Welche Gründe sprechen nun gegen eine Offenlegung dieser Orte? – Das Sicherheitsgefühl der Anlieger könnte negativ beeinflusst werden. Hier sei das Stichwort Panikmache erwähnt. Einzelne Orte würden auch stigmatisiert werden. Täter sollen nicht gewarnt sein, denn das würde dazu führen, dass Straftaten in anderen Gebieten ausweichend begangen werden könnten und damit auch die Verfolgung der Straftaten schwieriger werden würde. Wem wäre auch damit geholfen, wenn Medien, Anwohner und nicht zuletzt wir Politiker in eine Diskussion einträten, ob es sich bei einzelnen Orten um kriminalitätsbelastete Orte handelt?
Zu guter Letzt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Sie wollen mit Ihren Äußerungen implizieren, es würde sich in dieser Frage um das gleiche Thema wie in Hamburg handeln – um Gefahrenzonen, die scheinbar willkürlich größere Stadtbereiche umfassen und polizeiliche Maßnahmen größeren Ausmaßes erlauben.
Das ist falsch, und das muss hier deutlich gesagt werden. Mit Gefahrenzonen à la Hamburg hat der heute zu erörternde Sachzusammenhang nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Schlussendlich ist zu sagen: Der von Ihnen eingebrachte Antrag ist aus den genannten Gründen und in der politischen Güterabwägung für uns so nicht annehmbar.
Vielen Dank, Herr Karge! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Karge! Sie halten eine Rede und sagen dann: Aus den eben genannten Gründen ist der Antrag nicht annehmbar. Aber Sie haben in Ihrer Rede überhaupt keine Gründe genannt! Haben Sie mir nicht zugehört? – Die Polizei legt diese Orte geheim fest. Sie beantragt sie nicht bei einem Richter. Es gibt keine parlamentarische Kontrolle. Wenn wir als Abgeordnete von unserem verfassungsmäßigen Recht zu fragen Gebrauch machen und von der Innenverwaltung wissen wollen: Wer legt diese Orte fest? Wie, nach welchen Kriterien werden sie festgelegt?, dann gibt es hierauf keine Antwort. Wir sollen die Unterlagen zu diesen Orten noch nicht einmal einsehen dürfen.
Das ist ein nicht einsehbarer Bereich exekutiven Handelns, und da entsteht Willkür. Sie sagen: Das in Berlin wäre etwas anderes als das in Hamburg. Sie haben vollkommen recht! Die Polizei in Berlin hat viel mehr Rechte als in Hamburg. Sie darf in Berlin nicht nur anlasslos Personenkontrollen durchführen und Identitäten feststellen, sondern auch Leute durchsuchen und im Zweifelsfall mit auf die Wache nehmen.
Mir erschließt sich nicht, warum Sie sich hier quasi zum willfährigen Gehilfen eines CDU-Innensenats machen und im Sinne der Polizei und des Senats argumentieren. Sie hätten wenigstens sagen können: Es wäre vielleicht ein bisschen radikal, diese Gefahrengebiete komplett abzuschaffen. – Die Grünen fordern, dass sie wenigstens veröffentlicht werden. Hören Sie doch zu! Sie sind doch Parlamentarier, und das muss Sie als Innenpolitiker doch interessieren! Wir bekommen diese Informationen nicht. Diese Gebiete sind kompletter Quatsch, aber Sie stellen sich hier hin und sagen: Aus den Gründen, die ich genannt habe – die Sie aber nicht genannt haben – müssen wir das ablehnen. Das ist doch Quatsch!
Sie unterstellen mir, ich würde nicht zuhören. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie hören leider nicht so richtig zu.
Fakt ist: Es geht um vorausschauende Kriminalitätsbekämpfung, und das kann man nicht in einen Sack mit allen anderen Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, stecken. Es ist eine andere Situation als in Hamburg. Wir sagen ganz klar: Es geht um Kriminalitätsbekämpfung schon im Vorfeld, und die Rechte, die die Polizei hat und die Sie immer als Willkür bezeichnen – da geht es überhaupt nicht darum, ob ich Parlamentarier oder Mitglied im Innenausschuss bin. Es geht darum, dass Sie grundsätzlich ein Misstrauen gegen Sicherheitsorgane haben, und das müssen Sie endlich einmal benennen!
Wir machen das umgekehrt. Wir haben ein anderes Weltbild, und damit müssen Sie leben. Sie müssen auch andere akzeptieren, die ein anderes Weltbild haben. Wir haben erst einmal grundsätzlich Vertrauen in die Sicherheitsorgane und kontrollieren dann nachträglich. Sie wollen an dieser Stelle doch eigentlich nur populärpolitisch mitreden, und das bringt uns keinen Punkt weiter.
Vielen Dank, Herr Karge! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den beiden Vorrednern ganz gut zugehört und hoffe,
noch ein paar Erkenntnisse meiner Fraktion einbringen zu dürfen. Erstens: Worum geht es? – In Berlin gibt es etwas mehr als 20 Orte, an denen die Polizei verdachtsunabhängig kontrollieren kann. Sie braucht also keinen konkreten Verdacht gegen eine Person; es muss keine Straftat vorliegen. Es muss auch nicht einmal gefährlich sein, was die Person dort macht, sondern – man spricht von „polizeilicher Erfahrung“ – man darf im Prinzip jeden kontrollieren, der sich an dem Ort aufhält. Man darf dort jede Person nach ihrer Identität fragen; man darf sie auch durchsuchen; man darf sie für kurze Zeit festhalten, und das wird auf die Gefährlichkeit eines Ortes abgestellt.
Nun gibt es in Berlin ziemlich viele gefährliche Orte und auch ziemlich viele gefährliche Menschen. Aber warum erlaubt sich der Staat – und diese Frage möchte ich einmal ernsthaft stellen und auch beantwortet wissen –, unschuldige Menschen, die nichts getan haben und keine Gefahr verursachen, einfach so zu kontrollieren? Das ist rechtsstaatlich höchst bedenklich, und das an Orten, an denen entweder Straftaten verabredet werden – aber von anderen Personen – oder an denen Menschen gegen Aufenthaltsgesetze verstoßen. Insofern ist das ein ganz klares Sonderrecht, das sich gegen Migranten und Migrantinnen oder gegen Menschen richtet, die der Prostitution nachgehen. All das hat das Berliner Polizeirecht seit den 2000er-Jahren.
Ich finde, es ist höchste Zeit, diese Praxis zu überprüfen. Herr Lauer hat eben in seiner authentischen Rede vorgetragen, dass diese Orte intransparent sind und nicht veröffentlicht werden. Ich neige da dem Menschenbild des Kollegen Lauer zu: Menschen in dieser Stadt haben das Recht darauf, frei von staatlichen Eingriffen zu sein, solange sie nicht gegen Gesetze verstoßen. Und dieses Recht sollten wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier in dieser freien Stadt auch würdigen. Wir sollten keine Willkür walten lassen. Wir sollten die Grundrechte schonen.
Es ist nicht ohne Grund, dass diese Regelung 1997 vom damaligen Innensenator Schönbohm eingeführt wurde. Viele seiner rechten Kumpane, die auch vor rechtsextremen Burschenschaften geredet haben – wie es Herr Schönbohm heute noch tut –, haben diese Gesetze übernommen. Die SPD ist nicht in der Lage, sich zu bekennen, dass man diese Praxis evaluiert und einmal fragt, was das gebracht hat.
Herr Karges Sachvortrag war von einem blinden Vertrauen in die polizeiliche Praxis geprägt. Da schämt sich ja selbst die Polizei, dass sie solche blinden Leute hat, die ihr vertrauen! Die Polizei will diese Kontrolle; sie will rechtsstaatlich kontrolliert werden, damit das, was sie tut, grundrechtsfreundlich ist und in dieser Stadt akzeptiert wird. Deswegen sollten Sie sich ein bisschen aufmachen, Herr Karge, und auch einmal mit gesundem Misstrauen nachfragen: Wie läuft es denn eigentlich? Wo sind diese
Ich möchte noch etwas anderes sagen: Diese sehr weitgehenden Befugnisse schränken die Freiheit der Menschen in dieser Stadt stark ein. Da gibt es andere und bessere Beispiele. Ich möchte eins aus Friedrichshain-Kreuzberg nennen: In der mutmaßlich gefährlichen GerhartHauptmann-Schule führt die grüne Bezirkspolitik mit der Berliner Polizei viele Kooperationsgespräche. Die sind natürlich mühsamer, weil man sich hinsetzen muss, weil man gemeinsam Gespräche führt, die Lage beobachtet und guckt, wer vielleicht gefährlich ist oder ein Straftäter sein könnte. Man sagt aber auch: Die Menschen sollen erst einmal ihren Raum haben und in Freiheit leben können. Diese Gespräche in Friedrichshain-Kreuzberg funktionieren sehr gut. Da muss man der Polizei ausdrücklich für das Vertrauen danken, dass sie in die Bezirkspolitik hat.
Deswegen wäre eine genaue Betrachtung der Gefahrengebiete ein Kompromiss. Ich neige auch dazu, sie sehr kritisch zu hinterfragen. Aber es wäre ein Kompromiss, den die SPD-Fraktion eingehen sollte, die Gefahrengebiete und die Praxis dort zu evaluieren. Mündige Bürginnen und Bürger in der Stadt haben ein Recht darauf, zu erfahren, wo sie ohne Grund und Verdacht kontrolliert werden können. Das sind wir ihnen schuldig. Deswegen: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! – Danke!
Vielen Dank, Herr Lux! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Juhnke das Wort. – Bitte sehr!
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier eine wirklich eine tolle Phantomdiskussion zu gewärtigen. Wir unterhalten uns über ein Thema, das bislang noch gar nicht als problematisch in irgendeiner Form in dieser Stadt aufgefallen ist, von Leuten, die sich in irgendeiner Weise übermäßig kontrolliert fühlen.
Es ist – das hat auch Herr Lauer gesagt – daraus entstanden, dass in Hamburg ein Gefahrengebiet definiert wurde, das verschiedene Ortsteile umfasst. Da sie in Hamburg nur halb so groß wie unsere sind, sind es dann auf einmal gleich mehrere. Dort ist daher auch als Konsequenz auf linksmotivierte Gewalt in starkem Maß, unter der Hamburg gelitten hat, ein größerer Rahmen abgedeckt worden. Das ist eine Rechtslage, die in der Form in Berlin gar
nicht existiert. Sie benutzen aber geschickt – oder auch nicht, je nachdem, ob man es glauben mag, ungeschickt – das Wort Gefahrengebiet, obwohl es in Berlin gar keine Rolle spielt, weil es unser Gesetz nicht vorsieht. Wir haben kriminalitätsgefährdete Orte. Das sind speziell definierte kleinere Gebietseinheiten, die Straßen, einzelne Plätze oder einzelne U-Bahnstationen umfassen, und keine Gebiete, die sich über mehrere Ortsteile erstrecken.
Das wird alles vermengt. Es wird unsachlich darüber diskutiert. Wie gesagt, das ist der Anlass für diese Diskussion. Es ist kein Problem, das es in Berlin gibt. Es ist vielmehr eine Diskussion, die anderswo entstanden ist. Da wir sonst offenbar keine konstruktiven Themen haben, wird an dieser Stelle versucht, ein Problem herbeizureden, das bislang nicht existiert. Es wird behauptet, die Ausführungen, die wir im Ausschuss dazu gehört haben, seien ineffektiv. Sie seien nicht angetan gewesen, diese These zu unterstützen, die hier so einfach behauptet wird. Aber das hilft natürlich auch der eigenen Argumentation, zeigt aber nur – das hat Herr Karge im Prinzip alles schon gesagt –, welches Bild Sie von der Polizei haben.
Herr Höfinghoff, zu Ihrer Brüllerei: Ich kann leider nicht verstehen, was Sie sagen. Es ist vielleicht auch besser so.