Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Gleichzeitig, das erleben wir aufgrund des Streiks bei der Deutschen Bahn gerade wieder, müssen wir auch in unseren öffentlichen Nahverkehr investieren. Dass wir der BVG helfen, neue U-Bahnfahrzeuge zu beschaffen, ist eine richtige Entscheidung. Und es ist von der Opposition kritisiert worden, dass wir auch im Bereich Sport Investitionen treffen, beim Olympiapark und bei den Multifunktionsbädern. Die Koalition bekennt sich dazu, dass die Sanierung der Bäder auch ein wichtiger Beitrag zur sozialen Infrastruktur ist, dass hier nicht nur die Bestandsbäder saniert werden, sondern dass wir auch in neue Konzepte investieren. Insofern freuen wir uns, dass wir hier einen entsprechenden Akzent setzen konnten.

Wir werden sicherlich sehen, dass insbesondere die Maßnahmen im SIWA-Projekt eine zügige Umsetzung erfahren. Wir haben landesrechtlich keine sehr großen Beschleunigungsmöglichkeiten, aber ich bin sehr froh, dass vonseiten des Senats zugesagt worden ist, dass die entsprechenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Wir werden die entsprechende Berichterstattung im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses bekommen. Und wir werden sicherlich – das ist ja auch eben schon von Herrn Kollatz-Ahnen angedeutet worden – bei weiteren SIWA-Gesetzen im Prozess, in der Optimierung, der Steuerung durch die Verwaltung, schauen, wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Uns ist wichtig, dass wir zu einer zügigen Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen kommen. Ich glaube, man kann schon sagen, dass das für die Berliner Wirtschaft ein kleines Konjunkturprogramm ist, was wir hier in der Größenordnung von rund 496 Millionen Euro auflegen. Ich glaube, das zeigt, dass hier die Berliner Wirtschaft insgesamt davon profitiert, sodass wir also, wie ich zu Beginn meiner Ausführungen schon sagte, es schaffen, eine Politik der Haushaltskonsolidierung mit einer Investition in Infrastruktur und gleichzeitig mit Akzenten in viele soziale und gesellschaftliche Bereiche zu verbinden, am Ende damit auch die Wirtschaft zu stärken.

Die Beratungen die wir jetzt hier die letzten Wochen im Parlament hatten, haben gezeigt, dass das mehr und mehr überzeugt, nicht nur in der medialen Öffentlichkeit, sondern auch, was die Diskussion hier im Hause anbetrifft. Ich darf das abschließend noch sagen: Wenn man sich die Reden des geschätzten Kollegen Esser zum Haushalt anguckt, dann sind sie natürlich immer von besonderer Präzision, was die Kritik an unserer Politik anbetrifft, aber während er am Anfang noch ganz andere Vorstellungen auf der Ausgabenseite hatte, war sein Redebeitrag gestern im Hauptausschuss zur Frage, wie wir Finanzpo

litik machen, schon fast nachdenklich. Am Ende, Herr Kollege Esser, werden Sie einräumen müssen, dass die Politik, dass wir eben tatsächlich Schulden tilgen, dass wir tatsächlich in Infrastruktur investieren

[Joachim Esser (GRÜNE): Stimmt auch!]

und damit hier auch in der Perspektive über mehrere Jahre diese Linie durchhalten und damit auch Erfolge vorweisen können, dass wir da auf dem richtigen Weg sind. Insofern kann ich die Opposition in diesem Hause abschließend nur einladen, uns auf diesem Weg weiter zu begleiten,

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Das machen wir!]

weil er der richtige Weg für Berlin ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Goiny! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Esser das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Goiny! In der Frage von Konsolidieren und Investieren sind wir alle ganz nah beieinander. Das ist richtig. Da werfe ich Ihnen auch gar nichts vor.

[Heiterkeit bei Torsten Schneider (SPD)]

Was ich Ihnen aber z. B. natürlich vorwerfe, Herr Schneider, weil Sie lachen,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

SPD und CDU behaupten in diesem Nachtragshaushalt allen Ernstes, dass die Einnahmen des Landeshaushalts trotz Hochkonjunktur und Beschäftigungsrekord um 168 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr sinken werden. Der Senat will uns obendrein glauben machen, dass die Zinskosten dieses Jahr 364 Millionen Euro höher ausfallen werden als 2014, und das mitten in der Nullzinsphase. Und um die Absurdität auf die Spitze zu treiben, veranschlagt er 390 Millionen Euro weniger Sachausgaben als letztes Jahr – als gäbe es keine steigenden Sozialkosten, keine Flüchtlinge in der Stadt und nicht mehr Kinder in den Kitas und Schulen. Das alles ist komplett abwegig und beweist eigentlich nur eines: SPD und CDU haben die Mehrheit hier im Haus, aber sie haben diese Mehrheit auf Dauer nicht verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Unser Antrag korrigiert diese Einnahme- und Ausgabenerwartungen von SPD und CDU wenigstens einigermaßen. Aber immerhin – darüber streiten wir ja gar nicht – haben wir jetzt ein Sondervermögen, aus dem wir in den kommenden Jahren eine halbe Milliarde Euro in die Sanierung und das Wachstum unserer Stadt investieren

(Christian Goiny)

können. Das ist erst mal gut. Aber ist hier irgendjemand, der glaubt, mit der halben Milliarde SIWA ist es getan? Ich greife nur ein Beispiel heraus, das besonders gut dokumentiert ist und deshalb nicht strittig sein dürfte.

Im SIWA sind 105 Millionen Euro zur Sanierung der Krankenhäuser vorgesehen. Gut so! Aber dem steht ein Bedarf von anderthalb Milliarden allein in den staatlichen Krankenhäusern gegenüber. 600 Millionen Euro sind bei der Charité noch offen, und 900 Millionen Euro sind es bei Vivantes. So ähnlich ist es mit allem anderen auch, von der Schule bis zum Zustand unserer Straßen und U-Bahnen.

Das SIWA deckt ungefähr 5 Prozent des anerkannten Sanierungsbedarfs ab. Die übrigen 95 Prozent sind noch unerledigt. Deswegen wiederholen wir es immer wieder gern: Das Abgeordnetenhaus muss ab 2016 alles daransetzen, die regulären Investitionen im Haushalt um mindestens 200 Millionen Euro zu verstärken. Der Senatsdeckel auf den Investitionen muss weg.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das führt mich dann zu einer Überlegung, die sich zunächst sehr buchungstechnisch anhört, aber politisch höchst bedeutsam ist. Das ist hier eine Haushaltsdebatte, die unsere Handlungsmöglichkeiten transparent machen soll. Die 500 Millionen Euro für das SIWA werden haushaltstechnisch nicht aus irgendeiner Rücklage genommen, die sich in den Vorjahren gefüllt hat. Es sieht auf den ersten Blick so aus, aber es ist nicht so. Vielmehr führen die Haushaltsvorschriften dazu, dass die halbe Milliarde für das SIWA im Nachtrag 2015 komplett aus den regulären Steuereinnahmen finanziert werden muss und auch finanziert wird.

Das bedeutet aber – und da wird es politisch interes- sant –, diese 500 Millionen Euro reguläre Einnahmen sind auch im nächsten Jahr da und stehen dann ohne SIWA zur freien Verfügung. Deshalb ist unsere Forderung, den Investitionsanteil im Haushalt zu erhöhen, auch keine Hexerei. Wir erwarten vom Senat, dass diese freien Mittel bei der Haushaltsaufstellung nicht einfach unterschlagen werden, aber auch nicht komplett in den Personal- und Sachkosten aufgehen, sondern wir erwarten, dass mindestens 200 Millionen Euro davon für Investitionen reserviert werden.

Ich gebe zu, ein solcher Kurs wird durch die Kosten erschwert, die durch das BER-Desaster auf Berlin zurollen. Der Senator hat vorhin etwas dazu gesagt. Wir haben gestern erfahren, dass die Bundesrepublik Deutschland im März bei der EU-Kommission die Genehmigung von 2,2 Milliarden Euro öffentlicher Gelder – nicht von Krediten – für die Flughafengesellschaft beantragt hat. Ohne Einverständnis des Berliner Senats und der brandenburgischen Landesregierung geht das nicht. Dass man uns diese Übereinkunft verschwiegen hat, bis heute die Un

terlagen verweigert, geschweige das Parlament vorher mal gefragt hat, das bewerte ich als einen politischen Skandal.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wird die Beihilfegenehmigung von der EU erteilt, wird die Sache, die Sie, Herr Senator, angesprochen haben, sehr viel schwieriger. Ich stelle mir ja genau die gleiche Frage wie Sie: Muss es wirklich sein, dass wir neben der Fertigstellung auch noch den Ausbau des Flughafens auf das Versprechen hin, dass die Gewinne des BER uns das Geld ab 2020 wieder in die Landeskasse spülen, aus Steuermitteln vorfinanzieren? Das ist ja der Gegenstand des Antrags an die EU.

Es ist in der Tat eine echte Alternative zu sagen, die Flughafengesellschaft möge bitte die Erweiterung des BER selber finanzieren, und zwar Zug um Zug in dem Maße, wie der von ihr behauptete Anstieg von Passagierzahlen, Einnahmen und Gewinnen auch tatsächlich eintritt. Da bin ich ganz an Ihrer Seite. Bloß – dieser EU-Antrag entfaltet natürlich eine gewisse Bindewirkung – kriegen wir die Komplikation, dass jeder, der dann daran etwas ändern will, dem Argument ausgesetzt wird, er würde jetzt den Beihilfeantrag ins Zwielicht ziehen und infrage stellen. Wir werden das erleben. Das heißt, wenn wir diesen Weg gehen wollen, den Sie beschrieben haben und den auch ich für richtig halte, dann müssen wir uns da erst mal durchsetzen. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass 800 Millionen und nicht nur 400 Millionen in den nächsten vier Jahren auf unseren Haushalt zukommen.

Ich sage mal dazu, darüber haben wir ja gesprochen, eine wachsende Stadt ist eben mehr als ein wachsender Flughafen. Die Berliner Politik hat deshalb noch andere Aufgaben. Gucken Sie sich den Wohnungsmarkt an! Da geht das Mietendrama weiter, ohne dass der Senat genügend unternimmt. Wir werden vage auf 2016 oder 2017 vertröstet. Dabei hätte der Senat im Nachtragshaushalt die Möglichkeit gehabt, schon jetzt etwas zu tun. Wir und auch die anderen Oppositionsfraktionen hatten ja deswegen beantragt, den städtischen Wohnungsbaugesellschaften 100 Millionen Euro Eigenkapital für ihre Bauvorhaben zuzuführen. Im Gegenzug erwarten wir dann von den Gesellschaften, dass sie preiswerten Wohnraum in ihren Beständen bereitstellen. Warum gehen Sie diesen Weg nicht mit, Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU? Der Weg ist machbar, und er ist vernünftig.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Energie- und Umweltpolitik: Diese rangiert bei Rot-Schwarz notorisch unter ferner liefen. Auch das will mir nicht in den Kopf. Wachsende Stadt kann doch nicht heißen, dass wir immer mehr Energie verbrauchen und immer mehr Braunkohledreck in die Luft pusten. Den Energieverbrauch zu

drosseln und mehr Strom aus Wind und Sonne zu erzeugen, das gehört doch zu Berlin mit Zukunft dazu! Sie fassen Beschlüsse zur Rekommunalisierung und zur sogenannten Smart City und stellen das dann im Senat gegeneinander. Denken Sie die beiden Ansätze doch einmal zusammen, dann werden Sie sehen, dass daraus ein Schuh wird!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Strom aus Wind und Sonne, aus Kraft-Wärme-Kopplung, kombiniert mit einem intelligenten Netz, das auch dezentrale Erzeugung gut bewältigt, Elektromobilität, Ladestationen an den Laternen, Mobilitätskarten, mit denen man U-Bahn fahren, aber bei Bedarf auch ein Fahrrad oder Elektroauto mieten kann usw., das ist doch die Zukunft der Städte und die Zukunft der Arbeitsplätze. Da wollen wir vorne mit dabei sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es fehlt bloß der Treiber. Die Stromkonzerne machen diese Energie- und Verkehrswende nicht von allein, denn sie kleben natürlich an ihrer alten Struktur. Es ist doch der Sinn des Stadtwerks und auch eines kommunalen Stromnetzes, genau diese Investitionen in erneuerbare Energieerzeugung und Energieeffizienz zu ermöglichen. Doch dazu fehlt dem Stadtwerk das nötige Geld. Wir wollen deshalb – auch mit unserem Antrag, der auf dem Tisch liegt – dem Stadtwerk dieses Jahr 30 Millionen Euro Eigenkapital zuführen und diesen Weg in den nächsten fünf Jahren konsequent fortsetzen.

Und ich sage noch dazu – das wird der nächste Tagesordnungspunkt sein –: Auch eine solche Politik hin zu einer kommunalen Stromversorgung, die uns in moderne und ökologische Verhältnisse führt, wird nur sinnvoll sein, wenn Sie das Vergabeverfahren beim Stromnetz nicht in der gleichen Art und Weise in die Grütze fahren, wie Sie das beim Gas gemacht haben. Diese Gefahr sehen wir ganz stark, wenn wir nicht neu aufsetzen, sondern stattdessen in Verhandlungen gehen und dann mit irgendwelchen gemischten Gesellschaften zusammen, mit Vattenfall und anderen aus der Sache, wieder rauskommen. Dann wird aus dieser schönen Vision, die ich gerade versucht habe darzustellen, leider nichts.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Esser! – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Schneider. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt einen Nachtragshaushalt zu diskutieren, und das ist eben ein bisschen der Unterschied. Es gibt in diesem Haus seit vielen Jahren die politische Festlegung, dass wir im System der Doppelhaushalte planen. Das sehen die Grünen anders. Das kann man auch anders sehen, aber wir haben uns darauf politisch so verständigt, und deshalb ist jetzt eben nicht die Debatte, große Blöcke zu bewegen. Das ist dem Herbst vorbehalten, und da werden wir auch noch trefflich miteinander diskutieren. Das ist hier ein bisschen vermengt worden.

Nein, verabredungsgemäß haben wir uns im Nachtragshaushalt auf technische Justierungen bei den europäischen Fördermitteln verständigt. Das ist auch nicht mehr im Streit, hat auch niemand adressiert. Das Hauptthema war deswegen auch nicht die Anpassung der Zinstitel oder der Steuertitel. Und da geht es auch wild durcheinander: Jede Fraktion der Opposition hat da eigene Schätzungen zur Grundlage ihrer Mehrausgaben gemacht.

[Udo Wolf (LINKE): Nehmen Sie den Mittelweg zwischen den Oppositionsschätzungen! – Weitere Zurufe]

Wir halten daran fest, dass der Steuerkreis, wie das bundesweit üblich ist, der Maßstab für die Steuerschätzung ist, und da gab es keine Justierungsveranlassungen. Deshalb sind wir dem auch nicht nahegetreten.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Herr Esser! Ich wollte Ihnen gerade beispringen. – Der Hauptschwerpunkt der Debatte gestern war in der Tat die Forderung der Grünen, einen Antrag an die Europäische Kommission zur Subventionierung der Flughafengesellschaft vorzulegen. Dem konnte bisher nicht nachgekommen werden – so ist uns das mitgeteilt worden –, weil sich die Bundesregierung dazu aufgrund einer Vertraulichkeitsregelung nicht imstande sieht. Das sieht die SPDFraktion anders als die Bundesregierung. Und da hier dreistellige Millionenbeträge adressiert werden, liegt der Ball jetzt auch beim Bundesverkehrsminister. Man kann wohl kaum einem Landesparlament zumuten, solche Beträge zu bewegen, und sich gleichzeitig sozusagen verweigern, die entsprechenden Grundlagen dem Landesparlament zur Verfügung zu stellen. Da wird sich der Senat also nach wie vor bemühen. In diesem Punkt stimmen wir der legitimen Forderung der Grünen zu.

[Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Das ist ja sehr nett, dass Sie klatschen!

Im Übrigen ist gestern die Debatte naturgemäß um das SIWA gekreist, und deshalb will ich mich jetzt auch kurzfassen und darauf beschränken. Wir haben einige Änderungen vorgenommen. Das Politische ist ausgetragen, und es ist in der ersten Lesung und während der

(Joachim Esser)