Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Gesetz ist so ein Wunschgesetz von Herrn Henkel. Deshalb war ich auch ein bisschen überrascht, dass es nicht durch den Senat eingebracht worden ist, sondern von zwei Fraktionen. Es war hier früher gute Tradition, dass man Vorgänge, die die direkte Demokratie betreffen, fraktionsübergreifend diskutiert und einbringt. Nun wissen wir schon länger, dass diese Koalition die Tradition nicht fortsetzen will. Seit SPD und CDU hier gemeinsam miteinander regieren, ist alles Sinnen und Trachten darauf gerichtet, die Bedingungen für direkte Demokratie zu verschlechtern, Bürgerinnen und Bürger, die sich für ein Anliegen engagieren als Vertreter von Partikularinteressen zu denunzieren und die Verfahren direkter Demokratie auszutricksen. Das wird mit diesem Gesetz fortgesetzt.
Zwei Aspekte stechen besonders hervor. Der erste ist die Neuregelung der Eintragungsvorschriften bei der freien Sammlung. Nun erinnern wir uns an die Nebelkerzen einiger SPD-Bezirksamtsmitglieder bei der TempelhofAuseinandersetzung. Die unsachlichen Unterstellungen gingen damals so weit, dass gesagt worden ist, es sei
systematisch manipuliert worden. Der Innensenator hat später auf meine Anfrage eingeräumt – ist darf zitieren:
Festzuhalten bleibt, dass den beteiligten Stellen keine Anhaltspunkte für Manipulationsversuche beim Volksbegehren über den Erhalt des Tempelhofer Feldes vorlagen und vorliegen.
Der Diskussion über mögliche umfangreiche erfolgte Manipulationen von Unterschriftenlisten und -bögen fehlte es an einer substanziellen Grundlage.
Ich sage an der Stelle: Über eine Klarstellung hätte man mit uns reden können. Was nicht geht, ist die von diesen Sozis selbst evozierte Debatte ohne Substanz, zum Anlass zu nehmen, um die Hürden für die Anerkennung von Unterschriften letztlich weiter zu erhöhen. Das akzeptieren wir nicht.
Wir erinnern uns zweitens an die Versuche des Senats, durch Instrumentalisierung von öffentlichen Unternehmen oder von zweifelhafter Einflussnahme auf die Presseberichterstattung, zum Beispiel im Fall der Olympiabewerbung, die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu manipulieren. Natürlich weiß der Senat, dass der Einsatz von Steuergeldern in Volksbegehren- und Volksentscheid-Kampagnen unzulässig und verboten ist. Das soll jetzt geändert werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu:
Rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit öffentlicher Werbung des Senats für seinen Standpunkt auch unter Einsatz öffentlicher Mittel werden durch eine klarstellende Regelung ausgeräumt.
Die Bestimmung greift die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auf und stellt klar, dass Senat und Abgeordnetenhaus ihre jeweiligen Positionen zu direktdemokratischen Vorhaben unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit in angemessenem Umfang in der Öffentlichkeit werbend vertreten dürfen. Eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit setzt den Einsatz von Haushaltsmitteln voraus.
Dann erfolgt der Verweis auf zwei Entscheidungen, u.a. eine des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs von 1994. Das, mit Verlaub, ist eine Unverschämtheit. Warum Bayern 1994, wenn wir eine ganz passgerechte und eindeutige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts BerlinBrandenburg von 2009 haben? Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Die Berliner Landesregierung ist im Vorfeld eines Volksentscheids nicht zur Neutralität verpflichtet. Die Gemeinnützigkeit von Haushaltsmitteln
schließt es indes aus Gründen der Chancengleichheit aus, dass sich die Landesregierung dieser Mittel bedient, um ihre parteiische Auffassung zu dem Volksentscheid der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Die finanziellen Mittel, mit denen der Staat erhalten wird, werden grundsätzlich von allen Staatsbürgern ohne Ansehung ihrer politischen Anschauung und Zugehörigkeit erbracht. Diese Mittel sind dem Staat für das gemeine Wohl anvertraut.
Ich komme nicht umhin, hier ein ziemlich üble Täuschung und Trickserei zu konstatieren. Schon zu meinen Anfragen nach Transparenz über seine Mittelverausgabung für Werbekampagnen hat der Senat immer so getan, als gäbe es diese Entscheidung nicht. Jetzt wird erneut so getan. Ich finde, das ist ein starkes Stück. Es gibt nämlich keine rechtlichen Zweifel an der Unzulässigkeit öffentlicher Werbung des Senats für seinen Standpunkt. Niemand bestreitet, dass der Senat seinen Standpunkt unter Beachtung des Sachlichkeitsgebots vertreten darf. Aber wenn Sie behaupten, dies setze den Einsatz von Haushaltsmitteln voraus, dann steht das – erstens – nicht in der von Ihnen zitierten bayrischen Entscheidung und – zweitens – stimmt es nicht, dass hier rechtlich etwas unklar wäre. Es ist ganz klar, was das OVG gesagt hat: keine Steuermittel für die parteiische Werbung in eigener Sache. Das verschweigen Sie in Ihrer Vorlage, und ich kann nicht glauben, dass Sie das einfach übersehen oder vergessen haben. Nein! Es ist ganz einfach. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg gefällt Ihnen nicht. Deshalb verschweigen Sie sie, und deswegen wollen Sie jetzt das Gesetz ändern.
Was Sie jetzt erlauben wollen, ist ein Freibrief für den Senat zum Verballern von Haushaltsmitteln für Kampagnen gegen Volksentscheide. Sind das Ihre Maßstäbe für die Einhaltung des Sachlichkeitsgebots? Dass Sie den Initiativen selbst konsequent keinerlei Kostenerstattung zubilligen – wir haben es hier schon öfter diskutiert –, verschiebt die Machtverhältnisse dann erneut zugunsten des Senats. Das ist inakzeptabel, und es widerspricht dem Geist der direkten Demokratie, nämlich dass der Souverän frei von Einflussnahme auf den Abstimmungsvorgang entscheiden soll. Klar, dass Sie auch offensichtliche Manipulationsfallen, wie die Norm zur Festsetzung des Abstimmungstermins, nicht beseitigen. Das liegt auf der gleichen Linie. Hätten Sie mit uns darüber geredet, ob man über Abstimmungsterminfestsetzung oder Kostenerstattung für die Initiativen redet, hätte man über all das diskutieren können. Aber was Sie hier machen, ist nicht nur ein Bruch der Tradition in diesem Haus, solche Dinge miteinander zu verhandeln, sondern es ist eine Schwächung direkter Demokratie, und die lehnen wir ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lederer! Das, was Sie hier kritisieren, haben Sie im Jahr 2009, als wir gemeinsam regiert haben, im anderen Sinn kritisiert, nämlich dass dem Senat damals eine vernünftige Darstellung seiner Position verwehrt werden könnte.
Wir haben hier keine – wie Herr Kollege Lederer weismachen will – Vorlage, die alle möglichen neuen Hürden oder Restriktionen aufbaut. Von all diesen Hürden habe ich in meiner Vorlage nichts gefunden. Ich frage mich, ob Sie die richtige Drucksache gegriffen haben. In meiner steht das nicht.
Wir haben zwei entscheidende Veränderungen mit dieser Vorlage vor, nämlich vor allem, die Unklarheit dahin gehend zu beseitigen, ob das Geburtsdatum bei dem Eintragen in die Liste vorhanden sein muss oder nicht. Das ist geboren aus der Unklarheit in der Diskussion mit der Landeswahlleiterin und einer unterschiedlichen Rechtsauffassung in einigen Bezirksämtern. Wir können auf die Dauer nicht zulassen, dass zwischen Land und Bezirken unterschiedliche Auffassungen über das existieren, was bei einer Unterschrift gefordert wird. Deswegen brauchen wir diese Klarstellung.
Ich will erst einmal die Gründe darstellen, warum wir diese Vorlage hier einbringen. Später können wir vielleicht noch über Zwischenfragen reden. – Den Grundsatz der freien Sammlung haben wir 2008 gemeinsam eingeführt. Dieser Grundsatz der freien Sammlung wird überhaupt nicht tangiert. Er wird nicht angefasst. Im Gegenteil: Er wird dadurch geschützt, dass wir die Unterschriften, die bei freier Sammlung geworben werden, tatsächlich auch alle gültig sind. Dem dient diese Klarstellung in diesem Gesetz. Wir brauchen eine einheitliche Auffassung darüber, was jeder einzelne leisten muss, damit seine Unterschrift gültig ist. Er muss das Geburtsdatum aufschreiben. Das ist nicht zu viel verlangt. Das ist keine Diskriminierung und auch keine Restriktion. Es ist sehr vernünftig.
Der zweite Punkt ist, dass selbstverständlich der Senat und das Abgeordnetenhaus in einer vernünftigen, sachlichen Weise ihre Position öffentlich darstellen müssen. Das, was Sie als Zitat dargestellt haben, ist natürlich vollkommen richtig und bleibt richtig, selbst wenn es auch Bayern kommt. Dass eine angemessene Finanzierung natürlich aus Haushaltsmitteln erfolgen muss – woraus denn sonst; soll der Senat mit dem Klingelbeutel rumlaufen oder sonst was machen. – Wir brauchen eine Möglichkeit, das angemessen, nicht übertrieben und nicht verschwenderisch darzustellen. Das regeln wir mit dieser Vorlage – nicht mehr und nicht weniger. Deswegen glaube ich, dass das, was Sie hier von Trickserei erzählen, vollkommen unangebracht ist. Jeder kann sehen, was künftig verlangt ist. Hier sind keine Einschränkungen für die direkte Demokratie mit dieser Vorlage verbunden. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Zimmermann! Zunächst zwei Fragen vorweg, weil die Zeit bei Ihnen nicht mehr gereicht hat, mir die Gelegenheit für eine Zwischenfrage zu geben: Können Sie mir für das, was Sie mir in den Mund gelegt haben, eine Quelle nennen? – Den Unsinn, den Sie mir in den Mund gelegt haben, habe ich niemals vertreten. Ich habe so etwas nie behauptet. Ich habe niemals gesagt, ich fände es gut, wenn der Senat mit Steuermitteln seine Position vertreten könnte. Ich habe damals eine andere Position vertreten. Ich habe gesagt, ich finde, angesichts der Tatsache, dass Senatorinnen und Senatoren oder auch Vertreterinnen und Vertreter dieses Hauses in der Regel einen leichteren und besseren Medienzugang haben und über einen Apparat verfügen, wäre es nur fair, wenn Volks- oder Bürgerbegehrensinitiativen auch eine geringe Kostenerstattung – ähnlich der Wahlkampfkostenrückerstattung für Parteien – zugebilligt würde, damit sie auch die Chance haben, wenigstens auf Augenhöhe in den Austausch der Argumente einzutreten. Vielleicht nennen sie mir einfach die Quelle für die Behauptung, und vielleicht verhalten Sie sich zu meinen Argumenten, anstatt anderes Zeug zu reden, das hier gerade gar nicht zur Debatte stand.
Sie haben mich gefragt, ob wir über dieselbe Drucksache reden. Meine Drucksache hat die Nummer 17/2476 und darüber steht: Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU. Ist das die richtige? Falls nicht, sollten Sie mir eine andere geben, denn es ist ja in der Tat sinnvoll, dass man in einer Rederunde über dasselbe redet. Ich habe jetzt allerdings Ihrem Redebeitrag durchaus auch entnommen, dass wir vermutlich schon über dieselbe
Vorlage reden. Vielleicht war das doch nur eine rhetorische Figur, eine ziemlich plumpe, aber eine rhetorische Figur.
Ich will noch Folgendes sagen: Ich glaube, angesichts der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, wo ZLB, Landesunternehmen in der TempelhofKampagne mit endlosen Mitteln Werbeagenturen angeheuert haben und uns von jeder Haltestelle ein Plakat angelächelt hat, auf dem Sozialdemokraten wie FrankWalter Steinmeier gesagt haben, wer das Tempelhofer Feld nicht bebaue, versperre die Zukunft dieser Stadt – – Das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass Sie auf solche Ressourcen Zugriff haben und dann versuchen, mittels Plakatkampagnen und anderen Werbeinstrumenten den Initiativen – – Das hat im Übrigen auch mit dem Sachlichkeitsgebot nichts mehr zu tun, aber sollen das dann Gerichte klären? Es gibt dieses Heftchen, und darin sind die Standpunkte von Abgeordnetenhaus, Senat und Initiative dargestellt. Ansonsten ist es jeder Senatorin und jedem Senator – auch Ihnen – unbenommen, ihre Position zu diesen Vorgängen zu vertreten. Das will ihnen keiner streitig machen. Aber warum wollen Sie öffentliche Mittel, wenn Berlin schon keine Kohle hat, jetzt auch noch dem Senat in die Hand geben, damit er dann in seiner Weise Werbung betreiben darf?
Was die Frage der Unterschriften angeht: Oliver Wiedmann von Mehr Demokratie e. V. sagt, der Missbrauch der Unterschriftensammlung, auf den die Koalition sich beruft, sei überhaupt nicht nachweisbar. Dieser Rückschritt hinter die Reform von 2008 würde bedeuten, dass jeder Zahlendreher und jeder unleserliche Buchstabe eine Unterschrift ungültig macht, selbst wenn der Unterzeichner eindeutig identifizierbar ist. Das ist eine völlig überflüssige Zusatzhürde für direktdemokratische Initiativen. Verhalten Sie sich dazu mal, anstatt einfach zu behaupten, das sei keine Hürde!
Frau Präsidentin! Herr Kollege Lederer! Die beiden Punkte beantworte ich kurz so: Missbrauch ja oder nein? Uns ging es nicht um die Frage des Missbrauchs. Es geht darum, dass man einheitlich im Land Berlin vorgehen muss in der Frage: Wann ist eine Unterschrift gültig und wann nicht. Wir konnten diese Unsicherheit nicht bestehen lassen, dass die Landeswahlleiterin es nicht verlangt, aber einige Bezirksämter meinen, es müsse verlangt werden, das Geburtsdatum aufzuschreiben. Um die ein für alle Mal zu klären, sagen wir jetzt: Das Geburtsdatum
soll mit aufgeschrieben werden. Ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, dass jemand, wenn er eine Unterschrift zu einem bestimmten Begehren leisten will, sein Geburtsdatum hinzuschreibt. Damit ist die ganze Unklarheit beseitigt, und niemand ist diskriminiert.
Zweiter Punkt: Es ist die Frage, wie man sich zu dem Verwenden öffentlicher Mittel stellt. Selbstverständlich muss der Staat äußerst sparsam mit öffentlichen Mitteln umgehen. Da sind wir uns vollkommen einig. Wir haben uns damals aber gemeinsam, Herr Kollege Lederer, über die Frage auseinandergesetzt, ob in dem Volksbegehren „Religion gegen Ethik“ der Senat seine Position pro Ethikunterricht mit all den Argumenten auch durch eine bestimmte Kampagne untermauern können darf oder nicht. Und wir haben gemeinsam die Haltung des Gerichts kritisiert, die dem Senat das untersagt hat. Ich erinnere mich an solche Debatten, wenn Sie das nicht tun, macht es jetzt nichts. Es ist der Punkt, dass man eine Klarheit haben muss, was beide Seiten dürfen, was sie aufwenden dürfen. Es ist aus unserer Sicht legitim, dass in einem angemessenen Umfang, so wie auch Gerichte das entschieden haben, andere Gerichte als das OVG Berlin-Brandenburg, auch öffentliche Organe dafür werben können. Sonst kann nämlich – –
und deswegen ist es sinnvoll, da auch ein vernünftiges Gegengewicht zumindest haben zu können. Deswegen bewegen wir uns im Einklang mit der Rechtsprechung auf diesem Weg, dort eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Ich glaube, das ist unmittelbar einsichtig. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Zimmermann! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Abgeordnete Dr. Behrendt. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wurde nach dem erfolgreichen Tempelhof-Entscheid nicht alles getönt: Wir haben verstanden. Wir ziehen Lehren aus dem Entscheid und wollen die Beteiligung ausweiten. –