Protokoll der Sitzung vom 01.12.2011

Aber, liebe Kollegen von den Piraten, was ist denn mit Ihnen passiert? Möglicherweise im Wendland ein bisschen zu viel Castor-Sonne abbekommen?

[Zurufe von den GRÜNEN]

Noch am Dienstag im Ältestenrat haben Sie sich gegen den Antrag der Grünen und gegen zusätzliche finanzielle Mittel ausgesprochen, und einen Tag später haben Sie nichts Besseres zu tun, als sich der Selbstbedienungsmentalität der Grünen anzuschließen und hier Steuergelder verprassen zu wollen.

[Zurufe von den PIRATEN]

Liebe Kollegen von den Piraten! Ich will Ihnen die Hoffnung nicht nehmen. Für die Teilnahme an den Ausschusssitzungen gibt es kein Extrageld.

[Zurufe von den PIRATEN]

Der Antrag, den Sie heute vorlegen, ist auch deshalb nicht zustimmungsfähig, weil wesentliche Essentials fehlen. So fehlt in Ihrem Antrag z. B. die Zusammensetzung. Da steht nicht drin, ob es neun, zwölf, 24 oder 155 Mitglieder sein sollen. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet. Wir haben gesagt: Neun Mitglieder soll dieser Ausschuss haben.

Wir wollen auch nicht zunächst die Arbeitsweise mit Ihnen besprechen. Es ist doch völlig klar, dass jeder Ausschuss sich zu Beginn seiner Einsetzung und zu Beginn der Legislaturperiode über die Arbeitsweise entsprechend verständigen wird und muss. Dafür braucht man weder Arbeitsgruppen noch Mediationsgruppen noch Unterarbeitsgemeinschaften.

Letztendlich: Der „Berliner Wassertisch“ hat uns mit einem Schreiben an den Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses aufgefordert – und zwar völlig zu Recht –, diesen Ausschuss schnellstmöglich einzusetzen. Ich darf aus dem Schreiben vom 16. November 2011 an den Präsidenten zitieren:

Nach unserem Kenntnisstand war die Einrichtung eines Sonderausschusses schon vor den Wahlen einvernehmliche Absicht der Fraktionen des Ab

geordnetenhauses. Wir gehen daher davon aus, dass dieser Vorschlag nun ohne Verzug umgesetzt wird.

Dem wollen wir als Koalition gerne nachkommen, und deshalb legen wir Ihnen heute den Antrag zur Einsetzung des Sonderausschusses vor. Sie können zeigen, wie ernst Sie es mit dem Bürgerwillen und der Einsetzung des Sonderausschusses meinen. Die Koalition wird genau das tun, was der Gesetzgeber mit dem Volksentscheid von uns verlangt hat: Wir werden einen Sonderausschuss zu den Wasserverträgen einsetzen. Der Ausschuss wird ab heute seine Arbeit aufnehmen, und der Ausschuss wird den Bürger nicht noch zusätzlich finanziellen Aufwand kosten. So sehen Berliner Perspektiven für starke Wirtschaft, gute Arbeit und sozialen Zusammenhalt aus. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Als Nächste hat die Kollegin Frau Kosche von den Grünen das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe immer schon so meine Bedenken gegen Juristen gehabt, Herr Kohlmeier! Aber was Sie heute als Interpretation des Gesetzes vorgelegt haben, ist mehr als beschämend.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie können noch nicht mal ein Gesetz lesen.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute wird ein Sonderausschuss eingerichtet, der dem Willen von mindestens 666 000 Berlinerinnen und Berlinern entsprechen muss – deswegen dieser Entschließungsantrag –, denn mindestens so viele haben dem Volksentscheid „Wasser“ im Februar dieses Jahres zugestimmt. Aber gegen Geheimverträge, nicht nur beim Wasser, sind viele Menschen – nicht nur in Berlin. Das Volk von Berlin hat mit der Annahme dieses Gesetzes Ihnen, Herr Wowereit, und Ihrem damaligen Koalitionspartner das Misstrauen ausgesprochen. Sie erinnern sich.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Nee!]

Mit der Einsetzung des Sonderausschusses heute beginnt die parlamentarische Aufarbeitung der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe, und da stelle ich fest, dass jetzt wieder die beiden Parteien auf den Regierungsbänken Platz genommen haben, die dieses Vertragswerk zum Schaden der Stadt Berlin ausgehandelt haben,

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

es damals richtig gefunden haben und heute für das Ganze die Verantwortung tragen.

Das Volk von Berlin hat sich mit diesem Gesetz vertrauensvoll an sein Parlament gewandt. Es hat uns in diesem ersten erfolgreichen Volksgesetz in § 3 Satz 2 beauftragt, die gesamte Vertragskonstruktion der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe unter Hinzuziehung, Herr Kohlmeier, von unabhängigen Sachverständigen zu überprüfen. Es sollen also Expertisen und Gutachten eingeholt werden, weil dieses Vertragswerk sehr umfassend, sehr verschachtelt ist und eigentlich in seinen Auswirkungen nur von Experten erfasst werden kann.

Seit der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe stehen die Verträge in der Kritik, nicht nur, weil sie als Geheimdokumente angelegt waren, sondern besonders auch wegen ihrer Auswirkungen auf diese Stadt. Rot-Schwarz würde wahrscheinlich heute sagen: Berlin verstehen.

Nur einiges will ich hier anführen, was in diesen Verträgen enthalten ist: Es steht der Vorwurf im Raum, dass durch die garantierten Gewinne, die in den Verträgen geregelt sind, die Wasserpreise in Berlin hochgetrieben werden. Die Wasserkunden zahlen die Teilprivatisierung. Das hat ja nun auch das Bundeskartellamt gerügt. Dessen Preissenkungsverfügung wird dieser Tage bei den Wasserbetrieben ins Haus stehen, erst mal nur für Trinkwasser, aber mit der Überprüfung der Abwasserpreise durch diese Behörde kann das auch noch was werden.

Es besteht weiter der Vorwurf, dass das Demokratieprinzip dadurch verletzt ist, dass die betriebliche Führung praktisch in den Händen der Privaten liegt, obwohl das Land die prozentuale Mehrheit sowohl bei den Wasserbetrieben als auch bei der Holding hat und eine umfassende Gewährleistung garantiert.

Dann besteht der Verdacht, dass nach Artikel 87 der Verfassung von Berlin das Haushaltsrecht dieses Parlaments dadurch verletzt ist, dass ggf. die Gewinne, die garantiert sind, aus dem Haushalt des Landes Berlin bezahlt werden müssen.

Das sind nur einige der Vorwürfe, die die Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ und andere Menschen, die in Berlin wohnen, regelmäßig erheben. Ich bin der Meinung, dass wir uns als Abgeordnete dieser 17. Legislaturperiode um die Auswirkungen der Wasserverträge zu kümmern haben, weil das Volksgesetz Wasser es vorschreibt. Wir brauchen einen gut ausgestatteten Sonderausschuss, damit sich die Abgeordneten, die dort arbeiten wollen, die nötige Expertise einholen können und damit wir hier anschließend als verantwortliches Parlament über das Vertragswerk abstimmen können,

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

denn erst dann erfüllt das Parlament von Berlin § 3 Satz 1 des Volksgesetzes Wasser.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion der Kollege Rissmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle wieder einmal fest: Es geht hier nicht um die Frage des Ob, also ob wir einen solchen Sonderausschuss einrichten wollen, sondern um die Frage des Wie. Da ist die Koalition der Auffassung, den Willen des Volksgesetzgebers möglichst schnell umzusetzen. Sie dagegen wollen sich offenbar zunächst zu Tode prüfen. Das würde einiges an Zeit in Anspruch nehmen und dem Auftrag nicht gerecht werden.

[Uwe Doering (LINKE): Wir haben eine Befristung in den Antrag geschrieben! Richtig lesen!]

Der Kollege Kohlmeier hat den historischen Hintergrund dargelegt. Zu unserem Antrag ist zu sagen, dass er von daher die adäquate Umsetzung des Gesetzesauftrags ist. Er hat zum Gegenstand, dass ein solcher Sonderausschuss Wasserverträge einzuberufen ist und wie er besetzt werden soll. Alles andere, womit Sie das Papier beschrieben haben, ist überflüssig. Neben einigen Selbstverständlichkeiten wie der Prüfung, welche Arbeitsweise wohl am geeignetsten ist, fordern Sie,

dass im Vorhinein geprüft werden soll, in welchem Umfang zur personellen Ausstattung des Sonderausschusses finanzielle Mittel für die Fraktionen und die Verwaltung des Abgeordnetenhauses erforderlich sind, um die durch den Sonderausschuss entstehende erhebliche Mehrarbeit zu leisten.

Dazu hat Herr Kollege Kohlmeier schon etwas gesagt.

[Zuruf von der LINKEN]

Wir können das aber ganz nüchtern bewerten: Einem Mittelzuwachs, den Sie sich offensichtlich wünschen, um Ihre Oppositionsarbeit offenbar besser darstellen zu können, sind gesetzliche Grenzen gesetzt. Artikel 40 Abs. 2 der Verfassung von Berlin gewährt den Fraktionen zur effektiven Mitwirkung an der parlamentarischen Arbeit einen Anspruch auf angemessene Ausstattung. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt. Das ist in dem Fall § 8 Abs. 6 des Fraktionsgesetzes. Danach haben die Fraktionen Anspruch auf zusätzliche finanzielle Mittel für Fraktionsmitarbeiter nur in dem Fall der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Artikel 48 der Verfassung von Berlin oder einer Enquetekommission nach Artikel 44 Abs. 3 der Verfassung von Berlin. Eine entsprechende Regelung für Sonderausschüsse gibt es schlichtweg nicht. Diese sind allein in § 20 Abs. 2 un

serer Geschäftsordnung erwähnt. Da ist auch nur geregelt, dass diese eingerichtet werden können.

Sie fordern also mit Ihrem Prüfauftrag etwas, das gesetzlich nicht vorgesehen ist. Sie wollen sich damit einen Freibrief geben, und zwar ohne jede Begrenzung. Selbst in § 8 des Fraktionsgesetzes – habe ich gerade genannt – ist eine Begrenzung des Anspruchs vorgesehen,

[Zuruf]

nämlich auf die Summe der Mittel für eine Vollzeitstelle je Fraktion im Haushaltsjahr. Also wenn Sie das Fraktionsgesetz ändern wollen, legen Sie einen entsprechenden Antrag vor! Ansonsten geht das bei einem Sonderausschuss nicht.

Es geht hier insofern nicht um die parlamentarische Aufklärung von Tatbeständen wie bei einem Untersuchungsausschuss, sondern um eine geordnete Offenlegung und Prüfung der Wasserverträge. Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, einen Untersuchungsausschuss zu fordern. Dann bekämen Sie auch die von Ihnen offenbar gewünschten finanziellen Zuwächse für Mitarbeiter und anderes. Für uns als Koalition gilt, den Auftrag des Wahlvolks umzusetzen. Daher ist unserem Antrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Die Linke Herr Dr. Lederer – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Volksentscheid vom 14. Februar dieses Jahres „Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ hat uns ein Gesetz beschert, das am 4. März in Kraft getreten ist und das den Auftrag an das Abgeordnetenhaus beinhaltet, die Verträge über die Teilprivatisierung „einer eingehenden öffentlichen Prüfung und öffentlichen Aussprache durch das Abgeordnetenhaus unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen“ zuzuführen. Diesem Auftrag haben wir gerecht zu werden, im Unterschied zu 1999, wo die Teilprivatisierungsverträge parallel zu den Gesetzen erarbeitet worden sind und sich das Abgeordnetenhaus, zumindest die damals mehrheitlich in dieser Stadt herrschende Koalition – es ist mit umgedrehten Vorzeichen in Bezug auf die Farben genau dieselbe, die hier heute wieder regiert –, überhaupt nicht mit den Vorgängen befasst hat. Eine schwarz-rote Mehrheit fand das damals spitze, und nur einige wenige hatten den Mut, sich damals entgegenzustellen. Wenn wir jetzt eine seriöse Prüfung dieser Verträge einfordern, dann setzen wir den Volkswillen um.

Lieber Kollege Kohlmeier! Raubrittertum war es, die Berliner Wasserbetriebe 1999 zu verpfänden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Raubrittertum ist es, wenn sich eine neu gewählte Koalition erst mal einen Schluck aus der Pulle genehmigt und die Zahl der Staatssekretäre von 17 auf 23 erhöht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zurufe von der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]