Nehmen Sie diesen Untersuchungsausschuss selbst ernst und lassen Sie uns dort konstruktiv zusammenarbeiten! Unterstützen Sie Ihren Kollegen Prieß! – Ich glaube, das ist der bessere Weg. – Danke!
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Lieber Herr Finanzsenator! Sie wohnen ja mittlerweile auch der Debatte um die Kostenexplosion bei der Staatsoper bei – herzlich willkommen! Der Regierende Bürgermeister und Kultursenator tut das nicht. Aber das spricht auch dafür, wie mit der Staatsoper umgegangen wird und zeigt nur allzu gut, wie mit Bauprojekten in diesem Land umgegangen wird.
Liebe Frau Radziwill! Es sollte uns allen um die Frage gehen, wie Berlin baut und wie wir als Parlament dafür Sorge tragen können, dass es nicht zu solchen Baukostenexplosionen kommt. Wie baut Berlin? – Es gibt unzählige Beispiele: eine Feuerwache, in die kein Feuerwehrauto passt; eine Ballettschule ohne Tanzboden
oder ein Theater, bei dem der Brandschutz vergessen wurde – so baut Berlin. Der Bausenator hat einen bahnbrechenden Vorschlag dazu – er sagt nämlich: erst planen und untersuchen und dann bauen. – Das ist theoretisch eine sinnvolle Erkenntnis, insbesondere und gerade nach den unzähligen Bauskandalen und Untersuchungsausschüssen, die wir im Land Berlin zum Bauen hatten – vom BER über das Tempodrom bis zum Spreedreieck.
So weit die Theorie. In der Praxis gibt es dann die Staatsoper. Ich erinnere gern noch einmal daran: Vor fünf Jahren lagen die Gesamtkosten bei 239 Millionen Euro. Davon sollte 200 Millionen der Bund tragen, 30 Millionen die Freunde der Staatsoper und Berlin – ein richtiges Schnäppchen – 9 Millionen Euro. Wo sind wir heute? – Gesamtkosten von mindestens 400 Millionen Euro. Die Freunde der Staatsoper sind keine Freunde mehr; sie geben nicht viel. Der Bund hat seinen Beitrag auf 200 Millionen gedeckelt. Aus 9 Millionen für das Land Berlin sind mir nichts dir nichts 200 Millionen geworden, und das sind Mehrkosten, die woanders bitter fehlen – bei Schulen, bei Krankenhäusern oder an Hochschulen. Öffentliches Bauen läuft in Berlin regelmäßig aus dem Ruder – wenn es überhaupt ein Ruder gibt. Aber zumindest gibt es keine Steuerfrau oder keinen Steuermann.
Dank der großen Koalition ist Berlin mit BER und Staatsoper, was Kostenexplosion und Imageschaden angeht, trauriger Spitzenreiter. Die Liste an Gründen für die Kostenexplosion bei der Staatsoper ist lang. Der Senat baut munter drauflos, ohne abgeschlossene Planungen und Untersuchungen. Experten haben bereits 2010 darauf hingewiesen, dass das nicht in drei Jahren zu realisieren sei. Aber Sie wollten der Öffentlichkeit lieber einen baldigen Wiedereröffnungstermin als eine seriöse und realistische Planung präsentieren. Durch Extrawünsche, Umplanungen und unzählige Nachforderungen explodierten die Kosten. Die Oper ist auf märkischem Sand gebaut – genauso wie Ihre Bauplanung –, und beides hätte man wissen müssen.
Der Untersuchungsausschuss wird das alles untersuchen und sich intensiv damit beschäftigen. Aber die Sanierung der Staatsoper ist eben noch nicht abgeschlossen, Frau Radziwill. Ob der Eröffnungstermin im Herbst 2017 bestehen bleibt, ist unklar. Und ob der jetzige Kostenrahmen nicht noch einmal überdehnt wird, ist auch bei Weitem noch nicht klar. Wenn Sie hier sagen, dass das, was die Oppositionsfraktionen gestern im Hauptausschuss abgelehnt haben – die Erhöhung für Unvorhergesehenes –, quasi nur ein Puffer sei, dann weiß ich, warum die Kosten so explodieren, wenn man so mit einer seriösen Planung umgeht. Öffentlichkeit und Parlament werden an der Nase herumgeführt. Es kann doch nicht sein, dass wir, das Parlament, als Haushaltsgesetzgeber immer nur kleckerweise von den Mehrkosten erfahren!
Ich warte darauf, dass wir in einem Jahr die nächste Kostensteigerung vorgelegt bekommen. Das ist intransparent und unehrlich, und es ist unfassbar, dass wir im Parlament immer nur im Nachhinein Ja oder Nein zu Mehrkosten sagen sollen. Eine Verzwanzigfachung der Baukosten von 9 auf 200 Millionen führt zwangsläufig dazu, dass andere Baumaßnahmen, die wir alle für dringend erforderlich halten, nicht gemacht werden können.
Bei Baumaßnahmen wird das Parlament hintergangen, und zwar regelmäßig. Damit muss Schluss sein! Jeder private Bauherr könnte sich eine Verzwanzigfachung der Baukosten schlicht nicht leisten. Aber wenn der Steuerzahler für Fahrlässigkeiten einstehen muss, dann läuft es nach dem Prinzip: Löcher in die Wanne bohren, und oben sitzt einer, der ständig Wasser nachschüttet. – Nein! Das Parlament, wir gemeinsam, muss dem einen Riegel vorschieben. Gerade bei der Baumaßnahme Staatsoper sieht man es doch. Dann gibt es eben keinen unterirdischen Tunnel; dann wird die Decke eben nicht um vier Meter angehoben, um 1,6 Sekunden mehr Nachhall zu erzeugen; und dann muss man sich eben mit der Standardvariante beim Denkmalschutz begnügen und bekommt nicht die Luxusausführung!
Diese Eingriffsmöglichkeiten und eine Exit-Option brauchen wir als Parlament. Sie können sich nicht per Selbstermächtigung alles erlauben, nur weil es nicht das eigene Geld ist! Doch die große Koalition muss endlich aufhören, nach dem Wünsch-dir-was-Prinzip zu bauen – der Regierende Bürgermeister sieht das in der Theorie ja auch so. Am Beispiel der Staatsoper können Sie zeigen, dass das auch in der Praxis gilt. Wir teilen die Forderung nach einer transparenteren Informationspolitik des Senats und fordern Klarheit über die Kosten und finanziellen Auswirkungen bei der Staatsoper. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollegin Herrmann! – Für die CDUFraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Brauner das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Staatsoper ist ein Thema, das wir hier im Parlament schon häufiger hatten – insofern eigentlich nichts Neues. Mich hat es schon sehr gewundert, dass wir heute einen Antrag vorfinden, der – gerade nachdem eine rote Nummer eingebracht wurde – mittlerweile die achte in dieser Legislaturperiode zur Staatsoper ist. Noch mehr hat es mich verwundert, in dem Antrag das zu lesen, was Beschlusslage bei uns im Haus ist. Es hätte all die roten Nummern nicht gegeben, wenn es kein klares Verfahren zur Baukostenüberschreitung gäbe – das haben Sie teilweise sogar in dem Antrag abgeschrieben. Im Hauptausschuss gibt es das Verfahren als gepflegte parlamentarische Tradition bei 10 Prozent oder 250 000 Euro. Dummerweise trifft in diesem Fall beides zu, und zur Baukostenüberschreitung ist zu berichten. Genau das ist auch getan worden. – Hier gibt es also gar keinen Mangel an Transparenz, sondern ganz im Gegenteil:
Sie können eindeutig anhand der aktuellen Nummer und der Historie nachlesen, dass es die erste rote Nummer dazu im Jahr 2012 gegeben hat und seitdem kontinuierlich rote Nummern zur Entwicklung der Baukosten – ganz den Regeln entsprechend, die wir haben und die Sie kennen, sonst hätten Sie sie ja nicht eins zu eins in Ihrem Antrag abgeschrieben.
Ich glaube, Sie wollten hier eher unter der Rubrik „Effekthascherei“ noch schnell etwas produzieren, damit Sie heute in der Plenarsitzung punkten. Ich denke, das ist gründlich misslungen.
Das glaube ich kaum! Fakt ist: Sie schreiben das ab, was schon gilt. Es gibt keinen Erkenntniswert. Wir
beschäftigen uns hier mit einem Thema, zu dem es faktisch schon ein entsprechendes Verfahren gibt, das im Übrigen für alle Bauprojekte gilt, die in dieser Stadt durchgeführt werden.
Jetzt kann man natürlich an diesem Beispiel lange diskutieren, ob Berlin bauen kann oder nicht. Ich will mal eines sagen: Das Land Berlin – da bin ich fast schon unverdächtig, denn zu diesem Zeitpunkt haben wir nicht mitregiert – hat die K-II-Mittel – das waren über 670 Millionen Euro – in der vorgeschriebenen Zeit in den vorgeschriebenen Projekten umgesetzt. Daran haben die Bezirke und die Hauptverwaltungen mitgearbeitet. Das hat dem Land gutgetan. Es ging vor allem in Bildungseinrichtungen. Ich glaube, wir können bauen, nur bei komplizierten Bauprojekten ist es eben schwierig.
[Wolfgang Brauer (LINKE): Das ist gut, Herr Brauner! – Martin Delius (PIRATEN): Es liegt also am Bauprojekt!]
Es ist deshalb schwierig – ich glaube, da ist auch ein bisschen Respekt vor der Sache geboten –, weil das Land Berlin ein strukturiertes Ausschreibungsverfahren hat. Wir haben übrigens schon in dieser Legislaturperiode als Koalition Änderungen in der Landeshaushaltsordnung erwirkt, was das Thema Pufferabbildung angeht, um die entsprechenden Möglichkeiten zu schaffen. Fakt ist aber: Bei dem aktuellen Verfahren sind Sie gezwungen, nur die Kosten aufzuschreiben, die Sie kennen. Sie können eben nichts hinzudichten. Das gehört auch zur Klarheit. Wir als Abgeordnete müssen uns darauf verlassen, dass die Dinge, die aufgeschrieben werden, auch stimmen. Wir können uns nicht bei Plänen und Kostenplänen mit Dichtung und Wahrheit beschäftigen. Ich glaube, wir wären gar nicht mehr in der Lage zu entscheiden, wenn wir auf einmal bei den entsprechenden Haushaltsansätzen permanent nur noch Dichtung und keine Wahrheit mehr hätten. Das wäre schwierig.
[Clara Herrmann (GRÜNE): Waren die 239 bei der Staatsoper die Wahrheit? – Zuruf von Andreas Otto (GRÜNE)]
Sie müssen schon sehen: Das, was zu dem Zeitpunkt berechnet wurde, fußte auf einer BPU. Ich hatte leider das Vergnügen – das hat nicht jeder – selbst mal entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist schon recht aufwendig, das entsprechend zu kalkulieren. Wir haben hier die Situation, dass wir zur Staatsoper zu einem
bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidung treffen mussten. Wir werden sicher darüber reden, welche Lektionen man daraus ziehen kann. Ich will aber deutlich machen, dass Berlin erfolgreich Bauprojekte mit Volumen von 5 bis 10 Millionen Euro abwickelt, ohne dass es Probleme gibt. Das passiert jedes Jahr. Wir können das.
Wir müssen bei komplizierten Bauprojekten lernen. Dazu dient auch der Untersuchungsausschuss. Ich will deutlich machen: Ihr Bericht leistet keinen substanziellen Beitrag. Die Koalition war bisher die einzige, die einen entsprechenden Antrag hier im Parlament eingebracht hat, was das Thema Baukostensteigerung und -steuerung angeht. Ich habe dazu von Ihnen nichts gesehen. Ich sehe nur Berichtsaufträge, aber keine konstruktive Auseinandersetzung mit Prognoserechnungen und -erläuterungen. Wir werden im Untersuchungsausschuss genau nachsehen, wie die entsprechenden Dinge sind. Frau Radziwill hat das schon erläutert. Wir haben ein klares Interesse, das nachzuvollziehen und zu lernen. Wir haben schon in der laufenden Legislaturperiode gelernt, und wir werden auch unsere Lektionen lernen, wie man mit großen Projekten umgeht. Sie können sicher sein, dass wir da Konstruktives leisten werden, aber wir werden keine neuen Berichtsaufträge formulieren und Papier schwarz machen. Wir werden als Ergebnis vernünftige Anträge produzieren. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Nach dem Kollegen Brauner spricht jetzt der Kollege Brauer für die Linksfraktion. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Das war eben eine schöne Aussage der Koalition: Sie wollen lernen, und Sie wollen korrekt arbeiten. Das finde ich gut. Die Wahlperiode neigt sich den Ende zu; da können wir damit anfangen.
Ich räume eines ein, Herr Prieß: Ich habe mich etwas geärgert, und ich bin etwas verwundert über Ihren Antrag. Ich verstehe die Intention, kann mich aber doch einer gewissen Skepsis nicht verschließen, weil gut gemeint nicht unbedingt gut gemacht ist, und Ihr Antrag ist nicht gut gemacht.
Das ist ein Satz wie aus einem schlechten Opernlibretto: Man fängt mit einem Understatement an, und dann wird heftig gemordet. Ich glaube, da kommen wir nicht weiter. Es ist völlig klar: Das Ding ist außer Kontrolle geraten, aber nicht offenkundig, sondern schon seit Längerem. Genau deswegen hat dieses Haus den schon mehrfach zitierten Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Tätigkeit ist zeitlich bis Mai 2016 befristet. Das ist verteufelt knapp. Ich möchte uns alle dringlich bitten, unsere Kraft darauf zu konzentrieren, in diesem äußerst kargen Rahmen – ich denke, wie werden um ein, zwei Sitzungen mehr, als wir bisher geplant hatten, nicht herumkommen, denn das geht gar nicht anders – zu einem sinnvollen Arbeitsergebnis zu kommen, das alle Fraktionen öffentlich vertreten können. Dieser Antrag ist darum überflüssig.
Ich muss an dieser Stelle – es tut mir leid, Herr Herberg – daran erinnern, dass an der verspäteten Zeit auch Ihre Fraktion schuld ist, denn Herr Kollege Lauer hatte vor einiger Zeit, vor gut anderthalb Jahren, diesen Ausschuss angeregt, und dann wurde er von Ihrer eigenen Fraktion ausgebremst.