Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

(Hakan Taş)

aus dem Beobachtungsobjekt. Oder anders gesagt: Erkenntnisse, die mit zulässigen Mitteln gewonnen wurden, können dieses Verfahren nicht gefährden.

[Dirk Behrendt (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Behrendt?

Bitte, Herr Kollege!

Ja, Herr Kollege, wenn Sie hier das Loblied auf das V-Leutewesen singen, erklären Sie mir doch mal, was in Sachen NSU dann schief gelaufen ist. Da waren unzählige V-Leute an allen Ecken und Enden dran. Warum ist denn das nicht rechtzeitig aufgeklärt worden?

Herr Behrendt! Ich singe kein Loblied auf die V-Leute und auf das V-Leutesystem. Das ist eine ganz schwierige Sache. Es sind teilweise schwierige Quellen. Man muss sie ganz besonders auswerten und muss besonders vorsichtig mit diesen Erkenntnissen umgehen. Und NSU hat gezeigt, welche Probleme darin liegen.

Nur, es ist kein komplettes Systemversagen, wie jetzt manche gerne behaupten,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Manche!]

sondern es sind wirklich schwere Defizite einzelner Behörden, nicht bei uns, sondern woanders, und deswegen kein Systemversagen des V-Leutesystems, sondern wir bleiben dabei, dass man zur Aufhellung dieser möglichen Taten auch darauf zurückgreifen muss. Das hat aber, um es noch mal deutlich zu machen, Herr Behrendt, mit dem NPD-Verbotsverfahren gar nichts zu tun.

Und jetzt komme ich auf das, was der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sagt. Den haben Sie, Herr Taş, in Ihrem Antrag ja nur abgeschrieben. Hier haben Sie gar nichts Weiteres hinzugefügt. Es geht bei diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht um V-Leute per se, sondern es geht um solche auf Vorstandsebene der NPD, und da bitte ich ernst zu nehmen, was die Innenminister erklärt haben und was auch hier in Berlin der zuständige Staatssekretär in der öffentlichen Sitzung des Verfassungsschutzausschusses verdeutlicht

hat, dass erklärt wurde – auch schriftlich durch Testat –, dass diese Leute aus den Vorstandsebenen dieser Partei dauerhaft abgeschaltet sind, keine Nachsorge stattfindet und Ähnliches. Und diese Punkte, wenn das Verfassungsgericht dies erläutert haben will und Belege haben will, müssen natürlich geliefert werden, und wir gehen davon aus, dass sämtliche Behörden der Länder, die dazu aufgefordert sind, diese Belege auch liefern.

Es ist natürlich immer schwierig, eine negative Tatsache zu beweisen, etwas, was nicht stattgefunden hat, etwas, was nicht stattfinden darf, durch einen Beleg zu untermauern, aber das weiß auch das Bundesverfassungsgericht. Und es wird das in geeigneter Weise prüfen, was die Länderinnenminister dort zur Konkretisierung des Verfahrens aufliefern. Und da bin ich sicher, dass am Ende auch eine hinreichende Darstellung vor dem Gericht stattfindet und dass Material zur Verfügung steht, das unbelastet ist, damit eine Entscheidung dort getroffen werden kann. Ich kann also jetzt nicht für die anderen Bundesländer sprechen, sondern nur für Berlin. Und wir als Fraktion, und ich gehe davon aus, als Koalition, gehen davon aus, dass wir diese Daten aufliefern können.

Die Frage nach der Dringlichkeit noch am Schluss, Herr Kollege Taş, es stand im Raum, dass das sofort abgestimmt werden solle, weil das alles so dringlich sei: Das Verfassungsgericht hat eine Frist bis zum 15. Mai dieses Jahres gesetzt. Ich glaube, wir haben Zeit genug, darüber zu beraten und die Sache heute in die Ausschüsse zu überweisen, um dann rechtzeitig hier darüber zu befinden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Fabio Reinhardt (PIRATEN): Hat er mit dem Kulturausschuss auch schon gemacht!]

Vielen Dank, Herr Zimmermann! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Abgeordnete Taş. – Bitte sehr!

Verehrter Kollege Zimmermann! Um die NPD zu verbieten, brauchen Sie die Informationen von V-Leuten nicht – haben Sie zumindest gesagt. Dann können Sie alle V-Leute hier im Land Berlin abschalten. V-Leute handeln nicht aus Egoismus. Ich hoffe nicht, dass Sie denken, dass die V-Leute aus Loyalität zum Staat ihre kriminelle Tätigkeit ausüben. In den meisten Fällen, das wissen Sie genauso wie ich, sind diese Personen vorbestrafte Personen, Extremisten. Und was sie dem Staat bringen, haben wir – das hatte ich vorhin in meiner Rede deutlich unterstrichen – bereits im Zusammenhang mit dem NSUSkandal gemeinsam in unterschiedlichen Ausschüssen auch feststellen können.

(Frank Zimmermann)

Heute machen Sie noch mal deutlich, dass, wie Sie zumindest gesagt haben, Sie weiterhin bereit sind, mit Straftätern, mit Extremisten zusammenzuarbeiten. Diesen Weg gehen wir nicht mit.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Dass die NPD, lieber Herr Zimmermann, bis jetzt noch nicht verboten werden konnte, das verdanken wir dem Verfassungsschutz. Und bis jetzt hat die Bundesregierung übrigens nichts vorlegen können, wofür die V-Leute tatsächlich hilfreich waren. Das Gegenteil ist aber mehrfach belegt worden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Taş! – Herr Zimmermann! Sie möchten antworten? Bitte!

Frau Präsidentin! Herr Taş! Sie haben dieses Missverständnis – will ich mal vorsichtig sagen – hier wiederholt, vielleicht ist es auch ein bewusstes Missverständnis. Es geht nicht darum, dass jegliche V-Leute in der Frage des NPD-Verbotsverfahrens abgeschaltet werden. In der Frage des NPD-Verbotsverfahrens geht es um die dauerhafte Abschaltung der Leute, die möglicherweise auf der Vorstandsebene der NPD vorhanden sind. Das wollen Sie irgendwie leugnen und wollen deswegen Ihr Generalthema V-Leute hier anbringen. Wir bitten darum zu differenzieren. Wir werden alles tun, damit das Verbotsverfahren vernünftig laufen kann. Wir werden aber nicht darauf verzichten, zur Verhinderung jeglicher anderer, rechtsextremer Gewalttaten notfalls auch auf die Quelle von V-Leuten zurückzugreifen. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Zimmermann! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Frau Abgeordnete Herrmann! – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! – Ja, Herr Zimmermann, es ist unerträglich, dass die rechtsextreme NPD mit Steuergeldern finanziert wird und so etwas von sich gibt. Die NPD muss mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Dazu gehören Aufklärung, Bildungsarbeit, konsequentes Eintreten gegen Rassismus und auch eine Stärkung der Zivilgesellschaft,

denn am Ende ist das wirkungsvollste Instrument, um die NPD zu verbieten, dass sie erst gar nicht gewählt wird.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es ist nun mal so, dass das NPD-Verbot kein Allheilmittel im Kampf gegen Rechtsextremismus ist, denn rechtsextreme Ideologie in Köpfen von Menschen lässt sich nicht verbieten. Daher muss es unser aller Ziel sein, Präventionsmaßnahmen zu stärken und die Zivilgesellschaft zu unterstützen, damit Menschen erst gar nicht braunen Rattenfängern hinterherlaufen.

Jetzt haben sich die Bundesländer im Alleingang, also ohne den Bundestag und die Bundesregierung, entschieden, den Vorstoß zu wagen, ein erneutes NPD-Verbotsverfahren einzuleiten. Und von Anfang an war klar, dass die Hürden sehr hoch sind. Und dass die Hürden in einer Demokratie, eine Partei zu verbieten, hoch sind, ist auch gut so, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Aus Erfahrung des ersten Versuches, die NPD zu verbieten, den alle gemeinsam unter einer rot-grünen Bundesregierung unternommen haben, wissen wir, dass es gerade bei verfahrenstechnischen Fragen ganz genau darauf ankommt, wie man agiert. Das Scheitern des ersten NPD-Verbotsverfahrens hat dazu geführt, dass die NPD gestärkt daraus hervorgegangen ist. Erst nach diesem Scheitern ist die NPD wieder in die Landtage eingezogen. Genau deshalb ist es ganz wichtig, mit diesem Wissen, dass die Bundesländer, die jetzt ein zweites NPD-Verbotsverfahren eingeleitet haben, sich ganz klar an die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht macht, halten. Ein abermaliges Scheitern, und gerade wieder an der Frage der V-Leute, wäre nun wirklich ein fatales Zeichen für die Demokratie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wenn Sie eines aus dem gescheiterten ersten Verfahren gelernt haben müssen, ist es, dass das Bundesverfassungsgericht sicher sein können muss, dass in der NPD Führungsebene keine V-Leute eingesetzt sind. Denn eine elementare Grundlage – und darauf kommt es an, Herr Zimmermann – für ein erfolgreiches Parteienverbot ist, dass das verfassungswidrige Verhalten der NPD nicht staatlich gesteuert und nicht staatlich finanziert sein darf. Das ist eine richtige und wichtige Grundlage, die das Bundesverfassungsgericht hier setzt. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass das Verfassungsgericht Beweise dafür verlangt, dass keine V-Leute eingesetzt sind. Das ist jetzt ein Warnschuss an die Bundesländer, zumal es zu diesem Vorgang bereits Schriftverkehr gegeben hat. Den Ernst der Lage scheinen einige Länder nicht erkannt zu haben. Wir stehen immer wieder vor dem Problem, dass V-Leute des Verfassungsschutzes es überhaupt erst möglich gemacht haben, dass rechte Strukturen aufgebaut

(Hakan Taş)

wurden. Meine Fraktion, Herr Innensenator, ist nicht der Meinung wie Sie, dass das V-Leute-Wesen unverzichtbar sei.

Herr Zimmermann! Es gibt ganz viele nachrichtendienstliche Mittel, die man einsetzen kann – von Observation bis hin zu verdeckten Ermittlern. Das V-Leute-Wesen birgt viele Gefahren, und gerade das Totalversagen der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex hat uns gezeigt, welche Gefahr darin steckt. Deshalb hat meine Fraktion ganz klar beschlossen, dass das V-Leute-Wesen abzuschaffen ist, weil es im Kern nicht für mehr, sondern für weniger Sicherheit sorgt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Rolle der V-Leute im NPD-Verbotsverfahren zeigt eine weitere Facette auf, warum das V-Leute-System ein Problem ist. Es scheint ja jetzt wieder das Problem zu geben, dass Bundesländer nicht gegenseitig aufzeigen wollen, welche V-Leute sie hatten, und sie nicht offen und transparent damit umgehen wollen.– Herr Henkel! Wir können es uns nicht leisten, dass ein zweiter Anlauf, die NPD zu verbieten, scheitert. Sie haben mehrfach öffentlich versichert, dass Berlin alle V-Personen in der Führungsebene der NPD abgezogen und seine Hausaufgaben erledigt hat. Das Bundesverfassungsgericht scheint nun aber Zweifel an dieser Zusicherung zu haben und verlangt von den Bundesländern Belege. Gerade nach Ihren Aussagen hier im Haus, Herr Innensenator, gehen wir davon aus, dass Berlin sorgfältig gearbeitet hat und die geforderten Beweise liefern wird. Sie selbst haben gesagt: Niemand will eine Aufwertung der NPD durch ein gescheitertes zweites Verfahren. – Darin sind wir uns alle einig. Also lassen Sie uns dafür sorgen, dass Berlin die Auflagen des Verfassungsgerichts erfüllt, und stimmen Sie dem Antrag der Linken zu! – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Hermann! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Lenz das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! V-Leute brauchen in der Tat eine Rechtfertigung. Aber wir brauchen keine V-Leute, um zu belegen, dass die NPD eine verfassungswidrige Partei ist. Die NPD ist keine demokratische Partei und hat daher im politischen Spektrum nichts zu suchen. Sie ist extremistisch und demokratiefeindlich und spielt dort, wo sie tätig ist, immer eine unrühmliche Rolle, sei es mit der Hetze gegen Ausländer und Minderheiten, oder sei es mit der Bekämpfung und der permanenten Missachtung unserer Rechtsordnung. Die NPD hat kein Interesse am demokratischen

Diskurs, sondern will ihn unterbinden. Niemand hier im Raum ist daher bereit, mit Vertretern der NPD in Kontakt zu treten. Niemand hier im Raum ist daher bereit, mit den rechtsextremen Verfassungsfeinden zu sprechen. Das ist richtig, und das wird hoffentlich auch in Zukunft immer so bleiben.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber darum geht es bei dem Antrag der Linken ja nicht. Es geht darum, ob und wenn ja, wie die NPD verboten werden kann. Ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist bereits anhängig. Es geht nun darum, sicherzustellen, dass Berlin seinen Beitrag zu einem erfolgreichen Verfahren leistet. Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch, und sie sind es zu Recht – das wurde schon gesagt. Einfach so kann man eben keine Partei verbieten. Radikale Ansichten allein sind nicht ausreichend. Eine zu verbietende Partei muss extremistisch sein, und darüber hinaus muss sie diese Position aktiv vertreten.

Es gibt zum Verbot einer Partei auch ein klares Verfahren: Nicht Parlament oder Regierung, nur das Bundesverfassungsgericht kann ein solches Verbot aussprechen. Betreibt man ein Verbotsverfahren, dann sollte man damit auch Erfolg haben. Frau Kollegin Herrmann hat zu Recht darauf hingewiesen, welch hohes Risiko wir fahren. Man könnte mit guten Gründen auch sagen: Vielleicht sollten wir es lassen, ein Verbotsverfahren durchzuführen. – Aber jetzt sind wir diesen Weg gegangen und müssen unbedingt Erfolg haben. Sonst erreichen wir nämlich das genaue Gegenteil und werden die NPD nicht schwächen, sondern weiter stärken. Das alles haben wir ja schon hinter uns.

Erfolg wird man nur haben, wenn man sehr, sehr sorgfältig vorgeht. Wenn man diese Sorgfalt nicht walten lässt, dann droht das Scheitern des ganzen Verfahrens, und das darf unter keinen Umständen passieren. Konkret geht es hier um die Beachtung des Grundsatzes der Staatsferne, der hohe Berechtigung hat – auch das ist hier schon gesagt worden. Fehlt es an der Staatsferne, so kann dies den Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzen. Im Jahr 2003 war genau das der Grund für das Scheitern des Verfahrens. An der erforderlichen Staatsferne kann es dann fehlen – und jetzt muss man genau sein –, wenn die Arbeit von V-Leuten – also von Personen, die im Auftrag des Staats handeln – in einem zu hohen Maße die Arbeit der betroffenen Partei beeinflusst. Vereinfacht gesagt: Der Staat darf die Gefährdung, die er zum Anlass nimmt, um ein Verbot auszusprechen, nicht selbst fördern oder gar schaffen.

Mit der Klärung der aufgeworfenen Frage ist nun das Bundesverfassungsgericht befasst. Es hat im besagten Beschluss vom 19. März Nachbesserungen in Bezug auf den Einsatz von V-Leuten eingefordert – man müsse

(Clara Herrmann)