Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

„Dann gehen Sie doch nach China!“ – das ist ein ganz toller Vorschlag von der Koalition.

[Zurufe]

Meine Damen und Herren! Etwas ruhiger, bitte! Der Kollege Lauer hat das Wort.

Was Sie in dieser Beratung unter den Teppich kehren, ist, dass ein Gesetz sehr wohl nottäte. In Brandenburg war es übrigens die CDU, die dieses Gesetz eingebracht hat, das dann beschlossen worden ist.

[Hakan Taş (LINKE): Das haben die Berliner nicht mitbekommen!]

Da sind ja auch mehrere hundert Kilometer zwischen Berlin und Brandenburg, und manchmal steht hier der eine oder die andere auf der Leitung.

Man kann es nicht so leicht wegwischen, wie Sie es getan haben. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Sie sagen: Wir wollen kein Gesetz, weil uns das alles zu anstrengend ist, bis der Senat eins geschrieben hat, und dann beschwert sich die Polizei und hast-du-nicht-gesehen. Aber in Deutschland gibt es, wie gesagt, genug Berufsgruppen auch im öffentlichen Dienst, die überhaupt keine Wahl haben, anonym unterwegs zu sein.

Wir wollen einfach, dass im Sinne von Transparenz und Nachvollziehbarkeit alle wissen, wie die Regeln sind. Es gibt den Polizistinnen und Polizisten auch Rechtssicherheit, wenn sie, wie nach unserem Gesetzesvorschlag, ein Recht darauf haben, bei besonders gefährlichen Lagen – Razzia bei den Hells Angels zum Beispiel – keine Kennzeichnung tragen zu müssen. Dann ist das alles in einem Gesetz drin. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Herr Kollege Karge! Sie haben das Recht zu antworten. Ich sehe, Sie machen davon Gebrauch. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Lauer! Vielen Dank für Ihre Einlassungen, aber wir haben ein unterschiedliches Verständnis von den Fragestellungen, um die es hier gerade geht. Es geht uns natürlich darum, dass die Kennzeichnungspflicht eingeführt wird, aber unterhalb der Gesetzesebene. Wir haben in den

letzten Jahren – gerade die Berliner Polizei hat das bewiesen – grundsätzlich eine eindeutige Position zu der Kennzeichnungspflicht eingenommen. Man kann nicht auf einmal hinter diese Verordnung zurückfallen. Das ist absurd. Wir haben uns im Innenausschuss von Ihrer Fraktion die Powerpoint-Präsentation von einer Demonstration angeschaut, wo die Kennzeichnung vielleicht nicht so optimal angebracht war, wie Sie es sich vielleicht vorgestellt haben. Das haben wir bewertet und gewichtet, aber Fakt ist – und dabei bleibe ich –: Hinter eine Kennzeichnungspflicht kann heute kein Polizeipräsident, kein Innensenator oder wer auch immer zurückfallen. Das Thema ist durch. Was Berlin gemacht hat, ist stilbildend in Deutschland gewesen. Und dafür brauchen wir – und das ist eben unser Ansatz – kein Gesetz. Wir glauben, mit der Verordnung sind wir auf dem richtigen und auf dem besten Weg. Insofern bleiben wir unterhalb der Gesetzesnorm. Aber, wie gesagt, ich gehe davon aus, und, ich glaube, auch meine Fraktion geht davon aus, dass hinter diese Frage niemand mehr wird zurückfallen können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Lux. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich zitiere:

In der modernen und bürgernahen Polizei der weltoffenen Bundeshauptstadt ist das Tragen von Namensschildern zur Dienstkleidung heute eine von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gästen unserer Stadt erwartete selbstverständliche Geste der Service- und Kundenorientierung.

Das steht in der Dienstanweisung, für die viele Mitglieder dieses Hauses lange gekämpft haben und die endlich geschafft ist. Der Meilenschritt ist geschafft worden, Herr Lauer, da hat der Kollege Karge von der SPD recht. Der Paradigmenwechsel, die individuelle Kennzeichnung einzuführen, wurde geschafft. Das ist auch ein Erfolg, bei dem wir als Haus dankbar sein können für viele von uns, die jahrelang dafür gekämpft haben: Das war Marion Seelig von der Fraktion Die Linke, Thomas Kleineidam von der SDP, das waren aber auch Wolfgang Wieland oder Volker Ratzmann. Viele von ihnen sind heute nicht mehr hier an dieser Stelle. Wir haben hier ein gutes Erbe angetreten mit der individuellen Kennzeichnung, die dann vom ehemaligen Polizeipräsidenten Dieter Glietsch umgesetzt worden ist. Dafür vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Dass man jetzt Misstrauen entwickelt, dafür kann ich die Piraten verstehen, denn Anfang 2011 hat Herr Innensenator Henkel noch gesagt, die Kennzeichnung gefährde die Beamten, der Senat gefährde durch die Kennzeichnung Beamte. Herr Kollege Juhnke von der CDU nannte die Befürworter der Kennzeichnung Heuchler. Herr Henkel sagte noch auf „Abgeordnetenwatch“ vor der Abgeordnetenhauswahl

Sollte ich Bürgermeister in Berlin werden, würde ich alles daran setzen, die Zwangskennzeichnung rückgängig zu machen.

Herr Henkel! Das ist der beste Bruch eines Wahlversprechens, den ich je mitbekommen habe. Insofern führen Sie diese Linie ruhig weiter fort!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Fakt ist, Sie haben sich geirrt und mal wieder nicht durchgesetzt. Es werden keine Polizisten aus Rache angezeigt, wie Sie befürchtet hatten. Es sind keine persönlichen Daten von Polizisten durch die Kennzeichnung bekannt geworden. Die Familien wurden auch nicht gefährdet. Es ist auch niemand mit einem Namensschild attackiert worden, aber Sie standen an der Seite von Eisbein-Bodo, dem bekannten Polizeigewerkschaftler, der mit einem Namensschild auf ein Eisbein einhakte und insinuiert hat, das wird passieren, wenn das Namensschild eingesetzt wird.

[Heiterkeit bei Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Auf dem Kongress haben Sie das Versprechen abgegeben, haben gesagt, das wird unter Ihnen alles abgeschafft werden.

Das war Käse und zum Glück auch gut so, denn die Berliner Polizei braucht weiterhin demokratische Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger, aber auch durch die Gerichte, durch uns, die Politik, durch Anwältinnen und Anwälte. Dazu muss man engagiert sein. Und ich glaube, die Berliner Polizei ist dafür auch wesentlich weiter als Frank Henkel. Berlin wird Vorreiter sein. Und die Anträge der Piratenfraktion sind ganz gut, um die Einführung der Kennzeichnung zu vollenden. Es wäre besser, ein Gesetz zu haben. Herr Lauer, da sind wir ganz bei Ihnen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das Problem ist und bleibt, dass Herr Henkel sich auch auf anderen wichtigen Feldern der öffentlichen Sicherheit und für die Bürgerrechte der Stadt nicht durchsetzen konnte. Und auf diese Probleme müssen wir in Zukunft mehr achten, wenn wir unseren Polizistinnen und Polizisten die individuelle Kennzeichnung abverlangen. Bei der Besoldung gibt es nur Gnadenbrödel für die Berliner Polizei. Herr Henkel muss 1 000 Stellen bei der Berliner Polizei und in seinem Bereich sparen. Sie wissen aber noch nicht wo. Sie machen Schulden bei der inneren

(Thorsten Karge)

Sicherheit, Herr Henkel. Und Sie haben sich einen schlanken Fuß gemacht, als es im Innenausschuss darum ging, diese Zahlen darzulegen, waren Sie nicht da. Ich als Berliner Polizist würde misstrauisch gegenüber meinem obersten Dienstherren werden, aber nicht wegen der individuellen Kennzeichnung und des Namensschildes. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Lux! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Juhnke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich ob des Neuigkeitswerts dieses Themas kurz fassen hier bei der Beratung. Wir haben es in den vergangenen Jahren wie kein zweites Thema besprochen. Und die CDU-Fraktion hatte in dem Zusammenhang immer eine klare Meinung. Die CDU-Fraktion war nicht gegen ein Namensschild, das stimmt nicht. Die CDU-Fraktion war lediglich dafür, das freiwillig tragen zu können und das unter die jeweilige Entscheidung der Beamtin oder des Beamten zu stellen, ob sie oder er ein Namenschild tragen möchte oder nicht.

Wir haben dann gemeinsam in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD, die dazu eine durchaus andere Auffassung hatte, eine Lösung gefunden, von der ich glaube, dass man mit ihr leben kann, eine Lösung, die praktikabel ist und die auch die Schutzinteressen und weitere Fragestellungen, die sich in dem Zusammenhang stellen, auch berücksichtigt. Sie sagen indirekt auch, dass es offensichtlich eine gute Lösung war, denn Sie möchten sie sogar zum Gesetz erheben. Insofern fühlen wir uns geschmeichelt.

Wenn Sie auf diesem Thema immer wieder herumreiten und das zum Fetisch erklären, es kommt ja immer wieder in den Anträgen, dann stelle ich fest, dass offensichtlich die Herausforderungen der inneren Sicherheit an Ihnen um Lichtjahre vorbeigehen, die es in dieser Stadt wirklich gibt. Wir sollten uns einmal über die wirklichen Probleme und wirklichen Themen unterhalten. Herr Lux hat versucht, das ein bisschen hier einzubringen, weil er natürlich seine Zeit nutzen wollte. Was soll er auch in fünf Minuten über dieses ausgelutschte Thema erzählen? Er hat nur den falschen Zungenschlag gewählt. Aber das wäre eigentlich viel spannender.

Noch einmal zu der Frage Dienstanweisung versus Gesetz: Wir haben das aus dem Grund gemacht, um die Akzeptanz innerhalb der Polizei dafür stärker wachsen zu lassen. Ich glaube, das ist aus den Worten meines Vor

redners von der SPD klar geworden. Insofern muss ich das nicht weiter vertiefen. Auch ein Gesetz im Übrigen kann man ändern, wenn der politische Wille da ist und wenn man einsieht, dass es falsch war. An der Stelle würden wir das aber nicht tun, selbst wenn es ein Gesetz wäre. Insofern ist diese Frage mit der demokratischen Legitimation und Änderbarkeit, die Herr Lauer hier aufgeworfen hat, an den Haaren herbeigezogen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lux?

Aber gerne!

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Juhnke! – Würden Sie denn die Argumente derjenigen, die damals die Kennzeichnung befürwortet haben, immer noch „heuchlerisch“ nennen?

Ich glaube, dass wir eine Lösung gefunden haben, die die Schutzinteressen dahingehend befriedigt, dass man eine Wahl hat zwischen dem Namen und der Nummer und man diese Nummer auch rollierend wählen kann. Das wissen Sie ja, Sie kennen ja dieses Dienstanweisung sehr genau. Ich glaube, das ist etwas, das auch dem entgegenkommt, was auch nicht mit dem übereinstimmt oder deckungsgleich ist, was damals gefordert wurde. Ich glaube, das ist materiell schon ein großer Unterschied. Das ist auch ein Erfolg der CDU in der Vereinbarung, die wir treffen konnten.

Ich sage einmal ganz deutlich: Ich glaube, das Klientel, das ich immer wieder beobachte, das von den Piraten vielleicht vertreten wird – bei Herrn Lauer ist das weniger deutlich, bei Herrn Höfinghoff etwas deutlicher –,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Was?]

das ist gar nicht zufrieden, wenn Sie statt einer Dienstanweisung ein Gesetz verabschieden. Dieses Klientel ist auch dann nicht zufrieden, wenn auf dem letzten Stück der Dienstunterwäsche eine Flauschfläche angebracht sein wird, um dann einen Klettaufkleber daraufmachen zu können, dieses Klientel ist erst dann zufrieden, wenn es gar keine Polizei mehr in diesem Staat gibt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Nein! Unfassbar! – Über Ihre Klientel reden wir noch! – Benedikt Lux (GRÜNE): Wenn Henkel so weitermacht, haben wir bald keine Polizei mehr! – Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

(Benedikt Lux)

Das muss ich mal ganz deutlich sagen. Deswegen glaube ich Ihnen Ihre Krokodilstränen nicht, wenn Sie sagen, Sie möchten das Ansehen und die Bürgernähe der Berliner Polizei hier stärken. Sie haben ein ganz klares Misstrauen der Polizei gegenüber. Das kommt in allem, was Sie sagen, zum Ausdruck und wird deutlich.

[Zurufe von links]

Und das ist auch ein Grund, weshalb wir Ihre Anträge ablehnen werden.

Meine Damen und Herren! Zurufe okay, aber – – Haben Sie eine Zwischenfrage?