Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Ich lade Sie herzlich dazu ein, konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Michael Dietmann (CDU)]

Vielen Dank, Herr Magalski! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Harant. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, meine Damen und Herren, wenn Sie vielleicht doch das allgemeine Hintergrundgemurmel und den Lärmteppich ein bisschen reduzieren könnten.

[Oliver Friederici (CDU): Das waren die anderen!]

Bitte, Frau Harant!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Endlich mal jemand, der sich mit Graffiti auskennt!]

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Präsidentin! Ich habe es schwer nach dieser leidenschaftlichen Rede, das ist mir klar. Ich werde mich deswegen auch relativ kurzfassen. Ich bedanke mich, Herr Magalski, für Ihre Einführung in die Kulturhistorie. Sie haben die Griechen, die Römer genannt, Sie haben die Pyramiden erwähnt. Sie haben die Steinzeit vergessen! Schon in den Höhlen der Steinzeitmenschen finden sich Tags.

[Allgemeiner Beifall – Philipp Magalski (PIRATEN): So weit wollte ich nicht ausholen!]

Wenn schon, dann bitte vollständig!

Herr Magalski! Graffiti sind Kunst, sagen Sie. Ich würde Ihnen insofern zustimmen: Im besten Falle ist es Kunst, weit häufiger aber nur ein Versuch. Oft ist es einfach nur Sachbeschädigung.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Oder wie würden Sie die Tags bezeichnen, die wir überall finden, die mehr ein Gekritzel oder eine Schmiererei und oft auch sehr ärgerlich sind?

[Philipp Magalski (PIRATEN): Ja, das sind Tags! Da kann man sehr viel mehr draus machen!]

Es ist ja unübersehbar, dass Graffiti in Berlin eine allgegenwärtige Ausdrucksform sind, da haben Sie recht. Eine Auseinandersetzung aus unterschiedlichen Gründen können wir durchaus führen. Der Antrag kann das auch anstoßen, das ist gut.

Bevor Sie aber Stellen und Projektmittel verteilen, sollten wir doch noch einiges vorab klären. Beispielsweise sollte man mal mit den direkt Betroffenen sprechen, mit der SBahn, der Bauverwaltung, mit den Wohnungsbaugesellschaften, mit bestimmten Eigentümern, die sich damit sehr plagen. Was gibt es bereits an Projekten? – Es gibt schon eine ganze Menge, in Schulen beispielsweise. Auch Firmen bieten einiges an, Vattenfall zum Beispiel. Was will die Szene? Will sie wirklich einen amtlich beauftragten Sacharbeiter für Street-Art?

[Philipp Magalski (PIRATEN): Ja, denn genau die haben wir ja gefragt!]

In München gibt es das schon. Ich finde, das klingt ein bisschen sehr beamtenmäßig. Wir müssen fragen, welche Möglichkeiten es gibt und was eigentlich das Ziel sein soll. Wollen wir Übungsflächen, wollen wir Präsentationsflächen?

Ihr Antrag ist sehr ausführlich, sehr fleißig zusammengestellt. Sogar die Müllentsorgung ist geregelt – bemerkenswert. Die Forderung nach einem Gesamtkonzept fehlt auch nicht. Herr Magalski! Seien Sie mir nicht böse, aber mich erinnert das ein bisschen an den Versuch, die Widerspenstigen zu zähmen,

(Philipp Magalski)

[Philipp Magalski (PIRATEN): Lassen Sie es uns versuchen, gemeinsam!]

eine Kunstform zu etablieren. Jetzt wollen wir mal sehen, ob sich die Graffiti-Sprayer auch zähmen lassen, wenn Staatsknete winkt.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Na klar! Geld ist geil!]

Alles Weitere im Ausschuss!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Harant! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schweikhardt. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Harant, Kollege Magalski! Ich gebe Ihnen natürlich recht: Graffiti ist eine der ältesten Kulturtechniken, die wir kennen. Tatsächlich existieren heute noch Pieces, die mehr als 40 000 Jahre alt sind und schon lange von der UNESCO in das Weltkulturerbe aufgenommen wurden.

[Zuruf von Ole Kreins (SPD)]

Mittlerweile müssen diese Zeichnungen allerdings vor uns Menschen geschützt werden. Die Atemluft der Touristen beschädigt die Bilder unwiederbringlich. Gut, dass in Berlin die meisten Werke nicht in Höhlen hängen!

Was aber ist hier vor Ort Kunst, und was kann weg? Verkehrsbetriebe und Eigentümerverbände in Deutschland beklagen jedes Jahr Sachschäden in hundertfacher Millionenhöhe. Ein echter Banksy auf der Hauswand aber verdoppelt den Wert einer Immobilie. Graffiti ist künstlerisch, politisch und kommerziell zugleich. Auf der ganzen Welt stehen vor Museen und Botschaften bemalte Elemente der Berliner Mauer; Symbole für Widerstand, Einheit und Freiheit. Visitberlin wirbt mit dem globalen Bekanntheitsgrad der Berliner Sprayer, und ganze Wirtschaftszweige sind entstanden mit Street-Art-Touren für Touristen, Graffiti-Workshops für gestresste Manager oder bunt bemalten Mauerstückchen aus Berlin, der selbst ernannten Hauptstadt der Urban Art. Städtische Wohnungsbaugesellschaften engagieren Künstlerinnen und Künstler, um ihre grauen Betonklötze aufzuhübschen, und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis ein paar nicht ganz so gesetzestreue Mitbürgerinnen und Mitbürger die Sicherheitsvorkehrungen für etwas Fame austricksen und sich der Fassade des BND annehmen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Graffiti sind weithin sichtbar und doch vergänglich. Sie bewegen sich zwischen Religion und Werbung, zwischen Kommerz und Kunst, zwischen Vandalismus und Kultur, zwischen Schönheit und Illegalität. Ich habe aber ziemli

che Zweifel, ob eine Graffitibeauftragte, ein Graffitibeauftragter all diese Konflikte lösen kann.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Trotzdem danke ich den Piraten ausdrücklich für diesen Aufschlag, denn es ist richtig und wichtig, dass wir uns in diesem Haus ausführlich und intensiv mit dieser für Berlin so prägenden Kulturform beschäftigen. Auch wenn Sie die Linke und die Grünen ausgeladen haben: Ich freue mich auf gute Diskussionen mit spannenden Gästen, zunächst im Kulturausschuss, und empfehle bis dahin, möglichst viele sommerliche Ortstermine mit Chillen und Grillen auf den Wiesen und zu Füßen der schönsten Wände der Stadt. – Vielen Dank und einen tollen Sommer!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN) und Wolfgang Brauer (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Schweikhardt! – Für die CDUFraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schlede. – Bitte!

[Wolfgang Brauer (LINKE): Erzählen Sie doch auch noch was von den Urmenschen!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob uns die kulturhistorische Erörterung von Graffiti von der Steinzeit, im alten Ägypten über die Griechen und Römer in der Frage weiterhilft, welche Bedeutung Graffiti heute in der Kunst haben, wage ich einmal in höchstem Maße zu bezweifeln. Herr Magalski! Wikipedia ist nicht schlecht von Ihnen zitiert worden, aber das reicht nicht aus.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Michelangelo!]

Es kommt dem Problem nun überhaupt nicht nahe. Wenn Sie heute eine Befragung veranstalten würden, was aus der Sicht der Berliner Graffiti seien, würden mindestens 90 Prozent sagen: Verunstaltung der Stadt. Wenn ich mir Ihre Begründung anschaue, sagen Sie als Erstes: Graffiti sind Kunst! – Woher nehmen Sie denn diese Erkenntnis?

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Wenn ich beispielsweise mit der S-Bahn von Zehlendorf – genau genommen: Mexikoplatz – zum Anhalter Bahnhof fahre, sehe ich eine Menge Graffiti, und das ist reinste Verunstaltung. Von Kunst kann überhaupt nicht die Rede sein!

[Beifall bei der CDU – Philipp Magalski (PIRATEN): Das sagen Sie!]

Herr Magalski! Da bin ich ja schon ganz froh, wenn ich in einem unbeschmierten S-Bahnzug hier ankomme. Fragen Sie doch mal die S-Bahn, fragen Sie die Deutsche

(Renate Harant)

Bahn, fragen Sie die BVG, was die von diesen Zeichnungen, den zerkratzten Scheiben halten. Das müsste ich dann ja auch noch als Kunst deklarieren. Mal sehen, welche Unterformen Sie dann noch hier einbauen würden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reinhardt?

Nein, überhaupt keine Zwischenfragen. Sie wollen ja auch noch irgendwann zum Sommerfest. – Was die Grauzone angeht: eine merkwürdige Beschreibung. Da sagen Sie, dass naturgemäß viele der Werke bis heute noch illegalisiert werden. Die werden nicht illegalisiert, die sind illegal! Lassen Sie sich mal Ihr Haus verschmieren und versuchen dann, den Schaden zu beseitigen. Dann haben Sie aber – jetzt sage ich es ganz hart – die Schnauze so voll und denken: Wer kümmert sich denn um Graffiti bei mir und meine Verantwortung, es wegzubekommen? Deswegen diese 1 590 Anzeigen. Die werden wir wahrscheinlich auch in Zukunft nicht unterschreiten, wenn das so weitergeht.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Deshalb dieses Angebot!]

Ich bestreite doch gar nicht, dass es herausragende Werke – nun komme ich einmal ein bisschen weg von dem Begriff „Graffiti“ – der Malerei gibt, die es auch in Berlin an Häuserwänden gibt – nehmen wir zum Beispiel die Cuvrystraße, das haben wir gesehen –, die herausragende künstlerische Bedeutung haben. Oder ich sehe auf der Rückseite beispielsweise der Mauer, wenn wir an die East-Side-Gallery gehen, Dinge, die heute weltweit verbreitet sind und, sagen wir mal, dem Kunstbegriff nahekommen. Sie sind auch sehr populär. Ob alles künstlerisch wertvoll ist, das ist eine andere Frage.

Jeder Einzelne ist plötzlich in der Verantwortung, den Schaden zu beseitigen, der durch Fremde seinem Eigentum zugefügt worden ist. Das müssen Sie doch als Grundsatz erst einmal akzeptieren. Dass es daneben auch – fraglos – weltweit hervorragende Beispiele von Graffiti genannten Kunstwerken gibt, der Malerei, ist unbestritten, aber das trifft gar nicht das Thema hier.