Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass der Berliner Datenschutzbeauftragte auch seine Sanktionsmöglichkeiten genutzt hat: In insgesamt 25 Fällen wurden Bußgeld- oder Verwarnungsbescheide erlassen, und in 17 Fällen wurden Strafanträge gestellt. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass der Datenschutz in Berlin kein zahnloser Tiger ist.

Mit dem Datenschutzbericht weist der Datenschutzbeauftragte auf nach seiner Auffassung bestehende Datenschutzverstöße oder Datenschutzbedenken hin. Der Senat hat die Einwände geprüft und dazu Stellung genommen. In einigen Punkten wird es auch in den Beratungen im Ausschuss so sein – insbesondere wenn es um rechtliche Fragen geht: zwei Juristen, drei Meinungen. Es wird nun unsere Aufgabe im Ausschuss für digitale Verwaltung sein, uns mit den Einwänden und den Stellungnahmen auseinanderzusetzen. Ich freue mich deshalb, mit Ihnen den Bericht im zuständigen Ausschuss zu diskutieren und dann noch genauer auf den Bericht des Datenschutzbeauftragten und die Stellungnahme des Senats einzugehen.

Zum Abschluss, lieber Herr Dr. Dix, möchte ich Ihnen meinen ehrlichen Dank für Ihre Arbeit für das Land Berlin und für den Datenschutz aussprechen. Ich danke auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre tägliche

Arbeit für mehr Datenschutz und für bessere Informationsfreiheit in Berlin. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dregger das Wort – bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Dix! Wir beraten heute den Datenschutzbericht 2014. Auf 196 Seiten hat unser Datenschutzbeauftragter seinen Bericht über die Tätigkeit seiner Behörde zur Sicherung des Datenschutzes und der Informationsfreiheit zusammengefasst. Mit strengem Blick hat er wieder Missstände identifiziert und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Der Senat hat hierzu zwischenzeitlich Stellung genommen, und es ist unsere Aufgabe im Fachausschuss des Abgeordnetenhauses, insbesondere die Punkte näher zu prüfen, in denen der Datenschutzbeauftragte auf der einen Seite und der Senat auf der anderen Seite unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Auch der Datenschutzbericht 2014 spiegelt die fortschreitende Digitalisierung unseres Lebens wider – zu Hause, in Schulen und Universitäten, am Arbeitsplatz, in der öffentlichen Verwaltung und bei unseren Unternehmen. Viele Sachverhalte, die der Datenschutzbeauftragte in seinem Bericht thematisiert, entstammen der digitalen Welt. Datenschutz beschäftigt sich immer mehr damit, wer auf welche Daten, die immer mehr digital verfügbar sind, digital zugreifen darf. Datensicherheit beschäftigt sich immer mehr damit, wie der unberechtigte digitale Datenzugriff Unbefugter unterbunden werden kann.

Wir können die fortschreitende Digitalisierung nicht stoppen oder auch nur bremsen. Wir wollen das auch nicht, sondern wir wollen die großen auch in der Digitalisierung liegenden Chancen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen in unserem Land nutzen, auch für die Stärkung des Unternehmensstandortes Berlin. Dazu gehört auch, dass wir die öffentliche Verwaltung auf dem Weg in die digitalisierte Welt mitnehmen, dass wir dafür Sorge tragen, dass die öffentliche Verwaltung digital nicht abgehängt wird. Dazu müssen wir die berechtigten Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Personalvertretungen berücksichtigen. Wir müssen an ihre Qualifizierung denken, auch in den wichtigen Bereichen des Datenschutzes und der Datensicherheit.

Datenschutz und Datensicherheit in der öffentlichen Verwaltung können wir nur sicherstellen, wenn wir die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die notwendigen Mindeststandards erarbeitet, in allen Berli

(Sven Kohlmeier)

ner Behörden eingeführt und ständig der technischen Weiterentwicklung angepasst werden können. Dies wird ohne eine zentrale Steuerung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht möglich sein. Diese zentrale Steuerung wird ein Hauptaugenmerk bei den bevorstehenden Beratungen zum Entwurf eines E-GovernmentGesetzes sein müssen. Ich glaube, wenn wir das im Augenmerk bewahren, werden wir auch die Mahnungen des Datenschutzbeauftragten aus seiner heutigen Rede berücksichtigen können.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Diese Legislaturperiode noch?]

Wir müssen ferner beraten, wie wir die zentrale IKTArchitektur und die IKT-Sicherheitsarchitektur des Landes optimieren können, insbesondere unter Einbindung des zentralen IT-Dienstleisters des Landes. Das ITDZ bietet inzwischen allen Behörden des Landes Berlin seine Dienstleistungen auf dem IT-Sicherheitsniveau der Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik an, und es muss unser Ziel sein, dass diese sicheren Angebote flächendeckend in Anspruch genommen werden.

Zur zentralen Steuerung gehören auch die zentrale Festsetzung von Standards für einen wirtschaftlichen IKTEinsatz und ein barrierefreier Zugang und eine barrierefreie Nutzung der IKT innerhalb der öffentlichen Verwaltung und im Verhältnis zu Bürgern und Unternehmen. Die Standardisierung einer einheitlichen verfahrensunabhängigen IKT-Ausstattung wird uns helfen, das Ausstattungsniveau der Behörden zu verbessern und die digitale Dividende in Form geringerer Beschaffungskosten zu realisieren. Diese Aufgabe und Verantwortung werden wird nur erfüllen können, wenn wir auch weiterhin im Zuge der Digitalisierung auf den Rat unseres Datenschutzbeauftragten und seiner Behörde zurückgreifen.

Ich möchte sehr gern Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Dix, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre engagierte Arbeit und Ihren Datenschutzbericht danken und diesen Dank erweitern auf unsere in den vergangenen Jahren sehr konstruktive und gute Zusammenarbeit im Fachausschuss und darüber hinaus. Das möchte ich angesichts Ihrer bevorstehenden Ausscheidens aus dem Amt hervorheben. Herzlichen Dank und alles Gute!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lux. – Bitte sehr!

[Sven Kohlmeier (SPD): Oh, der ist ja gar nicht im Ausschuss!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Dix! Auch von meiner Fraktion vielen Dank für die Vorstellung Ihres Jahresberichts 2014. Ich bewundere immer sehr, wie Sie dort die großen Linien, die allgemeinen Entwicklungen beschreiben, aber auch konkrete Vorschläge machen für jedes Amt, jede Behörde, seien das Verfahren oder der Vorgang auch noch so vermeintlich klein. Ich finde es schön, wie Sie am Anfang auf fundamentale Grundrechte hinweisen. Dazu ein Satz aus Ihrem Bericht:

Unsere Freiheit beruht auf dem, was andere nicht über unsere Existenz wissen.

Meine lieben Damen und Herren! Ich glaube, jeder Mensch hat Geheimnisse und Privatheit. Das ist auch etwas Wichtiges und Schönes. Diese Geheimnisse und diese Menschen muss der Staat schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber auf der anderen Seite hat der Datenschutz auch seine Grenzen. Auch über die kann man offen reden, etwa wenn man in Strafverfahren kommt oder wenn man als Person im öffentlichen Leben steht. Auch einigen Abgeordnetenkollegen ist es schon so ergangen, dass Vorgänge bekannt geworden sind, die sie lieber für sich behalten hätten, oder aber auch, wenn man Gefahren verursacht. Das in eine Abwägung zu bringen, finde ich gut, das ist Ihre Aufgabe, das ist die Aufgabe der Politik. Die Redner vor mir haben schon darauf hingewiesen, dass wir in einer technologisch und digital immer aufgerüsteteren Welt leben, die gleichzeitig immer mehr internationale Krisen und Gefahrenherde zu bewältigen hat, und hierbei der zivile und öffentliche Datenschutz in einer entscheidenden Phase ist.

Kollege Malte Spitz hat das so beschrieben, dass es darum geht, die Datensouveränität, sei es von den Bürgern, sei es von den Unternehmen, sei es von den Staaten, wiederzuerlangen und dass Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter eben auch Macht bedeutet, Macht über unsere Daten und Kontrolle der eingesetzten Technik und Software. Dieser Anspruch ist in diesen Zeiten stark bedroht. Wir haben auf die NSA und den Geheimdienstskandal hingewiesen. Eine riesige Unverschämtheit, ein morbider Datenhunger der Geheimdienste, der uns hier begegnet. Nicht nur der ist uferlos, sondern auch der Datenhunger des Staates ist ungestillt. Aktuell die Vorratsdatenspeicherung, dazu hätte ich mir ein Wort von den Kollegen der SPD und der CDU gewünscht. Alle Handy- und Internetverbindungen von jedem Bürger, unabhängig davon, ob verdächtig oder nicht, sollen auf Monate auf Vorrat gespeichert werden. Das, lieber Kollege Kohlmeier, erklären Sie einmal in einem Handyshop, wenn man einen neuen Vertrag abschließt, und denen zu sagen: Jedes Einloggen, jedes Verbindungsdatum wird gespeichert, wir brauchen es – vielleicht.

(Burkard Dregger)

Auch wir in Berlin hatten vor zwei Wochen eine interessante Debatte über die Funkzellenabfrage. Uferlos, Millionen Handys werden dort eingeloggt. Diese massenhafte Erfassung von Handydaten von Millionen unbeteiligten Dritten können wir gar nicht kontrollieren. Auch das musste der Justizsenator letzte Woche Mittwoch zugestehen. Auch das müssen wir in unserer Verantwortung durchsetzen, dass hier Recht und Gesetz gelten und eingehalten werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ein wirklich ungenierter Rückfall in die Abteilung „Horch und Guck“ ist das geplante Telekommunikationsüberwachungszentrum der Innenverwaltung. Hier soll von einem gemeinsamen Abhörzentrum aller ostdeutschen Bundesländer überwacht werden. Das Land Berlin stellt dafür ohne jegliche Vordiskussion über 3 Millionen Euro in den nächsten Haushalt ein, um die Bürger noch besser abzuhören. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn etwas funktioniert im Land Berlin, dann ist es die Telekommunikationsüberwachung der Kriminaldienststellen mit jedem Jahr über einer Million überwachten Telefonanrufen – Tendenz steigend. Wozu brauchen wir ein neues Überwachungszentrum, bei dem wir auch ein Stück Verantwortung, ein Stück Rechtstaatlichkeit an andere Bundesländer abgeben? Wir sind nicht nur eine weltoffene, freiheitsliebende Metropole, sondern auch ein Bundesland, das das Recht der Bürgerinnen und Bürger schützen muss. Dafür brauchen wir kein weiteres Überwachungszentrum.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich möchte es ausdrücklich unterstützen: Datenschutz als Wirtschaftsfaktor bei der verschlüsselten Kommunikation, bei der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und weiteren Verfahren. Ich glaube auch, dass wir Grüne und die anderen Oppositionsfraktionen deutlich gemacht haben, dass Datenschutz kein Widerspruch, kein Bremser sein muss. Datenschutz geht, zum Beispiel auch als Ergänzung zum Verbraucherschutz, zum Beispiel auch als klare Linie gegen Cybermobbing und zum Beispiel auch, um internationale Standards in unserer immer vernetzteren Welt durchzusetzen.

Aber Sie im Senat schaffen nicht einmal die Hausausgaben. Ein Bezirk hat nicht einmal eine volle Stelle für den Datenschutzbeauftragten. Auch hier werden viele Verfahren abgefertigt. Herr Kollege Dregger! Jeden Tag grüßt das Murmeltier: Das E-Government-Gesetz haben wir hier seit mehreren Jahren nicht gesehen, obwohl Sie es angekündigt haben. Sie schaffen es noch nicht einmal, im Voraus IT-Fachanwendungen und Software zu aktualisieren und den Support auf dem Laufenden zu halten, zuletzt geschehen bei Windows XP im April 2014, –

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Gleich. Mein letztes Wort, Frau Präsidentin: – und auch die Windows-Server wurden im Juli 2015 nicht mehr gepflegt mit der Folge, dass Datensicherheit etwa beim Waffenregister oder der Jugendhilfe auf dem Spiel stehen.

Ein Satz noch zu Informationsfreiheit und Transparenz:

Herr Kollege! Sie müssen wirklich zum Schluss kommen!

Informationsfreiheit und Transparenz werden wir gemeinsam mit Ihnen wieder diskutieren.

Zum Abschluss: Lieber Herr Dr. Dix! Ich weiß nicht, ob es das letzte Mal war, dass Sie hier im Parlament reden. Der Dank von uns allen für Ihre Arbeit ist auch verbunden mit dem Appell an die Koalitionsfraktionen, rechtzeitig eine Nachfolge zu finden und sie nicht parteipolitisch zu verhackstücken. Und auch darüber – –

[Die Präsidentin stellt das Mikrofon ab.]

Vielen Dank, Herr Kollege!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Doering.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Dix! Sie haben mit Ihrem Jahresbericht dem Abgeordnetenhaus wieder einen umfangreichen Bericht vorgelegt, und der Senat hat sich mit diesem Bericht am 7. Juli befasst. Der Innensenator teilte nach der entsprechenden Senatssitzung in einer Pressemitteilung mit, dass der Datenschutz „in den Berliner Behörden großgeschrieben“ wird. Natürlich wird Datenschutz großgeschrieben, aber Herr Henkel meint ja offenkundig etwas anderes. Die Probleme beim Datenschutz seien, so Herr Henkel, in den Berliner Behörden weiter rückläufig.

Allein die Tatsache, dass ich mich heute hier an dieser Stelle persönlich und im Namen meiner Fraktion bei Herrn Dr. Dix für seine Arbeit bedanken kann, zeigt, wie ernst es die Koalition offenbar mit diesem Datenschutz nimmt. Eigentlich wollte Herr Dix zu Anfang Juni in den

(Benedikt Lux)

Ruhestand gehen, aber Herr Dix ist dankenswerterweise noch im Amt, weil es die Koalition bis heute nicht geschafft hat, dem Abgeordnetenhaus einen Vorschlag für seine Nachfolge zu unterbreiten. So ernst nimmt die Koalition den Datenschutz.

Ich möchte mich bei Herrn Dix für seine über zehn Jahre andauernde Arbeit bedanken – auch im Namen meiner Fraktion.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die „Berliner Morgenpost“ schrieb am 12. April 2015:

Alexander Dix hat sich einen Ruf als hartnäckiger Kämpfer für die Selbstbestimmung der Bürger über ihre Daten erarbeitet. Er gilt als Verfechter für transparentes Verwaltungshandeln.

Dem kann ich nur zustimmen – verbunden auch mit einem Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.