denn damit haben wir wirklich anderthalb Jahre verloren und sind den entscheidenden Problemen, nämlich der Frage nach Fehlern in der Unternehmensorganisation und vielem anderen mehr, nicht nähergekommen. Gott sei Dank stehen wir jetzt mit dem entsprechenden Zeitverlust mitten im Thema. Schön wäre es gewesen, hätten wir dieses Stadium schneller erreicht. An uns lag es nicht.
Auch dass Sie sich jetzt als Oppositionsfraktionen nicht schneller auf einen gemeinsamen Antrag haben verständigen können, die Erweiterung des Untersuchungsauftrag betreffend, haben nicht wir zu verantworten.
Da scheint es dann bei Ihnen untereinander gewisse Kommunikationsschwierigkeiten zu geben. – Tatsache ist, es gibt nun einen gemeinsamen Antrag. Es gibt einen Konsens zwischen den Fraktionen des Hauses. Das dürfen wir auch einmal positiv zur Kenntnis nehmen.
Wenn ich von einem grundsätzlichen Problem, das wir als Ausschuss immer wieder im Blick behalten müssen, spreche, dann ist es in der Tat, dass unsere gesetzmäßige Aufgabe die ist, nach hinten zu schauen, einen abgeschlossenen Zeitraum zu bewerten, auszuwerten und dann vielleicht das Fazit, die Lehren daraus zu ziehen, die Wiederholungen in der Zukunft vermeiden. Wiederholungen dieser Größenordnung werden in Berlin hoffentlich nicht zu befürchten sein. Aber wir haben uns zunehmend zu einem Flughafenbegleitausschuss entwickelt. Das, was wir nie wollten, ist tatsächlich aber Realität geworden. Das, was wir zum Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses auch nicht absehen konnten, dass wir in der Tat absehbar fast bis zum Ende der Legislaturperiode, einige unken schon eigentlich noch länger, werden tagen müssen, all das war am Anfang nicht absehbar. Insofern ist diese Erweiterung des Auftrags sinnvoll.
Und wir freuen uns natürlich wie bisher auf eine hoffentlich konstruktive und – ich kann mich dem Kollegen Kreins nur anschließen – vielleicht auch in der zweiten Halbzeit etwas effektivere Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss. Denn manchmal habe ich bei der Ausführlichkeit, in der wir uns mit den Zeugen beschäftigen, schon den Eindruck, wir sind bald so weit, dass wir auch Ina Müller vom Potsdamer Platz einladen könnten und uns auch mit ihr acht Stunden beschäftigen würden. Vielleicht sollten wir uns selbst etwas mehr mahnen und am Riemen reißen, was die Sitzungsdauer angeht. Ich glaube, sie müssen nicht zwingend jedes Mal die acht Stunden sprengen.
Und wir müssten nicht jeden Zeugen zwei Mal vorladen, wenn wir uns eher darauf konzentrierten, nicht die gleichen Fragen fünf Mal zu stellen, nur weil wir fünf Fraktionen im Haus sind. In dem Sinne: Auf weiterhin gute Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss, so traurig der Anlass ist, und auf eine einstimmige Beschlussfassung hier im Haus. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Evers! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Delius. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Ich verzichte auch auf eine Zwischenbilanz. Das, was wir herausgefunden haben, wird dann in einem Abschlussbericht stehen. Da gibt es dann auch unterschiedliche Deutungen und Minderheitsvoten.
Wir haben hier auf der Tagesordnung endlich einen gemeinsamen Antrag zur Erweiterung des Untersuchungsauftrags stehen. Ich freue mich auch sehr, dass die Koalitionsfraktionen den Sinn und den Zweck dieser Erweiterung erkannt haben und es im Rechtsausschuss mit ihren Stimmen deutlich gemacht haben. An der Stelle vielen Dank an die Mitglieder des Rechtsausschusses, die sich sogar in einer Sondersitzung heute getroffen haben, um das dringlich einbringen zu können, damit wir im Untersuchungsausschuss in unserer letzten Sitzung vor der Sommerpause die entsprechende Beweisanträge aufgrund dieser Erweiterung des Auftrags einbringen können. Das Ganze beschleunigt den Vorgang mit der Umsetzung der Erweiterung. Da kann man mal danke sagen.
Der Titel des Untersuchungsausschusses, die meisten kennen ihn nicht auswendig, ich auch nicht, heißt:
Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin-Brandenburg Willy Brandt (BER).
Da steht: Kosten- und Terminüberschreitungen, ja. Der ursprüngliche Auftrag des Untersuchungsausschusses ist am 27. September 2012 beschlossen worden. Spätestens Anfang 2013 ist dem aufmerksamen Beobachter oder der aufmerksamen Beobachterin klar gewesen, dass es neue
Kosten- und Terminüberschreitungen gibt, die nicht von dem Auftrag betroffen sein könnten. Insofern war die Erweiterung des Untersuchungsauftrags schon damals angezeigt. Jetzt, fast über ein Jahr danach, passiert es auch endlich. Dass es so umfangreich wird, liegt jetzt nicht an diesem Parlament, es liegt auch nicht an dem Untersuchungsausschuss oder seiner Arbeitsweise, sondern es liegt daran, dass dieses Projekt immer grotesker und immer schwieriger wird für die Stadt Berlin und alle Beteiligten.
Deswegen machen wir das, deswegen machen wir das auch gemeinsam. Das ist dann auch die politische Komponente. Natürlich wollen wir den Auftrag, der im Titel steht, erfüllen. Und das machen wir nach bestem Wissen und Gewissen. Und ob man jetzt der Meinung ist, der Standort wäre ein Problem oder die Vergabe in kleinen Losen oder nicht, das, Herr Kreins, steht im Untersuchungsausschuss-Abschlussbericht. Ja, es ist hart, ja, wir tagen lang, und ja, man könnte manche Befragung auch effizienter gestalten. Das liegt dann aber auch immer im Ermessen – nicht Sie, Herr Kreins, ich gucke Sie nur an, weil Sie mir gegenübersitzen – der einzelnen Fraktionen.
Mit Konzentration auf die aktuelleren Ereignisse gehe ich mal davon aus, dass wir auch wesentlich interessantere und kurzweiligere Befragungen haben werden, sodass dann auch acht Stunden, die es im Untersuchungsausschuss mitunter ja sind, nicht allzu anstrengend für die Mitglieder werden. Mir macht das gar nichts aus, ich könnte auch zwölf Stunden da sitzen – wie im NSUUntersuchungsausschuss. Die Pressekonferenz müssen wir auch nicht machen, dafür haben wir alle die Möglichkeit, eine PM herauszugeben, die wir ja auch eifrig nutzen. Eine Berichterstattung über die Arbeit des Ausschusses findet auch statt, das gefällt mir. – Ich bitte Sie, wie im Rechtsausschuss zuzustimmen, und bedanke mich!
Danke sehr, Herr Kollege Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/1449 empfiehlt der Rechtsausschuss einstimmig die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 17/1717 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sieht verdächtig nach Einstimmigkeit aus. Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen? – Ich sehe keine, damit ist auch dieser Antrag einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 11 war Priorität der Fraktion der SPD unter Nr. 4.3. Tagesordnungspunkt 12 steht auf der Konsensliste.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 10. Juni übergaben 30 Historiker der Bundesministerin für Verteidigung Ursula von der Leyen einen offenen Brief, in dem sie forderten, die Namen von Militärs von den Kasernenschildern zu tilgen, die für das Sterben von Millionen Soldaten und Zivilisten im Ersten Weltkrieg die Hauptverantwortung trugen. An vorderer Stelle wurde dabei der Name Paul von Hindenburg genannt. Ich meine, 100 Jahre nach Beginn eines Krieges, der auch von Hindenburg bis an den Rand der vollständigen militärischen Niederlage Deutschlands unter wissentlicher Inkaufnahme eines fürchterlichen Blutzolles verlängert wurde, ist es an der Zeit, sich von diesem von ihm selbst gestrickten Mythos Hindenburg zu verabschieden. Dieser Militarist und Massenschlächter hat keine, aber auch nicht die geringsten Verdienste um Deutschland, geschweige denn um Berlin erworben.
Im Gegenteil! Er ist der Erfinder der Dolchstoßlegende, einer politischen Erblast der jungen deutschen Republik, der ersten deutschen Republik, der er schließlich den Garaus zu bereiten half. Dieser feige Kerl, der sich vor der Verantwortung für die von ihm mitverzapfte Niederlage drückte, hat nicht den geringsten Anspruch darauf, dass ihm ein ehrendes Gedenken gewährt wird. Es ist kein Zufall, dass die Völker der Welt gerade in Sachen Umgang mit der Geschichte beider Weltkriege sehr aufmerksam auf Berlin blicken.
Wie wurde Hindenburg Ehrenbürger? – Am 20. April 1933 wurde die Liste der Berliner Ehrenbürger um die Positionen 58 – Paul von Benneckendorff und von Hindenburg – und 59 – Adolf Hitler – erweitert. Beide wurden, ich zitiere
ernannt. Diese Begründung stimmt. Für die Etablierung der faschistischen Diktatur hatte sich Hindenburg tatsächlich Verdienste erworben. Sein Biograf Wolfram Pyta hat nachgewiesen, dass er – ich zitiere – „ein ganz wichtiger Akteur“ bei der Zerschlagung der ihm als Reichspräsident anvertrauten Republik gewesen ist. Hindenburg habe am 30. Januar 1933 mit der Machtübergabe an Hitler eine Art
wieder Zitat – „freiwillige Abdankung“ vollzogen und diese konsequent mit seiner Unterschrift unter die hitlerschen Notverordnungen bis hin zur Unterschrift unter das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, der Todesurkunde der ersten deutschen Demokratie, besiegelt. Dem ging am 21. März der Tag von Potsdam voraus, an dem Hindenburg die Nazis für die deutschen Konservativen salonfähig machte. In der Potsdamer Garnisonkirche, so Pyta, sei eine „symbiotische Beziehung“ zwischen beiden entstanden. Das jetzt folgende Zitat lassen wir uns bitte alle auf der Zunge zergehen, es stammt von Hindenburg selbst. Hindenburg sah das nicht viel anders als sein Biograf, nämlich – Originaltext –:
Hindenburg hätte die Möglichkeit gehabt, Hitler zu verhindern. Er machte das Gegenteil. Er war einer seiner wichtigsten Wegbereiter. Hitler wurde die Berliner Ehrenbürgerschaft am 16. Dezember 1948 aberkannt – Hindenburg steht immer noch auf der Liste! 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist es, meinen wir, überfällig, diesem Militaristen und Hitler-Installateur aus der Galerie derer zu entfernen, auf die Berlin zu Recht stolz sein kann.
Dortmund, Köln, Halle/Saale, Leipzig, München und Stuttgart haben ihm inzwischen die Ehrenbürgerschaft entzogen. Berlin, finde ich, sollte dem Beispiel dieser Städte endlich folgen.
Übrigens räumt inzwischen selbst die Bundeswehr – ich begann mit der Bundesverteidigungsministerin – in Gestalt des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes ein, dass es nicht bekannt sei, dass sich Hindenburg – ich zitiere – „um Freiheit und Recht im Sinne der heutigen Traditionslinie“ – gemeint ist die der Bundeswehr – verdient gemacht habe. Auch das MGFA konstatiert, dass es Hindenburg war – Zitat –, „der die Hitler-Bewegung für eine breite Mehrheit konsensfähig“ gemacht habe. Und solch ein Mensch, frage ich, soll weiterhin Ehrenbürger von Berlin sein?
Korrigieren wir endlich das Versäumnis unserer Vorgänger aus dem Jahre 1948! Wir sind es den vielen Toten, die auch Paul von Hindenburg zu verantworten hat, einfach schuldig. Wir sind es schuldig der Zukunft der uns nachfolgenden Generationen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege Brauer! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Lubawinski. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Paul von Hindenburg ist sicherlich keine einfach zu bewertende Persönlichkeit. Seine Entscheidung, Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen, lastet heute schwer auf seinem Andenken. Auch seine grundsätzliche Rolle als Reichspräsident und als Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Doch die Bewertung seiner Person ist sicherlich viel vielschichtiger. Zweifelsohne war Hindenburg kein Demokrat – das schon aufgrund seiner nationalkonservativen Erziehung im alten Preußen und seiner militärmonarchistischen Sozialisation im Kaiserreich. Ihm vorzuwerfen, die Weimarer Republik mit Vorsatz beseitigt zu haben, ist allerdings grundfalsch.