Protokoll der Sitzung vom 03.03.2016

Vielen Dank, Herr Jahnke! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Brauer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Herr Jahnke! Sie hatten ja die Chance, an der Qualifizierung dieses Antragsvorschlages mitzuarbeiten. Ergebnis der Kulturausschussberatung, die Sie ansprachen, war das Übereinkommen zwischen den Fraktionen, möglichst zu versuchen, in diesem Hohen Hause einen Allparteienantrag einzureichen. Plötzlich wusste die Koalition von nichts mehr, sprang ab, überließ es der Opposition, und jetzt haben wir das Ergebnis, wie es vorliegt.

[Zurufe]

Natürlich, das war relativer Konsens. Es hat niemand widersprochen. Schauen Sie bitte in das von Ihnen unterschriebene Ausschussprotokoll!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Es hat niemand widersprochen, und der Ihnen vorliegende Text ist so gefasst, dass es der größtmögliche harmlose gemeinsame Nenner ist. Er ist so gefasst, dass eigentlich jede und jeder hier zustimmen kann, ohne dass gewissermaßen Gefahr im Verzuge für irgendwelche koalitions- oder parteipolitischen Spielchen ist.

Ich möchte aber über den Antrag ein kleines bisschen hinausgehen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Ich möchte Ihr Augenmerk auf diesen westlichen Stadtraum richten. Schauen wir uns mal die Sprechbühnenstandorte an: 1993 schloss das Schillertheater. Ebenfalls 1993 mit einem Zeitraum bis 1999 setzte der voll

ständige Niedergang der Freien Volksbühne ein. 1999 wurden die Kammerspiele Moabit, ein Kinder- und Jugendtheater, dichtgemacht, indem man die Zuschüsse abwürgte. 2002 schloss das Hansa-Theater, auch in Moabit. 2012 schloss die Tribüne. 2012 wurde das Theater des Westens an die Stage Holding verkauft. Zu Stage komme ich gleich noch einmal: Stage wird 2016 das Theater am Potsdamer Platz schließen. Das wird natürlich Auswirkungen auf das Theater des Westens haben. Und wenn alles gutgeht, darf das Theater am Winterfeldplatz noch bis 2018 spielen. Das ist augenblicklich der kulturelle Zustand der City-West!

Was kriegen wir dafür? – Herr Jahnke, Sie haben es angesprochen: aufgehübschte Kaufmeilen! Das liest sich dann so, dass das Wort „Kultur“ in manchen Hirnen mit „Kaufhaus“ übersetzt wird. Das ist, glaube ich, ein nicht hinnehmbarer Zustand.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

K wie Kaufhaus statt Kultur!

Herr Oberg sprach die Auslastungszahlen an. Nun kann man mit Auslastungszahlen – Kollege Esser hat das mal mit einer anderen Karte versucht, nämlich dem Runterrechnen auf die Kartenpreise, die Subventionen – alles Mögliche argumentieren. – Herr Oberg! Es ist immer eine Frage, wo ich denn meine Messlatte ansetze. Wir haben im Jahr – ich gebrauche eine etwas niedrigere Zahl als Kollegin Bangert – an den Ku’damm-Bühnen 200 000 Besucherinnen und Besucher. Wir haben im Schnitt 500 gespielte Vorstellungen. Das ist eine kulturpolitische Größe in dieser ansonsten von einer – das sagen Ihre eigenen Genossinnen und Genossen in der BVV-Fraktion – Verödung bedrohten Gegend. Verödung! Ansonsten würde man ja nicht das gesamte Karree anfassen wollen. Was machen Sie denn für Stadtplanungspolitik!

[Zurufe von Lars Oberg (SPD)]

Wer sich aufregt, hat nicht unbedingt recht, Herr Oberg!

Ich weiß eines: Der Denkmalschutz ist natürlich ein Schwert aus einem sehr spröden Metall. Das kann sehr leicht brechen. Aber: Denkmalschutz auf einer historischen Gebäudesubstanz zwingt immerhin Investoren und bauplanungsverabschiedende Politikerinnen und Politiker zu einem kleinen Moment des Innehaltens und des Nachdenkens. Und auf genau diesen Moment des Nachdenkens setzen wir, auf nichts anderes. Deswegen bitten wir in diesem Punkte um Ihre Zustimmung.

Wir wollen die Bühnen erhalten, und weshalb Bühnen zu erhalten nicht zustimmungsfähig sein soll, das ist mir ein Rätsel. – Nein, es ist mir kein Rätsel. Wer sie eben nicht erhalten will, der versucht, um diese Bekenntnisformel: Ich bin für den Erhalt der Bühnen an diesem Standort! – herumzukommen. Das ist die leichteste Übung, denn man

(Frank Jahnke)

kann dann abmurksen durch Unterlassen. Es gibt tatsächlich auch bildungsferne Oberschichten, nicht nur Unterschichten. – Pardon! Das muss man mal mit aller Deutlichkeit sagen. Das sind die, die Kultur synonym mit Kaufhaus benutzen. Bildungsferne Oberschichten!

Sie wollen es nicht. Seien Sie wenigstens ehrlich und sagen Sie, Sie wollen eigentlich diesen Standort weghaben. Sie wollen da etwas ganz anderes hinhaben. Sie wollen aber nicht schuld sein. Natürlich, die Drecksarbeit überlassen Sie den anderen, den sogenannten Sachzwängen. Ich finde das sehr bedauerlich. Ich ende auch mit Shakespeare, Hamlet, und zwar Polonius: Das ist kein Wahnsinn. Da ist Methode drin. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Brauer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schlede. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir jetzt gerade erleben, war eigentlich nicht im Sinne unserer Diskussion im Kulturausschuss zu diesem Thema. Wir waren uns in diesem Zusammenhang einig – und das unterstütze ich ausdrücklich –, dass wir die Ku’dammBühnen retten wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Frau Bangert! Wenn Sie einen gemeinsamen Antrag einbringen wollen, dann kann es nicht so sein, dass ich den von Ihnen erst am Montag bekomme. Vorher habe ich ihn nicht gesehen. Sie waren an dem Tag nicht im Hause. Ihrer Mitarbeiterin habe ich einen Einwand vorgetragen – übrigens auch der Kollege Braun, wie ich gehört habe –, und zwar bezüglich der problematischen Forderung zum Denkmalschutz in diesem Antrag. Wenn man einen gemeinsamen Antrag will, muss man wenigstens Gelegenheit geben, darüber einen gemeinsamen Gedankenaustausch zu pflegen – zumindest zwischen den Sprechern der Fraktionen. Das haben Sie nicht getan. Sie sind mit der Dringlichkeit vorgeprescht, und es war gar keine Not, denn so dringlich ist das Thema ja gar nicht. Wir wollen beide Bühnen erhalten. Da besteht überhaupt keine Frage. Aber wenn man einen gemeinsamen Antrag einbringen will – und der hätte dann die entsprechende Bedeutung und das entsprechende Gewicht –, dann muss man auch eine entsprechende Haltung zeigen und auf die anderen Fraktionen zugehen.

Bei dem, was sachlich zu sagen ist, schließe ich an das an, was Kollege Brauer gesagt hat: Die Kette der Theaterschließungen ist derart gravierend, dass wir uns wirklich nicht mit Ruhm bekleckern würden, zwei weitere Theater in der City-West – die Ku’damm-Bühnen – zu schließen.

[Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Nun ist aber Ihr Antrag nicht nur nicht ganz fair entstanden, sondern er greift auch zu kurz, und zwar in dreierlei Hinsicht. Er greift kulturpolitisch, finanziell und städtebaulich zu kurz. Aus diesem einfachen Grund sind wir der Auffassung, dass wir dieses Thema im Ausschuss noch einmal sehr intensiv behandeln müssen.

Kulturpolitisch ist schon darauf hingewiesen worden, welche Bedeutung diese Theater an sich, aber speziell auch für die City-West haben. Fraglos würde eine Schließung der Theater kulturpolitisch eine Verödung in diesem Bereich beinhalten.

[Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Darüber sind wir uns völlig einig. Dazu hätten wir natürlich auch eine gemeinsame Entschließung machen können.

Zudem finanziell gesehen: Es wurde schon von Herrn Jahnke darauf hingewiesen. Wenn wir ein Theater, das an einem Boulevard liegt, Boulevardtheater nennen wollen und auch dort eingruppieren wollen, dann müssen wir auch die notwendigen haushaltspolitischen Konsequenzen ziehen. Da sind wir uns völlig einig. Ein nächster Haushalt muss so aussehen, dass er die strukturellinstitutionellen Mittel beinhaltet, um diese Theater dort lebensfähig zu erhalten. Sonst ist dieser Standort völlig überfordert – und jeder, der ihn betreibt.

Als Letztes der Punkt Städtebau: Das, was jetzt äußerlich da ist – wenn Sie von den Theatern absehen, ich meine also ihre Einfassung –, das sind nicht gerade städtebauliche Kronen. Ob das, was der Investor plant, oder das, was manche anderen Investoren auch schon geplant haben, städtebauliche Alternativen ansehnlicher Art waren und sind, kann ich auch nicht sagen. Man könnte natürlich behaupten, dass das, was bisher dort städtebaulich war, nichts ist. Es ist aber die Frage, ob das, was jetzt geplant ist, etwas wird. Darüber werden wir uns zusammen im Ausschuss unterhalten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Frank Jahnke (SPD)]

Vielen Dank, Herr Schlede! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Abgeordnete Bangert. – Bitte!

(Wolfgang Brauer)

Herr Schlede! Nach der Anhörung im Kulturausschuss, die nunmehr schon vier Wochen her ist, waren wir uns fraktionsübergreifend einig, dass wir einen Entschließungsantrag machen, um den Senat zu stärken, in Verhandlungen mit dem Investor zu gehen. Sie vergessen das immer: Wir sind die Legislative, und manchmal hilft es der Exekutive – so funktioniert auch eine Demokratie –, dass die Legislative etwas unterstützt und den Weg vorgibt. Sie haben nicht darauf reagiert. Sie haben auch auf den Antrag nicht reagiert. Sie sagen permanent: Ja, wir wollen die Ku’damm-Bühnen retten! – Aber ich habe weder von Herrn Jahnke noch von Ihnen, Herr Schlede, irgendeinen Vorschlag bekommen – nicht mal ansatzweise –, wie Sie die Ku’damm-Bühnen retten wollen. Herr Woelffer hat uns klargemacht, dass es um sechs Monate geht, weil der Investor ziemlich auf die Tube drückt. Wenn da wirklich etwas passieren soll, müssen wir jetzt in die Puschen kommen – oder genauer: Sie müssen in die Puschen kommen –, sonst sind die Bühnen nämlich verloren.

Schieben Sie es auch im Kulturausschuss nicht auf die lange Bank, sondern lassen Sie uns gemeinsam – wir sind uns ja anscheinend alle einig – konkret überlegen, wie wir da weiter vorgehen! Ich glaube, es ist auch ein Konsens da. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Bangert! – Ich sehe, Sie möchten replizieren. – Bitte, Herr Schlede!

Sehr geehrte Frau Bangert! Wenn wir dieser Intention, die Sie gerade noch einmal genannt haben, folgen sollen, dann können Sie nicht mit Dringlichkeit einen vorformulierten Antrag in den Raum stellen und den anderen Fraktionen, die dabei sein sollen, praktisch kaum eine Möglich geben, überhaupt zu reagieren.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Es wäre eine Alternative gewesen – die hatte ich im Sinne, und ich wollte dazu den Kontakt mit Ihnen aufnehmen –, erst einmal mit den betroffenen Fraktionen einen gemeinsamen Text zu erarbeiten und dann auch den Zeitrahmen abzustecken. Stattdessen bekomme ich einen dringlichen Antrag mit diesen beiden Punkten, und das ist nach meinem Dafürhalten unzureichend und – das muss ich Ihnen sagen – auch nicht ganz fair in Bezug auf die anderen Fraktionen, wenn es um die Realisierung einer gemeinsamen Intention geht. – Danke!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Jetzt sind Sie aber sehr beleidigt!]

Vielen Dank, Herr Schlede! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Magalski. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir teilen die Auffassung, dass die Bühnen am Kurfürstendamm erhalten bleiben sollten. Das erst mal grundsätzlich. Erst heute erreichte uns ein Unterstützungsschreiben, das viele Kulturschaffende solidarisch unterzeichnet haben. Aber ohnehin werden wir alle parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, die Bühnen im Bestand zu retten, denn nicht nur die Innenarchitektur und die Akustik sind einmalig. Ich wage die These: Dieses Bühnen gehören zum Ku’damm wie die Volksbühne zum Rosa-Luxemburg-Platz.

In welcher Form das jetzt allerdings geschehen soll, darüber wird noch zu reden sein. Wir haben in der Fraktion länger über diesen Antrag diskutiert und am Ende befunden, dass der hier vorliegende noch zu wenig Substanz hat und zu wenig konkret ist. Deshalb möchten wir gern im Ausschuss über eine Änderung des Antrags diskutieren – beispielweise, was den Denkmalschutz angeht. Es ist die Frage, ob der überhaupt noch realistisch umzusetzen ist oder ob es nicht ein gangbarerer Weg wäre, hier über einen städtebaulichen Vertrag zu gehen, um die Bühnen zu retten. Außerdem wäre es signalgebend, wenn wir, wie es sich kürzlich auch im Ausschuss eigentlich abgebildet hatte, hierzu einen fraktionsübergreifenden Antrag hinbekämen.

Ein Theater unter Tage, wie es eine Idee vorsieht, kann ich mir an dieser Stelle nun wirklich nicht vorstellen. Ob die SPD das jetzt auch noch so sieht, dass das nicht so sein soll, muss ich an der Stelle leider bezweifeln, aber ich hoffe trotzdem, dass wir das noch gemeinsam hinbekommen, auch über Tage das Ensemble zu retten. Das war zumindest unsere ursprüngliche Intention.

Auslastung hin oder her: Ich plädiere dafür, dass sich die kulturpolitischen Sprecher vor der nächsten Ausschussberatung noch einmal kurzschließen und sich konstruktiv zusammensetzen, um sich für einen für alle gemeinsam gangbaren Weg zu entscheiden und zu einem Ergebnis zu kommen, das den Ku’damm-Bühnen gerecht wird. Denn ich betone es noch einmal: Wir wollen vermutlich das Gleiche, aber dieser Antrag bildet das noch nicht ab. Deshalb danke für diesen Aufschlag, Frau Kollegin Bangert! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diesen gemeinsam in Form bringen! Das ist mein Angebot insbesondere auch an die Koalitionsfraktionen. – Besten Dank!