[Heiterkeit von Dr. Wolfgang Albers (LINKE), Steffen Zillich (LINKE) und Claudia Hämmerling (GRÜNE)]
Deshalb sage ich rückblickend, das zentrale Problem dieses Projekts BER bestand und besteht darin, dass die Flughafengesellschaft – wie auch immer das organisiert ist, ob das gesellschaftsrechtlich getrennt ist oder nicht – über keine eigene Baukompetenz verfügt hat und deshalb vollständig auf externe Dienstleister angewiesen ist. Externe Dienstleister muss man kontrollieren, das heißt, man braucht auch selbst eigenständige Kompetenzen, wenn man externe Dienstleister wirklich kontrollieren und auch anleiten und führen will. Das hat nicht existiert und das kriegt man auch nicht geregelt, indem man jetzt gesellschaftsrechtliche Umorganisierungen vornimmt, sondern es ist in der Tat so: Das Kind ist in den Brunnen gefallen, jetzt geht es um Muddling-Through, und ich hoffe, dass die Fehler, die jetzt auf der technischen Seite, auf der Bauseite erkannt worden sind, systematisch abgearbeitet werden.
Es tauchen immer wieder neue Probleme auf. Das ist wohl so, aber man kann das Rad nicht zurückdrehen, also auf die Reset-Taste drücken, hilft in diesem Falle nichts. Deshalb sage ich an dieser Stelle, dieser Antrag ist vielleicht gut gemeint, kommt aber zum falschen Zeitpunkt und wird heutzutage kein Problem lösen. Das ist eher ein Thema, das man rückblickend vielleicht im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses aufgreifen kann, aber nicht als Problemlösung für die Jetztzeit, sondern das gehört eher in den Teil der historischen Aufarbeitung.
[Beifall bei der LINKEN – Pavel Mayer (PIRATEN): Ja, für die nächsten vier Jahre muss es dann aber …! – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen sind nicht vorhanden. Es wird die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und Technologie vom 11. April 2016 Drucksache 17/2822
Wird hier der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Es beginnt in der Beratung die Fraktion der SPD, und die Kollegin Becker hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag, mit dem wir uns bereits im Plenum und in den Ausschüssen intensiv befasst haben, zielt darauf ab, den Blickwinkel auf die Industriestadt Berlin festzulegen und im Sinne des Begriffs Industriekultur Vergangenes und Zukünftiges gleichzeitig in den Blick zu nehmen. Wir wollen weitere Schätze bergen, die die Wahrnehmung stärker auf die arbeitende und erfindende Stadt lenken, auf die Industriestadt, die sie seit Beginn ihrer Metropolenwerdung ist. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das wir unter dem Begriff Industriekultur noch mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken und weiterentwickeln wollen.
Wir wollen einen Bogen spannen von unserer einmaligen Industriegeschichte, die ganze Stadtquartiere geprägt und eine großartige Architektur hervorgebracht hat, bis zur heutigen und stetig wachsenden Industriestadt, die sich auch zum wichtigen Dienstleistungs- und Tourismusfaktor entwickelt hat und mittlerweile ein Magnet für die weltweite Start-up-Szene ist.
Genau hierzu hat mein Fraktionskollege Frank Jahnke in der ersten Lesung ausführlich Stellung bezogen. Weltbe
kannte Clubs in Elektro- und Heizkraftwerken, Start-ups und Kultureinrichtungen in alten Werkhallen, Backfabriken und Brauereien zeigen, wie wir den rauen Charme zahlreicher Gebäude kreativ und wirtschaftlich sinnvoll aufleben lassen können. Berlin war früher als Elektropolis bekannt. Industriekultur in unserem Sinne soll kein sozialromantischer Selbstzweck sein, sondern mit aktuellen Themen wie der Energiewende, der Elektromobilität oder dem wirtschaftlichen Wandel verzahnt werden. So könnte Berlin als Standort für innovative Zukunftstechnologien und neue Industrien noch attraktiver werden. Genau das verfolgt unser Antrag.
Ich freue mich, dass der Antrag in vier Ausschüssen rege und kritisch diskutiert wurde und halte meinen Eindruck fest, dass unser Anliegen inhaltlich geteilt wird. In keinem Ausschuss hat es eine Gegenstimme gegeben. Daher lade ich Sie ein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, dem Antrag heute zuzustimmen und die hervorragenden Potenziale unseres industriellen Erbes mit fortzuentwickeln.
Die Zustimmung zum Antrag bietet Möglichkeiten für zahlreiche parlamentarische Initiativen. Etwa fragte Kollege Brauer von der Linkspartei neulich den Senat nach der Perspektive für das Kulturhaus des VEB Elektrokohle Lichtenberg. Seine Anfrage machte sich der Senat zu eigen und lässt das Kulturhaus nun durch das Berliner Zentrum für Industriekultur prüfen, ob der Anregung des Kollegen Brauer gefolgt werden kann.
Es geht bei dem Kulturhaus zwar um kein industriell genutztes Objekt, doch ist dieser Typus in Verbindung mit Industrieanlagen zu sehen. Das ist eine schöne Nachricht ganz im Sinne unseres Antrages, daher diese Betonung.
Ich sehe weitere Themen, die sich mit dem Antrag fortspinnen lassen, etwa unsere Arbeitskultur, auf die einem Ausschuss ebenfalls hingewiesen wurde. Im laufenden Doppelhaushalt haben wir jeweils 140 000 Euro im Einzelplan 12, Stadtentwicklung und Umwelt, eingestellt. Damit kann unsere begonnene Arbeit nun schrittweise verstetigt und von der federführenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ressortübergreifend koordiniert werden. Das ist ein guter Erfolg für die Koalition.
Ich bedanke mich beim Koalitionspartner, dass er sich unserer Initiative angeschlossen hat und sie mitträgt,
bei meinem Kollegen Frank Jahnke, mit dem ich gemeinsam das Thema ins Parlament gebracht habe. Ebenso danke ich für konstruktive Beratung und Hinweise aus den Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg –
das dortige Wirtschaftsministerium in Potsdam fördert übrigens seit 2014 ein Netzwerk für Industriekultur –, und ich danke Herrn Prof. Hoppe vom Technikmuseum, Frau Prof. Hoffner von der Hochschule für Technik und Wirtschaft sowie dem BZI, dem Berliner Zentrum für Industriekultur, das künftig federführend als Industriekulturkoordinator von der Stadtentwicklungsverwaltung eingesetzt wird. Last but not least gilt mein besonderer Dank Frau Dr. Tille aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, und wer mehr zum Thema erfahren will, dem empfehle ich aus dieser Verwaltung die drei wunderbaren Broschüren zum Thema. Ohne die Unterstützung der Genannten wäre dieser Antrag heute nicht da, wo er ist und sein soll: hier im Parlament. Sie alle und viele mehr leisten wichtige Beiträge, dass unsere Industrie- und Gewerbestätten nicht nur kulturelle Denkmäler sind, sondern ihre Potenziale kreativ und wirtschaftlich genutzt werden. – Ich bitte alle Parteien, dem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollegin Becker! – Bündnis 90/Die Grünen haben den Kollegen Olalowo als Redner benannt, und er erhält das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Bedeutung von Berlin als Industriemetropole haben wir uns ja schon in einer der letzten Sitzungen unterhalten. Und da muss man einfach feststellen: Bis zum Zweiten Weltkrieg war Berlin sicherlich eine der führenden Industriemetropolen Deutschlands. Das ist mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Bau der Berliner Mauer dann alles weggebrochen, aber wie gesagt: Das haben wir schon alles deutlich ausgeführt. Weil Berlin diese hervorragende Geschichte hat, werden wir den Antrag natürlich nicht ablehnen.
Aber, liebe Kollegin Becker, was hat Sie denn motiviert, diesen Antrag zu schreiben? Ich habe erst gedacht: 150 Jahre SPD, da könnte man das machen. Aber wenn man dann in Ihren Antrag reinschaut, dann sieht man: Nein, Sie waren 2010 bei der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr. – Da muss ich sagen: Da haben Sie eine ganz schön lange Leitung, wenn der Antrag erst jetzt hier ankommt.
Die Berliner Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Wie gelingt es, den Schritt in die Industrie 4.0 mit der Sicherung der Arbeitsplätze in der Wirtschaft in Berlin durchzuführen? Wie können die etablierten Gewerbestandorte gesichert werden? – Herr Schultze-Berndt, Sie kommen dann nachher mit dem Shabby-Chic, in den die
KMUs und Start-ups reinkönnen. – Wie wird Berlin tatsächlich zur Smart City? Wie ergreift Berlin die Chancen der Green Economy – von mir aus können Sie auch Clean Economy sagen? Wie schaffen wir gute Arbeitsplätze für die vielen Berlinerinnen und Berliner, die jetzt noch arbeitslos sind? Wie bewältigen die Unternehmen den demographischen Wandel, also das Thema Fachkräftesicherung? – Aber wenn man sich in der Wirtschaft umhört, da interessiert sich niemand für das Thema Industriekultur, das Sie heute hier anbringen. Das ist kein Wirtschaftsthema.
Ich nehme mal drei Punkte aus dem Antrag heraus: die Sanierung von Stätten der Industriekultur. Dafür ist Herr Senator Geisel zuständig, und das macht die oberste Denkmalschutzbehörde. Die arbeiten das Thema Schritt für Schritt ab. Ich glaube, die sind da auf einem guten Weg; es läuft. Das Berliner Zentrum für Industriekultur, Frau Kollegin Becker: Inzwischen sind Sie ja im Haushaltsausschuss, und da wissen Sie ja jetzt auch ein bisschen mit Zahlen umzugehen. Sie haben es selbst gesagt: 140 000 Euro im Jahr – das sind zwei Vollzeitstellen, die hier auf vier Personen aufgeteilt werden, und dann bleiben noch 10 000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit übrig. Das ist keine ernsthafte Fördermaßnahme, liebe Kollegin!
Dann haben Sie noch einen Punkt gefordert: die Mitgliedschaft im Netzwerk Europäische Route der Industriekultur. – Das ist bereits letztes Jahr umgesetzt worden; insofern kommt Ihr Antrag tatsächlich zu spät.
Sie wollen dieses Thema immer zur Förderung des Tourismus hier in Berlin in Anschlag bringen. Da muss ich Ihnen leider sagen: Wegen der Industriekultur kommt niemand nach Berlin – das ist vielleicht bedauerlich. Die Leute kommen her wegen Clubkultur; die Leute kommen her wegen der Theater- und Tanzszene; die Leute kommen her wegen der Museen. Es gibt so vieles, warum man nach Berlin kommen sollte. Aber um sich die Industriekultur anzuschauen, dafür kommen die wenigsten. Das ist irgendwie das Füllprogramm für die Schülerinnen und Schüler an den Tagen, wo sie so ein bisschen abgegessen sind von den ganzen Führungen, die sie durch Berlin machen müssen.
Thema Denkmalschutz: Da haben wir ganz viele Nutzungskonflikte mit dem, was Sie hier vorhaben. Denn wenn ich dieses Denkmal jetzt für ein KMU bereit mache, dann entspricht es einfach nicht mehr den Denkmalschutzkriterien. Mit Ihnen ist beim Denkmalschutz ohnehin nicht so viel, denn an einer anderer Stelle benutzen Sie die Mauer als Gartenzaun, und wenn wir uns ein anderes Thema anschauen, das wir heute noch auf der Tagesordnung haben werden, nämlich das Magnus-Haus, dann sehen wir: Da haben Sie überhaupt kein Gefühl für das Thema Industriekultur.
Herr Kollege! Wenn Sie das Thema nicht interessiert – anders kann ich Ihre Ausführungen nicht interpretieren –, warum stellen Sie dann fest, dass die Ausstattung zu gering ist?
Ich habe nicht gesagt, dass mich das Thema nicht interessiert. Ich habe gesagt, es wäre ein wichtiges Thema für Berlin. Aber vielleicht müssten Sie es ordentlich ausstatten. Das wäre das Minimum dessen, was Sie machen müssten. Aber das, was Sie hier vorschlagen, ist schon längst eingeholt oder völlig irrelevant zur Beförderung dessen, worum es geht.
Sie wissen ja anscheinend ganz genau, aus welchen Gründen Touristen hier nach Berlin kommen. Haben Sie denn schon mal zur Kenntnis genommen, dass die Historie der Stadt ein ganz entscheidender Punkt für Touristen ist, nach Berlin zu kommen, und dass die Industriegeschichte wiederum ein entscheidender Punkt in der Historie Berlins ist, der es verdient, besser dargestellt zu werden?