Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

Wie am 22. November in Marzahn müssen wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten in Buch, in Marzahn, in Treptow-Köpenick, aber auch in anderen Bezirken gemeinsam gegen die Nazis stellen und uns an den Gegenprotesten beteiligen. In unserer Entschließung steht auch noch mehr Gutes. Die Verantwortung Berlins gegenüber schutzsuchenden Menschen zum Beispiel. Von Solidarität, Akzeptanz und gegenseitigem Respekt ist die Rede. Das ist erfreulich. Weil aber die Koalition eine Debatte dazu verhindert hat, will ich an dieser Stelle sagen, wenn wir diese Entschließung ernst nehmen, dann muss sich in der Flüchtlingspolitik des Senats einiges ändern.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Evrim Sommer (LINKE): Genau!]

So leicht kommen Sie mir nicht davon, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU. Die Flüchtlinge vom Oranienplatz werden von diesem Senat seit über einem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes verschaukelt. Der Senat hat die Vereinbarung nicht eingehalten. Er hat mit scheinjuristischen Mitteln versucht, sich aus seinen Verpflichtungen herauszuschleichen. Dabei waren Sie sich auch nicht zu schade, Ihre eigene Partei bzw. Senatskollegen vorzuführen. Und Frau Kolat hat sich das gefallen lassen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo ist die eigentlich?]

(Burkard Dregger)

Wird wahrscheinlich irgendwo hier in der Nähe sein, Herr Lux. – Offensichtlich ging es diesem Senat gar nicht darum, eine Lösung für die Flüchtlingssituation zu finden, sondern anscheinend darum, die Flüchtlinge über den Tisch zu ziehen. Anders ist der Umgang mit diesen Menschen nicht zu erklären. Es müssen alle offenen Fragen von der Umverteilung bis zur Teilnahme an Deutschkursen geklärt werden. Der scheidende Regierende Bürgermeister hat in dieser Frage nichts machen wollen. Vielleicht dürfen wir auf die Fraktionen hoffen, dass sie dem Antrag zustimmen und den Senat endlich zu einem respektvollen Umgang mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz verpflichten.

Die Flüchtlinge haben ein Recht auf menschenwürdige Unterbringung, heißt es in unserer gemeinsamen Entschließung. Ein merkwürdiges Verständnis von Menschenwürde ist das, wenn Flüchtlinge irgendwo am Stadtrand in schnell dahin gebauten Containern untergebracht werden sollen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Hinzu kommen aber auch die anderen Verfehlungen des Senats bei der Unterbringung: die fehlende Kontrolle des Mindeststandards, die unzureichende soziale und psychologische Betreuung, die mangelnde schulische Betreuung der Kinder und so weiter und so fort, und nicht zuletzt Untätigkeit des Senats bei der Schaffung von Wohnungen für Flüchtlinge. Die Linksfraktion fordert seit Langem, dass städtische und andere Wohnungsgesellschaften hier noch stärker einbezogen werden müssen. Wir fordern seit Langem, dass der Senat sich um geeignete Immobilien aus den Beständen des Bundes kümmert und diese entsprechend einrichten soll. Das alles wurde versäumt, deshalb auch unser Antrag, der hier zur Abstimmung steht.

Zum Schluss noch eine Sache, die mir besonders wichtig ist. Wir haben heute gemeinsam beschlossen, den Anwohnerinnen und Anwohnern von Flüchtlingsunterkünften mit Respekt zu begegnen, mit Dialog und Akzeptanz. Das, was der Senat gerade mit seinen geplanten Containerdörfern macht, ist das genaue Gegenteil. Wir haben in den Bezirken gut funktionierende Willkommensinitiativen, z. B. in Hellersdorf oder im Allendeviertel in Köpenick, wo sich engagierte Bürgerinnen und Bürger für die Flüchtlinge stark machen. Wenn der Senat jetzt ohne Einbeziehung der Bezirke und ohne Einbeziehung der Bürger vor Ort am Stadtrand neue Containerlager hochzieht, dann stößt er diese Menschen vor den Kopf.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

So kann man zivilgesellschaftliches Engagement ausbremsen, und dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn in einem Kiez die Stimmung kippt und die Rassisten an Fahrt gewinnen. Deshalb erwarte ich vom

Senat, gerade nach der heutigen Entschließung, eine andere Politik. Nicht noch so gut gemeinte Resolutionen bringen uns weiter, sondern Änderungen der faktischen Politik und wirklich menschenwürdige Problemlösungen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Taş! – Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir haben jetzt mehrere Abstimmungen hintereinander.

Zum einen geht es um die Drucksache 17/1539. Da empfiehlt der Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Wer ist dagegen? – Das ist die Koalition. Wer enthält sich? – Keine Enthaltungen! Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag auf Drucksache 17/1818. Hier empfiehlt der Fachausschuss ebenfalls mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind wiederum Linke, Grüne und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Das sehe ich nicht. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Zum Antrag auf Drucksache 17/1850 empfehlen die Ausschüsse einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag mit neuer Überschrift und auch in neuer Fassung im Wortlaut der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Eine Gegenstimme sehe ich. Wer enthält sich? – Das sind Grüne, Linke und Piraten, die sich mehrheitlich enthalten. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nrn. 3.2 und 3.3:

Priorität der Fraktion der SPD und Priorität der Fraktion der CDU

Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA ErrichtungsG)“

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1980 Neu

Erste Lesung

(Hakan Taş)

Die Drucksache 17/1980 neu ersetzt die ursprüngliche Drucksache 17/1980. – Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die erste Lesung. Es gilt auch hier wieder die Regelung im Prioritätenblock. Hier beginnt die Fraktion der SPD. – Es hat das Wort der Kollege Schneider. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was lange währt, wird gut. Wir setzen das um, was wir mit Ihnen in den Haushaltsberatungen schon diskutiert haben, und legen dem Hohen Haus heute einen Gesetzesentwurf vor, der sicherlich im Hauptausschuss an der einen oder anderen Stelle diskutiert werden kann. Ich höre die Signale der Opposition mit Presseerklärungen und dergleichen mehr, dem Grundansatz durchaus zuzustimmen, der für uns aber drei wichtige Entscheidungen trifft, die ich hier kurz skizzieren will. Im Detail werden wir das dann hier in der zweiten Lesung besprechen.

Erstens: Diese Koalition – und da bedanke ich mich ausdrücklich bei den Fachpolitikern unserer Fraktion – hat die Kraft, den Konsolidierungskurs, den dieses Bundesland nötig hatte und hat, fortzusetzen, und schreibt, und das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, als erstes Bundesland in diesem Land von Gesetzes wegen eine Schuldentilgung etwaiger Überschüsse zu 50 Prozent fest. Das ist ein großer Erfolg.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Zweitens: Wir haben das in der Bundestagsdebatte erlebt: Immer wenn man zu einer schwarzen Null in Haushaltsdebatten keine substanzielle Kritik üben kann, dann adressiert man die fehlerhafte Investitionsquote. Das ist ein üblicher Mechanismus und ich sage Ihnen, das kritisieren wir gar nicht – das würden wir in der Opposition genauso machen –, gleichwohl bleibt es natürlich Polemik. Wir haben die Kraft und uns darauf verständigt, und erneut großer Respekt vor unseren Fachpolitikern, die das auch mittragen und richtig finden, was eben Solidität von Politik zeigt: Wir schreiben fest, etwaige Haushaltsüberschüsse zur anderen Hälfte nicht zu konsumieren, sondern sie investiv zu binden, und auch das ist ein großer Erfolg.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE) – Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Drittens: Wir haben Grund, so zu verfahren. Sie kritisieren natürlich, man müsste unter dem Gesichtspunkt von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit sozusagen punktgenau veranschlagen. Diese Einschätzung teilen wir nicht. Wir sind der Auffassung, dass ein Haushalt leben muss. Er muss die Regierung im Haushaltsvollzug in die Lage versetzen, auf unvorhergesehene Dinge zu reagieren. Das sind Größenordnungen von mehreren Hundert Millionen Euro. Ein Thema spielt dabei eine ganz zentra

le Rolle, das Thema, das wir gesellschaftlich alle im Grundkonsens teilen: das Thema Flüchtlinge, die aus Verfolgungsgründen zu uns kommen. Der Haushaltsansatz für diesen Zweck beträgt 40 Millionen Euro, absehbare Kosten derzeit 170 Millionen Euro. Da muss ein Haushalt leben, auf so etwas muss reagiert werden können. Ich glaube, den Konsens können wir herstellen. Deshalb können wir keine Punktlandungen im Haushalt haben.

Ich will Ihnen sagen – ich will es heute auch ganz kurz machen –: Wir haben eine dritte Entscheidung getroffen. Anders als überall diskutiert worden ist, anders – jeder schreibt sich das zu, von den Grünen habe ich schon gehört: Das war doch unser Vorschlag, mehr zu investieren.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Euer Vorschlag, lieber Jochen Esser – damit erspare ich mir gleich die Kurzintervention, weil wir ein wenig in Zeitdruck sind –, war es, die Wasserbetriebe aus dem Haushalt zu finanzieren. Das haben wir aus gutem Grund für Quatsch gehalten.

[Steffen Zillich (LINKE): Nee! Das macht ihr doch gerade durch ständigen Einnahmeverzicht! – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Keine Aufregung, ganz entspannt! Wir brauchen nicht schon wieder einen Ältestenrat oder eine vertrauliche Sitzung. Den Quatsch hatten wir heute ja auch schon.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das hat die CDU gemacht!]

Ja. Also, so etwas!

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir sind dem Vorschlag auch nicht gefolgt, so etwas im Vorfeld zu machen, so nach dem Motto: Die Stadt wächst, und nun müssen wir sofort mittels eines Sondervermögens eine Antwort darauf geben. Nein, wir haben gesagt, wir verarbeiten die etwaigen Haushaltsüberschüsse nach dem Haushaltsvollzug. Das ist die dritte Entscheidung, die wir richtig finden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt dem Kollegen Esser das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Schneider! Über die Sturzgeburt dieses Gesetzes, dringlich und jetzt in erneuerter Fassung, reden wir heute dann lieber nicht. Wir müssen aber schon darüber reden,

(Vizepräsident Andreas Gram)

dass wir Grüne – und ich glaube auch die Piraten und die Linkspartei – mit einer gewissen Genugtuung sehen, dass SPD und CDU endlich eingesehen haben, dass die Sanierung der Infrastruktur eine höchst sinnvolle Form der Schuldentilgung und der Zukunftssicherung darstellt,

[Uwe Doering (LINKE): Genau!]

und nun wenigstens die Hälfte der Haushaltsüberschüsse in Infrastrukturinvestitionen überführen möchten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Noch in der Haushaltsberatung konnte man den Eindruck gewinnen, die Regierungskoalition habe den Verstand an der Garderobe des Abgeordnetenhauses abgegeben,