Protokoll der Sitzung vom 08.05.2014

Danke, Frau Kollegin Remlinger! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Kollegin Bentele. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neukölln ist nicht überall. Das ist uns natürlich klar, aber es kann gute Gründe geben, gute Initiativen aus Neukölln auf die ganze Stadt auszudehnen. Die Veranstaltung eines Tages des offenen Unternehmens ist eine solche, denn sie füllt eine Lücke im bisherigen

(Joschka Langenbrinck)

Berufsbildungsangebot. Alle Schüler der 9. und 10. Klassen informieren sich dabei nicht nur theoretisch, wie auf einer Messe, oder schnuppern – wie beim Tag der Technik oder der Langen Nacht der Industrie – generell in Unternehmen hinein, sondern sie gehen für einen Tag in die Betriebe in ihrem Bezirk und können dort erfahren, welch eine Vielfalt an Ausbildungsberufen es gibt, welche Voraussetzungen man erfüllen muss, um eine Ausbildung zu beginnen, wie man sich bewirbt etc. Ich erhoffe mir von der Ausdehnung dieser Initiative auf ganz Berlin, dass die Motivation bei allen Jugendlichen steigt, einen berufsqualifizierenden Schulabschluss zu erwerben, und dass durch den Tag des offenen Unternehmens Kontakte geknüpft werden, die dazu führen, dass Schulabgänger direkt nach dem Schulabschluss auf einen Ausbildungsplatz ihres Wunsches wechseln.

Die Initiative senkt Hürden und schafft die notwendigen Netzwerke zwischen Schule und Ausbildungsbetrieben, und da es auch in anderen Bezirken schon jetzt regionale Ausbildungsbündnisse und -projekte gibt, müsste ein Tag des offenen Unternehmens eigentlich auch in den anderen Bezirken gut umsetzbar sein, wenn der Senat hierbei noch unterstützend wirkt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Ich wollte nur noch einen Satz sagen. – Es handelt sich um eine gute, sinnvolle Initiative, der wir alle zustimmen sollten.

Ach so, Sie waren schon am Ende.

Das war ich.

Frau Bentele! Ich wollte Sie fragen, ob Sie in der Koalition schon überlegt haben, wie viel Personal Sie der Senatsverwaltung dafür zur Verfügung stellen wollen.

Ich glaube, für die Ausrichtung eines Tages im Jahr brauchen wir kein zusätzliches Personal.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön! – Frau Kittler, Sie haben jetzt gleich selbst das Wort für die Fraktion der Linken. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag hört sich erst einmal gut an, will er sich doch um Berufsorientierung und eine damit verbundene bessere Motivierung von Schülerinnen und Schülern, die bestmöglichen Abschlüsse zu erreichen, kümmern. Schaue ich aber genauer hin, tun sich doch einige Fragen auf. So wollen die antragstellenden Fraktionen für alle Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen einen landesweiten Tag des offenen Unternehmens vom Senat ausgerichtet haben, wobei die Agentur für Arbeit mit dem Senat kooperieren soll. Oha!, kann ich da nur sagen. Wir haben gegenwärtig im neunten Jahrgang ca. 33 000 und im zehnten Jahrgang 30 000 Schülerinnen und Schüler. An einem Tag sollen also 63 000 Jugendliche die Unternehmen der Stadt fluten. Hier von einem kleinen Mosaiksteinchen zu sprechen, Herr Langenbrinck, finde ich sehr mutig.

[Zurufe von Joschka Langenbrinck (SPD) – Martin Delius (PIRATEN): Mehr ist es auch nicht!]

Auf die hier nötige logistische Meisterleistung bin ich schon sehr gespannt. Mal schauen, ob diese Art von Planwirtschaft gelingt!

Dann wollen Sie den Tag landesweit durchführen lassen, sagen in der Begründung allerdings, dass die Aktionen im Umkreis der Schule stattfinden sollen. Was machen Sie, wenn im Umkreis der Schule – die Frage wäre: Wie groß soll der eigentlich sein? – gar keine oder zu wenige Unternehmen sind oder wenn eine Schülerin oder ein Schüler sich gerade nicht für die Unternehmen vor Ort, sondern für solche am anderen Ende der Stadt interessiert? Auch bezieht sich die Begründung auf das Vorbild des Unternehmensnetzwerks Neukölln-Südring, also auf Unternehmen aus den Bereichen Industrie, industrienahe Dienstleistung, Handwerk und Gewerbeimmobilienwirtschaft. Das soll das Vorbild sein? Da frage ich: Was ist mit den Landesbetrieben, mit der BVG oder der BSR zum Beispiel? Sie würden für mich unbedingt dazu gehören und auch die Berliner Verwaltung wie auch Bildungseinrichtungen, Jugendfreizeitstätten, Theater, überhaupt Kultureinrichtungen, die Polizei, Gerichte, die Feuerwehr – oder das Berliner Abgeordnetenhaus; das wäre auch noch eine Variante. Abgesehen davon ist das Netzwerk in Neukölln ein von sich aus gewachsener Verein. Solche gewachsenen Strukturen gibt es nicht überall.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Jetzt soll es der Senat ausrichten, in Kooperation mit Arbeitsagentur und Unternehmen. Es tut mir leid, Frau Bentele, das sehe ich anders, das wird der Senat nicht so einfach organisieren können, auch wenn die Agentur für Arbeit mit eingespannt wird. Auch dort haben wir eine Arbeitsverdichtung, sodass sie das nicht mal so eben nebenbei machen können. Ich befürchte, dass Sie das schon wieder den Schulen überhelfen wollen. Wenn das

(Hildegard Bentele)

stattfindet, weiß ich nicht, wie das Ganze enden soll. Aber darüber können wir gern im Ausschuss diskutieren.

Für mich ist dann auch die Frage zu diskutieren, wieso Sie hier nicht die von Ihnen gerade vorhin in der Aktuellen Stunde noch mal beschworene Jugendberufsagentur mit ihren Filialen in den Bezirken, sondern ausdrücklich nur die Arbeitsagentur benennen. Das verschließt sich mir völlig.

Die weitere Entwicklung von Kooperationsbeziehungen zwischen Schulen und ortsansässigen Unternehmen einschließlich denen des öffentlichen Sektors, die Unterstützung von Initiativen vor Ort, mehr Schülerpraktika und effektiver WAT-Unterricht wären nachhaltige Themen, die wir auch in diesem Zusammenhang in den Ausschüssen diskutieren müssen. – Danke sehr!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kittler! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort Kollege Delius. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition möchte – ich glaube, da sind wir uns im Haus alle einig – die Berufsorientierung stärken und der steigenden Jugendarbeitslosigkeit in Berlin begegnen.

[Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Ja, Herr Kohlmeier, da sind wir uns tatsächlich alle einig. Und das freut mich auch sehr. – Um zu beweisen, wie wichtig das Thema der SPD ist, hat sie das gleich zur Priorität gemacht. Aber da bin ich ein bisschen deutlicher als meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition vor mir. Wenn man sich den Antrag durchliest, kann man die Priorität dieses Themas nicht so richtig nachvollziehen; denn – ja, Herr Langenbrinck! – das ist nur ein ganz kleines Mosaiksteinchen, was Sie uns anbieten bzw. als Lösungsoption verkaufen.

Das Problem auf dem Berliner Arbeitsmarkt für Jugendliche ist allerdings dramatisch, das kann man auch nicht kleinreden. Ich gebe Ihnen ein paar Zahlen: Nur 13,5 Prozent aller Betriebe in Berlin bilden überhaupt aus. Dieses Problem lösen Sie mit solchen Tagen auch nicht. 14 000 Jugendliche befinden sich in Warteschleifen in der Hoffnung auf Ausbildungsplätze oder in Weiterbildungsmaßnahmen, die oft nicht für sie passen oder keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt liefern.

17 000 arbeitslose Jugendliche von 15 bis 25 Jahren gibt es in Berlin. Mit 11,4 Prozent ist das doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Das sieht auch nicht so gut aus.

33,6 Prozent der Lehrlinge insgesamt in Berlin brechen laut des Berufsbildungsberichts des Bundesinstituts für Berufsbildung vom April 2013 ihre Lehre vorzeitig ab. Das sind 24,4 Prozent im Bund, da liegen wir also auch drüber. Im Zeitraum von 2000 bis 2012 ist die Zahl der neu abgeschlossenen Berufsbildungsverträge bei der IHK von 12 382 jährlich auf 10 740 jährlich zurückgegangen. Und zum Vergleich noch mal: Im Jahr 2007 stellten Unternehmen in Berlin 1 407 Auszubildende in Industrieberufen ein, im Juni 2013 lag die Zahl bei 1 090. Auch da geht die Zahl herunter.

Was will die Koalition laut Antrag dagegen tun? – Sie möchte einmal im Schuljahr einen Tag für die 9. und 10. Klassen opfern, um eine Berufsorientierung im Unternehmen und mit Unternehmen zu ermöglichen. Das ist nicht genug. Das führt meiner und unserer Meinung nach an der Dramatik des Problems vorbei.

Was kann man stattdessen tun? Welche Probleme gibt es denn eigentlich, die man angehen müsste? – Es fehlen immer noch Kooperationen, Patenschaften zwischen Schulen und Betrieben zur besseren Koordinierung von Praxistagen, Praktika und Bewerbungstrainings. – Das wurde auch schon von Frau Remlinger angesprochen. – Diese können auch zu Übernahmegarantien führen, wenn sie ausreichend erprobt sind. Das ist überhaupt nicht Teil des Antrags. Die unzureichende Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt innerhalb der Schule ist immer wieder Thema in Gesprächen außerhalb und innerhalb dieses Hauses. Insbesondere die Gymnasien müsste man in den Blick nehmen, weil wir da im bundesweiten Vergleich weit hinterherhinken.

Die Perspektivlosigkeit junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund schlechter Noten und die unzureichende Notenfixierung zur Leistungsbemessung in Politik und Öffentlichkeit – auch darüber haben wir aktuell wieder in der Presse etwas lesen dürfen. Ich finde im Übrigen nicht schlecht, dass die Senatsverwaltung jetzt den Zugang zum und die Benotung beim MSA erleichtert und auch die Nachprüfungszahl erhöht hat. Es ist gut, überhaupt einen Abschluss zu bekommen, denn – das ist mein nächster Punkt – wir haben immer noch zu viele Abgänger ohne Abschluss. Ein Abschluss ist der erste Schritt, um Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einer Ausbildung zu bekommen. Darüber müssten wir auch diskutieren.

Letzter Punkt, was die Probleme angeht, was auch nicht vergessen werden darf: Jugendlichen mit Migrationshintergrund bleibt der Zugang zum Arbeitsmarkt oft aufgrund von struktureller Diskriminierung verschlossen. Da reicht es oftmals schon, dass man einen vermeintlich fremd wirkenden Namen hat. Deshalb biete ich Ihnen für die Piratenfraktion an: Wir können uns gerne zusammensetzen und zum Beispiel die Unterfinanzierung der beruflichen Schulen beenden. Wir haben dann auch bald

(Regina Kittler)

wieder Haushaltsberatungen. Wir könnten die Gängelung der beruflichen Schulen in freier Trägerschaft beenden – das haben Sie gerade beschlossen –, die hochdynamisch auf den Arbeitsmarkt reagieren können, aber finanziell ausgebremst werden. Wir könnten endlich das Landesinstitut für berufliche Schulen zur Koordination und die inhaltliche Neuausrichtung der Oberstufenzentren in Zusammenarbeit mit den Schulen einführen. Da warten wir wahrscheinlich noch lange auf eine Senatsvorlage. Wir könnten den Personalmangel an den beruflichen Schulen beheben.

Wir könnten auch – das war schon Thema in den vorherigen Redebeiträgen – endlich mal anfangen, richtig über die Jugendberufsagenturen zu reden. Und, Frau Remlinger, um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin der Meinung, soweit sich mir das darstellt, sind sie ein Brei; man kann sie sowohl essen als auch trinken. Es kann nämlich alles sein oder nichts. Ich würde darüber gern reden. Ich sehe Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, in der Pflicht, da Ihrem Senat Beine zu machen und zu sagen: Wir brauchen jetzt die Vorlage, wir brauchen das LIBS und die Jugendberufsagenturen, um darüber diskutieren zu können. – So muss ich Ihnen leider sagen: Thema verfehlt, in der Benotung wäre das ungenügend. Schade, das Thema ist zu wichtig! – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Kollege Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie beantragt. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 26

Transparente Veröffentlichung im Internet aller Möglichkeiten für die Beantragung von Fördermitteln im Bereich Integration

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1606

Auch hier wieder fünf Minuten Redezeit vom Kontingent. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Der Kollege Dregger hat das Wort für die Fraktion der CDU. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD, der Ihnen, wenn Sie ihn lesen, vielleicht recht klein und unbedeutend vorkommen mag, Veröffentlichung von Fördermitteln für Integrationsmaßnahmen im Internet – das klingt vielleicht nicht für alle so wichtig.

[Martin Delius (PIRATEN): Internet?]

Unser Antrag geht zurück auf eine Reihe von Gesprächen, die ich mit den verschiedenen Migrantenselbstorganisationen in unserer Stadt führen durfte. Er behandelt ein Anliegen, das diese an mich herangetragen haben.