lästig, wenn man sich in neuen Strukturen zurechtfinden muss, aber es ist nicht unzumutbar. Die Beschäftigten verfügen dort über gute Betriebsräte, die in der Lage sind, solche neuen Betriebsvereinbarungen dort auszuhandeln und die Interessen zu wahren. Wir sind jedenfalls zuversichtlich, dass die Interessen der Beschäftigten bei einem möglichen neuen Konzessionsinhaber weiterhin in guten Händen sind, und zwar nicht deswegen, weil ein neuer Konzessionsinhaber jetzt aus lauter Gutmenschen besteht, sondern weil er aus wohlverstandenem eigenen Interesse die Beschäftigten gut behandelt, sodass wir auch in Zukunft in Berlin eine gute und sichere Stromversorgung haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat erneut das Wort der Kollege Mayer. – Bitte schön!

Wie Sie gemerkt haben, bin ich heute zum vierten Mal an der Reihe. Herr Präsident! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Ich halte es für eine sehr wichtige und gute Debatte, die gerade geführt wurde. Ich habe auch einige Dinge dazugelernt. Als ich den Antrag auf den Tisch bekam, dachte ich zunächst, es sei doch selbstverständlich, was darin steht. Natürlich soll und muss das so laufen. Es ist mehr oder weniger nicht nur gesetzlich geregelt, sondern es gebietet auch der gesunde Menschenverstand, es so zu tun.

Tatsächlich haben wir jetzt aber festgestellt, dass der Teufel doch so ein bisschen im Detail steckt. Es ist sicherlich richtig, was Herr Garmer sagte, man könne dem neuen Konzessionsnehmer eine zukünftige Unternehmensstruktur nicht allzu sehr vorschreiben, und man sollte dies auch nicht allzu sehr tun. Man muss sich natürlich umgekehrt fragen, ob es nicht doch eine gute Idee ist, etwas mehr vorzuschreiben, vor dem Hintergrund, dass Vattenfall sein Geschäft in über 20 Gesellschaften aufgesplittet hat, von denen man nicht genau weiß, was sie tun.

(Michael Schäfer)

Einige haben nur zwei oder drei Mitarbeiter. Zunächst sieht dieses Unternehmensgeflecht oberflächlich nicht besonders vertrauenerweckend aus. Man fragt sich schon, ob in diesem Unternehmensgeflecht Gewinne und Kosten wirklich an den richtigen Stellen anfallen, wo sie korrekterweise anfallen sollten. Insofern wäre etwas mehr Übersichtlichkeit bei dem Konzessionsnehmer vorzuschreiben schon gar nicht so schlecht.

Bei der Übernahme muss man zwei verschiedene Arten von Arbeitnehmern betrachten: Es gibt diejenigen, die schon lange dabei und vielleicht nicht so hochqualifiziert sind, vielleicht auch tatsächlich zu Recht um ihren Job fürchten und andererseits auch hoch qualifizierte Spezialisten, um die man sich reißt und die schwer zu bekommen sind. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist sicherlich auch wichtig. Herr Karsten fragte zu Recht, um wie viele es am Ende überhaupt geht. Stellt man mit dieser Forderung, wenn man es so macht, eine Garantie auf, dass man alle einstellen muss, die irgendwie im weitesten Sinne damit zusammenhängen, wenn sich Vattenfall aus Deutschland zurückzieht? Es ist nicht ganz unkritisch, so zu verfahren.

Man kann aber auch sagen, dass man das Ganze ohne große Hysterie sehen kann. In dem Moment, in dem Vattenfall die Stromlizenz verliert, werden sie sicherlich nicht lauter Mitarbeiter auf Dauer auf der Payroll behalten wollen, die nichts zu tun haben, oder denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen. Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es im Vorfeld gekocht wird. Trotzdem halten wir es auch für eine gute Idee und wichtige Sache, ein Signal an die Beschäftigten mit entsprechenden Vereinbarungen im Konsortialvertrag zu senden.

Ich habe es schon erwähnt: Wenn man mit den Mitarbeitern spricht – ich habe es auch das eine oder andere Mal getan – und die Frage stellt, wo es besser gewesen sei, zu Bewag-Zeiten oder heute bei Vattenfall, gibt es überwiegend tatsächlich die Antwort, dass es bei der Bewag eigentlich besser gewesen sei. Insofern brauchen wir uns nicht so viele Sorgen zu machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich bedanke mich auch! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 11

Gesetzliche Kennzeichnungs- und Legitimationspflicht für Dienstkräfte im Polizeivollzugsdienst im Land Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 9. September 2013 Drucksache 17/1180

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0880

Es gibt fünf Minuten Redezeit pro Faktion. Es beginnt der Kollege Lauer für die Piraten. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich anfange, möchte ich noch ein Wort zu den beiden Polizisten sagen, die heute in Mitte angegriffen wurden und im Moment mit schweren Verletzungen im Krankenhaus liegen. Gewalt gegen Polizei geht nicht. Es ist bemerkenswert, dass überhaupt noch jemand diesen Job machen will, wenn man mitbekommt, wie groß das Berufsrisiko ist.

[Beifall bei den PIRATEN, bei der CDU und den GRÜNEN]

Die Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wollte mit dem vorliegenden Antrag eine gesetzliche Grundlage für die Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten schaffen. Wir haben dafür keine Mehrheit bekommen. Das ist schade, denn selbst die Koalition spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag eben für eine Kennzeichnung aus, da diese dazu beitragen würde, die Polizei bürgernäher zu machen. Anscheinend reicht der Koalition an dieser Stelle ein bisschen Kennzeichnung ohne Gesetz.

Jetzt könnte man sagen, es gebe doch eine Dienstanweisung für die Polizei und die Polizisten trügen doch eine Kennzeichnung und damit sei alles tutti. Das ist es aber nicht. Diese Dienstanweisung kann leise und lautlos geändert werden ohne jegliche parlamentarische Kontrolle, die ein Gesetz an dieser Stelle bieten würden. Wenn diese Dienstanweisung geändert würde, bekämen wir das im Parlament noch nicht einmal mit.

Deswegen haben wir als Piraten ein Gesetz gefordert. Die Koalition und auch der Polizeipräsident sagen, dass dieses Gesetz nicht notwendig ist. Es ist bitter, dass bei der Beratung im Ausschuss vonseiten des Senats und vonseiten der Polizei keine inhaltlichen Argumente vorgetragen wurde, warum man kein Gesetz machen sollte. Zeitweise hatte ich den Eindruck, dass der Antrag noch nicht einmal gelesen worden ist. Es wurde einfach gesagt, es sei nicht nötig. Es sei zu aufwendig, das in einem Gesetz umzusetzen; die aktuelle Regelung sei wunderbar.

(Pavel Mayer)

Es sind natürlich sehr schwerwiegende Argumente. Das Problem ist, dass die jetzige Dienstanweisung – abgesehen davon, dass eine Änderung einfach möglich ist, wie ich es schon eingangs erwähnte – Ausnahmen zulässt. Das haben wir im Ausschuss gezeigt. Wenn man im Sommer neben einer Demonstration steht, wird die Kennzeichnung nicht getragen. Bei Großlagen ist es uneinheitlich. Dann wird gesagt, es sei keine Flauschfläche vorhanden. Im Ausschuss wurde gesagt, bis 2014 würde alles umgerüstet. Es gibt also viele Situationen in Berlin, in denen der Ansatz und der Wunsch nach einer bürgernahen Polizei nicht umgesetzt werden. Jetzt könnte man sagen: Hey, das ist doch kein Problem. Dann schaue ich mir diese Dienstanweisung einfach im Internet an und kann als Bürgerin oder Bürger in Berlin nachvollziehen, was Sache ist und gegebenenfalls fragen, ob nicht eine Kennzeichnung getragen werden müsste.

Das Problem dieser Dienstanweisung ist, dass sie im Gegensatz zu einem Gesetz natürlich nicht öffentlich ist. Es gibt für die Berlinerinnen und Berliner oder diejenigen, die hier zum Demonstrieren herkommen, keine Möglichkeit, nachzuvollziehen, zu welchem Zeitpunkt eine Kennzeichnung getragen werden müsste und zu welchen nicht. Es ist absurd, dass es hier anscheinend eine Einigung darüber gibt, dass eine Polizeikennzeichnung etwas Sinnvolles ist, aber man dann keine parlamentarische Kontrolle in Form eines Gesetzes möchte und dass man anscheinend gut damit leben kann, dass der Text, der die Kennzeichnung der Polizistinnen und Polizisten im Land Berlin regelt, nicht öffentlich zugänglich ist.

Selbst Italien, das Probleme mit der organisierten Kriminalität hat, bekommt eine gesetzliche Regelung hin. Es wird auch immer als Argument vorgetragen, die Polizisten würden ausfindig gemacht und ihnen Leid angetan. Richterinnen und Richter haben dieses Problem, Staatsanwälte haben dieses Problem. Und wir haben heute Morgen über diese feige Drohung gegen Hakan Taş gesprochen. Also auch Politiker, die in der Öffentlichkeit stehen, haben im Zweifelsfall das Problem, bedroht zu werden.

Es ist bedauerlich, dass Berlin an dieser Stelle nicht so modern, offen und transparent ist, wie es sich gern gibt. Ich kann schon mal ankündigen, dass die Piratenfraktion einen Antrag stellen wird, dass die Dienstanweisung zur Kennzeichnung veröffentlicht wird, damit die Öffentlichkeit und wir als Parlamentarier auch nachvollziehen, was da passiert, damit wir auch entsprechend über Änderungen informiert werden. Es kann nicht sein, dass das alles ohne parlamentarische Kontrolle passiert. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke, Herr Kollege Lauer! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Karge. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Dienstkräfte im Polizeivollzugsdienst im Land Berlin. Das Thema der Kennzeichnung ist ein Jahrzehnte altes Thema. Schon die letzte Koalition in Berlin hat dieses Thema angefasst und damit übrigens Maßstäbe in Deutschland gesetzt. Schon seit dem 1. September 2011 gibt es eine Dienstvorschrift für die Berliner Polizei. Diese setzt eine Kennzeichnungspflicht der Polizei voraus. Der besondere Ansatz war hier: Die Polizei erhält keine Lehrstunden von außen, sondern reformiert sich selbst von innen. Das hat schon vorab dazu geführt, dass jeder zweite Polizist sich vor der Einführung der Kennzeichnungspflicht freiwillig für eine individuelle Kennzeichnung entschieden hatte. Die Dienstanweisung hat dies nun verpflichtend gemacht.

Bisher lassen sich durch die Kennzeichnungspflicht noch keine vermehrten Angriffe auf die Persönlichkeitsrechte der Beamtinnen und Beamten feststellen. Das kann man jedoch nicht für alle Zukunft ausschließen. Hier gilt: Diese Regelung muss evaluiert werden, es muss Sensibilität für diese Maßnahme entwickelt werden, und Probleme, die sich mit der Kennzeichnung ergeben, müssen dokumentiert werden. Dieses sind wir unseren Beamtinnen und Beamten schuldig.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben damals dem seinerzeitigen Polizeipräsidenten vertraut, dass er die Kennzeichnungspflicht nach und nach in der Berliner Polizei umsetzt. Auch heute setzt die aktuelle Koalition diese Maßgabe fort. Wir vertrauen dem Polizeipräsidenten Klaus Kandt, dass er den begonnenen Weg konsequent fortsetzt. Politisch kann übrigens sowieso niemand mehr hinter diesen Status zurückfallen, Herr Lauer. Wie sollte das auch gehen?

Kann man, wie die Antragsteller und auch die Opposition, davon ausgehen, dass alles sofort und ausgezeichnet klappt? – Ich denke, das kann man nicht. Es gibt einige wenige Probleme. Diese beziehen sich auf organisatorische Fragestellungen, beispielsweise auf die Anbringung von Namen an manchen Kleidungsstücken. Eine Arbeitsgruppe befasst sich längt schon mit diesem Problem und erarbeitet hierfür Lösungsansätze. Allerdings gehen wir davon aus, dass dieses nur temporäre Probleme sind, die in den nächsten Wochen und Monaten der Vergangenheit angehören.

Sie, liebe Piraten, nehmen das aber zum Anlass, ein Gesetz einzubringen, das niemand braucht. Schön, für Sie ist es vielleicht ein Argument, Sie seien die ersten gewesen,

(Christopher Lauer)

die ein Gesetz hierzu eingebracht haben. Damit zeigen Sie jedoch, dass Sie die Menschen für uninformiert halten. Zugleich zeigen Sie damit eine naive Gesetzesgläubigkeit, als gäbe es keine Übergangsprobleme, wenn das Parlament einfach mal ein Gesetz beschließt. Auch ein Gesetz hat nur Wirkung, wenn es auch sanktioniert wird. Ein Unterlaufen der Dienstanweisung wird dienstrechtlich geahndet. Somit ist ein Gesetz nicht zwangsläufig notwendig, um das Ziel zu erreichen – das mal ganz grundsätzlich gesagt.

Auch im Innenausschuss werden wir diese Thematik weiter verfolgen und unserer parlamentarischen Kontrollpflicht nachkommen. Grundsätzlich begrüßen wir die Diskussion über eine Kennzeichnungspflicht und über hilfreiche – die Betonung liegt hier auf hilfreich – Verbesserungsvorschläge. Wir jedenfalls werden den bisherigen erfolgreichen Weg fortsetzen. Dazu brauchen wir nicht den Vorschlag der Piraten und schon gar kein Gesetz. Insofern lehnen wir den Antrag ab.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Karge! – Der Kollege Lauer hat um das Wort wegen einer Kurzintervention gebeten, und ich erteile es ihm jetzt. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Karge! Eigentlich ist es ziemlich egal, wer als Erster die Idee hatte. Ich glaube, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass Berlin unter SPD-Führung als Erster dran war.

Noch mal: Ein Gesetz ist ein öffentlich zugänglicher Text für alle. Alle können nachlesen, was in dem Gesetz geregelt ist und was nicht. Ein Parlament beschließt Gesetze, das heißt, wenn in einem Gesetzentwurf etwas fehlt, können andere Fraktionen Änderungsanträge stellen.

[Hui! von der SPD – Karlheinz Nolte (SPD): Sie haben ja was gelernt!]

Das haben Sie nicht gemacht. Sie sagen, das Gesetz sei nicht notwendig. Was ist eigentlich, wenn diese Dienstanweisung über die Kennzeichnung, so wie es im CDUWahlprogramm gefordert worden ist, einfach abgeschafft wird? Das könnte passieren. Es ist eine Dienstanweisung, es ist kein Gesetz. Es passiert an der Öffentlichkeit vorbei. Und das ist der Grund, warum wir hier ein Gesetz beantragt haben, warum wir hier eingereicht haben, welche Kriterien es besitzen muss.

Die Polizei ist nicht irgendwer. Sie hat das Gewaltmonopol des Staates. Wir sind auch alle froh darüber, dass sie das hat. Aber es sind auch gewisse Pflichten zu erfüllen, wenn wir sagen, wir wollen eine bürgernahe Polizei.

Selbst die Chinesen bekommen das hin, irgendwelche Nummern auf ihre Leute zu pappen.

[Zurufe von der SPD und der CDU]