Noch viel spannender finde ich den Umstand, dass Sie mit zweierlei Maß messen. Sie erzählen etwas von Grundrechtseingriffen, die eklatant und in dieser Form nicht hinzunehmen seien und gegen die die Senatsverwaltung nichts unternehme, finden es aber selbstverständlich, dass man jemandem, der die Handynummer gewechselt hat, die Information darüber mitteilt, wer vor ihm diese Handynummer benutzt hat und wo der sich befunden hat. Sie finden es auch völlig selbstverständlich, dass die Ehefrau, die Freundin, die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte oder der eingetragene Lebenspartner Dinge liest, die derjenige, dessen Handy es ist, möglicherweise
nicht erfahren möchte. Sie müssen sich mal entscheiden, wo Sie stehen, wie wichtig Ihnen der Datenschutz ist und wie wichtig Ihnen die Grundrechtseingriffe sind.
Denn das Maß, wie Grundrechte zu würdigen sind, ist immer das gleiche – egal, ob es den Piraten gerade gefällt oder nicht.
Liebe Frau Seibeld! Ich kann Ihnen deswegen gut zuhören, während ich in mein Mobiltelefon gucke, weil der Informationsgehalt dessen, was Sie sagen, nicht so besonders hoch ist und deswegen auch nicht besonders viele Kapazitäten meines Gehirns damit beansprucht werden, das zu verstehen, was Sie von sich geben.
Ich sage es gern noch mal: Nachdem Sie in der ersten Rederunde ein Bengalo abgefeuert haben, haben Sie in der zweiten Äpfel mit Birnen verglichen und danach behauptet, es sei dasselbe. Es ist vollkommener Quatsch. Ich habe hier den Standpunkt dargelegt, Herr Heilmann setzt den Beschluss des Parlaments nicht um, und darum geht es.
Zu diesen Nebelkerzen, die Sie abgefeuert haben – so von wegen, ich würde das mit den Grundrechtseingriffen ja gar nicht so ernst nehmen – sage ich: Doch, ich nehme sie ernst. Die einzige Fraktion, die es nicht ernst nimmt, ist Ihre. Die blockiert hier seit fünf Jahren sämtliche Anträge meiner Fraktion oder auch anderer Fraktionen in diesem
Das heißt im Umkehrschluss: Ihnen ist es lieber, wenn die Exekutivbehörden, die das Gewaltmonopol tragen, und die Verfolgungsbehörden im Zweifelsfall auch Missbrauch mit diesen Daten betreiben können und wir als Parlament, die wir einen verfassungsmäßigen Kontrollauftrag haben, diesen Kontrollauftrag nicht wahrnehmen.
Verzeihung, Herr Lauer! Erstens erteile hier immer noch ich das Wort. Zweitens sind nach der Geschäftsordnung bei Zwischenbemerkungen keine Zwischenfragen möglich.
Frau Seibeld! Jetzt habe ich so viel geredet, obwohl es zu Ihrem Beitrag so wenig zu sagen gab. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank, Herr Lauer! – Jetzt hätte ein Redner oder eine Rednerin der SPD-Fraktion die Möglichkeit, im Rahmen der zweiten Rederunde das Wort zu ergreifen. – Darauf wird verzichtet. Dann hat als Nächstes das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Dr. Behrendt. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Lauer! Ihr Redebeitrag war nicht der beste des heutigen Tages.
Aber nun zu Ihnen, Herr Senator! Ich freue mich, dass Sie die Gelegenheit genutzt haben, hier mal das Wort zu ergreifen und uns einiges Neues mitzuteilen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das schon mal in den Berichten an das Parlament getan hätten. Sie haben auch selbstkritisch eingestanden, dass das unzureichend gewesen ist.
Das Hauptproblem an Ihrem Beitrag ist allerdings, dass Sie bei mir nicht die Hoffnung geweckt oder genährt haben, dass da bis zum Ende der Legislaturperiode noch etwas passiert. Das ist das eigentliche Problem, Herr Senator! Sie kümmern sich gern mit Engagement um viele Themen, die die Stadt und die Welt bewegen – zuletzt gerade um den BER, der nach meiner Kenntnis nicht in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, früher mal um die GASAG, und wir haben auch über die Ukraine interessante Debatten geführt. Ich hätte gern mal einen Justizsenator, der sich um die Probleme der Berliner Justiz und die Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen genauso engagiert kümmert, wie Sie sich um Themen kümmern, für die Sie nicht zuständig sind.
Es muss noch mal daran erinnert werden: Der Beschluss des Parlaments, wo zum ersten Mal diese Opt-In-Variante auftaucht, stammt vom Januar 2013. Wir haben jetzt April 2016. Das ist über zwei Jahre her.
Und Sie kommen heute mit Argumenten, die Sie in keiner einzigen Ausschusssitzung mal gebracht haben. Sie brauchen also zweieinhalb Jahre. Wir haben ja mehrfach darüber diskutiert. Wir haben im Vorfeld schon darüber diskutiert, wir haben jeweils über die Berichte diskutiert, und dann gab es noch einen Parallelbeschluss, wo konkret drinstand, dass wir diese Opt-In-Option jetzt haben möchten.
Frau Kollegin Seibeld! Das war übrigens ein Antrag, dem Sie zugestimmt haben. Deswegen sind Ihre Bedenken, die Sie heute äußern, hochinteressant, aber vielleicht können Sie das beim nächsten Mal schon in die Beratung über die Beschlussfassung einfließen lassen und nicht erst hinterher – wie ja auch Ihr Senator – die große Bedenkenträgermaschine anwerfen und alle halbe Jahre, wenn wir dieses Thema ansprechen, ein neues Bedenken durch das Dorf tragen.
Das läuft ja alles sehr gemächlich. Man muss sich auch wundern, Herr Senator, wie schnell es Ihnen gelingt, einen kritischen Artikel des „Tagesspiegel“, wo das genau drinsteht und das Problem beschrieben wird, dass Sie nicht gerade mit viel Engagement im Justizbereich vorpreschen, aus dem Netz zu schaffen. Er war nur wenige Stunden im Internet, und schwuppdiwupp war er weg. Man kann vermuten, dass da irgendwie eine Bekanntschaft mit einem gewissen Herrn Turner eine Rolle spielt. Da sind aber nur Mutmaßungen. Das weiß ich alles nicht. Es waren ja auch Anwälte in diesen Vorgang eingeschaltet. Aber ich würde mir nur ein Fünkchen dieses Engagements bei der Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse wünschen. Nur ein Fünkchen davon!
Wir haben auch einen Anspruch darauf, dass das passiert. Es kann nicht sein, dass Sie heute erstmalig Bedenken breit erörtern, die man sich vielleicht auch mal im Detail ansehen sollte, während in Ihren Berichten – ich habe sie mir noch mal angeguckt –, etwa dem vom 31. Oktober 2013, kein einziges Wort davon drinsteht. Das mit den kriminellen Kreisen klingt da an, und andere technische Fragen werden erörtert. Aber dass die Ehefrau vielleicht erfahren könnte, dass ihr Mann im „Artemis“ gewesen ist, höre ich heute zum allerersten Mal.
Auch in Ihrem Bericht vom 22. April 2014 – auch interessant, zur Erfüllung der Berichtspflichten – steht davon nichts drin. Da steht drin, Sie hätten in Erfahrung gebracht, die rechtspolitischen Sprecher seien mit dem Generalstaatsanwalt im Gespräch über viele Fragestellungen – das ist insoweit zutreffend –, und deswegen würde Sie hier von einer weiteren Berichterstattung absehen.
So heißt es im April 2014. Das ist doch nicht die Erfüllung einer Berichterstatterpflicht, weil wir mit Dritten im Gespräch sind, sondern Sie müssen das gesamte Parlament darüber informieren, wann und wie konkret Parlamentsbeschlüsse umgesetzt werden, und können sich nicht hinter dem Generalstaatsanwalt verstecken, der mit uns im Gespräch ist, weil er übrigens noch viel mehr Bedenken als Sie hat, und uns diese dort geschildert hat. Er ist ja der Oberbedenkenträger. Bei der Einführung von neuen Überwachungsmethoden kann es nicht schnell genug gehen, aber wenn es darum geht, das bürgerrechtlich einzuhegen, dann kommen Bedenken, Bedenken, Bedenken. Riesige Türme werden da aufgebaut. Man hat schon Angst, dass sie über einem zusammenbrechen und man Schaden nimmt.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir wollen die Bürgerrechte der Berlinerinnen und Berliner besser geschützt wissen. Frau Seibeld! Da geht es gar nicht darum, ob die Funkzellenfrage nicht auch einen Nutzen hat. Ich hoffe, dass die strafprozessualen Ermittlungsmethoden, die in diesem Land angewendet werden, einen Nutzen haben.
Wir gehören nicht zu denen, die sagen: Generell niemals eine Funkzellenabfrage! – Aber wir wollen das vernünftig und rechtsstaatlich, so wie der Bundesgesetzgeber das vorgesehen hat, eingehegt haben. Wir haben ja auch die Debatte geführt, dass man im Land Berlin wegen Kleinstkriminalität Funkzellenabfragen angeordnet hat. Das ist übrigens auch rechtswidrig, und es ist übrigens auch in Ihrer Verantwortung passiert, ohne dass es von Ihnen abgestellt wurde, sondern das ist erst nach der Debatte im Ausschuss geschehen. Wir wollen, dass das rechtsstaatlich eingehegt wird und dass die Berlinerinnen
und Berliner darauf vertrauen können, dass sich ihr Parlament in dieser Stadt um ihre Grundrechte kümmert. Dafür sind wir hier, und dazu haben wir diese Beschlüsse gefasst. Herr Senator, dafür sind Sie als Senator und Mitglied der Landesregierung verantwortlich, und da kommt von Ihnen viel zu wenig. Ich sage es noch mal: –
Die Hoffnung, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode auch nur einen kleinsten Schritt vorankommen, haben Sie bei mir heute nicht geweckt. Das ist deutlich zu wenig. – Ich danke Ihnen!