Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Wir benutzen sie – als Opposition, als Koalition, als Regierung – für unsere jeweilige Argumentation. Das ist einem solchen Parlament und einer Regierung unwürdig, das muss man einfach mal festhalten!

[Beifall bei den PIRATEN]

Nach einem solchen Volksentscheid kann man sagen, okay, wir finden bedenklich, dass es dieses 25-ProzentQuorum gibt. Die Piratenfraktion hat z. B. schon im Vorfeld einen Antrag eingereicht: Wenn es einen Volksentscheid gibt, und es gibt eine Bundestagswahl oder eine Europawahl, dann muss das zusammengelegt werden. – Das ist super für einen Senat, weil er sich dann nicht irgendwelchen Vorwürfen ausgesetzt sieht, er hätte am Datum rumgetrickst. Das ist auch super für ein Parlament, dann müssen wir darüber keine Debatten führen, sondern dann findet ein solcher Volksentscheid einfach statt, und dann ist Ruhe im Karton.

Die Piraten haben auch gefordert: Man muss mal darüber reden, dass man diese Quoren senkt. – Ich kann mich sogar noch daran erinnern, wie Sie, Herr Wowereit, als Sie die Piratenfraktion besucht haben, am Anfang dieser Legislaturperiode, gesagt haben, ja, man könnte auch mal darüber nachdenken, inwieweit der Senat oder dieses Haus Referenden stattfinden lässt, dass wir als Haus sagen: Okay, liebe Berlinerinnen und Berliner, das hier ist unser Vorschlag. Stimmt bitte darüber ab! – Aber bei all den Differenzen und ob das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Stadtwerk war und weiß der Nesquick was: Es ist einfach komplett unwürdig, sowohl für die Opposition als auch für die Koalition und die Regierung, wenn wir auf einem solchen Niveau an dem Ergebnis dieser Volksabstimmung herumorakeln. Jeder hier in diesem Haus weiß, wie er, wie sie gehandelt hat. Jeder wird sich dafür – hoffentlich! – bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl vor den Wählerinnen und Wählern und den an Politik Interessierten in Berlin rechtfertigen müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage –

[Heiterkeit]

der Abgeordneten Bayram?

(Christopher Lauer)

Bitte sehr!

Herr Kollege! Wir haben ja schon mal gehört, dass Sie sich das alles leichter vorgestellt haben, aber welche Vorstellung haben Sie denn davon, wie sich die verschiedenen Fraktionen hier im Haus zu dem Ergebnis des Volksentscheides verhalten sollten? Sind Sie nicht der Ansicht, dass wir uns darüber auch Gedanken machen sollten, wieso die Wählerinnen und Wähler sich so verhalten haben und wie man dieses Verhalten interpretieren kann? Ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihren Aufruf nicht. Wenn ich es so sehe, dann ist es so, dass es unsere Pflicht als Parlamentarierinnen und – –

Ich glaube, Ihre Frage ist verstanden worden, Frau Kollegin!

Ja, es ist unsere Pflicht als Parlamentarier, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Reglement bezüglich Volksabstimmungen im Land Berlin so ist, dass es den Raum dafür öffnet, eine so unwürdige Diskussion in diesem Parlament zu führen, dass wir hier danach, wo vorher die Regeln klar sind, allen Ernstes darüber diskutieren: Wie ist das denn jetzt zu interpretieren? – Wenn Sie etwas interpretieren wollen, beauftragen Sie ein Meinungsforschungsinstitut, machen Sie eine Umfrage, machen Sie irgendwas!

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Sie haben jetzt 600 000 Leute, die sagen Ja. Sie haben viele Leute, die überhaupt nicht zur Wahl gegangen sind, und Sie haben Leute, die Nein gesagt haben. Und Sie deuten daran jetzt so lange herum, dass Sie sagen, daraus entsteht ein Auftrag, daraus entsteht ein Dings. Das ist genau die Logik, die die Bürgerinnen und Bürger so ankotzt: Wenn jede Partei nach einer Wahl sich hinstellt und bei Prozentverlusten und Stimmverlusten sagt: Unsere Partei geht als ganz klarer Sieger aus dieser Wahl heraus, wir sehen unsere Politik bestärkt, das ist ein Auftrag des Wählers, so weiterzumachen.

Sie müssten bitte zum Schluss kommen!

Es ist diesem Haus und dieser Demokratie nicht würdig, Frau Bayram! – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU)]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz. – Bitte sehr!

Ja, Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Berlin unter Strom, Parlament unter Strom!

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Ich habe der Debatte die ganze Zeit gefolgt, und das irritiert mich schon ein bisschen. Ich bin ein bisschen enttäuscht.

[Oh! von den PIRATEN]

Es hätte so eine schöne Diskussion über die Inhalte geben können: Warum haben Menschen zugestimmt? Warum brauchen wir ein Ökostadtwerk? Warum wollen wir die Netze in öffentlicher Hand haben? – Stattdessen: Viel Klamauk, viel Theaterdonner, und die Inhalte werden zurückgedrängt. Das ist ein bisschen schade!

[Heidi Kosche (GRÜNE): Wen meinen Sie denn damit?]

Ich will auf zwei Punkte aus der Diskussion eingehen: Der Regierende Bürgermeister hat eben völlig zu Recht darauf hingewiesen: Herr Wolf! Erinnern Sie sich eigentlich noch, wer hier im Parlament dem Gesetz zur Einführung von Volksentscheiden im Bundesland Berlin zugestimmt hat und mit welcher Mehrheit? – Oh! Da müssen einige jetzt aber mal in sich gehen! Auch die Quoren sind von Ihrer Fraktion so beschlossen worden. Ich glaube sogar, die Grünen waren mit dabei, es war eine ganz große Mehrheit hier im Parlament,

[Zuruf von Evrim Sommer (LINKE)]

die damals in großer Verantwortung gesagt hat, wir ändern die Verfassung von Berlin.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Ganz bewusst sind dort auch bestimmte Mindestquoren, was die Beteiligung und die Zustimmung angeht, definiert worden. Wenn einem das Ergebnis eines Volksentscheides nicht gefällt, einfach nur zu sagen, wir ändern mal irgendwelche Zahlen und Quoren, das ist mir zu billig, das muss ich ganz klar sagen!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Zweite Feststellung: Stichwort Tricksereien. Der Kollege Schäfer hat das Wort ein paar Mal benutzt. Da sollten sich einige mal ein bisschen ehrlich machen. Die Frage, die beim Volksentscheid, ich glaube, nicht nur Ihnen gestellt wurde, wenn Sie Flyer verteilt haben: Worum geht es eigentlich bei diesem Volksentscheid? Viele haben immer verstanden: Ah! Ihr wollt jetzt und sofort das Netz zurückkaufen, und ihr könnt das auch. Mit dem Volksentscheid kriegen wir das sofort zurück. – Ja, schön wär es ja! Da haben wir aber noch ein Energiewirtschaftsgesetz in Berlin, in Deutschland und auch noch europäische Vorschriften, die gelten.

[Michael Schäfer (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Und Zweitens: Tricksereien. – Herr Schäfer! Sie brauchen sich nicht zu melden, denn ich gebe Ihnen die Antwort schon vorher auf die Frage, die Sie vielleicht jetzt stellen wollten. Ich weiß es ja nicht. – Erinnern Sie sich eigentlich noch, was Sie und Ihre Fraktion hier, es ist keine zwei Jahre her, zum Thema Stromnetz in Berlin artikuliert und auch in Anträgen untermauert haben? Können und wollen Sie daran erinnert werden? – Das ist die Frage! Die Grünen-Fraktion hat nämlich für eins plädiert: Das Stromnetz in kommunaler Hand? – Nein, nein! Das kann man doch über eine Ausschreibung machen! Nicht, Herr Schäfer, erinnern Sie sich noch? Ihre Fraktion hat gesagt: Es reicht, wenn wir ein paar ökologische Kriterien aufstellen, dann kann das ausgeschrieben werden. Möge der Beste gewinnen! – Da kann ich nur sagen: Fähnchen in den Wind gehalten für den Volksentscheid! Herzlichen Dank! Das ist genau das, was die Bürgerinnen und Bürger von Berlin nicht wollen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Schäfer (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage? – Keine Zwischenfragen!

Es geht endlich darum, Ehrlichkeit bei der Argumentation einziehen zu lassen. Ich würde es mir sehr wünschen.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Feigling!]

Der Regierende Bürgermeister – ich bin ihm dafür sehr dankbar – hat klargemacht, dass es für ihn auch eine große Angelegenheit ist, dass dieses Stadtwerk wirklich funktioniert, dass es ein Beitrag zur Energiewende ist, die hier in Berlin auch vor Ort funktionieren kann, funktionieren muss. Es geht nicht darum, heute Zahlen zu interpretieren, ob man der beste Hobbyastrologe ist oder nicht, Herr Schäfer. Wer sich 600 000 hoch- oder runterrechnet, das ist die Frage. Es geht darum, ob wir es hinbekommen,

die Energiewende in Berlin zu gestalten – ökologisch, sozial, mit wirtschaftlichem Sachverstand. Dann werden wir nicht gefragt, wie habt ihr Zahlen interpretiert –, sondern: Was habt ihr geschafft? Was habt ihr an realer Veränderung in diesem Bundesland für die Berlinerinnen und Berliner erreicht? – Daran werden wir uns messen lassen, und wir freuen uns darauf, an diesen Kriterien gemessen zu werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Buchholz! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kapek. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bürgermeister! Ich finde es schon relativ verwunderlich, dass Sie meinen, dass 600 000 Menschen, die sich an einem verregneten Tag

[Oh! von der SPD, der CDU und den PIRATEN]

mit verkaufsoffenem Sonntag zu den Wahllokalen begeben haben, eine Niederlage sind. Ich verstehe nicht, Herr Wowereit, warum Sie an dieser Stelle spalten müssen. Warum müssen Sie die Menschen, die sich für die Energiewende – wie nie zuvor – interessieren, in zwei Gruppen einteilen? Ich glaube, das ist alles andere als ein Grund, stolz darauf zu sein.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Energiewende ist, glaube ich, neben der Frage der sozialen Spaltung in dieser Stadt, neben der Frage, wie wir das Problem Wohnungsmarkt und Mietenpolitik in Berlin in den Griff kriegen, die größte Herausforderung, vor der wir nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland, in Europa stehen. Deshalb ist es doch ein Gewinn – und da gebe ich Herrn Lauer vollkommen recht –: Es geht hier nicht um Zahlen, sondern es geht um den Inhalt,

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

es geht um die Frage, wie wir dieses Anliegen ernst nehmen und wie wir diese Herausforderung gemeinsam packen. Da wäre es, finde ich, auch in Ihrer Rolle angemessen zu sagen: Herzlichen Glückwunsch, dass wir es jetzt endlich aufs Tableau gebracht haben! Herzlichen Glückwunsch, dass wir mit diesem Thema ganz offensichtlich in der Stadt eine Aufmerksamkeit und eine Chance haben, eine Diskussion anzufangen, wie wir sie nie zuvor hatten. Deshalb würde ich mir von Ihnen wünschen, dass Sie sagen: Wir gehen jetzt ins Gespräch, gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben, mit Herrn Simon, gemeinsam mit dem Berliner Energietisch, mit all den 600 000 Unterstützerinnen und Unterstützern, mit dem Parlament und mit dem Senat, und überlegen, wie wir diese historische Chance nutzen und ein funktio