Protokoll der Sitzung vom 16.01.2014

Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen.

Und weiter heißt es:

Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen.

Das Land Berlin ist also ganz klar zuständig. Berlin muss es finanziell nicht alleine allein wuppen. Es wird ausdrücklich auch im Einigungsvertrag eine Mitfinanzierung des Bundes beschrieben. Da müssten entsprechende Anträge an den Bund gestellt werden, und sie müssten jetzt endlich gestellt werden.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass bei dieser Debatte komplett die politische Spitze fehlt. Weder der Kultursenator ist anwesend noch sein Kulturstaatssekretär. Das zeigt auch, welches Interesse die politische Spitze an diesem Thema hat. Das hat sie auch im Kulturausschuss deutlich gezeigt. Wir werden mit lapidaren Äußerungen abgespeist, mit Bemühungszusagen wird agiert, aber es passiert nichts Entscheidendes.

Herr Brauer hat es sehr deutlich bemerkt: Wenn es um die Bernhard-Heiliger-Stiftung geht, wo Herr Kultursenator Wowereit auch längere Zeit im Stiftungsrat saß, da wird für Millionen das ehemalige Breker-Atelier – Bernhard Heiliger war ein Schüler von Arno Breker – saniert, da gibt es keine Diskussionen, da werden Lottoanträge durchgewinkt. Wenn es um Fritz Kühn geht, da wurden zwei Lottoanträge, die zwar von der Kulturverwaltung befürwortet wurden, vom Lottobeirat abgelehnt. Da frage ich mich schon, wie weit wirklich ernsthaftes Bemühen besteht, diesem Künstler ein nachhaltiges Andenken zu schaffen, inwieweit der Berliner Senat und auch dieses Abgeordnetenhaus, vielmehr die Regierungskoalition willens und bereit sind, dies zu tun.

Wir haben hier eine gute Situation, weil es eine sehr aktive Erbengemeinschaft gibt, die sich aktiv einbringen will, auch finanziell einbringen will. Ich bitte Sie: Unterstützen Sie dieses Anliegen! Wir teilen den Antrag der Linken. Wir werden dem zustimmen. Und ich hoffe, dass die Regierungskoalition dann noch die Kurve kriegt. Wie gesagt, das Land Berlin ist laut Einigungsvertrag verpflichtet, das Werk Fritz Kühns zu sichern, und ich hoffe, dass das auch demnächst passieren wird, bevor es zu spät ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Bangert! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Abgeordnete Lange.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist jetzt nicht Ihr Ernst! – Weitere Zurufe]

Das geht ganz schnell. Ich habe ohnehin nur kurz geredet. – Ich habe auch zu dem Thema recherchiert und Folgendes herausgefunden: Weder einzelne Werke von Fritz Kühn noch dessen gesamter Nachlass stehen auf dieser allein maßgeblichen und sogenannten DDR-Liste des BKM. Die etwaige Anerkennung des Nachlasses von Fritz Kühn als nationales Kulturgut der DDR im Jahr 1983 ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Land Berlin hat – wie auch bei anderen Nachlässen – keine Verpflichtungen.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Wer bestimmt das? – Wolfgang Brauer (LINKE): Jetzt müssen Sie nur noch sagen: die sogenannte Kunst!]

Frau Bangert, möchten Sie replizieren? – Sie verzichten. Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Schlede. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Brauer! Was machen wir nun? Das, was Frau Lange gerade erwähnt hat, ist ein nicht unerheblicher Hinweis bezüglich dessen, was die Verpflichtung des Landes Berlin ist. Da gibt es keine Verpflichtung. Die erste Verpflichtung besteht für die Erben, und die Erben haben nach Auskunft des Kultursenators bisher dem Land Berlin, irgendeiner Einrichtung des Landes Berlin oder einem Museum nichts dergleichen angeboten von dem, was sie sozusagen als Erbe angetreten haben. Vielmehr ist die Familie nach wie vor Eigentümerin – und Besitzerin in diesem Fall – der entsprechenden Gegenstände. Insofern läuft Ihre Argumentation ins Leere. Das als Punkt Nr. 1!

Punkt Nr. 2: Es gibt keinerlei Verpflichtung des Landes Berlin zum Ankauf. Auch Bundesbehörden sind in keiner Weise tangiert in Bezug auf die Notwendigkeit, etwas zu finanzieren.

Verehrter Herr Brauer! Vergleichbar ist das, was Sie in Bezug auf Heiliger dargestellt haben, nicht. Dennoch die Frage: Was könnte man denn machen? – Frau Lange hat darauf hingewiesen – ich habe das noch ein bisschen weiter untersucht –, wie die Grundstückssituation ist.

(Sabine Bangert)

[Wolfgang Brauer (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das passt gerade gar nicht. Ich bin bei der Darstellung des Themas. – Die Familie Kühn besitzt einen eigenen Teil – übrigens den kleinsten, dort, worauf die wesentlichen Gebäude stehen. Sie ist Eigentümerin. Es gibt aber vor ihrem Grundstück – ich habe mich gerade bei Frau Vogel, die in Bohnsdorf u. a. ihren Wahlkreis hat, über die Lage des Grundstücks informiert –, es gibt ein fast ebenso großes Grundstück, auf das die Familie Kühn ein Erbrecht hat und auf das sie sehr wohl die Kunstwerke, die derzeit geräumt werden sollen, ab dem 17. Februar verbringen kann. Auch dort kann sie beispielsweise so etwas wie einen musealen Campus für die großen Metallkunstwerke errichten. Es ist überhaupt nicht ausgemacht, dass das Land Berlin hier einsteigen muss.

Die Anträge bei der Lotto-Stiftung zum Ankauf des Grundstücks, das derzeit in Rede steht und das geräumt werden soll, für 790 000 Euro sind zwei Mal abgelehnt worden. Dieses Grundstück kann auch geräumt werden, ohne dass dem künstlerischen Werk von Fritz Kühn in irgendeiner Weise ein Tort angetan werden muss. Insofern würde ich sehr kreative Überlegungen der FritzKühn-Gesellschaft und der Familie Kühn unterstützen, dass diese Kunstwerke noch vor dem 17. Februar, für den die Zwangsräumung angedroht ist, auf den anderen Teil dessen, was sie nämlich in Erbpacht besitzen, verbracht wird. Das ist ein Grundstück, von dem Frau Vogel sagte, dass es nicht gerade sehr attraktiv aussieht, es ist aber mit Baumbestand versehen, wo sehr wohl auch diese Kunstwerke Platz finden könnten. Diesen Rat kann ich Ihnen nur geben. Das Land Berlin sehe ich in keinerlei Verpflichtung. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Schlede! – Für die Piratenfraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Kowalewski. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir kommt es mal wieder zu, die letzte Rede des Tages zu halten.

[Allgemeiner Beifall]

Wenn ich noch mal gegen die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses klage, dann mache ich das einfach aufgrund meines Bestandsrechts.

[Heiterkeit]

Aber lassen wir den Scherz beiseite! Es geht um ein ernstes Thema, und es ist eigentlich auch schon alles gesagt worden. Es geht um den Nachlass eines vielgerühmten und wichtigen Künstlers der Moderne.

[Beifall bei der LINKEN]

Sein Nachlass wurde 1983 in der DDR zum nationalen Kulturgut erklärt. Das haben wir ja schon gehört. Und das landet also demnächst beim Schrotthändler, weil die Fritz-Kühn-Gesellschaft, vorangetrieben von der Schwiegertochter des Künstlers, nicht die Mittel hat, den Kaufpreis von 790 000 Euro aufzubringen, den die Eigentümerin des Grundstücks verlangt. Es handelt sich übrigens um ein Grundstück, das Fritz Kühn – das ist die Ironie bei der ganzen Geschichte – eigentlich sogar schon einmal selbst gekauft hat. Jedenfalls wurde es dann zurückübertragen an die betreffende Wohnungsbaugesellschaft, und jetzt wollen die 790 000 Euro, und die hat die FritzKühn-Gesellschaft nicht, sondern sie hat nur die Hälfte. Deswegen soll dort jetzt zwangsgeräumt werden. Entschuldigung! Aber das kann man doch wirklich niemandem erklären.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich hoffe, dass wir uns einig sind – und das klang ja auch aus den Beiträgen fast schon heraus, von Ihnen, Frau Lange, einmal abgesehen –, dass die Berliner Kulturpolitik hier nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und sagen kann: Wir werden schon sehen, was dort passiert. – Das Land verkauft ständig Grundstücke. Heute mal ausnahmsweise nicht, aber ständig verkauft das Land Berlin Grundstücke, und hier bestände mal eine prima Gelegenheit, ein Grundstück zu erwerben, um diese kulturelle Hinterlassenschaft, diese Kunstwerke zu sichern. Das Werk von Fritz Kühn soll ja nicht nur nicht in der Schmelze landen, sondern es soll auch nicht weiter zerschlagen und mit Schwertransportern in irgendwelche Depots gefahren werden. Es soll weiter an der Stelle stehen, wo es erdacht und geschmiedet wurde. Was sind denn bitte schön 400 000 Euro angesichts dieser Gelegenheit, das Werk eines für unsere Stadt so wichtigen Künstlers im Originalzusammenhang zu zeigen – und das mit Unterstützung der Familie, die sich jahrelang intensiv darum gekümmert hat?

Wir haben gerade schon gehört – Frau Bangert hat es ausgeführt –, dass es Fördertöpfe gibt, die man anzapfen könnte, wenn man das beantragen würde. Es fehlt momentan an der Zeit, dies zu tun, denn die Gerichtsvollzieherin steht jederzeit – nach diesem Termin, der sehr nahe ist – am Tor. Insofern ist der Antrag sehr zu begrüßen. Herr Kollege Brauer! Ich frage mich nur, warum Sie nicht die sofortige Abstimmung beantragt haben, denn

wenn das Grundstück jetzt geräumt werden sollte, bevor wir den Antrag im Kulturausschuss auch nur auf der Tagesordnung haben, wäre das mal wieder ein Antrag, der als erledigt betrachtet werden müsste, und das wäre meiner Meinung nach jammerschade für Berlin und seine Kunstlandschaft.

[Wolfgang Brauer (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brauer?

Herr Kowalewski! Auf Ihre Frage möchte ich mit einer Zwischenfrage antworten: Können Sie sich vorstellen, dass es wünschbar wäre und guter parlamentarischer Brauch sein könnte, wenn man auch seitens der Mehrheitsfraktionen auf vernünftige Vorschläge der Opposition eventuell so reagiert, dass man sie aufnimmt und zu einem positiven Ergebnis führt, oder meinen Sie eher aus Ihrer Erfahrung heraus, dass prinzipiell von gewisser Seite alles abgebürstet wird – es mag noch so vernunftgetränkt sein –, wenn es von Oppositionsfraktionen kommt? – Ich glaube, damit hätten Sie dann auch die Antwort auf Ihre Frage.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Andreas Gram (CDU): Meinen Sie jetzt die letzten zehn Jahre?]

Ja, das ist eine sehr gute Frage, lieber Kollege Brauer! Das Thema hatten wir heute schon mal kurz am Rande. Es ist natürlich nicht ein Automatismus, dass vernünftige Anträge der Opposition automatisch von der Mehrheit des Hauses angenommen werden – leider nicht.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Wenn sie denn vernünftig sind!]

Ja! Ich finde, es gab hier tatsächlich vernünftige Anträge – auch heute. Aber egal!

Gerade wurden vom Kollegen Schlede noch ein paar interessante Details zur Grundstückslage eingeworfen. Im Gegensatz zur Kollegin Vogel bin ich nicht so häufig auf diesem Grundstück oder zumindest am Zaun, dass mir das so genau bekannt wäre. Vielleicht ist es deshalb ganz vernünftig, wenn wir im Kulturausschuss noch mal darüber reden. Aber wir sollten letztlich festhalten, dass wir die Katastrophe, die jetzt droht, nämlich dass diese

Skulpturen einfach irgendwie verschwinden, verhindern sollten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Die quatschen dort. Schicken Sie sie hinaus! – Herr Heilmann! Ihr Platz ist hier vorn!]

Ich glaube, die Herrschaften haben sehr gut verstanden, dass wir uns immer noch in der Sitzung befinden und die Sitzung noch nicht beendet ist. Ich möchte jetzt hier gern fortfahren können. Vielleicht können die Herrschaften ihre Fragen einfach hinterher klären. Ich möchte ganz kurz noch fortfahren. Wir sind gleich am Schluss und haben es alle miteinander geschafft. Ich finde es relativ störend, wenn hier im Hintergrund immer gesprochen wird.

[Allgemeiner Beifall]