Wegen dieser üblicherweise vertraglich zugesicherten Vertraulichkeit von Schiedsverfahren würde das Abgeordnetenhaus in einem vergleichbaren Fall nicht erfahren, wenn ein Schiedsverfahren gegen das Land betrieben wird, denn das Land Berlin würde in diesen Fällen allein von der Senatorin vertreten, die in ihrem Geschäftsbereich betroffen ist, Senatorin Yzer zum Beispiel. Im Ergebnis kann auch niemand wissen, wie viele solche Schiedsverfahren es unter Beteiligung des Landes Berlin es bereits gab. Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, wie viele solche Schiedsverfahren es gab, wir wissen nicht, wie viele solcher Verfahren momentan laufen, und wir wissen nicht, wie viele solcher Verfahren es noch geben wird. Bei dem „geben wird“ können wir schon einmal einhaken. Denn der Grundsatz der Gewaltenteilung, dessen Bedeutung in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsgewalt, gebietet, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein muss. Deshalb sind geheime Schiedsverfahren, soweit sie den Staat betreffen, mit dem parlamentarischen Regierungssystem unvereinbar.
Wir haben aus gutem Grund ein Öffentlichkeitsprinzip vor ordentlichen Gerichten. Deshalb fordern wir auch in diesem Fall, dass Formen intransparenter Schiedsverträge und Schiedsverfahren für Berlin grundsätzlich auszuschließen sind, und dass Berlin sich auch dafür einsetzt, dass dies in Zukunft auch auf Bundesebene gilt. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich zugeben: Ich habe den Antrag ein paar Mal gelesen, um zu verstehen, was die Piratenfraktion uns eigentlich sagen will, ob es jetzt um Transparenz
geht, ob es um parlamentarische Kontrolle geht oder ob es darum geht, grundsätzlich keine Schiedsvereinbarungen mehr zu treffen. Ganz sicher bin ich mir, ehrlich gesagt, immer noch nicht.
Ich versuche es jetzt einmal chronologisch. Die Ziffer 1 des Antrags sieht vor, gar keine Schiedsvereinbarungen mehr zu treffen. Ich finde es grundsätzlich – das ist den Piraten zuzugeben – gut, wenn gerichtliche Verfahren transparent sind, auch wenn Schiedsvereinbarungen getroffen sind, dass sie transparent sind. Es ist aber denkbar – das ist Parteien nun einmal zuzugestehen –, dass in der Wirtschaft Unternehmen ein Interesse daran haben, dass sie eben nicht öffentlich und nicht bereit sind, ihre Firmengeheimnisse offenzulegen. Dazu kann man sagen, solche Verträge darf der Staat nicht schließen. Dann darf man sich aber nicht wundern, dass Verträge mit der öffentlichen Hand immer zu schlechteren Konditionen abgeschlossen werden und die öffentliche Hand immer im Nachteil gegenüber Verhandlungen in der freien Wirtschaft ist. Ich kann keinen dazu zwingen, einen Vertrag mit dem Staat zu schließen, wenn alles transparent gemacht wird. Das ergibt sich schon aus dem Grundgesetz.
Nein, danke! – Dann stellt sich die Frage: Der Staat hat grundsätzlich gar kein eigenes Interesse daran, Schiedsvereinbarungen zu schließen, ob geheim oder nicht geheim, weil der Staat von den Gerichtskosten bei Zivilgerichten befreit ist. Insofern kann es kein staatliches Interesse geben, sondern nur ein Interesse Dritter daran.
Zu Punkt 2 des Antrags: Da wird beantragt, auch schon bestehende Vereinbarungen seit Beginn der Legislaturperiode so zu stellen, dass die verfassungsgemäße parlamentarische Kontrolle möglich wird. Dazu kann ich nur sagen: Pacta sunt servanda. Verträge, die geschlossen worden sind, wird man wohl auch einhalten müssen. Da hilft es auch nichts, wenn die Piratenfraktion entgegenstehende Anträge stellt. Im Übrigen dürfte parlamentarische Kontrolle nichts mit Transparenz zu tun haben, denn natürlich steht es jedem Parlamentarier in diesem Haus frei, einen Akteneinsichtsantrag zu stellen und sich die entsprechenden Akten anzugucken, gegebenenfalls im Geheimschutzraum. Selbstverständlich können Sie parlamentarische Kontrolle ausüben. Was Sie nicht ausüben können, ist medienwirksames politisches Handeln. Das können Sie in der Tat nicht ausüben, wenn es anders vereinbart ist.
Im dritten Punkt beantragen Sie, auch auf Bundesebene und sogar auf supranationaler Ebene sich dafür einzusetzen, keine geheimen Schiedsverfahren mehr zu führen.
Dazu schlage ich vor, stellen Sie die Anträge doch einfach im Bundestag und auf EU-Ebene. Da kann man sich dann in den zuständigen Parlamenten auf den jeweiligen Ebenen mit der Frage auseinandersetzen.
Alles im allem enthält der Antrag durchaus einige interessante Anregungen, ist letztlich im Ergebnis aber handwerklich so, dass man ihn nicht ernsthaft beschließen kann. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Bitte schön, Herr Reinhardt, Sie haben die Chance, eine Kurzintervention zu machen – oder eine Zwischenbemerkung.
Vielen Dank! – Ich hätte mir gewünscht, dass Sie einen Satz sagen wie der Kollege Schneider, nämlich: Wir haben uns unsere Meinung noch nicht abschließend gebildet. –, dann hätte man jetzt ein bisschen offener diskutieren können.
Vielleicht nur ganz kurz zu dem ersten Satz. Den haben Sie irgendwie falsch zitiert. Die erste Forderung von uns lautet – aus dem Kopf –, dass das Land Berlin keine Schiedsvereinbarungen schließen soll, die vorsehen, dass danach geheime beziehungsweise intransparente Schiedsverfahren möglich sind. Diese Form von Vereinbarungen soll nicht getroffen werden. Das ist doch genau das, was ich in meiner Rede gesagt habe. Das schließt aber nicht aus, dass andere Formen von Verträgen oder Vereinbarungen geschlossen werden. Insofern ist das jetzt kein grundsätzliches Placet gegen Schiedsverfahren, wenn es die Möglichkeit gibt, die Kontrolle sicherzustellen.
Was Sie eben sagten zum Thema Akteneinsicht: Ich glaube nicht, dass man in jedem Fall Akteneinsicht bekommt, aber selbst wenn, dann ist es nicht möglich, darüber öffentlich zu diskutieren. Es ist ja toll, dass ich da irgendwie reingucken kann, aber genau diese öffentliche Diskussion fehlt. Das Öffentlichkeitsprinzip, das zum Beispiel vor normalen Gerichten gilt, das ist dann ausgehebelt.
Apropos ausgehebelt: die parlamentarische Kontrolle. Sie sagten eben, man sei als Träger der öffentlichen Hand im Hintertreffen gegenüber privaten Unternehmen, die dann in der Lage seien, geheime Schiedsvereinbarungen zu verabreden, was man selbst nicht mehr könnte, wenn man unseren Antrag annähme. Ja, was für konkrete Nachteile gibt es denn? Gibt es eine Übersicht? Haben Sie ein Prospekt, in dem steht: Folgende Objekte können Sie nicht erwerben, – oder: An folgenden Verhandlungen können Sie nicht teilnehmen? – Mir ist nicht ganz klar,
welche konkreten Nachteile man dadurch hat. Selbst wenn es so wäre, selbst wenn sie genau wüssten: Es gibt folgende fünf konkrete Nachteile, die man in Kauf nehmen muss –, das ist doch nichts, worüber ich verhandele. Wenn ich sage: Ich muss nur die parlamentarische Kontrolle abgeben – wir haben gerade über die Abschaffung der Demokratie 1933 diskutiert –, dann bekomme ich bestimmte Vorteile auf dem freien Markt –, das ist doch keine Fragestellung für mich.
Das ist doch nichts, wozu ich bereit bin, darüber zu verhandeln. Insofern, selbst wenn man bestimmte Nachteile in Kauf nimmt, parlamentarische Kontrolle muss sein. Ich hoffe, dass wir 144 uns zumindest darüber einig sind.
Vielen Dank! – Frau Seibeld? –Dann haben Sie noch einmal das Wort, um darauf zu erwidern. – Bitte schön!
Ich glaube, es gibt hier zahlreiche Dissense, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass der Antrag nicht wirklich eindeutig ist. Aber da in der Piratenfraktion ja heute das Interesse am Rechtsausschuss groß ist, der Kollege Delius wollte schon vorbeikommen, bitte ich Sie, kommen Sie doch einfach auch vorbei. Dann können wir das gemeinsam diskutieren. Es ist ein schöner Ausschuss, und dann können wir das in epischer Breite diskutieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piraten greift einen Sachverhalt auf, der für uns Parlamentarier derzeit schlichtweg eine Beeinträchtigung unserer parlamentarischen Arbeit und Kontrollfunktion bedeutet. Da muss ich meiner Vorrednerin, Frau Seibeld, deutlich widersprechen. In Verträgen der öffentlichen Hand ist meist von Vornherein Geheimhaltung bei Einberufung eines Schiedsgerichts vereinbart. Wir als Parlamentarier werden nur auf Anfrage angehört, erfahren, wenn überhaupt, nur in nichtöffentlicher Sitzung von den laufenden Beratungen. Es kann ja sogar sein, dass wir nicht einmal von der Existenz eines solchen Schiedsverfahrens in Kenntnis gesetzt werden. Da hilft uns auch die geheime Anfrage nichts, denn wir wissen gar nicht, wonach wir
fragen sollen. Am Ende erfährt die Öffentlichkeit davon ohnehin nichts. Das widerspricht unserem Verständnis von Politik, und das widerspricht auch der hier in diesem Haus immer wieder geforderten Transparenz im politischen Verfahren.
Darüber hinaus steht es dem in Artikel 20 Grundgesetz verankertem Gewaltenteilungsprinzip deutlich entgegen. Hier ist auch bei der Rolle des Berliner Senats klar zu trennen zwischen der Wahrnehmung der Regierungsverantwortung und der Spitze der Verwaltung. Eine Vermischung kann und darf hier nicht erfolgen. Der Senat tritt im Schiedsverfahren als Spitze der Verwaltung auf, nicht als Regierung. Somit bleibt das Parlament außen vor.
Eine teilweise Geheimhaltung von Verhandlungen – machen wir uns nichts vor, das klang hier auch schon ein bisschen durch – kann natürlich zur Vereinfachung und Beschleunigung der Sache von Vorteil sein. Denn aus Sicht der Unternehmen sind langwierige Diskussionen vor der breiten Öffentlichkeit nicht immer förderlich. Nicht umsonst wird gerade im Zusammenhang mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen über den Punkt des Investitionsschutzes, der über außerstaatliche Schiedsgerichte geregelt werden soll, so heftig gestritten, denn auch hier soll es Konzernen ermöglicht werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit politische Entscheidungen zu beklagen und sich ganz im Geheimen dafür entschädigen zu lassen. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich zu Recht klar gegen diese Regelung ausgesprochen.
Parlamentarier aller Ebenen in Land, Bund und EU müssen auch bei Schiedsverfahren die Möglichkeit bekommen, ihrer verfassungsmäßig gebotenen Kontrollfunktion nachkommen zu können. Das ist unsere Mitverantwortung, und diese darf nicht von Vornherein ausgeschlossen werden. Das bereits genannte Hamburger Beispiel, Kohlekraftwerk Moorburg, hat deutlich gezeigt, wie Politik unterwandert werden kann. Der rot-grüne Senat verlangte für ein Kohlekraftwerk strengere Umweltauflagen. Daraufhin forderte Vattenfall in einem geheimen Schiedsverfahren 1,2 Milliarden Euro Schadenersatz. Vollkommen überrascht von der Entscheidung, blieb dem Hamburger Senat nur noch, die Auflagen zurückzuziehen und das Kraftwerk umwelttechnisch bedenklich ans Netz zu nehmen. Das Gleiche macht Vattenfall nun beim Atomausstieg, und das müssen wir verhindern.
Es kann nicht in unserem Sinne sein, dass Politik in dieser Form über die Hintertür entmachtet werden kann. Ob ein generelles Verbot von Schiedsverfahren, das hier auch schon anklang, das ich aus dem Antrag der Piraten aber nicht herauslese, bei Verträgen der öffentlichen Hand – wie es die Berliner SPD fordert – ebenso ziel
führend ist, bliebe noch zu beraten. Schiedsverfahren haben ja durchaus Vorteile, zumindest wird uns das immer gesagt – dass sie schneller und kostengünstiger sind. Ich hoffe, dass wir das in den Ausschussberatungen dann auch bewiesen bekommen. Dann hat das ja durchaus Sinn, solche durchzuführen. Nur muss eben die parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden.
Der Antrag der Piraten greift dieses Problem auf und fordert nicht nur die Grundsätze der Transparenz und Gewaltenteilung ein; er macht auch deutlich, dass geheime Schiedsverfahren massiven Einfluss auf den Landeshaushalt haben können. Und darüber darf nun wirklich nicht an unserem Haus vorbei in Schattengerichten entschieden werden.
Allerdings ist, wie auch eben schon in Zwischenbemerkungen deutlich wurde, handwerklich an dem Antrag noch ein bisschen zu feilen. Aber dafür sind die Ausschussberatungen da. Wir sind darauf gespannt und würden uns freuen, wenn im Sinne der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und Deutschlands hier alle Fraktionen an einem Strang ziehen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man den Reden der Vorredner folgt und ihnen zuhört, könnte man ja glauben, mit dem Antrag wird die Welt ganz viel besser gemacht. Ich glaube, mit diesem Antrag wird die Welt überhaupt nicht besser gemacht. Jeder versteht unter diesem Antrag etwas anderes. Hier wird über das transatlantische Freihandelsabkommen gesprochen, welches in der Diskussion und noch nicht beschlossen ist. Hier wird über Hamburg gesprochen, obwohl Hamburg weit weg liegt. Ich glaube, den klugen Worten der Ausschussvorsitzenden Frau Seibeld ist nichts hinzuzufügen. Wir laden Sie ein, alle im Rechtsausschuss über diesen Antrag zu reden. Dann schauen wir mal, ob wir tatsächlich am Ende des Tages die Welt wirklich besser machen für Berlin. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns an lange Diskussionen um die Verträge, die das Land Berlin im Jahr 1999 mit den Konzernen RWE und Veolia zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe abgeschlossen hat – übrigens seinerzeit regiert von CDU und SPD. Wir erinnern uns an § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrags, in dem umfassend eine Einstandspflicht Berlins für zugesagte Profite für die beiden Versorgungskonzerne geregelt worden ist. Wir erinnern uns auch daran, dass die Offenlegung dieser Verträge durch den Senat gegenüber den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses von den Grünen und der damaligen PDS vor dem Verfassungsgericht Berlin erzwungen werden musste. Und wir erinnern uns auch, dass es eines Leaks einer Berliner Tageszeitung und eines Volksentscheids bedurfte, um die Offenlegung der Verträge gegenüber der Allgemeinheit sicherzustellen. In diesem Vertrag stand eben nicht nur eine Gewinngarantieklausel, die ich für verfassungswidrig halte, sondern das Vertragskonvolut enthielt eben auch eine Schiedsklausel sowie eine Schiedsvereinbarung. Ein Schiedsgericht, bestehend aus drei Schiedspersonen, war unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs befugt, ich zitiere § 1 Abs. 1 der Schiedsordnung,
über sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit den in der Vorbemerkung genannten Verträgen und über die Wirksamkeit und Auslegung dieser Schiedsvereinbarung unter Ausschluss der staatlichen Gerichte zu entscheiden.
Und selbstverständlich sind diese Verfahren vertraulich gewesen, selbstverständlich galten der Grundsatz der Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlung, das Unmittelbarkeitsprinzip und das Mündlichkeitsprinzip in diesen Schiedsverfahren nicht. Und selbstverständlich waren die Schiedssprüche keinerlei weiterer Überprüfung durch ordentliche, verfassungsgemäß berufene, der Verfassung der Bundesrepublik und des Landes Berlin verpflichteten Gerichte unterworfen. Gibt es für diese Herausnahme des Rechtswegs aus dem demokratischen Verfahren irgendeine verfassungsrechtliche Rechtfertigung? – Nein, es gibt keine!