Sie müssen daher das Land verlassen. Nur, wenn es uns gelingt, die Zuwanderung über unberechtigte Asylanträge zu begrenzen und Nichtschutzbedürftige zur Ausreise zu veranlassen, haben wir Spielräume für mehr gesteuerte Zuwanderung.
Lassen Sie uns diese Grundsätze vereinbaren! Dann können wir in völliger Entspanntheit und Sachlichkeit über die einzelnen Regelungen debattieren. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dregger! – Für die Piratenfraktion redet jetzt der Kollege Reinhardt. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich war ein bisschen überrascht, dass es nicht wie sonst, wenn Herr Dregger spricht, eine Kurzintervention gegeben hat. Ich glaube, das perlt mittlerweile schon an uns ab. – Es gibt momentan einen paradoxen Trend in Deutschland und Europa. Zum einen gibt es immer mehr Ressentiments gegenüber Zuwanderern oder als fremd empfundenen Menschen. Es gibt einen Anstieg von Angriffen auf Geflüchtete und auf religiöse Einrichtungen von Muslimen und Juden in Deutschland. Gleichzeitig wächst die Zahl der Menschen, die aus Deutschland auswandern Jahr für Jahr an. Das betrifft vor allem junge Menschen und gut Qualifizierte. Das geht aus einer Studie hervor, die gerade diesen Monat vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration vorgelegt wurde. Darin heißt es:
Zwischen 2009 und 2013 wurden rund 710 000 Fortzüge registriert, dem standen nur etwa 580 000 Zuzüge gegenüber.
Deutschland verliere demnach jährlich durchschnittlich rund 25 000 Staatsbürger durch Abwanderung. – Darunter sind eben auch viele gut und hoch Qualifizierte.
Dieser Braindrain hat sicherlich viele Gründe, aber vor allem auch die absurde und hoch komplexe Gesetzeslage, der sich Menschen, die in Deutschland leben oder arbeiten wollen, ausgesetzt sehen. Es gibt über 100 verschiedene Aufenthaltstitel, die in den verschiedenen Gesetzen geregelt sind. Da empfiehlt sich dann an ehesten noch die Suche nach der arischen Großmutter. Da geht es mit dem Zuzug nach Deutschland am leichtesten.
Noch schlimmer wird es, wenn man den Fehler begeht, einen Asylantrag zu stellen. Dann kommen noch zahlreiche Hürden und weitere Gesetze hinzu, wie das Asylverfahrensgesetz, das Asylbewerberleistungsgesetz usw., Gesetze, die den meisten Menschen, wenn sie sich damit nicht beschäftigen mussten, in der Regel komplett fremd sind. Dabei sind gerade unter den eben genannten Asylbewerbern besonders viele sogenannte Fachkräfte. – Alles Gründe genug, die deutschen Asyl-, Einwanderung- und Aufenthaltsgesetze grundlegend zu überarbeiten! Der Weg – das wurde eben schon ein bisschen skizziert – kann dabei nur in Richtung mehr Offenheit gehen, aus wirtschaftlichen, pragmatischen, aber auch aus menschenrechtlichen Erwägungen heraus.
Nun gibt es Vorschläge zur Veränderung aus verschiedenen Richtungen. Dabei werden kleinere Veränderungen, größere Gesetzesänderungen oder ein komplett neues Gesetz zur Einwanderung benannt. Aus meiner Sicht ist es aber nicht wichtig, ob wir die bestehenden Gesetze ändern oder ein komplett neues schaffen, sondern es ist wichtig, in welche Richtung das Ganze geht. Die SPD macht sich auf Bundesebene zum Beispiel Vorschläge zu eigen, die es früher schon von einer gewissen neolibe
ralen Partei gab, und schlägt ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild vor. Dabei treten menschenrechtliche Erwägungen in den Hintergrund. Menschen werden dann nur noch nach ihrem vermeintlichen beruflichen Nutzen für die Gesellschaft bewertet.
Zuwanderung und Einwanderung hatte früher eine andere Stellung. Ich will ein kleines Zitat bringen. Sie können raten, wo es steht:
Gebt mir Eure müden, Eure armen, Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, den elenden Unrat Eurer gedrängten Küsten; Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen! Hoch halt’ ich mein Licht am gold’nen Tore!
Nein, es ist nicht aus der Bibel, auch wenn die Grünen das meinen. – Das sind die letzten Zeilen des Textes auf dem Sockel der Freiheitsstatue. Was hat die Freiheitsstatue mit Migration zu tun? – Früher gab es noch Worte, die Menschlichkeit ausdrückten, die den Wert von Migration an sich schätzten und nicht versucht haben, jeden Menschen nach Nützlichkeit zu bewerten.
Das hat sich leider geändert. Europa schottet sich ab. Deutschland ist ganz vorne mit dabei. Einwanderung ist – und bleibt es bis auf Weiteres wahrscheinlich auch – eine bürokratische Horroraufgabe. Nun wollen eben zum Beispiel die Sozialdemokraten auf Bundesebene genau diesen Nützlichkeitsaspekt noch stärker nach vorne stellen. Dabei gilt aus unserer Sicht: Deutschland ist ein Zuwanderungsland und ist das auch schon immer gewesen. Dies anzuerkennen, fällt vielen in diesem Land und in diesem Saal leider immer noch sehr schwer. Wir wollen Zuwanderung oder Einwanderung und eine aktive Einwanderungspolitik. Aber diese Politik darf nicht nur danach fragen, wie nützlich diese Menschen für uns oder – wie Herr Dregger gerade gesagt hat – für den Staat sind, sondern sie muss sich an menschlichen Kriterien orientieren. Solange das die Richtung ist, in die es geht, ist nachrangig, ob es ein neues Gesetz gibt oder ob die aktuellen, völlig kaputten Gesetze repariert werden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann wird so verfahren.
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Es beginnt in der Beratung die Fraktion Die Linke, und ich ahne, dass das der Kollege Taş sein wird. – Bitte schön! – Eigentlich können Sie ja schon hier vorne stehen bleiben. – Bitte sehr!
Dagegen hätte ich nichts. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bekanntermaßen scheiterte 2003 ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Damals hatten Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung den Verbotsantrag gestellt. Grund war, dass drei Verfassungsrichter ein nicht behebbares Verfahrenshindernis darin gesehen haben, dass V-Leute in einem Landesvorstand bzw. Bundesvorstand der NPD tätig waren. Hierzu heißt es im Votum der drei Richter:
Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. … Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar.
Nunmehr besteht dieselbe Gefahr, dass nämlich ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD wiederum daran scheitern könnte, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in Parteigremien sitzen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 19. März 2015 den Bundesrat als Antragsteller dazu verpflichtet, nachweislich darzulegen, dass in den einzelnen Bundesländern die V-Leute abgeschaltet worden sind. Mit anderen Worten: Die Innenminister und -senatoren der Länder haben, was die Abschaltung der V-Leute angeht, viel erklärt und bekundet, aber Beweise haben sie nicht geliefert.
Das betrifft ganz zuvorderst auch Sie, Herr Innensenator. Sie sind ja jetzt gerade mit anderen Dingen beschäftigt. Auch Sie haben das NPD-Verbotsverfahren angestrebt und in unterschiedlichen Zusammenhängen und in unterschiedlichen Ausschüsse immer wieder bekräftigt, wie sehr Sie für ein Verbotsverfahren gegenüber der NPD
sind. Aber auch Sie haben beim Verfassungsgericht die Karten nicht auf den Tisch gelegt, und wie gut Sie mauern und Informationen zurückhalten können, haben wir alle bei der NSU-Aufklärung erlebt. Also, Herr Henkel: Sorgen Sie dafür, dass Klarheit geschaffen wird, sonst tragen auch Sie die Mitverantwortung dafür, wenn das NDP-Verbotsverfahren erneut zu platzen droht!
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts offenbart auch Zweifel, ob nicht die Prozessstrategie und die Prozessbevollmächtigten der NPD durch V-Personen oder andere nachrichtendienstliche Mittel ausgeforscht werden. Auch dies wäre eine Gefahr für ein rechtsstaatliches Verfahren mit der Folge, dass das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren ablehnen würde. Der Beschluss ist ein Warnschuss für die Regierungen der Bundesländer, hier belastbare Nachweise und nicht nur verbale Bekundungen vorzulegen.
Auch wir als Parlamentarier wollen jetzt Fakten sehen. Mit unserem Antrag fordern wir den Berliner Senat auf, dem Abgeordnetenhaus darzulegen, wie er den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des NPDVerbotsverfahrens umzusetzen gedenkt. Wir fordern den Berliner Senat insbesondere auf, zu belegen, dass sämtliche V-Personen in führenden Positionen bei der NPD tatsächlich abgeschaltet sind und auch keine Nachsorge erfolgt, wann und wie die Abschaltung der V-Personen erfolgt ist, wie sichergestellt ist, dass die Prozessstrategie und die Prozessbevollmächtigten der NPD nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausspioniert werden, welche Unterlagen und Verwaltungsanweisungen hierzu existieren und welche Beweise dem Bundesverfassungsgericht infolge des Beschlusses vom 19. März 2015 zugeleitet werden.
Das Land Thüringen ist konsequent und hat alle V-Leute zurückgezogen. Innensenator Henkel lehnt ein solches Vorgehen ab. Sie seien unverzichtbar, so der Innensenator. Wie erfolgreich die Arbeit der V-Leute in der Vergangenheit gewesen ist, haben die Berichte der verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zu den NSU-Morden eindeutig dokumentiert. Ich schließe mich der Beurteilung der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, die bekanntlich Mitglied im Bundestagsuntersuchungsausschuss gewesen ist, an. Ich darf zitieren:
Ich komme zum Schluss: Die Diskussion über die Abschaffung des V-Leute-Unwesens werden wir in diesem Hause und in der Öffentlichkeit noch zu führen haben. Auch hierzu hat meine Fraktion einen Antrag im Geschäftsgang. Im Zusammenhang mit dem NPDVerbotsverfahren ist nur zu hoffen, dass der Berliner Senat hier entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts handelt, und hierüber sollte der Innensena
Danke schön, Kollege Taş! – Frank Zimmermann spricht jetzt für die SPD-Fraktion, und ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gern mit einem besonders widerlichen Zitat des ehemaligen NPD-Vorsitzenden Voigt beginnen –, wenn Sie das erlauben –, der gesagt hat:
Ihr baut in Berlin ein Holocaust-Mahnmal. Das ist ja wunderbar. Dann ist das Material für den Neubau der künftigen Reichskanzlei schon vorhanden.
Das ist die Verhöhnung der Opfer und die Verherrlichung der NS-Herrschaft in einem Satz, und das zeigt, welche Natur diese Partei hat und in welch aggressiver Weise sie dieses demokratische System bekämpft, und diese Partei gehört verboten.
Und um dies festzustellen, braucht man keine V-Leute. Es reicht vollkommen aus, das öffentlich zugängliche Material, die Äußerungen, die Veranstaltungen der Partei auszuwerten. Dass hier das Bundesverfassungsgericht noch weitere Konkretisierungen für das Verfahren verlangt, ist nicht ungewöhnlich und bietet die Chance, im Verfahren den Vortrag des Antragstellers noch zu verbessern.
Das Gerichtsverfahren entbindet uns aber nicht von der Pflicht, die rechtsextreme Gewalt mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Ich betone das hier deshalb, weil Sie, Herr Taş, gesagt haben – mit Hinweis auf Thüringen und Frau Pau und so –, dass es geboten sei, sämtliche V-Personen abzuschalten, um den Anforderungen des Gerichts gerecht zu werden. Das ist nicht der Fall. Das Gericht verlangt das nicht. Ich komme gleich noch darauf. Wir haben in letzter Zeit z. B. eine besorgniserregende Zunahme von Angriffen auf Flüchtlingseinrichtungen durch Rechtsextreme, und zur Abwehr dieser rechtsextremen Gefahren können und werden wir nicht darauf verzichten, auf etwaige Hinweise von V-Leuten zurückzugreifen und sie auszuwerten. Wollen Sie verantworten, dass etwa eine Information an die Polizei über eine geplante Aktion gegen Flüchtlinge unterbleibt, weil wir diese Quellen nicht mehr haben?
Ich will betonen, dass es grundsätzlich notwendig sein kann, auf diese Informationen zurückzugreifen, und es wäre ein fataler Irrtum, zu glauben, ein NPD-Verbot verlange die Abschaffung jeglicher V-Leute-Hinweise