Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unumstritten, dass viele Kinder in der DDR und in der Bundesrepublik in ihrer Unterbringung in Heimen und in der Psychiatrie schweres Unrecht erlitten haben. Folglich war eine lebenslange Traumatisierung – das wissen wir alle – die Folge.

Der Bund und die Länder haben im Jahre 2012 jeweils einen Fonds für die in der Heimerziehung geschädigten jungen Menschen geschaffen. Nach einer Meldefrist bis 30. September bzw. 31. Dezember 2014 konnten zum Beispiel psychologische Beratung und Hilfe und Rentenersatzleistungen gewährt werden. Hoch war die Zahl derjenigen, die sich als nachweislich Betroffene meldeten, sodass nach den anfänglich vorgesehenen Fondsmitteln von 40 Millionen Euro nunmehr eine Aufstockung auf bis zu 200 Millionen Euro erfolgt ist und dieser Fonds nach Äußerung der Ministerin Schwesig grundsätzlich auch nicht gedeckelt ist. Diese Entwicklung ist von allen, einschließlich der Kirchen, mitgetragen worden. Das den damals jungen Menschen angetane Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden, die Folgen können jedoch

gemindert werden, und den Betroffenen kann Gerechtigkeit widerfahren.

Nun waren – und darauf macht der vorliegende Antrag aufmerksam – bei der Antragstellung in Ost und West Kinder mit Behinderung, die in der Heimerziehung, in Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht waren, nicht antragsberechtigt. Deshalb weist nach meiner festen Überzeugung die nunmehr in Gang gekommene Diskussion über einen Entschädigungsfonds II für die betroffenen Jugendlichen mit Behinderung in eine richtige und gesellschaftlich unabdingbare Richtung. Der Bund, die Kirchen und das Land Bayern tragen diese Initiative. Im Bund, das möchte ich besonders betonen, herrscht hierzu eine parteiübergreifende Bereitschaft.

[Beifall von Joachim Luchterhand (CDU)]

Die Zahl der Betroffenen muss durch öffentlich ausgeschriebene Antragsberechtigung kurzfristig ermittelt werden. Eine solche Lösung darf, davon bin ich überzeugt, aus Gleichbehandlungsgründen nicht an der Finanzierung scheitern,

[Beifall bei der CDU, der LINKEN und der PIRATEN]

die durch alle, auch an den beiden Entschädigungsfonds I beteiligten Seiten anteilig erfolgen muss.

Wir gehen davon aus, dass der Senat die Notwendigkeit dieses Handelns bejaht und in internen Gesprächen sowie in der aktuell schon angesprochenen Arbeitsgruppe mit den noch zögerlichen Bundesländern eine schnelle, für die betroffenen Menschen mit Behinderung positive Lösung anbahnen und finden wird. Alles Weitere werden wir in den zur Überweisung vorgeschlagenen Ausschüssen kurzfristig zu diskutieren haben. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Nun hat für die Linksfraktion das Wort der Herr Abgeordnete Schatz. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage, mit der wir uns heute befassen, ist eine elementare Frage von Gleichbehandlung – Herr Krüger hat darauf hingewiesen. Unser Grundgesetz formuliert – und Herr Spies hat diesen Satz in seiner Rede zitiert –: Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): So ist es!]

(Marianne Burkert-Eulitz)

Die Situation, die wir hier aber haben – dass Menschen mit Behinderung, die als Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in psychiatrische Einrichtungen waren, explizit vom Heimkinderfonds ausgeschlossen waren –, ist eine Ungleichbehandlung. Diese muss beendet werden. Wir brauchen hier eine sehr schnelle Lösung.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Darauf hat übrigens der Bundestag schon im Juni 2011 hingewiesen und die Bundesregierung aufgefordert, im Einvernehmen mit den Ländern auch für diese Personengruppe eine Regelung zu schaffen. Geschehen ist bis heute nichts.

Darf ich sie kurz unterbrechen, Herr Kollege? – Meine Damen und Herren! Könnten Sie bitte Ihre Nebengespräche nach draußen verlagern! Ich weiß nicht, wie groß das Problem ist, das Sie gerade diskutieren, aber Sie diskutieren es lautstark. – Fahren Sie bitte fort!

[Uwe Doering (LINKE): Immer bei der SPD! Immer dieselben!]

2013 haben die Arbeits- und Sozialminister sich zuerst für einen solchen Heimkinderfonds ausgesprochen, also auch für die Kinder und Jugendlichen, die in Heimen der Behindertenhilfe und in der Psychiatrie waren. Im November 2014 haben sie allerdings gesagt: Nein, wir wollen das in das Regelsystem überführen. – Dazu wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Jetzt soll es in weiteren Ministerkonferenzen – nämlich noch mit den Jugend- und Familienministern und den Gesundheitsministern – beraten werden. Also: Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen!

Herr Spies hat darauf hingewiesen: Obwohl es die Bereitschaft der Bundesregierung, des Landes Bayern und der Kirchen gibt – die Länder blockieren. Das kann einfach nicht sein. Angesichts des zunehmenden Alters der Betroffenen gibt es hier eine Zeitnot. Wir brauchen eine schnelle Lösung. Selbst wenn man über eine Überführung in Regelsysteme nachdenkt: Eine Lösung muss jetzt gefunden werden, und die kann über den Fonds passieren. Deshalb ist es richtig, diesem Antrag zuzustimmen. Alles andere wäre schäbig. Der Senat hat in der Osterpause Zeit, seine Haltung zu überdenken.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wenn wir dann wiederkommen

[Martin Delius (PIRATEN): Dann wird alles besser!]

ich habe das ja gehört, auch die CDU ist dafür, dass es eine schnelle Lösung gibt –, dann sollten wir gemeinsam

darauf hinarbeiten, dass tatsächlich eine unbürokratische Lösung für die Betroffenen gefunden wird. – Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Schatz! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/2163 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien sowie – hier bitte ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit – zusätzlich an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste, die 63. Sitzung findet am Donnerstag, dem 23. April 2015 um 11.00 Uhr statt.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest! Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 18.34 Uhr]

(Carsten Schatz)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 9:

Familienhebammenvergütung neu festsetzen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 5. März 2015 Drucksache 17/2136

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1475

mehrheitlich – gegen GRÜNE, LINKE und PIRATEN – abgelehnt

Lfd. Nr. 10:

Frauen und Mädchen auf der Flucht – in Berlin und bundesweit besser schützen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 5. März 2015 Drucksache 17/2142

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1284

mehrheitlich – gegen GRÜNE, LINKE und PIRATEN – auch mit Änderungen abgelehnt

Lfd. Nr. 11:

a) Filmförderung I: Freie Lizensierung von Filmen bei Nichtrückfluss von Fördermitteln

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 18. Februar 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. März 2015 Drucksache 17/2143

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0926

vertagt