Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Hier wird die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Hier haben die Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Da hat der Kollege Brauer das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wäre es schön, wir müssten zu diesem Thema nicht reden.
Ich meine, Berlin genießt seit über 100 Jahren das Privileg, eine der großen Metropolen der europäischen zeitgenössischen Kunst zu sein. Das bringt viel Ruhm und Ehre, das hat aber einen kleinen Nachteil. Der kleine Nachteil ist wie bei allen Erbschaftsangelegenheiten, man hat eine gewisse Last damit, weil man mit dem, was man dann ererbt, irgendwie umgehen muss.
In der Kunst ist es im Falle von – sagen wir mal – Exlibriskünstlern oder Briefmarkengestaltern sehr einfach. Das packt man in ein Album. Dann hat man Regale, und dann ist die Sache gesichert. Schwieriger wird es bei größeren plastischen Arbeiten und erst recht bei dem, was man unter der Sammelbezeichnung Metallbildhauerei subsumiert. Glücklicherweise hat Berlin in den vergangenen Jahrzehnten hier Wesentliches zur Entwicklung der Weltkunst bei der Gestaltung öffentlicher Räume beigetragen. Ich nenne zwei Ihnen bekannte Beispiele. Das eine ist Bernhard Heiliger und das andere das Ehepaar Matschinsky-Denninghoff. Wer jetzt mit dem Namen nichts anfangen kann, Sie kennen diese große Metallskulptur auf der Tauentzienstraße.
Für Heiliger und seinen Nachlass gibt es eine BernhardHeiliger-Stiftung, die in den letzten Monaten recht großzügig mit Finanzmitteln, auch mit Lottomitteln ausgestattet wurde, um diesen Nachlass zu pflegen. Um den Nachlass des Ehepaars Matschinsky-Denninghoff kümmert sich auf verdiente Weise die Berlinische Galerie. Die
Und dann gibt es einen Dritten im Bunde, das ist der Metallbildhauer Fritz Kühn gewesen, dessen Nachlass in Bohnsdorf liegt. Das gehört zu Berlin. Und das Grundstück, auf dem dieser Nachlass lagert, ist – das geht aus unserem Antrag hervor – von Zwangsräumung bedroht, und die Fritz-Kühn-Gesellschaft weiß nicht, wohin damit.
Im Unterschied zu den Fällen Heiliger und MatschinskyDenninghoff sind sämtliche Versuche gescheitert, unter Beteiligung des Landes Berlin – nicht in Trägerschaft des Landes – und unter Einbeziehung der Bundesebene ein Projekt zu entwickeln.
Warum dieser große Griff? – Ich möchte Ihnen nur einige Werke nennen, damit Sie vielleicht ein bisschen Verständnis dafür bekommen – es ist ja nicht jeder ein Fachmensch in dieser Frage –, warum es sich eigentlich handelt. Fritz Kühn hat in Berlin-Siemensstadt die Siemens-Gedenkwand gestaltet, zusammen mit Bernhard Heiliger 1958, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Fritz Kühn war ein Metallbildhauer, der in der DDR lebte und wirkte. Fritz Kühn hat zusammen mit Egon Eiermann einen deutschen Pavillon zur Weltausstellung in Brüssel gestaltet. Das war nicht der Pavillon der DDR, das war der Pavillon der Bundesrepublik Deutschland. Auch das ist Fritz Kühn. Von Fritz Kühn stammt das große Hängekreuz in der Ruine der Parochialkirche. Von Fritz Kühn stammt das Kuppelkreuz auf der Hedwigskathedrale. Fritz Kühn hat das A-Portal an der Berliner Stadtbibliothek gestaltet, und von ihm stammt der „Schwebende Ring“ des großen Brunnens auf dem Strausberger Platz.
Fritz Kühn starb 1967. Er war einer der ganz wenigen zeitgenössischen deutschen Künstler, dem der Pariser Louvre eine Gedenkausstellung widmete. Genau um den Erhalt dieses Werkes geht es.
Der Landeskonservator Jörg Haspel hat dieses Werk, diesen Nachlass wie folgt eingeschätzt – ich darf zitieren und damit komme ich zum Schluss:
Ein besonderer Schatz aber schlummert in dem 1937 von Fritz Kühn am Stadtrand zum Atelier ausgebauten und nach Kriegsschäden wiederaufgebauten Atelier-, Werkstatt- und Ausstellungstrakt, wo in seltener Geschlossenheit der gesamte künstlerische Nachlass von der Familie aufbewahrt … wird. Für die Architektur- und Kunstgeschichte Berlins bieten diese Bestände einmaliges Quellenmaterial. … Es ist von unschätzbarem Wert, dass die photographische Seite seines Nachlasses gut aufgehoben und aufgearbeitet ist. … Aber die Maßstäbe, die für den Fotokünstler und
Kunstfotografen Fitz Kühn gelten, sollten auf den Nachlass des Metallkünstlers und Kunstschmieds Fritz Kühn erst recht Anwendung finden.
Berlin hat hier einen Schatz zur Verfügung, den es zu bewahren gilt. Bitte folgen Sie unseren Vorschlägen! Helfen Sie der Fritz-Kühn-Gesellschaft, dieses Werk für die Stadt und für kommende Generationen zu bewahren! Dieser Einsatz wäre es wert.
Ich glaube, es wäre eine Schande für uns alle, wenn wir es zuließen, dass am 17. Februar 2014 eine Zwangsräumung dieses Grundstückes erfolgt und dieser Nachlass irgendwo im Müll landet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Brauer! – Bevor ich nun der nächsten Rednerin das Wort erteile, würde ich darum bitten, dass die Hintergrundgespräche doch vielleicht entweder nach draußen verlagert oder leiser geführt werden. Als Nächstes hat für die SPD-Fraktion das Wort Frau Abgeordnete Lange. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja wirklich schön ruhig jetzt. Da muss man gar nicht so schreien. Fritz Kühn war eine Künstlerpersönlichkeit. Seine Werke zeigen seine Freude am Experimentieren. Sie sind innovativ, und seine Kunst fand sehr schnell internationale Anerkennung.
Heute aber geht es konkret um den Ankauf eines Gartengrundstückes, das neben dem Grundstück der Familie Kühn liegt. Die Fritz-Kühn-Gesellschaft möchte dort gerne ein Museum errichten. Ich habe übrigens mal versucht, im Internet zu recherchieren, wer die Fritz-KühnGesellschaft repräsentiert. Ich habe außer den Familiennamen keine anderen Namen gefunden. Der Senat hat von Anfang an das Vorhaben der Familie Kühn unterstützt. Ich finde es einfach unredlich, wenn in Ihrem Antrag steht, es wäre halbherzig geschehen. Das ist nicht so. Der Senat hat von Anfang an die Lottoanträge mit unterstützt.
Es ist unbestritten, dass der künstlerische Nachlass gesichert werden soll und gewürdigt werden muss. Eine Möglichkeit dafür wäre das neben dem betreffenden Grund
stück, das anzukaufen gewünscht ist, familieneigene Grundstück der Familie Kühn, wo es großzügige Lagerflächen gibt. Teile des Nachlasses befinden sich in der Akademie der Künste und in der Berlinischen Galerie.
Auch wenn der Nachlass von Fritz Kühn als nationales Kulturgut anerkannt ist, besteht keine rechtliche Verpflichtung des Landes Berlin zum Erhalt dieses Nachlasses. Ich persönlich bin der Meinung, dass bei Nachlässen erst auch einmal die Erben aktiv werden und dafür sorgen müssen, dass Nachlässe gesichert werden.
Aber wir sind uns doch alle einig: Es muss eine dauerhafte Lösung gefunden werden, eventuell auch mit den genannten Institutionen Berlinische Galerie und Akademie der Künste. Das muss allerdings auf anderen Wegen geschehen, als es der Antrag der Linken fordert. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Vielen Dank, Frau Lange! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bangert. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anscheinend ist zumindest die SPD auch damit einverstanden, dass Fritz Kühn zu den herausragenden Künstlern gehört, und nicht umsonst ist sein Werk nationales Kulturgut geworden.
Frau Lange! Ich muss Sie da leider berichtigen, denn diese Tatsache, dass das Werk von Fritz Kühn nationales Kulturgut ist, hat eine ganz entscheidende Konsequenz. Denn gemäß Artikel 35 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 trägt das Land Berlin die Verantwortung für den Erhalt, die Bewahrung sowie für die Aufarbeitung des international anerkannten Werkes von Fritz Kühn.
Für alle, die den Einigungsvertrag nicht mehr so präsent haben – was natürlich verständlich ist –, zitiere ich daraus. Da steht: