Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Bei den vorliegenden Anträgen handelt es sich um die Anträge, die sich mit den Fragen der Attraktivität des Erzieherinnen- und Erzieherberufs, aber auch mit der Ausgestaltung eines Systems zur Aus- und Weiterbildung

(Katrin Möller)

von Erzieherinnen und Erziehern beschäftigt. Gerade weil wir diese Wertschätzung für unsere Erzieherinnen und Erzieher empfinden und weil wir natürlich wollen, dass wir weiterhin und noch viel mehr gute Erzieherinnen und Erzieher in Berlin haben, klingt das auf den ersten Blick erst einmal alles sehr schön.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Aber!]

Geht man aber ins Detail, ergibt sich leider ein ganz anderes Bild. Beginnen wir mal mit der Forderung nach einer Schaffung einer Beratungsstelle für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Erzieherinnen- und Erzieherberuf, eine Forderung, die man hört und zunächst einmal denkt, das ist doch sicher sinnvoll.

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Realität in Berlin ist aber, dass es in Kooperation der Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie Arbeit, Integration und Frauen mit relativ kurzer Vorlaufzeit gelungen ist, ein bereits vorhandenes Berliner Netzwerk von Bildungsberatungsstellen für die Beratung von allen, die am Erzieherinnen- und Erzieherberuf interessiert sind, zur Verfügung zu stellen und zu nutzen. Dieses vom Land Berlin finanzierte Netzwerk besteht aus 15 Bildungsberatungsstellen, davon neun Frauenberatungsstellen, drei Lernläden, zwei Jobassistenten sowie eine Einzelberatungsstelle. In diesem Netzwerk wird beraten, wird an entsprechender Stelle weiterverwiesen und wird somit insbesondere an einem Quereinstieg Interessierten die Möglichkeit geboten, sich zu informieren und sich bei aufkommenden Fragen unkompliziert Hilfestellung zu holen. Der vorliegende Antrag ist damit mehr als überholt und vor allen Dingen erledigt.

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Kommen wir zu der Forderung nach einer Bundesratsinitiative! Gerade als Opposition ist es immer gut, eine Bundesratsinitiative zu fordern. Und man kann es auch machen, denn es hilft grundsätzlich, sich mit anderen Bundesländern zu vernetzen und Sachen zu besprechen, die zwar wie z. B. hier die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung Landesrecht sind, die wir aber gemeinsam machen könnten. Kurzer Hinweis, das hat Frau Möller gerade gesagt, die Erzieherinnen- und Erzieherinnenausbildung ist landesrechtlich bei uns in Berlin folgendermaßen geregelt: Sie dauert unverkürzt drei Jahre, sie ist vollzeitschulisch mit integrierten Praktika organisiert.

Schauen wir uns aber einmal kurz die anderen Bundesländer an und zählen zusammen: Hessen, RheinlandPfalz, Bayern, Baden-Württemberg, das Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, also acht Bundesländer, und wenn ich jetzt noch mitrechne, dass es die größten und bevölkerungsreichsten sind, also eine deutliche Mehrheit im Bundesrat, haben ein ganz anderes Modell. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auf unser Modell umstellen werden und von ihrem Blockmodell – zwei Jahre und dann ein Jahr in einer schulischen Ausbildung – abweichen werden, ist eher unwahrscheinlich.

Daher sind die Erfolgschancen für eine solche Bundesratsinitiative auch eher gering.

Bleibt die Forderung nach Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Erzieherinnen- und Erzieherberufs. Als eines von sieben Bundesländern beteiligt sich Berlin jetzt schon am Bundesprogramm Lernort Praxis, das der Stärkung des Praxisfeldes in der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung dient. Dieses Programm wurde von der bundesweiten Arbeitsgruppe Fachkräftegewinnung initiiert, an der sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ebenfalls beteiligt. Die Arbeitsgruppe befasst sich mit Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Erzieherinnen- und Erzieherberufs. Und selbstverständlich wird das Land Berlin die sich daraus ergebenden Maßnahmen dann auch prüfen und gegebenenfalls umsetzen. Bereits jetzt ist an jedem Fall die verstärkte Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zu sehen, und wir bemühen uns darum, dieses positiv aufzunehmen. Das Land Berlin bildet Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern aus und qualifiziert und begleitet sie auf dem Weg zum Erzieherinnen- und Erzieherberuf. Das Land Berlin erkennt selbstverständlich im Rahmen der Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates ausländische Berufsabschlüsse an. All dies sind Forderungen, die auch im Beratungsnetzwerk aufgenommen werden und als Anlaufstelle gelten, um Probleme in diesem Bereich zu lösen und die Möglichkeiten eines Einstiegs in Berlin als Erzieherin und Erzieher zu steigern.

Kurz, ein letzter Satz zu der Frage Verbleibstudie Bachelor. Das hatten wir im Ausschuss auch diskutiert. Der Anteil der Personen, die aktuell mit dem Bachelor fertig sind und über deren Verbleib eine solche Studie Aufschluss geben kann, ist so gering, dass wir wahrscheinlich kaum Erkenntnisse aus einer solchen Studie ziehen könnten. Deswegen wollen wir

[Zuruf von den GRÜNEN: Es gar nicht erst haben!]

gerne erst einmal darauf verzichten und uns das später angucken.

Alles in allem, und ich denke, das ist nach meiner Rede auch für Sie klar geworden:

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Nein!]

Wir haben eine Übereinstimmung in dem Willen, dass wir die Situation für Erzieherinnen und Erzieher in Berlin und ihre Arbeitsbedingungen deutlich steigern und attraktiver machen wollen. Der Senat hat einige sehr gute Schritte in diese Richtung schon getan. Wir begleiten ihn weiter kritisch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Kollegin Burkert-Eulitz. – Bitte schön!

(Björn Eggert)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht haben Sie die Überschrift nicht richtig gelesen, wir haben in Berlin ein Problem, und das heißt Fachkräftemangel, nicht nur in der Altenpflege, sondern auch bei den Erzieherinnen und Erziehern.

[Beifall von Martin Beck (GRÜNE)]

Das ist das größte Problem. Das sagt Ihnen das Kitabündnis. Das steht in jeder Zeitung, aber irgendwie kommt es bei Ihnen nicht so richtig vor. Es ist auch nicht wirklich klar, wer bei Ihnen eigentlich die Kitapolitik in der Koalition macht. Die CDU scheint ganz auszufallen, da fehlen öffentliche Forderungen. Davon habe ich noch nie etwas gelesen. Vielleicht ist es auch das alte Bild, die Frau gehört an den Herd.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Wollen Sie mich vergiften?]

Dazu will man sich doch nicht so richtig äußern.

Bei der SPD kann man drei Fraktionen ausmachen, von den kinder- und jugendpolitischen Sprechern kommt wenig. Herr Langenbrinck und Co., das sind die, die die Lösung im Zwang suchen; sie wollen die Menschheit mittels Ordnungsrecht beglücken. Das führt zu Ärger und Frustration, das ist kein Weg, das ist ein Irrweg.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Einzigen, die eigentlich dafür zuständig sind und von denen auch mal vernünftige Sachen kommen, das sind Frau Scheeres und Frau Klebba. Vielleicht sollten Sie mal ein bisschen mehr auf die Fachlichkeit aus Ihren Senatsverwaltungen hören, dann müssten wir in diesem Hause so manche Merkwürdigkeit nicht diskutieren.

Dann gibt es noch Herrn Saleh, der sein ganz eigenes Herz für die Kita entdeckt hat. Das hört sich erst einmal gut an, was aber fehlt, ist die Wertschätzung von Erzieherinnen und Erziehern und ihrer Arbeit. Das sind warme Worte, die wir gerade auch von Herrn Eggert wieder gehört haben. Der Job besteht aber aus mehr als dem Abwischen des Pos und dem Putzen der Rotznase – hier werden die Grundlagen für Bildung gelegt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Antje Kapek (GRÜNE): Ach!]

Und jetzt läuft Herr Saleh durch die Stadt: Nachdem die Kitapflicht quasi durch die Hintertür eingeführt wurde, sollen Elternbeiträge von Anfang an frei sein. Das hört sich schön an,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

tatsächlich sind das aber nicht die Probleme. Die Probleme, die die Eltern haben, liegen im Betreuungsschlüssel, im Fachkräftemangel und bei der nicht gewährleisteten Beziehungskontinuität.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Woran liegt das vor allem, dass die Erzieherinnen und Erzieher zu wenig Geld verdienen, der Job nicht attraktiv genug ist? – Komischerweise rennen Ihnen im Bereich der Schule, wo es gute Bezahlungen gibt, die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger die Tür ein. Bei den Erzieherinnen und Erziehern sehe ich das nicht.

Die Elternbeiträge machen ungefähr 45 Millionen Euro aus, die sozusagen wegfallen. Auf die Idee, dieses Geld vielleicht an die Erzieherinnen und Erzieher auszureichen –wenn man von 20 000 Erzieherinnen und Erzieher ausgeht, machten 45 Millionen Euro jeweils 2 000 Euro mehr im Jahr aus – kommen Sie nicht. Vielleicht würde der Job damit ein bisschen attraktiver werden. Vielleicht überlegen Sie sich das mal, ob Sie da rangehen, und dann können Sie gerne draufsatteln und die Kita auch entsprechend freistellen. Alle – auch das Kitabündnis, das gerade seine Stellungnahme abgegeben hat, auch die Schöneberger Kita – fanden es erst einmal in Ordnung, dass man den Beitrag freistellt. Am Schluss wurde aber immer der Fachkräftemangel angesprochen, und darauf haben Sie keine Antworten, da fehlen sie Ihnen. Alle drei Oppositionsfraktionen haben Ihnen Vorschläge gemacht. Sie haben zumindest im Ausschuss gesagt, dass die eigentlich alle in Ordnung seien. Als Gegenargument haben Sie benannt, es sei der falsche Zeitpunkt, es würde schon etwas gemacht werden. Das waren aber keine tatsächlich guten Argumente.

Die Koalition, insbesondere die SPD, weiß nicht, was sie wirklich will. Die CDU hat erst keine Meinung gehabt. Wenn Sie vernünftig agieren würden, würden Sie auf das Kitabündnis achten, sich die acht Punkte nehmen und sie umsetzen, und dann würde die Welt in unseren Kitas sehr viel besser sein. Ich lege Ihnen nahe, das mal zu lesen und umzusetzen. Wir werden Sie dabei unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Burkert-Eulitz! – Für die CDUFraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Simon. – Bitte sehr!

[Joschka Langenbrinck (SPD): Herr Simon ist übrigens auch ein Mann! Da wollte ich nur mal drauf hinweisen! – Zuruf von den GRÜNEN – Joschka Langenbrinck (SPD): Weil es um das Rollenverständnis ging!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich in die Debatte zu

den drei Anträgen einsteige, möchte ich kurz noch eine Sache zu Protokoll geben, die mir sehr am Herzen liegt. Wir haben zu dem, was Frau Burkert-Eulitz gerade gesagt hat – dass die Grundlagen der Erziehung und der Bildung in der Kita gelegt werden –, eine ganz andere Auffassung. Die Grundlagen dazu werden im Elternhaus gelegt, und das ist auch gut so!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Über die drei vorliegenden Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Linksfraktion und der Piratenfraktion haben Mitte März zwei Ausschüsse – der Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen und der Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie – diskutiert. Schon bei der Debatte im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie habe ich deutlich gemacht, dass die CDU-Fraktion zu den aufgerufenen Themen eine andere Meinung als die jeweils antragstellende Fraktion hat. Ich nutze die heutige Rederunde gerne, die Begründung unserer Ansicht noch einmal zu wiederholen.

Bezüglich der von den Grünen geforderten Beratungsstelle ist wichtig festzuhalten, dass wir inzwischen 16 Beratungsstellen haben. Herr Eggert hat es auch schon gesagt, er hat von 15 Stellen gesprochen, hinzu kommt noch der Infopunkt in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Diese Beratungsstellen sind fachlich qualifiziert und informieren über die verschiedenen Wege in die Kitas. 16 dezentrale Beratungsstellen, ich betone das noch einmal, 16! Dazu gehören Jobassistenten, Lernläden und Frauenberatungsstellen. Das bringt viel mehr als eine Beratungsstelle. Schon im Ausschuss habe ich die Meinung vertreten: Dieser Antrag hat sich erledigt. – Dann haben Sie auch den Mut und ziehen ihn zurück, wir sind nämlich nach wie vor der Meinung, dass er sich erledigt hat!

[Antje Kapek (GRÜNE): Weil Sie das erklären, sollen wir ihn zurückziehen?]

Zur von der Linken geforderten Bundesratsinitiative habe ich schon im Ausschuss deutlich gemacht, dass diese Bundesratsinitiative, die von vornherein keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, meine Unterstützung nicht findet. Die anderen Bundesländer werden hier nicht mitgehen. Mehr ist hierzu nicht zu sagen.

Der Antrag der Piratenfraktion schließlich fordert ein Konzept. Konzepte sind ja nicht schlecht, aber wenn man sich anschaut, was Inhalt des von Ihnen geforderten Konzepts sein soll, können wir nicht zustimmen. Ich möchte drei Punkte nennen. Ich teile zwar die Auffassung, dass Erzieherinnen und Erzieher deutlich besser als bisher bezahlt werden sollten – das habe ich auch im Ausschuss gesagt. Das Land Berlin sollte das aber nicht alleine regeln. Die Gehaltsverhandlungen über das Niveau der Bezahlung werden zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und den Gewerkschaften geführt. Die CDU

Fraktion ist froh, dass das Land Berlin der TdL wieder angehört und möchte das nicht durch eine Erhöhung der Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher außerhalb der Tarifverhandlungen gefährden. Dass die TdL bei ganz anderen Sachverhalten schon mal Mitglieder rausschmeißt, musste Berlin schon einmal erleben. Aber auch Ihr Ziel, das Gehaltsniveau deckungsgleich mit dem der Grundschullehrerinnen und -lehrer zu machen, teilen wir ausdrücklich nicht.

Zweitens: Ihre Vorstellungen zu den Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern zeigt mir, dass Sie völlig verkennen, wie schwierig es ist, Kitaträger schon mit der heutigen Regelung zu motivieren, Quereinsteiger einzustellen. Wenn man sich mit Menschen austauscht, die sich für einen Quereinstieg interessieren – und das tun wir regelmäßig –, wird deutlich, wie schwer es für diese Menschen ist, einen Arbeits- und Ausbildungsplatz zu erhalten. Wenn Ihre Vorstellungen umgesetzt werden würden, würde diese Zielgruppe gar nicht mehr in den Kitas landen. Wir brauchen sie aber, und wir wollen sie haben. Sie stellen eine Bereicherung dar.