Protokoll der Sitzung vom 14.01.2016

Um eine weitere Ihrer vielen Fragen zu beantworten: Ich habe gestern natürlich mit dem Polizeipräsidenten über den Vorfall telefoniert. Wir waren uns darüber einig, dass das etwas ist, wo man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann, und das haben wir auch nicht getan.

[Beifall bei der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Das machen Sie jetzt jedes Mal so? – Wolfgang Brauer (LINKE): Sie können auch noch die NATO anfordern – zur Luftunterstützung!]

Vielen Dank!

Jetzt kommen wir zur zweiten gesetzten Runde. – Frau Radziwill, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich frage den Senat: Welche Maßnahmen plant der Senat, um die Clearingverfahren für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu beschleunigen und den Jugendlichen einen schnellen Schulbesuch zu ermöglichen?

(Bürgermeister Frank Henkel)

Frau Senatorin Scheeres – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Radziwill! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen alle: Unbegleitete Minderjährige sind Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht waren und ohne Eltern hier in Berlin sind. Sie haben das Recht auf ein Clearingverfahren, und das Clearingverfahren umfasst unterschiedliche Bestandteile, und zwar zum einen die pädagogische Betreuung, dann aber auch eine umfassende Beratung bzw. auch eine Gesundheitsuntersuchung, eine Erstuntersuchung. Diese Erstuntersuchung ist Grundlage für den Besuch einer Schule in Berlin. Wenn dieses gesamte Clearingverfahren abgeschlossen ist, wo u. a. auch überprüft wird, ob der Jugendliche unter 18 oder über 18 ist, gehen im Anschluss daran die Kinder und Jugendlichen in eine Maßnahme der Hilfen zur Erziehung über.

Ich hatte hier schon in diesem Rahmen angesprochen, dass es uns sehr wichtig ist, dass die Kinder und Jugendlichen so schnell wie möglich beschult werden – natürlich auch die unbegleiteten Minderjährigen. Es ist, glaube ich, für keinen jungen Menschen gut, lange nicht in die Schule zu gehen und sich zu langweilen. Standard war, dass erst mal das ganze Verfahren abgewartet werden musste, bis die Kinder und Jugendlichen überhaupt in die Schule gehen konnten. Das habe ich verändert, damit sie früher in die Schule gehen können. Genauso wie im anderen Bereich der Flüchtlinge haben wir bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einen rasanten Anstieg: 2014 waren es 1 000, und im letzten Jahr waren es 4 000. Aufgrund der vielen unbegleiteten Minderjährigen mussten wir unsere Verfahren umstellen.

Wir haben im Rahmen des Clearingverfahrens auch einige Dinge verändert. Wir haben zum einen die Kapazitäten ausgeweitet, nehmen aber auch eine Veränderung vor, indem wir auf eine Art mobiles Clearingverfahren umsteigen. Wir gehen also mit den Fachkräften vor Ort. Das wird demnächst umgesetzt. Gemeinsam mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf haben wir auch einen Dokumentationsbogen erarbeitet. Dieser umfasst ganz genau, wie die Gesundheitsuntersuchungen stattfinden sollen bzw. welchen Umfang diese haben sollen.

Parallel dazu erfolgen weitere Schritte: Die jungen Menschen erhalten einen Vormund. Hier sind wir auch in der engen Abstimmung mit Steglitz-Zehlendorf und der Justizverwaltung, um ein neues Gesamtkonzept zu entwickeln, wie wir schneller qualifizieren können, denn nicht jeder kann Vormund werden. Das ist ganz klar. Hier haben wir bestimmte Qualitätsstandards, auf die wir ach

ten müssen. In diesem Zusammenhang erarbeiten wir ein Gesamtkonzept.

Zur Gesundheitsuntersuchung – wenn ich sage, 4 000 Kinder und Jugendliche, das kann nicht über die Gesundheitsdienste in den Bezirken geleistet werden –: Aus diesem Grund haben wir in einem ersten Schritt einen Vertrag mit den Maltesern geschlossen, haben aber festgestellt, dass dieses nicht ausreichend ist, und sind dann mit der Charité ins Gespräch gekommen. Ich gehe davon aus, dass 1 000 unbegleitete Minderjährige zeitnah die Erstuntersuchung durch die Charité erfahren werden, damit so schnell wie möglich eine Beschulung stattfinden kann.

Vielen Dank! – Frau Radziwill! Sie möchten eine Nachfrage stellen. – Bitte schön! Dann haben Sie das Wort.

Frau Senatorin! Vielen Dank für die Antwort! Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Beschulung unabhängig vom Ergebnis des Clearingverfahrens sofort laufen kann und die Clearingverfahren jetzt beschleunigt werden?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Radziwill! Sie haben mich richtig verstanden, dass wir das verändert haben. Wir warten jetzt nicht mehr, bis das Clearingverfahren abgeschlossen ist. Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass die Clearingverfahren schneller laufen bzw. dass die Erstuntersuchungen, die Voraussetzung für die Beschulung sind, so schnell wie möglich stattfinden können.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an Frau Kollegin Burkert- Eulitz von den Grünen. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank! – Die Clearingverfahren dauern viele Monate, und die Jugendlichen sind in der ganzen Zeit ohne rechtliche Vertretung. Gesetzlich ist eigentlich geregelt, dass Sie ab Inobhutnahme dafür sorgen sollen, dass Vormünder oder Pfleger bestellt sind. Deswegen frage ich, warum Sie die Jugendlichen nicht insoweit beraten, dass sie sich selbst an das Familiengericht wenden können, um das Ruhen der elterlichen Sorge und damit auch eine

Vormundschaftsbestellung beschleunigen zu können. Warum macht das Ihre Behörde nicht?

[Torsten Schneider (SPD): Warum macht das das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf nicht?]

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz! Ich habe gerade auch den Bereich der Vormundschaften angesprochen und dass wir hier Bedarfe haben, auch dieses Verfahren zu beschleunigen. Sie tun so locker, als hätten wir zehn, 20 unbegleitete Minderjährige. Ich habe gerade angesprochen, dass wir in dem Zusammenhang einen rasanten Anstieg haben. Wir hatten wie in vielen Behörden bestimmte Kapazitäten. In Steglitz-Zehlendorf haben wir das Personal aufgestockt – das wissen Sie, weil die Stadträtin von den Grünen ist – und haben uns da sehr stark gemacht. Wir haben auch die Zahl der Schulungsmaßnahmen aufgestockt, sodass wir in einem größeren Umfang qualifizieren können. Wir sind im Gespräch mit der Justizverwaltung, weil es viele Richter gibt, die Vormundschaften übernehmen können und wollen.

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Doch! Ich möchte das umfangreich darstellen und nicht isoliert, weil man nämlich parallel fahren muss. – Wir beraten die Kinder und Jugendlichen natürlich, aber wir setzen darauf, dass die Möglichkeit besteht, dass die Vormundschaft über das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf vermittelt wird. Das befindet sich in Ihrer Verantwortung, und wenn Sie bessere Vorschläge haben – SteglitzZehlendorf kann auch beraten –, dann können Sie das Ihrer Stadträtin sagen.

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Vielen Dank!

Dann kommen wir jetzt zur CDU. – Herr Kollege Rissmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie geht es nach der Vorstellung der Studie zur Paralleljustiz in dieser Angelegenheit weiter, und welche nächsten Schritte sind dort konkret geplant?

[Steffen Zillich (LINKE): Entwickelt sich!]

Herr Senator Heilmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Abgeordneter Rissmann! Der Senat hat sich gestern in seiner Klausursitzung nicht nur mit Flüchtlingsfragen und der Neuausrichtung und -aufstellung des LAGeSo beschäftigt, sondern unter anderem auch mit der Studie zum Thema Paralleljustiz. Wie Sie wissen, geht die Studie zurück auf eine Initiative des Parlaments auf Antrag der Koalitionsfraktionen. Der Senat hat diese Initiative gestern noch einmal sehr positiv gewürdigt. Die Studie steht Ihnen übrigens nicht nur digital zur Verfügung, sondern sie gibt es auch ausgedruckt hier in der Bibliothek des Abgeordnetenhauses, sodass sie für jeden einsehbar ist.

Ich habe die Kernpunkte gestern noch mal vorgestellt. In zwei Sätzen zusammengefasst: Die Paralleljustiz, die wir in Berlin leider haben, ist nicht geprägt von Gewaltenteilung. Deswegen ist die Vorstellung, es gäbe viele – in Anführungsstrichen – unabhängige Friedensrichter, die man anstelle der ordentlichen Justiz anruft, im Wesentlichen eine Fehlvorstellung. Tatsächlich wird Paralleljustiz so ausgeübt, dass Clanchefs sowohl in der klar kriminellen Organisation, aber auch in anderen Segmenten unserer Stadt tätig sind, und zwar im Wesentlichen als Unterdrückungsmechanismus für Gewinnstreben und ganz häufig leider auch, um Frauen zu unterdrücken, sei es, dass man sie zu Zwangsehen verpflichtet – in Anführungsstrichen –, sei es, dass man Vielehen einrichtet oder nach den Vorstellungen der Clans Trennungen herbeiführt.

Es ist völlig eindeutig, auch das haben wir festgestellt, dass es insbesondere bei der organisierten Kriminalität eine unnachgiebige Strafverfolgung geben soll. Es ist aber mindestens genauso wichtig, dass wir den Opfern eine Brücke bauen, dass wir den Opfern helfen, dass sie wissen, welche Rechte und insbesondere, welche Möglichkeiten sie haben, wie die Justiz damit umgeht, dass sie Vertrauen in unseren Rechtsstaat gewinnen, und das ist eine Aufgabe des gesamten Senats; das betrifft nicht nur unsere Verwaltung, sondern auch die Jugend-, die Schul-, die Frauen- und die Integrationsverwaltung.

Wir haben uns nach einer, wie ich finde, sehr positiven Diskussion vorgenommen, das in diesem Jahr als eine gemeinsame Aufgabe des Senates zu verstehen.

Vielen Dank! – Herr Kollege Rissmann für eine Nachfrage. – Bitte schön!

(Marianne Burkert-Eulitz)

Herr Senator! Sehen Sie die herkömmlichen Geschäftsabläufe in Ihrem Aufgabenbereich als ausreichend gewappnet an, mit diesem besonderen Kriminalitätsphänomen umgehen zu können, oder meinen Sie, prüfen und gegebenenfalls umsetzen zu müssen, dass man, sobald ein erster Hinweis darauf besteht, dass hier ein Fall von Paralleljustiz vorliegt, besondere Maßnahmen in der Ermittlungstätigkeit durchführen muss, und wenn ja, welche wären das?

Bitte schön, Herr Senator!

Wir haben schon mit einzelnen Verbesserungen begonnen, aber ich bin der Meinung, dass das nicht ausreicht. Wir haben uns über alle Verwaltungen vorgenommen, bis zum April in einer gemeinsamen Senatsvorlage alles das, was wir zusätzlich tun wollen, um gegen dieses Phänomen zu arbeiten, zusammenzufassen.

In der Staatsanwaltschaft haben wir den Kampf gegen die organisierte Kriminalität inzwischen in drei Abteilungen konzentriert. Eine Handreichung für alle Richterinnen und Richter und alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist kurz vor der Fertigstellung, die wir übrigens in einer Arbeitsgruppe mit anderen Länderverwaltungen abgestimmt haben, wie man damit umgehen soll, wenn sich der Verdacht auftut, es handele sich um eine Paralleljustiz, die die normale Arbeit der Justiz behindert.

Sicher wird man beim Thema Aufklärung und Schulung noch eine Menge mehr tun müssen. Die Dinge sind begonnen, aber nach nicht fertig umgesetzt.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an Herrn Kollegen Lauer von der Piratenfraktion. – Bitte schön!

Weil es thematisch gerade darum geht, dass der Justizsenator Studien seines Hauses bewertet: Herr Heilmann! Wie bewerten Sie denn die Studie Ihres Hauses zu Effektivität, Nutzen und Verhältnismäßigkeit verdeckter Ermittlungsmethoden, die der Staatsanwaltschaft nach Strafprozessordnung möglich sind?

Diese Nachfrage lasse ich nicht zu. Sie steht nicht im Zusammenhang mit der ersten Fragestellung.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Es ging um Studien!]

Nein! Es ging um eine Studie, und Sie sprechen eine andere an.

Dann kommen wir jetzt zu den Grünen. – Frau Kollegin Bangert!

[Zurufe von den GRÜNEN: Nachfrage!]

Die Nachfrage von Herrn Rissmann wurde gestellt, und die zweite Nachfrage ist nicht zulässig. – Jetzt rufe ich die nächste auf: Frau Bangert von den Grünen!

[Lars Oberg (SPD): Es gibt keine dritte Nachfrage! – Zurufe von den GRÜNEN]