Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Ich freue mich übrigens sehr, dass das gemacht worden ist, dass man auch einmal eine Alternative hört. Dort liegt der Fokus auf Investitionen und Vertrieb von Grünstrom und optional auf Bio-Erdgas. Die Kundenzahl folgt der Nachfrage und nicht den Investitionen. Und für einen Übergangszeitraum können die Stadtwerke zusätzlich selbst produzierten Strom aus dezentralen KWK-Anlagen vermarkten. Bei diesem sogenannten Berliner Modell können nach einer Prognose der BWB bis zum Jahr 2020 über 100 000 Kunden gewonnen werden. Auch die Rentabilität wäre deutlich besser, denn bis zum Jahr 2024 liegt die Prognose für das kumulierte Jahresergebnis nach Steuern um ein Vielfaches höher als bei dem beschlossenen Modell. Da appelliere ich auch an alle in dem Haus mit Wirtschaftsverstand, da macht es Sinn, sich schon aus diesem Grund für das Modell möglicherweise zu erwärmen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]

Die zusätzlichen Gewinne, die der Vertrieb erwirtschaftet, können investiert werden; und, wie gesagt, jede Berlinerin, jeder Berliner kann Kunde werden.

Nun ist es auch kein Geheimnis und gehört zu einer offenen Debatte, dass unser Koalitionspartner in dieser Frage zurückhaltend ist. Deshalb will ich das auch an der Stelle tun, ich habe es im Wirtschaftsausschuss getan, ich appelliere ausdrücklich an die CDU-Fraktion, ihren wirtschaftlichen Sachverstand dort geltend zu machen und sich dem anzuschließen, was Herr Simon für die Wasserbetriebe gesagt hat. Denn ich bin davon überzeugt, dass der nur

(Harald Wolf)

sehr knapp gescheiterte Volksentscheid Energie deutlich macht, dass die Berlinerinnen und Berliner ein Stadtwerk wollen, bei dem jeder Kunde werden kann.

[Zuruf von der CDU: Kann er doch!]

Und da können wir dann einfach mal nach Hamburg schauen. Wir haben in Hamburg ein Stadtwerk, Hamburg Energie heißt das da, das sich systematisch einen Kundenstamm bei privaten Haushalten und Unternehmen aufbauen konnte und hierdurch eine ernsthafte Konkurrenz auch für uns, wenn wir das machen würden, für Vattenfall entstehen würde; die ist bei der augenblicklichen Beschlusslage erkennbar nicht gegeben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich, Herr Kollege?

Bitte, Herr Kollege Zillich!

Sie haben ja jetzt ein Ziel formuliert, das wir teilen und das auch Gegenstand dieses Antrags ist. Deswegen muss ich Sie fragen: Wie sieht denn jetzt die Erfolgsbilanz der SPD-Fraktion beim Erreichen dieses Ziels aus? Und wie sieht die weitere Schrittfolge aus, wie wir dahin kommen?

Die Frage kommt genau an der Stelle, wo ich Ihnen im nächsten Satz die Antwort sowieso gegeben hätte, Herr Zillich. Ich lese einfach mal vor, wie ich sie mir aufgeschrieben habe: Nach zehn Jahren in der Regierung sollte sich Die Linke allerdings noch daran erinnern – es ist ja noch nicht so lange her –, dass man in einer Koalition gemeinsam entscheidet und gemeinsam abstimmt. Deshalb werden wir auch in Gespräche gehen, auch im Senat, und zwischen den Koalitionsfraktionen werden zu gegebener Zeit diese Gespräche über die Entwicklung des Berliner Stadtwerks stattfinden. Wir werden das in den Ausschüssen beraten. Wir haben gesagt, im Wirtschaftsausschuss, im Hauptausschuss wird es eine entsprechende Debatte geben. Sie können von einem fest überzeugt sein: Die SPD-Fraktion möchte den Weg der Rekommunalisierung in den Bereichen Wasser – so haben wir es getan –, Gas und Strom konsequent fortsetzen. Wir sind davon überzeugt, dass das im Sinne der Stadt ist. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Berlinerinnen und Berliner das wollen, und zwar über alle Fraktionen hinweg. Deshalb empfehle ich, dass wir uns dem anschließen. – Gerne

beantworte ich eine Zwischenfrage vom geschätzten Kollegen Wolf.

Herr Kollege Stroedter! Das ist ja richtig, dass man in Koalitionen nicht immer alles das machen kann, was man will. Aber stimmen Sie mir zu, dass jeder für die Wahl seines Koalitionspartners selbst verantwortlich ist?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lieber Kollege Wolf! Da stimme ich Ihnen auch zu. Da müssen Sie sich 2016 ein bisschen anstrengen, paar mehr Prozente zu bekommen, dann können Sie sich bei der SPD wieder bewerben – in dem Sinne!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Stroedter! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Schäfer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Senator Müller hat letzte Woche bei der Auftaktveranstaltung für ein Berliner Energie- und Klimaprogramm eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten. Ich habe selten einen Berliner Senator so engagiert für den Klimaschutz sprechen hören. Ich fand es bemerkenswert, dass Sie die soziale Bedeutung des Klimaschutzes betont haben.

[Zuruf von der SPD: Macht der immer!]

Während früher oft vom Senat ein Widerspruch zwischen sozialen und klimapolitischen Zielen konstruiert wurde, haben Sie gesagt, das geht Hand in Hand, nicht nur wegen der Energiepreise im Inland, sondern Sie haben auch die internationale Verantwortung sehr deutlich gemacht. Zudem haben Sie zugelassen, dass auf dieser Veranstaltung schonungslos Bilanz gezogen wurde. Das ist ein sehr mutiger Schritt. Prof. Hirschl hat am Anfang dieser Veranstaltung deutlich gemacht: Seit 2007 steigen die CO2-Emissionen in Berlin, seit 2007 geht es nicht voran mit dem Klimaschutz in Berlin, sondern wir machen leider Rückschritte. Auch das ist ein Verdienst von Ihnen, dass Sie das so zulassen. Schließlich haben Sie deutlich gemacht, dass Sie auch in neuer Funktion mit Engagement an diesem Thema dranbleiben wollen. Das sind erfreuliche neue Töne, und wir als Bündnis 90/Die Grünen sagen Ihnen für eine konsequente Klimapolitik unsere Unterstützung zu.

[Beifall bei den GRÜNEN]

(Jörg Stroedter)

Der Aufbau eines Stadtwerks ist sicherlich das wichtigste Klimaschutzprojekt dieser Legislaturperiode. Es ist natürlich bedauerlich, heute sagen zu müssen, dass dieses Stadtwerk keinen wirkungsvollen Klimaschutzbeitrag leisten kann. Nicht wir als Grüne sagen das, sondern der Senat in einer Mitteilung an den Hauptausschuss vom 21. Juli dieses Jahres. Daraus sollten wir schnell die Konsequenzen ziehen.

Drei Dinge sind wichtig. Das eine ist: Wir brauchen klare und schnelle Entscheidungsstrukturen beim Stadtwerk. Wir haben im Moment die Situation, dass die eine Senatsverwaltung, Finanzen, für den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft zuständig, die zweite Senatsverwaltung, Wirtschaft, für die Fachaufsicht verantwortlich ist und die dritte Verwaltung, Stadtentwicklung, den Haushaltstitel hat. Im Moment sind mehr Menschen in der Senatsverwaltung mit der Aufsicht über das Stadtwerk beschäftigt, als das Stadtwerk überhaupt Mitarbeiter hat. Das ist kein Zustand, der hilfreich ist. Darin sind wir uns wohl einig. Das müssen wir zusammen ändern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Harald Wolf (LINKE) und Heiko Herberg (PIRATEN)]

Das führt zu langsamen Entscheidungsprozessen, die auch dazu geführt haben, dass beispielsweise bei den neuen Windanlagen die Nachbarn schneller waren und wir weniger bauen konnten als erhofft.

Das Zweite ist, dass wir Investitionen in anderen Größenordnungen brauchen. Sie könnten jetzt als Senator sagen: Das ist Aufgabe des Parlaments. Ich glaube das auch. Allerdings glaube ich, dass es nicht genug ist, Kollege Stroedter, wenn man sich mit Appellen an den Koalitionspartner wendet. Wenn jemandem ein Thema wirklich wichtig ist, muss man dafür auch kämpfen, Kompromisse eingehen und dafür vielleicht an anderer Stelle nachgeben. Das ist Ihre Verantwortung als SPD-Fraktion bei diesem Thema. Das ist ganz klar.

[Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Was machen Sie denn beim Rückkauf Wasser? Wie ist Ihre Haltung zum Gas?]

Das Dritte, das dieser Antrag hier anspricht, ist die Frage der Aufgaben. Da ist es ganz klar, und auch das sagt der Senat: Der gesetzliche Rahmen ist zu eng. Es ist unsere Aufgabe als Parlament, diesen Rahmen zu erweitern. Ich glaube, dass es gar nicht in erster Linie der Verkauf ist, den wir ermöglichen müssen. Der spielt mit Sicherheit auch eine Rolle. Wir haben auch keine Ermächtigungen in diesem Gesetz für dieses Stadtwerk, Energiedienstleistungen anzubieten. In allen Fraktionen gibt es Beschlüsse: Wir alle möchten den öffentlichen Gebäudebestand modernisieren. Wer soll es denn machen? Wer soll den energiepolitischen Teil der Gebäudesanierung am Kapitalmarkt finanzieren können? Wollen wir weiter auf Contracting-Modelle setzen oder wollen wir endlich in Berlin einen Intractor schaffen? Wer soll das sein, wenn

nicht dieses Stadtwerk? Diese Aufgabe gehört ganz klar in das Stadtwerk und gehört in dieses Gesetz.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Senator Müller! Dieser beeindruckende Prozess zu einem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm, den Sie sich vorgenommen haben, wird am Ende aber nur dazu führen, dass wir einen Wunschzettel oder eine Aufgabenbeschreibung für die nächste Legislaturperiode haben. Das haben wir zweimal erlebt. 2006, am Ende der vorletzten Legislaturperiode, hatten wir ein Landesenergieprogramm, das Aufgaben für den nächsten Senat definiert hat. 2011 hat der Senat ein Energiekonzept 2020 beschlossen, das Aufgaben für den nächsten Senat beschrieben hat. Allerdings blieben diese Konzept weitestgehend folgenlos, denn sie wurden nicht in Maßnahmen übersetzt. Dieses wünschen wir dem Berliner Energie- und Klimaschutzkonzept nicht. Ich glaube auch, dass es vom Prozess her ganz anders angegangen wird und es ein Schritt nach vorn ist. Sie werden aber in den nächsten Wahlkampf nicht mit einem neuen Konzept für die nächste Legislaturperiode gehen können. Wenn man 16 Jahre regiert hat, wird man an seinen Taten gemessen. Ich glaube, dass die SPD-Fraktion deshalb in eigenem Interesse diesen Antrag sehr intensiv beraten sollte und dass Sie es nicht nur bei Appellen an den Koalitionspartner belassen dürfen. Sie müssen vielmehr etwas durchsetzen und dafür vielleicht an anderer Stelle etwas drangeben. Ein Stadtwerk, das am Ende 2016 fünf Windräder baut, wie es uns der Senat hier prognostiziert hat, mit dem können Sie ja nicht ernsthaft in den Wahlkampf gehen. Damit machen Sie es uns zu einfach.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer! – Für die CDUFraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Heiko Melzer. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat uns heute Vormittag zu Beginn der Plenarsitzung gesagt: Wir Oppositionellen haben so viele aktuellen Themen. Ich darf bei Ihrem ersten aktuellen Thema feststellen: Es ist nicht Ihr aktuelles Thema. Es ist Ihr Dauerlutscher, den Sie jede zweite Plenarsitzung wieder hochziehen, weil Sie mit anderen Themen nicht auf uns zukommen. Dieses Stadtwerk und die darum geführte Diskussion ist nicht ein oppositionelles, aktuelles Thema, sondern ein Dauerlutscher, nicht mehr und nicht weniger.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Wir haben gemeinsam im Parlament Ende 2012 eine gesetzliche Grundlage geschaffen und Anträge verabschiedet. Mit gemeinsam meine ich die SPD-Fraktion sowie die CDU-Fraktion, die nach Gesprächen und

(Michael Schäfer)

Kompromissen diese gesetzliche Grundlage, die Gründung eines Stadtwerkes, gemeinsam verabredet, im Parlament beraten und durchgesetzt haben. Das ist übrigens im Unterschied zu dem – verehrte Kollegen der Linken –, was Sie in Ihrer Regierungstätigkeit nicht hinbekommen haben, ein Stadtwerk in Berlin zu gründen. Das hat diese große Koalition in einer einvernehmlichen Lösung Ende 2012 gestaltet.

Wir haben dort definiert, dass ausschließlich erneuerbare Energien zu produzieren seien. Wir haben weiterhin definiert, dass der Vertrieb dieser selbstproduzierten Energie zu organisieren ist. Das sind zwei von zugegebenermaßen Mehraufträgen, die wir an dieses Stadtwerk gegeben haben und wo es jetzt die Aufgabe des Stadtwerkes und der Wasserbetriebe als Muttergesellschaft ist, das zu organisieren.

Ich will auch deutlich sagen, dass wir nicht behauptet haben, dass der Vertrieb von Energie ausgeschlossen werden muss, dass dieses Stadtwerk keine Kunden akquirieren dürfe, sondern es ging uns darum, dass sich das Land Berlin mit diesem Stadtwerk nicht als Börsenbroker verdingen sollte, auf der einen Seite Energie an der Börse einkaufen und für einen Ticken mehr an den Endkunden zu verkaufen. Dieses Maklerwesen, organisiert durch das Land Berlin, war nicht das, was unsere Vision war und als wichtigste Aufgabe für das Stadtwerk gesehen wurde. Ein Vertrieb ist dennoch aber möglich, nämlich von selbstproduzierter Energie.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Ich würde gern noch zu den weiteren Aufgaben des Stadtwerks ausführen. Diese sind bislang leider untergegangen.

[Steffen Zillich (LINKE): Ist das nun ein Ja oder ein Nein?]

Dadurch, dass ich weiter ausführen möchte, war es ein Nein.

[Steffen Zillich (LINKE): Danke für die Klarheit!]

Zu den weiteren Aufgaben, die wir vor eineinhalb Jahren festgelegt haben: Wir haben von Energieeffizienz gesprochen. Wir haben auch von Energiesparberatung gesprochen. Wir haben die Berliner Wasserbetriebe beauftragt, dies alles in einer Satzung festzulegen. Das wurde vor eineinhalb Jahren hier im Parlament beschlossen. Diese Satzung hat sich das Unternehmen vor wenigen Wochen gegeben und fängt jetzt an, die Beschlüsse dieses Abgeordnetenhauses umzusetzen. Es ist auch ein Stück weit eine Frage der Verlässlichkeit, wenn man das, was man hier beschlossen hat, erst einmal in die Umsetzung gibt

und nicht vor der Umsetzung gleich schon wieder die Aufgaben ändert.

Ich will auch darauf hinweisen, dass es einen Volksentscheid gab, bei dem sich die Wählerinnen und Wähler entscheiden konnten. Es gab ein Alternativmodell des Energietisches, das zur Abstimmung stand. Diese Alternative hat nicht die dafür notwendige Mehrheit in der Bevölkerung gefunden. Warum gab es keine Mehrheit? Es gab keine, weil die Menschen nicht an die eierlegende Wollmilchsau geglaubt haben. Sie haben nicht geglaubt, dass man als Land automatisch alles preiswerter und besser machen kann. Deshalb ist dieser Volksentscheid auch gescheitert. Ich will an die Linke appellieren, diese Schimäre, der automatisch sinkenden Gas- und Strompreise nicht aufrechtzuerhalten. Ihre falschen Heilversprechen einerseits mit Sand in den Augen, andererseits mit imaginären Euro in die Taschen der Bürger geworfen, ist sicherlich nichts, was hier mit wirtschaftspolitischem Sachverstand die Diskussion bereichert.