Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

erst einmal ein Aufschlag sein. Ich glaube, wir kommen nicht drum herum, wir wollen auch gar nicht drum herum kommen, hier in der Stadt darüber zu diskutieren. Was Sie bei Tempelhof vergessen haben oder bewusst nicht gemacht haben, muss hier stattfinden. Wir brauchen die Zeit dafür in der Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir brauchen eine Debatte, weil Berlin das Selbstbewusstsein hat, diese Diskussion zu führen. Die Bürgergesellschaft hier in der Stadt schafft das, da bin ich mir ganz sicher. Ich glaube, dass das Misstrauen an anderer Stelle hier in der Stadt ist. Da ist die Abstimmungsfrage, die hier im Raum steht, auch vom Kollegen Saleh, nicht die erste, die sich stellt. Das kann wirklich nur der letzte Schritt sein, wenn man sich verständigt hat, wenn man miteinander diskutiert hat, wenn man ein Konzept hat, eine Idee, dann kann es sogar eine Initiative aus der Stadt heraus geben, die sagt, wir wollen das machen, und das zur Abstimmung stellt. Auch das wäre ein möglicher Gedanke, wenn man die Diskussion in der Stadt zulässt und eben nicht nur einfach mit Ja oder Nein über eine Frage abstimmen lässt, die der Senat irgendwo ausgehandelt hat. Das ist nicht der Weg.

Der Weg kann über eine offene, transparente Diskussion und dann vielleicht zum Schluss über eine Abstimmung gehen, aber es geht nicht um ein plattes Ja oder Nein, bist du dafür oder bist du dagegen. Da ist Berlin viel weiter. Da wollen die Berliner und Berlinerinnen auch mehr in dieser Debatte. Und ich freue mich auf die Diskussion. Ich freue mich darauf, wie sie geführt wird, aber führen Sie sie mit der Stadt, führen Sie sie vor allem mit denjenigen, die dann auch in Verantwortung sein werden. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke, Frau Kollegin Pop! – Jetzt hat das Wort Kollege Udo Wolf von der Fraktion Die Linke!

Danke, Herr Präsident! – Herr Regierender! Wie sagt man? – Danke sagt man. Denn hätte die Opposition heute die Behandlung, die Befassung hier nicht durchgesetzt, dann würde im Protokoll dieser Parlamentssitzung drinstehen, dass man sich vor der Abgabe der Fragen

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Der Antworten!]

der Antworten, ja, aber ich glaube, sie geben letztendlich mehr Fragen als Antworten auf – mit dem Parlament überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Der entscheidende Punkt ist, Sie haben sich heute dazu geäußert. Was

allerdings ein bisschen albern in der Frage ist, ist: Sie erklären zuerst, die Bewerbung findet statt, wir kämpfen für sie. Jedes Mal dann, wenn wir die kritischen Punkte, die Risiken ansprechen, dann flüchten Sie in zwei Argumentationsmuster. Erstens: Sie sind ja grundsätzlich dagegen, deswegen muss ich die Argumente nicht prüfen. Zweitens kann am Anfang des Verfahrens irgendetwas anders passieren. – Nein, Sie müssen sich darauf einstellen, dass es passieren kann, dass der DOSB sagt, ja, wir wollen uns mit Berlin bewerben. Dann haben wir nicht seriös über diese Risiken gesprochen, nicht erwartungsverlässlich, was uns in Verträgen mit dem IOC droht etc. Dann haben wir Haushaltsrisiken.

Der sozialpolitische Skandal dieser Debatte besteht darin, dass Sie, bevor Sie geklärt haben, was die Stadt an Investitionen in soziale und bauliche Infrastruktur braucht, schon in Risiken reingehen in Perspektive auf eine Olympiatauglichkeit Berlins bis 2024. Das ist absolut unseriöse Haushaltspolitik!

[Beifall bei der LINKEN]

Dass man Ihnen das sagen muss nach zehn Jahren gemeinsamer Regierungstätigkeit, wo wir ganz schwierig versucht haben, 2 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt über zehn Jahre rauszuschneiden, damit wir jetzt einen ausgeglichenen Primärhaushalt haben, damit wir jetzt in der Lage sind, mit Mehreinnahmen aus Steuerüberschüssen etwas für die Infrastruktur anfangen zu können, die soziale und bauliche Infrastruktur der Stadt! Da wollen Sie jetzt Haushaltsrisiken in Milliardenhöhe eingehen. Sie haben es selbst bestätigt, diese Olympischen Spiele sind keine Billigspiele, die Sie hier machen werden, die kosten Geld, die kosten viel Geld. Das ist die Begründung, warum wir diese Bewerbung zum jetzigen Zeitpunkt falsch finden.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Der zweite Punkt: Das IOC und Knebelverträge – die Kollegin Pop hat dankenswerterweise noch einmal darauf hingewiesen. Gucken Sie sich doch einmal die HCC an, die das IOC unterzeichnen lässt. Das sind diese Knebelverträge. Da geht es um Ausfallbürgschaften, da steht das Ausrichterland in der Pflicht, um den Verzicht auf Besteuerung usw.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Ja!]

Das IOC funktioniert derzeit wie ein Franchiseunternehmen und nicht wie ein Sportverband. Das wissen wir. Und dieses Franchiseunternehmen macht auf Kosten der Ausrichterländer und -städte Profite. Der neue IOC-Chef hat angekündigt, er wolle eine Reformagenda machen. Wir wissen nicht, was dabei herauskommt, bei dieser Reformagenda. Im Dezember dieses Jahres entscheiden sie, ob sie vielleicht ein paar von diesen Vorschlägen wahrnehmen, aber Sie bewerben sich blind, bevor diese Entscheidungen getroffen sind. Das ist ein Risiko, wo ich nicht verstehe, wie Sie auf die Idee kommen, so ein Risi

(Ramona Pop)

ko eingehen zu wollen, wo Sie mit ganz anderen Risiken schon genug Geld aus dem Fenster geschmissen haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Deswegen noch einmal: Es gibt ein Bedingungsgefüge. Der BUND hat ein schönes Papier geschrieben. Die haben ein Bedingungsgefüge, in dem sie sagen, wenn die Reform des IOC, wenn Nachhaltigkeit, wenn tatsächlich bescheidene Spiele usw. sofort gemacht werden, dann wäre das eine gute Sache. Ich sage Ihnen: Für uns ist noch eine andere Bedingung, eine Pflichtbedingung, Voraussetzung: Klären Sie die notwendigen Investitionen in die soziale und bauliche Infrastruktur vor Olympia! Und dann kommt die Olympiainvestition obendrauf, wenn wir sie uns noch leisten können. Das ist eine Frage solider Haushaltspolitik und Verantwortung für eine sozial gerechte Infrastruktur in dieser Stadt und damit für die Menschen, die hier leben. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Vorlage ist hier besprochen worden. Eine weitere Besprechung der Vorlage ist für den Ausschuss für Sport beantragt worden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion der SPD

a) Faire Arbeitsbedingungen für tarifbeschäftigte Lehrkräfte in Berlin

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 26. Juni 2014 Drucksache 17/1750

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1601

b) Keine verdeckte Arbeitszeiterhöhung für Lehrkräfte!

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 26. Juni 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Juli 2014 Drucksache 17/1756

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1704

Wird den Dringlichkeiten widersprochen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Fraktionen haben eine Beratungszeit von grundsätzlich fünf Minuten. Es beginnt die Fraktion der SPD. Ich erteile dem Kollegen Oberg das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Nach den olympischen Träumen wieder zurück in die harte Bildungsrealität Berlins, wobei die Dinge vielleicht doch mehr miteinander zu tun haben, als man auf den ersten Blick meint. Denn vor zehn Jahren hat Berlin, damals in einer rot-roten Koalition, Mut bewiesen. Ja, es war damals außerordentlich mutig, mit der Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern aufzuhören

[Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

und diese künftig ausschließlich als Tarifbeschäftigte einzustellen. Mutig war diese Entscheidung, weil sie mit dem uralten System des Berufsbeamtentums in den Lehrerzimmern brach und tatsächlich einen ganz grundsätzlich neuen Weg beschritt. Eine solche Entscheidung hat aber Konsequenzen – zum einen für den Wettbewerb um die Lehrerinnen und Lehrer, von dem wir heute wissen, dass er schärfer geworden ist und weiter an Schärfe gewinnen wird, aber vor allem auch für das Verhältnis zwischen dem Land als Arbeitgeber und den Lehrerinnen und Lehrern als Beschäftigten. Das Land ist heute für die Lehrerinnen und Lehrer, die wir neu einstellen, nicht mehr Dienstherr, sondern Arbeitgeber, dem selbstverständlich selbstbewusste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüberstehen.

Angestellte im öffentlichen Dienst sind keine kleinen Beamten mit Streikrecht, aber ohne Pensionsansprüche, und deshalb dürfen wir als Land Angestellte auch nicht wie Beamte behandeln. Genau das ist es aber, was wir seit zehn Jahren in Berlin tun. Seit der Abschaffung der Verbeamtung steigt die Zahl der tarifbeschäftigten Lehrer permanent. Demnächst werden wir mehr Angestellte als Beamte im System haben. Dennoch ist das gesamte Berufsleben, der gesamte Lehrerinnen- und Lehrerberuf in Berlin streng nach den Regeln des Beamtentums organisiert. Das Dienstrecht der Beamten wird einfach übertragen auf die Angestellten, egal, ob das passt oder nicht, in jedem Einzelfall und auch an vielen Stellen, wo das zu reichlich absurden Effekten führt. Ich halte das für falsch, und deshalb wird es Zeit, dass wir nach zehn Jahren diesen Mangel endlich beheben. Wir fordern darum den Senat auf, eigenständige Regelungen für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, die Angestellte sind, insbesondere im Bereich des Aufstiegs, der transparenten Aufstiegsmöglichkeiten und bei der Besetzung von Funktionsstellen.

Es geht uns aber auch um faire Arbeitsbedingungen. Dazu gehört, dass es eine transparente Darstellung der Aufgaben gibt. Lehrerinnen und Lehrer haben das Recht zu wissen, was wir von ihnen verlangen, wann wir es verlangen, wie wir es verlangen und in welchem Umfang wir es verlangen. Deshalb brauchen wir eine klare Aufgabenbeschreibung. Auch das ist Gegenstand unseres Antrags.

(Udo Wolf)

Wenn wir offen und ehrlich über Arbeitsbedingungen sprechen, dann müssen wir auch über Arbeitsbelastung und über die Arbeitszeitkonten sprechen, die aktuell in der Stadt ein Thema sind. Wir beraten ja diese beiden Drucksachen heute zusammen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Frau Kittler spricht sicher gleich. Ich bringe mal kurz den Gedanken zu Ende, und dann kann Frau Kittler fragen.

Gut!

Ich halte den Wegfall von Arbeitszeitkonten für vertretbar. Der Aufbau der Arbeitszeitguthaben stellt uns vor große Probleme. Er ist tatsächlich eine organisatorische Katastrophe für die Berliner Schulen. Das, was mal vor vielen, vielen Jahren als Trostpflaster für eine auch damals notwendige Arbeitszeitverlängerung gedacht war, hat sich als etwas erwiesen, was sehr wenig Trost spendet, dafür aber sehr viel Schmerz bereitet. Darum haben wir uns schon 2011 im Koalitionsvertrag, den SPD und CDU gemeinsam verabredet haben, entschieden, die Arbeitszeitkonten zu beenden.

Klar ist für uns, dass die erworbenen Ansprüche der Lehrerinnen und Lehrer gelten. Sie müssen fair und transparent abgegolten werden, und das in jeder Dimension, d. h. sowohl bei der Ausbezahlung in Geld als auch in dem Abgelten durch reduzierte Unterrichtsverpflichtung oder ein früheres Ende der Berufstätigkeit. Eine Kompensation der Arbeitszeitkonten, wie sich das viele Lehrerinnen und Lehrer wünschen und auch einige Fraktionen hier im Haus, also eine Rücknahme der Arbeitszeiterhöhung, ist nicht machbar. Wir haben schon jetzt einen gewaltigen Lehrermangel in der Stadt. Sie alle wissen, wie sehr sich die Senatsverwaltung von Frau Scheeres darum bemüht, dass wir zum neuen Schuljahr genug Lehrerinnen und Lehrer haben. Würden wir die Arbeitszeit jetzt reduzieren, bräuchten wir auf einen Schlag noch sehr viel mehr Lehrerinnen und Lehrer, wir würden also den Lehrermangel ganz eklatant verschärfen. Die Lehrerversorgung und ein regulärer Unterricht wären nicht mehr zu gewährleisten. Deshalb: Ich finde, das gehört zum fairen Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern dazu, klar und offen zu sagen: In diesem Fall entscheiden wir uns für die Unterrichtsversorgung; wir entscheiden uns dafür, den Lehrermangel nicht weiter zu verschärfen, und deshalb dafür, den Wegfall der Arbeitszeitkonten nicht durch eine Rücknahme der Arbeitszeiterhöhung zu kompensieren. Insgesamt zeigt sich, dass zu Fairness zuallererst Trans

parenz und Offenheit gehören. Aus diesem Grund bitten wir darum, dass Sie unserem Antrag zustimmen, dass es endlich vernünftige Regelungen für angestellte Lehrerinnen und Lehrer gibt, und selbstverständlich auch unserem Änderungsantrag, dass bei jeder Frage der Arbeitszeitregelung, bei jeder Frage, wie konkret die Arbeitszeitkonten abgegolten werden, die Personalvertretungen beteiligt werden und dass ganz schnell eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, die Ausbezahlung in Geld möglich zu machen. – Jetzt habe ich noch eine Minute und ganz viele Sekunden. Vielleicht mag Frau Kittler jetzt ihre Frage stellen.

Bitte sehr, Frau Kittler!

Was Ihnen ja gar nicht angerechnet werden würde. Aber nun gut: Können Sie bitte, zum ersten Teil noch mal zurückkommend, begründen, warum Sie dann – ich konnte ja Ihrer Argumentation durchaus folgen – den Antrag der Linksfraktion „Berliner Schule attraktiv für Lehrerinnen und Lehrer“ im November 2013 abgelehnt haben? Da hätten wir ja schon inzwischen einen Schritt weiter sein können, um das Dienstrecht entsprechend zu verändern. – Und zum Zweiten, zu dem letzten Teil kann ich ja dann gleich mit fragen: Wieso sollen denn nach Ihrer Meinung die Lehrerinnen und Lehrer den Lehrermangel ausbaden?

Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben Ihrem Antrag damals nicht zugestimmt, weil er etwas beinhaltet hat, was wir nach unserer Überzeugung als Parlament nicht tun können. In Ihrem Antrag war unter anderem, so ich mich richtig erinnere, eine Forderung aufgestellt, was die Fragen der Arbeitszeit und der Vergütung anging, also streng tarifvertraglich zu regelnde Aspekte. Die Sozialdemokratie steht zur Tarifautonomie, und das heißt für uns dann auch, dass eine derartige Frage nicht in einem Parlament zu entscheiden ist, sondern in ggf. auch harten Auseinandersetzungen zwischen dem Arbeitgeber, vertreten durch den Senat, und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die alle Arbeitskampfmöglichkeiten dafür ausnutzen, ihr Interesse durchzusetzen, verhandelt wird. Wir als Parlament sollten solche Dinge aber nicht tun. Denn wenn wir hier einmal anfangen, Bedingungen für Tarifverträge zu definieren, und zwar vielleicht im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dann ist ein Damm gebrochen, weil es uns auch ermöglichen würde anzufangen, Tarifverträge hier zu beschließen, die Verschlechterungen beinhalten. – Ich sehe in Ihrer Fraktion heftiges Nicken.

[Regina Kittler (LINKE): Bei einem Abgeordneten!]

Deshalb sehen Sie es uns bitte nach, dass wir derartigen Anträgen hier nicht zustimmen können. Wir verstehen,