Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bangert?

Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Goiny! Erinnern Sie sich noch an Ihre Aussagen auf Podiumsdiskussionen bei der Koalition der freien Szene in den Sophiensälen und im Radialsystem, die Sie bezüglich der Verwendung der City-Tax gemacht haben?

Aber selbstverständlich! Dazu stehe ich auch. Ich komme gleich dazu. Haben Sie ein bisschen Geduld! Lassen Sie mich ausreden! – Wir haben eine Steuer eingeführt, die der Deckung des Finanzbedarfs und der Verbesserung der Einnahmen dieser Stadt dient. Es ist in der Tat so, dass die freie Szene damals dafür geworben hat, diese Steuer einzuführen, weil sie die Erwartung gehegt hat und hegt, hieraus werde ihren Bedarfen Rechnung getragen. Nun haben wir diese Steuer eingeführt, und wir haben deswegen auch diese Zweckbindung bei Mehreinnahmen ins Haushaltsgesetz geschrieben. Der Kollege Schneider hat das eben schon zitiert.

Wir sind damals belächelt worden, als es hieß, 25 Millionen Euro. Es wurde gesagt, damit sei alles weg, man bekomme davon niemals etwas ab. Wir haben damals schon gesagt: Wartet mal ab! Das wird funktionieren. – Herr Kollege Brauer! Es war schon im Juni klar, dass die 25 Millionen Euro dieses Jahr gerissen werden. Wenn Sie sich mal die Entwicklung der Einnahmen ansehen: Die ersten zwei, drei Monate kam gar nichts, und bereits im Juni hatten wir über 9 Millionen Euro, was quasi aus dem Vierteljahr gekommen ist.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Umso schlimmer, dass ihr nichts gemacht habt!]

Nun haben wir gesagt: 25 Millionen Euro müssen erst einmal in der Kasse sein. Solange wir hier Rechtsverfahren anhängig haben, muss abgewartet werden, wie die ausgehen. Denn wir geben das Geld nicht aus, solange wir es nicht haben. Ich glaube, in Köln hat man mal eine City-Tax erhoben, die nicht funktioniert hat, und hinterher musste man die ganz tollen Ausgaben für die Kultur aus dem laufenden Haushalt finanzieren. So arbeiten wir hier in Berlin nicht.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Wir warten ab, bis das ganze rechtssicher ist, und dann werden wir über die überschüssigen Mittel entscheiden. Die Finanzverwaltung hat angekündigt, dass es eine Restebildung aus den diesjährigen Mehreinnahmen geben wird, sodass sie dann im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. – Es gibt eine Zwischenfrage.

Ja, und zwar eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich!

Herr Zillich, bitte!

Sie haben die Rechtssicherheit angesprochen. Mal abgesehen davon, dass wir das schon seinerzeit kritisiert haben, man hätte ein anderes Verfahren für die Steuer wählen sollen. Sie gehen also davon aus, dass über die nächsten Jahre diese Überschüsse aus der City-Tax nicht verwandt werden, denn es ist ja nicht damit zu rechnen, dass in Monaten endgültige Rechtssicherheit erlangt wird.

Doch, wir gehen davon aus, dass sich das relativ zeitnah klären wird. Insofern glauben wir, dass wir bereits im nächsten Jahr die Mehreinnahmen der City-Tax verwenden können. Wir wollen eine Restebildung in diesem Jahr, und wir gehen davon aus, dass dann auch im nächsten Jahr entsprechend Überschüsse verteilt werden. Ich glaube, dass wir noch vor der Sommerpause im nächsten Jahr in der Lage sind, hier entsprechende erste Verteilungen vorzunehmen. Wir stehen auch dazu: Wir haben gesagt, dass es auch ein Stück Refinanzierung in touristische Infrastruktur geben muss. Dazu gehört die Kulturszene dieser Stadt. Dazu gehört der Sport, weil er Attraktivität und Tourismus in die Stadt bringt. Und dazu gehören bestimmte Bereiche der Wirtschaftsförderung, die die Attraktivität dieser Stadt unterstreichen. Insofern ist das etwas, was wir schon vor über einem Jahr beschlossen haben.

Dass Sie unser Haushaltsgesetz und unsere Anträge jetzt in einen dringlichen Antrag hineinschreiben, nur, weil Ihnen das Thema jetzt gerade aufgefallen ist und Sie zum Jahresende nichts anderes auf der Platte haben, spricht für sich. Das hat der Kollege Schneider schon deutlich gemacht. Insofern haben wir die nötigen politischen Entscheidungen getroffen. Wir stehen dazu. Es gehört zu unserer Politik, Infrastruktur in dieser Stadt zu stärken. Natürlich ist der Tourismus ein wesentlicher Motor, der die Attraktivität dieser Stadt unterstützt. Die City-Tax hat zu einem Teil – das war ja auch unsere politische Verabredung – den Auftrag, hier weiter zu fördern. Gleichzeitig verlieren wir aber auch das Thema Haushaltskonsolidierung und Einnahmeverbesserung nicht aus dem Auge. Insofern ergibt es sich hier in sehr guter Weise, dass wir das zusammenführen können. Der Senat bleibt aufgefordert, im kommenden Jahr bei Mehreinnehmen in der City-Tax entsprechend der Beschlusslage durch das Haushaltsgesetz zu verfahren. Wir haben keinen Zweifel, dass das auch so passiert.

Herr Kollege Brauer! Um Ihre Befürchtungen am Ende zu zerstreuen: Ich bin ganz sicher, dass sich die jeweiligen Senatsverwaltungen, wenn es darum geht, die entsprechenden Mehreinnahmen an Projekte auszureichen, rechtzeitig verständigen und uns hier eine sinnvolle Mittelausgabe präsentieren werden. Dann haben der zweite Teil unserer City-Tax und unsere Verabredung im Haushalt auch ihre Aufgabe erfüllt. Ich glaube, das ist eine Erfolgsgeschichte. Wenn der Dringlichkeitsantrag der Grünen am Ende dazu geführt hat, dass wir darauf noch einmal hinweisen durften, dann darf ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen der Grünen dafür bedanken.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Wolfgang Brauer (LINKE): Sie eilen ja von Erfolgs- geschichte zu Erfolgsgeschichte! Das ist gut!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Piraten folgt jetzt Herr Magalski. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herr Goiny! Dieser Antrag hat auch die Aufgabe, Sie daran zu erinnern, was Sie versprochen haben – sowohl vor der Wahl als auch auf Podiumsdiskussionen. Darauf sind Sie jetzt nicht mehr eingegangen, obwohl Sie es gerade angekündigt haben. Aber die CityTax ist hier im Hause weiterhin ein leidiges Thema. Von den 25 Millionen Euro an geschätzten Einnahmen waren irgendwann mal nebulös 12,5 Millionen Euro für Kultur, Sport und Tourismus versprochen worden – also die Hälfte. Sie sind immer weiter davon abgerückt, diese Posten wirklich an Kultur, Tourismus und Sport zu verteilen. Jetzt, kurz vor Jahresschluss, sind wir genötigt, diesem Antrag zuzustimmen, um das Geld in die entsprechenden Ressorts abfließen zu lassen, denn ich sehe an der Stelle nicht, wie das mit einer Restebildung, wie Sie das gerade gesagt haben, funktionieren soll. Das müsste mal genauer erklären, was das eigentlich ist. Das habe ich so noch nicht gefunden. Die Begrifflichkeit ist mir relativ neu. Vielleicht wird das im Hauptausschuss öfter benutzt. Bei uns im Kulturausschuss ist mir das noch nicht zu Ohren gekommen.

[Torsten Schneider (SPD): Sie haben es mehr mit Sichtachsen!]

Dann kam die Schätzung, dass wir 2014 vielleicht doch nicht die erwarteten Einnahmen generieren würden, aber jetzt sieht es so aus, als hätten wir nicht nur in diesem Jahr dann doch noch eine gute Million Euro für jeden der drei Bereiche, sondern im kommenden Jahr sogar mehr als drei Millionen Euro.

Dagegen steht, dass die als Steuer fungierende City-Tax ja eigentlich gar nicht zweckgebunden werden darf. Das

haben wir gerade schon besprochen. Wir hatten es also von Anfang an mit einer rhetorischen Finte des Senats zu tun, der immer suggeriert hat – bis hinein in die Platzhalter in den Einzelplänen –, dass hier drei Bereiche gesondert gestärkt werden sollten und könnten. Allein das Hantieren mit solchen Suggestionen ist schon problematisch, generiert es doch Erwartungen, die der Senat nie zu erfüllen gedachte.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Jutta Matuschek (LINKE)]

Angesichts der Gesamteinahmen des Berliner Haushalts in Höhe von 18,66 Milliarden Euro und der Schulden in Höhe von 61 Milliarden Euro und angesichts von 1,8 Milliarden Euro an Zinsleistungen, die Berlin 2014 zu erbringen hat, sind die Beträge, um die es hier geht, eher klein. Für Akteure der freien Szene wie die Zeitgenössische Oper oder Hans Wurst Nachfahren oder auch Veranstaltungen wie den Karneval der Kulturen wären aber 500 000 oder 1 Million Euro lebensrettend.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Diese Akteure hatten auf dieses Geld gehofft, und die sind nun maßlos enttäuscht – zu Recht. Was also nicht stimmt, sind Verhältnis und Suggestion.

Der Senat hat die City-Tax von Anfang an als Köder benutzt – vielleicht auch, um davon abzulenken, dass die wirklichen Verteilungskämpfe in dieser Stadt ganz woanders stattfinden, und zwar meist hinter verschlossenen Türen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Natürlich sind dem Land Berlin weitgehend die Hände gebunden dank des hohen Anteils an gebundenen Kosten, dank geringer Spielräume, um eigene Einnahmen zu generieren, und dank einer Abhängigkeit auch von bundesweiten Steuerschätzungen und Verteilungsschlüsseln. Aber da, wo wir ansetzten könnten, sollten wir es tun. Wir brauchen eine transparente Haushaltspolitik, die von vornherein die Karten auf den Tisch legt und in der deutlich wird, wie und warum Gelder verteilt werden, und vor allem eine Haushaltspolitik, die die Zusagen von Senat und Koalition einhält.

[Oliver Friederici (CDU): Was? – Torsten Schneider (SPD): Applaus!]

Leider wird dieser dringliche Antrag vermutlich abermals an der Borniertheit der Koalitionsfraktionen scheitern, denn die Koalition ist diesbezüglich nur mehr Erfüllungsgehilfe eines sorgsam austarierten Revierabsteckens im Senat. Es ist dennoch gut, dass wir heute darüber reden, und ich sage es noch mal: Wir sollten uns auch darauf verständigen, dass der Senat klare, verbindliche Zusagen einhält – und das am besten unverzüglich. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wurde die sofortige Abstimmung beantragt. Allerdings beantragen die Koalitionsfraktionen die Überweisung an den Hauptausschuss. Wer den Antrag Drucksache 17/2009 an den Hauptausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Piraten, Grüne und die Linke. Das Erstere war die Mehrheit. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag an den Hauptausschuss überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Die Linke

Winterabschiebestopp für besonders schutzbedürftige Personen jetzt!

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/2010

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Aussprache beginnt die Fraktion Die Linke. – Herr Kollege Taş – bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir, alle Fraktionen dieses Hauses, haben kürzlich eine Erklärung verabschiedet, in der wir uns zum Schutz von Flüchtlingen bekannt haben. Viele von uns haben an der Demonstration gegen Rassismus und für den Schutz von Flüchtlingen teilgenommen und werden auch an vielen Demonstrationen in den nächsten Tagen und Wochen teilnehmen. Am vergangenen Donnerstag hat sich der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf dem Festtag zum 20-jährigen Bestehen des Anne-FrankZentrums zum Schutz von Flüchtlingen bekannt und das tolerante Berlin ausgerufen. Wenn es aber um die Praxis geht, gilt für den Berliner Senat offensichtlich der Spruch: Papier ist geduldig.

Für einen Zeitraum von sechs Monaten darf ein Bundesland einen Abschiebestopp verhängen. Gemäß § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes darf die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen – ich wiederhole: oder aus humanitären Gründen! – oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Andere Bundesländer machen so etwas. Das gilt z. B. für Schleswig-Holstein. In Thüringen war es die

(Philipp Magalski)

erste Amtshandlung des neuen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, einen Winterabschiebestopp zu erlassen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Darunter fallen die Balkanländer, die Russische Föderation, die Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, die Türkei und Pakistan, aber auch Afghanistan, denn trotz aller Schönfärberei etwa im entsprechenden Fortschrittsbericht der Bundesregierung ist in Afghanistan getrost von einer Kriegssituation auszugehen.

Die Lage von Angehörigen von schutzbedürftigen Minderheiten wie Roma, Ashkali, Ägypter und Goranen in den Balkanstaaten hat sich nun nicht dadurch gebessert, dass die CDU/CSU-SPD-Koalition diese Staaten per Gesetz zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt hat. Sie werden dort weiterhin schikaniert und diskriminiert. Diesen Menschen wird in ihren Herkunftsländern zum Teil systematisch der Zugang zu Wohnraum, Schulbildung und Krankenversorgung oder auch die Registrierung als Arbeitssuchende verwehrt. Hinzu kommen problematische Witterungs- und Unterkunftsbedingungen, die einen besseren Schutz begründen. Wir sind grundsätzlich dagegen, Menschen in solche Verhältnisse abzuschieben.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Canan Bayram (GRÜNE)]

Aber im Winter sind die Auswirkungen von Ausgrenzung, Obdachlosigkeit und fehlender staatlicher Unterstützung besonders extrem.

Wir müssen auch über eine weitere Gruppe reden, die eines Abschiebeschutzes bedarf. Das sind diejenigen aus den Ebola-Ländern. Mehrere Bundesländer, darunter Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg, haben die Abschiebungen nach Liberia, Sierra Leone, Guinea, Nigeria und in den Senegal ausgesetzt. In Westafrika sind laut WHO bereits mehr als 5 000 Menschen der EbolaEpidemie zum Opfer gefallen. Sogar das Bundesinnenministerium hält den Verzicht einiger Länder auf Abschiebungen nach Westafrika wegen des Gesundheitsrisikos für angemessen.