Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, dann stellen Sie sie, aber schreien Sie nicht hier rum! – Ich bin jedenfalls damit am Ende und finde das, was hier vorgebracht wurde, durchaus an den Haaren herbeigezogen. Kümmern Sie sich um die wirklich wichtigen Probleme der inneren Sicherheit!

[Beifall bei der CDU]

Der Kollege Lauer hatte eine Kurzintervention angemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Das ist ja heute der Tag der Kurzinterventionen, da ist was los!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Juhnke! – Hallo, Herr Juhnke! Hallo!

[Dr. Manuel Heide (CDU): Hallo!]

Ich weiß nicht, aber ich hatte mir gedacht, auch Sie sollten in den Genuss kommen, meine Rede im Sitzen zu hören und zu sehen.

Erstens bin ich total überrascht, was Sie für Einsichten haben in irgendwelche Fetische der Fraktion, da wissen Sie anscheinend mehr als ich.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Das ist Ihr Schicksal!]

Wer Überwachung so befürwortet, hat da vielleicht auch andere Zugangsquellen als ich zum Beispiel. Aber Spaß beiseite. Ich weiß gar nicht, was Sie hier haben von wegen, wie verträten hier eine Klientel, die die Polizei in Berlin abschaffen möchte. Das weise ich hier in aller Schärfe zurück. Ich möchte mir eine Stadt wie Berlin nicht vorstellen ohne Polizei. Und wir vertreten – das können Sie in der Verfassung nachlesen – nicht nur unsere Wählerinnen und Wähler, sondern eben auch die CDUWähler in Steglitz-Zehlendorf oder so. Das ist vielleicht

eine harte Realität, aber ich glaube, nach zwei Jahren Abgeordnetenhaus haben wir uns alle daran gewöhnt.

Ich finde das sehr interessant, dass Sie sagen, wir sollten uns als Oppositionsfraktion um die tatsächlichen innenpolitischen Probleme dieser Stadt kümmern. Mir war bis jetzt nicht klar, dass der Innensenator es nicht tut. Machen wir gerne. Ich möchte Sie einmal darauf hinweisen, wenn Sie sich die Tagesordnung des Innenausschusses der letzten zwei Jahre anschauen, dann haben wir in diesem Ausschuss bis zum NSU sehr differenziert über die Probleme, auch die innenpolitischen Probleme dieser Stadt diskutiert, aber die Informationspolitik Ihres Senators hat dann dazu geführt, dass der Ausschuss sich in ellenlangen Debatten um diesen NSU-Komplex verstrickt hat, weil Ihre Verwaltung an der Stelle nicht die Antworten rausgeben wollte, die von der Opposition erfragt worden sind. An der Stelle hat die Opposition gearbeitet und ein innenpolitisches Thema dieser Stadt aufgegriffen, aber das war dann wahrscheinlich nicht in Ihrem Sinne. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie das so wegwischen. Es ist doch auch in Ihrem Interesse, dass die CDUWählerinnen und -Wähler, die die Polizei ja total toll finden, nachvollziehen können, nach welchen Regeln die eine Kennzeichnung tragen. Deswegen kann ich nicht verstehen, dass das von Ihrer Seite dann immer so weggewischt und gesagt wird, das sei ein Fetisch. Es gab dazu genau zwei Besprechungspunkte im Innenausschuss. Der eine war unsere Powerpointpräsentation, die Herr Karge schon erwähnt hat, wo wir gezeigt haben, dass die Kennzeichnung in Berlin eben nicht konsequent stattfindet. Der zweite war die Besprechung zu eben diesem Gesetzentwurf. Wenn Ihnen das bei fast 30 Sitzungen des Innenausschusses in zwei Jahren zu viel Beschäftigung mit diesem Thema ist, sollten Sie sich möglicherweise überlegen, ob Sie sich einen anderen Job suchen, aber Moment! Das ist doch hier ein Halbtagsparlament. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Herr Dr. Juhnke! Wollen Sie? – Nein! Dann kommt jetzt für die Fraktion Die Linke Herr Taş. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Juhnke! Dass Sie heute zur Kennzeichnungspflicht stehen, ist erfreulich. Vor den Wahlen haben wir von der CDU noch ganz andere Töne gehört.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Werden wir auch wieder! – Zuruf von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Herr Juhnke! Zum Thema Kennzeichnungspflicht und zum Antrag ist bereits sehr viel gesagt worden. Lieber

(Dr. Robbin Juhnke)

Herr Karge! Da die Koalition den vorliegenden Antrag, den wir selbstverständlich unterstützen, wie Sie selbst angekündigt haben, ablehnen will, möchte ich doch noch einmal meine Erwartungen zum Ausdruck bringen.

Herr Innensenator! Ob mit oder ohne gesetzliche Regelung: Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Kennzeichnungspflicht für die Berliner Polizistinnen und Polizisten durchsetzen, und zwar ohne Hintertüren.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich erwarte, dass Sie die Schlupflöcher schließen, die offensichtlich bestehen. Ich erwarte, dass auch die Beamten in Sommerkleidung und die Antikonfliktteams gekennzeichnet sind, und ich erwarte, dass Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht disziplinarisch geahndet werden.

Dass es die Koalition mit ihren Bekenntnissen zur Kennzeichnungspflicht wirklich ernst meint, daran habe ich meine Zweifel. Wir betrachten mit Sorge die Tendenzen zu einer Abkehr von der erfolgreichen Deeskalationsstrategie der Berliner Polizei. Anstatt größtmögliche Zurückhaltung und Dialog erleben wir in letzter Zeit immer häufiger den Einsatz von Wasserwerfern oder die Anwendung von Pfefferspray in Menschenmengen, und mit dem Gesetz zu den sogenannten Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen hat die Koalition jetzt den Weg zur Totalüberwachung von Demonstrationen frei gemacht.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN– Kurt Wansner (CDU): Da kannst du ja die Volkspolizei wiederhaben!]

Herr Wansner! Da sind Sie wahrscheinlich geübt. Das können Sie ja vielleicht machen. Auch das ist eine massive und völlig unnötige Beschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Immer mehr Kameras auf Demonstrationen, und niemand kann nachvollziehen, wann und auf welcher Rechtsgrundlage gefilmt oder sogar aufgezeichnet wird. Deeskalation sieht anders aus, meine Damen und Herren von SPD und CDU. Deshalb ist es richtig, dass wir von der Opposition vor dem Verfassungsgerichtshof dagegen vorgehen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ja!]

Diese Beispiele zeigen, dass wir die Kennzeichnungspflicht nicht als selbstverständlich betrachten können, sondern es wird deutlich, dass wir sie immer wieder verteidigen müssen. Darum appelliere ich an dieser Stelle noch einmal an die Fraktionen von CDU und SPD: Machen Sie uns die Errungenschaften der letzten Jahre nicht wieder kaputt! Es ist ein großer Erfolg, dass die Kennzeichnungspflicht in Berlin eingeführt und damit ein Vorbild für andere Bundesländer geschaffen wurde. In vielen Bundesländern ist sie geplant. Im rot-roten Bran

denburg gibt es sogar eine gesetzliche Regelung. An dieser Stelle einen Dank an die Brandenburger CDU für ihre konstruktive Mitarbeit, was uns bei der CDU in diesem Abgeordnetenhaus fehlt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die Fraktion Die Linke ist aber auch der Auffassung, dass die Kennzeichnungspflicht zwar ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung der Polizei ist, was aber als Nächstes logischerweise folgen muss, ist eine unabhängige Untersuchungsstelle für unrechtmäßiges Polizeiverhalten, denn alle wissen, dass viele Fälle von Polizeigewalt nach wie vor nicht aufgeklärt werden, wenn die Polizei gegen sich selbst ermittelt. Dafür brauchen wir eine unabhängige Untersuchungsinstanz. Auch die Polizistinnen und Polizisten sollten die Möglichkeit bekommen, Missstände an eine solche unabhängige Instanz zu melden, ohne auf den Dienstweg angewiesen zu sein. Ich weiß, dass dafür hierzulande noch eine Menge Überzeugungsarbeit nötig ist, aber in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, Belgien oder Norwegen ist so etwas längst selbstverständlich. Das ist noch Zukunftsmusik. Fürs Erste wäre ich froh, wenn die Kennzeichnungspflicht umfassend und zuverlässig durchgesetzt würde. Der vorliegende Antrag ist dafür eine gute Gelegenheit.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/0880 empfiehlt der Innenausschuss mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Opposition, Linke, Grüne und Piraten. Die Piraten in Gänze?

[Heiko Herberg (PIRATEN): Ja, natürlich!]

Das sagen Sie immer so. – Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 5 war bereits die Priorität der Fraktion der SPD unter Nummer 4.1.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1113

Erste Lesung

(Hakan Taş)

hierzu:

Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1113-1

Ich eröffne die erste Lesung. Ich habe den Antrag sowie den Änderungsantrag vorab federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung und an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass Redemanuskripte zu Protokoll gegeben werden können. Dazu besteht nun die Gelegenheit. Den Überweisungen haben Sie bereits zugestimmt.

Erinnern Sie sich noch an das Spektakel bei der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause am 13. Juni? Es ging um unseren Antrag: „Energie-Volksentscheid zusammen mit der Bundestagswahl am 22. September 2013!“

Kollege Buchholz von der SPD sah kein Problem mit dem Abstimmungstermin am 22. September. Kollege Dr. Garmer von der CDU sekundiert:

Der 22. September … ist sicherlich möglich, aber nicht zwingend.

Die Koalition schmetterte den Antrag aller Oppositionsfraktionen wie selbstverständlich ab. Es wurde allein zur Sache des Senats, über den Termin zu entscheiden. Der wartete bis zum Ende der Frist und entschied gegen den 22. September. Dass es auch anders geht, bewies der Hamburger Senat, der den Entscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ mit der Bundestagswahl zusammengelegt hat, obwohl auch das nicht zwingend war.

Die Berliner Landesverfassung erleichtert eine solche Zusammenlegung, indem sie in Artikel 62 Abs. 4 bestimmt: