Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Bei Gesprächen mit geflüchteten Menschen in Berlin stellt man zum einen sofort fest: Die wollen arbeiten. Das ist wirklich sehr deutlich. Ich habe manchmal das Gefühl,

die wollen mehr arbeiten, als viele in diesem Raum arbeiten wollen. Aber das ist wirklich deutlich geworden. Das wird ihnen leider erschwert. Es gibt viele Hürden. Es gibt viele Probleme dabei. Das hört man auch immer wieder in den Gesprächen.

Das andere ist natürlich: Bildung und Sprachkurse sind notwendige Voraussetzungen, sind aber unabhängig von dem Bedürfnis, Arbeit zu finden, immer wieder, was man hört, was Menschen bewegt. Da ist es sogar so, dass gerade Sprachkurse für Frauen, aber auch für Menschen, die über 27 Jahre sind – das hat Ursachen, die ich gar nicht im Detail lange erläutern will –, noch schwieriger zu bekommen sind, als es ohnehin schon schwierig ist. Insofern ist es jetzt sinnvoll, dass Senatorin Kolat dazu Vorschläge vorgelegt hat. – Ich weiß gar nicht, wie Sie das gemacht haben, dass Sie das so getimt haben; war das jetzt Absicht, wegen des Plenums? Es war aber auf jeden Fall ein guter Zeitpunkt.

Trotzdem ist es schade, dass man jetzt durch diese Debatte noch einmal besonders deutlich vor Augen geführt bekommt, dass die Essenz dieser Vorschläge erst durch die Debatte in den Haushaltsverhandlungen und dann frühestens nächstes Jahr mit finanzieller Unterfütterung starten können wird bzw. durchschlagend werden kann. Ich hoffe, dass wir bei den Haushaltsverhandlungen darauf achten, dass wir, wie auch schon beim letzten Mal, die Mittel für Sprachkurse deutlich erhöhen und auch in den anderen Bereichen dieses Mal klar und deutlich zulegen, nicht nur die gestiegenen Antragszahlen zugrunde legen, sondern über die reguläre Steigerung hinaus eine politische Botschaft senden.

Trotzdem: Gerade bei diesen Vorschlägen fällt auf, wenn man sie sich durchliest, dass letztendlich zwar einige zusätzliche Maßnahmen geplant sind, perspektivisch einige zusätzliche Mittel und zusätzliches Personal geplant sind, aber an den Rahmenbedingungen überhaupt nicht gerüttelt wird. Das heißt, es gilt weiterhin das Nachrangigkeitsgebot für Menschen, die hier Arbeit suchen, gegenüber europäischen Mitbewerbern auf dem Arbeitsmarkt. Es gilt weiterhin, dass unglaublich hohe bürokratische Hürden Menschen daran hindern, Arbeit zu finden. Und es wird auch weiterhin das große Problem für Menschen sein, die hier auf der Suche nach Sprachkursen sind.

Das heißt, die Situation bleibt im Großen und Ganzen mit kleineren Abstufungen, wie sie jetzt ist. Hoffentlich gibt es durch die Haushaltsverhandlungen noch ein paar Verbesserungen. Aber die Rahmenbedingungen, die Gesetzeslage, die Menschen daran hindert, hier Arbeit zu finden, die Menschen daran hindert, Sprachkurse zu finden und zu besuchen, wird so bleiben, wie sie ist. Das ist schade. Vielleicht können wir im Ausschuss darüber sprechen, ob wir zumindest ein paar Aspekte der Dinge, die hier im Antrag gefordert sind, noch einmal disku

(Dr. Niels Korte)

tieren können und nicht nur bei dem verharren, was wir momentan haben. Das wäre sinnvoll, und ich hoffe auf eine lebendige Ausschussdebatte. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Canan Bayram (GRÜNE) und Carsten Schatz (LINKE)]

Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/2149 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 18 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19:

Mehr Sicherheit durch den gezielten Einsatz von Blitzern an Unfallschwerpunkten

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2182

Es beginnt in der Beratung die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Kollege Moritz hat jetzt das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Schweden und in der Schweiz gilt die „Vision Zero“ als Ziel in der Verkehrspolitik. Das heißt, die Zahl der Verkehrstoten soll auf null sinken. In Berlin sind wir leider weit entfernt davon.

Im letzten Jahr ist die Zahl der Verkehrstoten sogar um 40 Prozent gestiegen, von 37 auf 52 Tote. Das sind genau 52 zu viel. Dazu kommen noch fast 14 000 Verletzte. Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße haben deutlich zugenommen. 2014 gab es über 3 000 Unfälle in Berlin wegen zu hoher Geschwindigkeit – auch eine Zunahme um 5 Prozent –, übrigens die einzige Hauptunfallursache, die angestiegen ist. Bei fast der Hälfte dieser Unfälle wurde ein Mensch verletzt, neun verunglückten sogar tödlich. Das müssen wir ändern!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Jeder 19. Autofahrer überschreitet die zulässige Geschwindigkeit. Je höher die Geschwindigkeit, desto schwerer ist die Verletzung bei Unfällen. Überhöhte Geschwindigkeit ist nach wie vor die häufigste Ursache für tödliche Verkehrsunfälle. Viele Unfälle hätten vermieden werden können. Geschwindigkeitskontrollen können daher Leben retten.

Hier muss man sich fragen, warum der Senat trotzdem so wenig tut. Bei Regelverstößen wie z. B. Schwarzfahren wird nicht von Abzocke gesprochen. Nur bei Verstößen im Straßenverkehr werden Sanktionen schnell als Abzocke bezeichnet – meiner Ansicht nach zu Unrecht. Die Berlinerinnen und Berliner dürfen deshalb nicht das Gefühl haben, bei Geschwindigkeitskontrollen der Abzocke zum Opfer zu fallen. Vielleicht bringt ein Blitzer an gut einsehbaren, geraden Strecken hinter dem Tempo-30Schild viel Geld, aber er dient nicht der Sicherheit. Um zu wirken und damit auch auf Akzeptanz zu stoßen, brauchen wir Blitzer gezielt an sensiblen Straßenabschnitten und Unfallschwerpunkten.

Wir wollen, dass sich die Berlinerinnen und Berliner auf den Straßen sicherer fühlen und gern zu Fuß gehen. Die Blitzer müssen daher gezielt an unfallträchtigen und gefährlichen Orten aufgestellt werden. So senken wir die Zahl der Verkehrsunfälle und verbessern die Sicherheit. Auch gerade vor Schulen, Kitas und Krankenhäusern können Geschwindigkeitsmessungen helfen, Kinder und andere Fußgänger zu schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Geschwindigkeitskontrollen sind eine einfache und kostengünstige Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Trotzdem ist der Einsatz der mobilen Blitzer im letzten Jahr um 13 Prozent gesunken. Die Einsatzstunden der Handleser sind sogar um über 25 Prozent gesunken. Da hilft auch die Teilnahme am Blitzermarathon nichts. Das ist zwar eine schöne PR-Aktion, aber das Entscheidende ist der Einsatz von Blitzern im Alltag.

Der Senat muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden und mehr Verkehrssicherheit durch Kontrollen herstellen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Finanzierung ist kein Argument. Die Anlagen finanzieren sich selbst, wie man den Statistiken entnehmen kann. Geschwindigkeitskontrollen dürfen zwar nicht die einzige Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit sein, sie sind aber eine der einfachsten, effektivsten und kostengünstigsten Maßnahmen.

[Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um auch in Berlin eines Tages sagen zu können: Die Zeit der Verkehrstoten gehört der Vergangenheit an. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Kreins.

[Alexander Morlang (PIRATEN): Mach ihn fertig! Scheiß-Grüne!]

(Fabio Reinhardt)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gäste haben wir keine mehr. Ich wünsche Ihnen einen schönen und sicheren Weg nach Hause. Den werden Sie hoffentlich alle mit dem ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß tätigen können, aber manche, die dann eben doch mit dem Auto fahren, sollten sich zumindest an die Geschwindigkeit halten.

[Andreas Baum (PIRATEN): Und die Motorradfahrer?]

Und damit das nicht ein frommer Wunsch bleibt, gibt es verschiedene Maßnahmen, die Verkehrsgeschwindigkeit dorthin zu bringen, wo man sie haben möchte. Das eine sind die Blitzer, die Sie angesprochen haben, das andere sind mobile Kontrollen, und dann gibt es noch Dialogdisplays. Wir haben auch noch die Möglichkeit baulicher Veränderungen und den Hinweis auf das Funktionieren von grünen Wellen in der Stadt. Das sind alles Maßnahmen, die durchaus vernünftig sind, um Verkehr zu reduzieren. Aber letztlich ist es die Einsicht, die den Autofahrer dazu bringt, sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu halten. Und Einsicht – da gebe ich Ihnen ein Stück weit recht – kann man durchaus mit dem tiefen Griff ins Portemonnaie hinbekommen, aber auch mit dem Verständnis, dass es andere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gibt, die durch überhöhte Geschwindigkeiten in Gefahr gebracht werden. Das ist im Grundsatz viel einfacher, als zu sagen, wir brauchen pauschal mehr Blitzer, denn die Einsicht für eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist bei mir beispielsweise vor einer Grundschule viel höher als auf einer breit ausgebauten Straße, auf der weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Ich will Ihnen damit erklären, dass es durchaus möglich ist, mit Verboten und Geboten zu agieren, dass aber die Einsicht in die Notwendigkeit viel relevanter ist.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Reden Sie doch nicht so einen Blödsinn! Das steht da nicht drin!]

Frau Kollegin! Wenn Sie auch mal in den Verkehrsausschuss kommen und in der Plenardebatte nicht dazwischenrufen würden, wüssten Sie, dass wir uns sehr ausreichend damit befassen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Der Antrag orientiert sich einseitig auf Blitzer, und damit ist er nicht komplett. Wir werden im Ausschuss selbstverständlich darüber diskutieren.

[Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Ich habe Ihnen doch schon einen schönen Heimweg gewünscht. Gedulden Sie sich doch, bis Sie im Auto oder der S-Bahn sitzen! Da können Sie weiterschimpfen wie ein Rohrspatz. – Ich beende an dieser Stelle. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Oliver Friederici (CDU) und von Alexander Morlang (PIRATEN) – Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Kollege Kreins! – Für die Linksfraktion spricht jetzt der Kollege Harald Wolf. – Meine Damen und Herren! Wir sind auf der Zielgeraden. Vielleicht könnten wir alle wieder etwas herunterkommen! Kollegin Remlinger, es ist alles gut. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann eigentlich gegen den Antrag der Grünen nichts sagen.

[Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Man kann ihm eigentlich nur zustimmen, denn das ist eine vernünftige Maßnahme.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Kollege Kreins sagte, man solle die Einsicht in die Notwendigkeit befördern. Nach Hegel ist bekanntlich Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. Diese Freiheit kann man befördern, indem man das auch stärker kontrolliert, um diese Einsicht und damit diesen Freiheitsgrad zu erhöhen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Ansonsten hat der Kollege Kreins recht. Natürlich gibt es noch andere Themen. Da sind wir uns einig.