Protokoll der Sitzung vom 28.04.2016

Erste Lesung

b) Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Einrichtung und den Betrieb eines klinischen Krebsregisters nach § 65c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Absatz 1 Satz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/2820

Ich eröffne die erste Lesung zu a. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage und der Vorlage – zur Kenntnisnahme – an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 6 und 7 stehen auf der Konsensliste.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 8:

Finanzierung von Schallschutzmaßnahmen am Flughafen Tegel frühzeitig planen – Vorbereitung für deren Umsetzung beginnen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 16. März 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 13. April 2016 Drucksache 17/2837

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2092

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum. – Bitte!

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Ich freue mich, dass auch Herr Geisel da ist, denn es geht heute um einen wichtigen Punkt. Und zwar besprechen wir heute zum zweiten Mal unseren Antrag „Finanzierung von Schallschutzmaßnahmen am Flughafen Tegel frühzeitig planen – Vorbereitung für deren Umsetzung beginnen“, nachdem er in zwei Ausschüssen beraten und abgelehnt wurde. Weil er aber dringender und aktueller denn je ist, möchte ich ihn heute noch mal besprechen.

Gerade in den letzten Tagen und Wochen wurde in der öffentlichen Diskussion innerhalb und auch außerhalb dieses Hauses immer deutlicher, dass es eine weitere Verschiebung der Eröffnung des BER geben wird. Das zeigt sich insbesondere darin, dass Sie inzwischen niemanden mehr finden, der so fest von einer Eröffnung im Jahr 2017 ausgeht, dass er mit seinem Wort auch dafür einsteht. Insbesondere der Chef des Aufsichtsrats, unser Regierender Bürgermeister Michael Müller, sagte am 22. April 2016, also vor knapp einer Woche dem „Tagesspiegel“ – ich zitiere wörtlich:

Mir ist das Datum sehr wichtig. Ich streite mich aber nicht um vier Wochen. Es kommt nicht darauf an, ob es Dezember 2017 oder Januar 2018 wird. Wichtig ist, dass das Ding seriös fertig wird.

Heute möchte ich seine Bewertung, dass es nicht darauf ankommt, ob der BER 2017 eröffnet wird, einmal dahingestellt sein lassen. Aber eins ist ja klar – und da dürfte es auch keinen Dissens geben –: Tegel wird nicht schließen, solange der BER noch nicht aufgemacht hat. Und genau hier liegt das hohe finanzielle Risiko, das wir mit unserem Antrag heute adressieren: Sollte Tegel nämlich nicht 2017 schließen, gibt es nach dem Fluglärmschutzgesetz von 2007 nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren Ende 2017 nämlich den Anspruch auf Schallschutz

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

maßnahmen oder entsprechende Entschädigungen. Zusätzlich gibt es noch das Risiko entsprechender Klagen.

Diese Maßnahmen aber müssen geplant und vorbereitet werden, und zwar gründlicher, als der BER geplant, vorbereitet und finanziert werden sollte,

[Beifall bei den PIRATEN]

und zwar nicht erst irgendwann 2017, sondern jetzt, damit nämlich sichergestellt ist, dass bei Bedarf mit der Umsetzung auch möglichst bald begonnen werden kann.

Um das finanzielle Risiko noch einmal deutlich zu machen, möchte ich auf die Worte des Kollegen Stroedter hier in der ersten Beratung sinngemäß verweisen: Wir reden über 300 000 betroffene Anwohner; nicht über Millionen, sondern über Milliarden – ich sage: viele, viele Milliarden.

[Beifall bei den PIRATEN]

Weiter erwähnte Herr Stroedter hier vor über einem Jahr, am 19. Februar 2015, als wir über den Antrag das erste Mal berieten, er gehe davon aus, dass der Flughafen 2017 eröffnet. Dass er immer noch davon ausgeht, davon gehe ich jetzt einmal aus, denn andernfalls müsste er unserem Antrag heute zustimmen. Aber das kann Herr Stroedter ja gleich selbst in seiner Rede erläutern.

Sie, liebe Koalition, laufen hier nach den Worten Ihres eigenen Kollegen Herrn Stroedter in ein fundamentales Kostenrisiko, das Sie bisher nicht adressieren. So wird auch heute noch mal in der Berichterstattung in der „Berliner Zeitung“ deutlich, welch großes Problem der Schallschutz am Flughafen Tegel ist: Es wird berichtet, dass es 2015 so viele Starts und Landungen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr gab wie noch nie. Hier ist ein Spitzenwert erreicht, ein Spitzenwert in der Belastung der Anwohner mit Fluglärm, und es ist davon auszugehen, dass dieser Lärm auch 2017 noch weiter zunehmen wird.

Es gibt hier bisher keine Initiativen, um sich damit auseinanderzusetzen, was mit diesem Kostenrisiko passieren soll. Woher wollen Sie die vielen Milliarden nehmen, wo Sie doch jetzt schon Probleme haben, den BER fertig zu finanzieren? Das ist kein verantwortliches Handeln! Sie, liebe Kollegen der Koalition, mögen unseren Antrag heute noch ablehnen. Es wird aber nicht lange dauern, bis eine neue Koalition sich um die Arbeit kümmern muss, der Sie sich hier und heute verweigern. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Baum! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Stroedter das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Baum! Es ist ja interessant, dass Sie im Grunde genommen meine Redezeit dadurch verlängern, indem Sie jetzt schon meine Rede halten – das ist auch mal ein interessanter Punkt –, sowohl aus der alten Rede als auch aktuell. – Ja! Vor einem Jahr haben wir schon einmal über Ihren Antrag hier im Plenum gesprochen. Ich habe damals darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir den Flughafen Tegel nicht rechtzeitig schließen können, wegen fehlender Schallschutzmaßnahmen ein massives Problem haben.

Ich habe davon nichts zurückzunehmen. Ja, es sind 300 000 Betroffene in Reinickendorf, in Pankow und in Spandau, die dann Schallschutzmaßnahmen benötigen. Da ist ja einiges in den Siebziger-, Achtzigerjahren schon mal gemacht worden. Das haut nach den heutigen Kriterien überhaupt nicht mehr hin, und da muss man dann auch mal offen und ehrlich sein und sagen, was das bedeuten würde: Das würde bedeuten, dass man in einer Größenordnung, bezogen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum BER, etwa 7 bis 8 Milliarden Euro brauchte. Für die Summe kann man wahrscheinlich zweimal den Flughafen in Sperenberg neu bauen. Das ist die Realität.

[Beifall bei den PIRATEN]

Aber weil das so ist, ist unser Ziel, dass der Flughafen Tegel geschlossen wird. Das sind wir übrigens den Anwohnerinnen und Anwohnern schuldig, und es gibt für uns dazu gar keine Alternative. Deshalb ist das oberste Ziel, den BER fertig zu bauen und uns nicht damit aufzuhalten, indem wir uns jetzt und heute, im April 2016, über Schallschutzmaßnahmen in Tegel unterhalten, wo die feste Absicht ist, den Flughafen Tegel zu schließen.

Ich sage auch etwas zum Zeitpunkt: Wir reden über den Zeitpunkt – auch das ist schon mal angesprochen worden – 2019, wo Sie diese Schallschutzmaßnahmen benötigen und dann natürlich 2019 anfangen über viele, viele Jahre, wo das entsprechend erstellt werden muss. Wie kompliziert das ist, sehen Sie auch aktuell in Schönefeld. Deshalb sage ich auch mal ganz deutlich: Wir können uns das gar nicht leisten, hier Geld, Material und Mitarbeiterstunden zur Herstellung weiterer Schallschutzmaßnahmen zu binden, denn unser Ziel ist, Tegel zu schließen.

Ich sage Ihnen auch als zuständiger Wahlkreisabgeordneter: Ich denke gar nicht daran, in irgendeiner Art und Weise nachzulassen, dass der Flughafen Tegel geschlossen wird! Denn die Zustände dort an dem Flughafen sind unhaltbar. Es gibt zwar einen CDU-Bundestagsabgeordneten, der gern von diesem Flughafen fliegt – der Kollege Steffel – und deshalb immer fordert, dass man den offenhält, aber das ist eine Minderheitsposition, die von der CDU-Fraktion nicht getragen wird. Deshalb: Lassen Sie uns positiv an die Sache herangehen! Gehen Sie davon

(Andreas Baum)

aus, dass wir durch Horrorszenarien die Mitbürgerinnen und Mitbürger dort nicht verstören wollen, sondern unser Ziel ist, diesen Flughafen BER so bald wie möglich zu eröffnen.

Ich gehe weiterhin davon aus: ’16 fertigbauen, ’17 fliegen – so, wie das der Regierende Bürgermeister gesagt hat. Ich weiß, die Zeitungen spekulieren täglich darüber. Es gibt aktuelle Debatten auch wieder über das Eisenbahnbundesamt, auch mit Szenarien, die ich fassungslos ansehe: Wenn fünf Züge gleichzeitig mit 100 Sachen da in den Bahnhof einfahren sollen, was man dann alles berechnen soll. Das wird auch langsam immer absurder. Aber gemeinsam sollte sich das Parlament dafür einsetzen, dass der BER fertig wird, und zwar rechtzeitig, und dass wir anschließend Tegel wie versprochen schließen. Die Leute warten lange genug. Auch heute haben sie jede Nacht um 2 Uhr und um 4 Uhr die Postflüge. – Helfen Sie mit, dass Tegel geschlossen wird, und reden Sie nicht über Schallschutzmaßnahmen, die wir dann nicht brauchen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Moritz das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Ziele für das Flughafengelände in Tegel hat meine Fraktionsvorsitzende ja vorhin deutlich gemacht. Damit ist klar: Wir wollen Tegel schließen, und so schnell wie möglich. Auch die Wiederbelebungsaktionen einer Kleinstpartei, wie meine Fraktionsvorsitzende vorhin sagte, werden nicht zum Weiterbetrieb von Tegel führen. Aber dafür sorgt allein das Unvermögen der Flughafengesellschaft und ihrer Führung, den BER funktionstüchtig fertigzustellen. Inzwischen – das wurde eben auch schon gesagt – geht auch der Aufsichtsratsvorsitzende davon aus, dass die Eröffnung durchaus im Januar 2018 erfolgen könnte. Damit könnte der Flugbetrieb in Tegel bis zum Juli 2018 möglich sein. Sehr wahrscheinlich wird die BER-Eröffnung noch sehr viel später erfolgen; mittlerweile wird ja von 2019 gesprochen, und wenn tatsächlich Umbaumaßnahmen zwischen dem Bahnhof und dem Terminal notwendig werden, ist 2019 auch gar nicht so unrealistisch.

Aber zum Antrag: Er hat das Ziel, die TegelAnwohnerinnen und -Anwohner besser vor Fluglärm zu schützen. Das ist auch das Ziel von Bündnis 90/Die Grünen, denn Fluglärm macht krank.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Tegel-Anwohnerinnen und -Anwohner hatten bis zum Mai 2012 die Hoffnung, dass sie den Fluglärm danach endlich los sind. Sie sehen sich schwer getäuscht, denn der Fluglärm in der Umgebung von Tegel hat nicht ab-, sondern zugenommen. Ich denke, diese Tatsache ist unstrittig, denn selbst die Flughafengesellschaft hat 2014 bestätigt, dass der Dauerschallpegel tagsüber und noch deutlicher nachts gestiegen ist. Inzwischen haben die Flugbewegungen nochmals zugenommen. Wir haben heute von den gestiegenen Nachtflugbewegungen in den Zeitungen lesen können.

Wir wollen Tegel endlich schließen und hatten dafür ebenfalls einen Antrag gestellt. Der befindet sich noch im Geschäftsgang. Wir fordern darin den Senat auf, endlich neue Lärmschutzbereiche nach den Vorgaben des Fluglärmgesetzes festzusetzen. Davon ist im Piratenantrag leider keine Rede. Diese Lärmschutzbereiche sind die Voraussetzung, um überhaupt Kosten- und Umsetzungspläne erstellen zu können. Die Finanzierung und Umsetzung ist übrigens – wie am BER – Aufgabe der Flughafengesellschaft, nicht des Landes Berlin. Das Land Berlin hat allerdings die Aufgabe, die Festsetzung der Lärmschutzbereiche durchzuführen. Diese Regelung ist in § 4 Abs. 7 Fluglärmgesetz, wonach Flughäfen, die innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden, keine neuen Lärmschutzbereiche ausweisen müssen, enthalten. Sie kann mittlerweile für den Flughafen Tegel gar nicht mehr gelten. Wenn selbst der Aufsichtsratsvorsitzende und Regierende Bürgermeister davon ausgeht, dass der BER erst 2018 eröffnet wird und erst danach Tegel geschlossen werden kann, ist vollkommen klar, dass diese Zehnjahresfrist lange überschritten sein wird, bis Tegel geschlossen ist. Das bedeutet, diese Ausnahmeregelung greift nicht mehr.

Mit der Erarbeitung und Festsetzung der Lärmschutzbereiche für Tegel muss unmittelbar begonnen werden. Der Senat sollte jetzt seiner Verantwortung aufgrund des Fluglärmgesetzes nachkommen und nicht erst warten, bis er von Gerichten dazu gezwungen wird. Die bisherige Rechtsauffassung des Senats, Herr Stroedter hat es vorhin gesagt, von 2019 ist unter diesen Umständen überhaupt nicht mehr haltbar. Außerdem hat der Senat für seine Bürger und Bürgerinnen eine Fürsorgepflicht, der er endlich nachkommen sollte. Die Fürsorgepflicht sollte er im Übrigen auch für die vom BER Betroffenen deutlich ernster nehmen.

Wir stimmen zwar dem Grundanliegen des Piratenantrags zu, aber in der vorliegenden Form ist er nicht zielführend. Deshalb werden wir uns enthalten. Gleichwohl ist der Senat jetzt aufgefordert, neue Lärmschutzbereiche festzusetzen. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN]

(Jörg Stroedter)

Vielen Dank, Herr Moritz! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Brauner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Tegel und die Belastung der Anwohner ist wichtig. Für uns ist in dieser Situation ganz klar, dass wir die höchste Priorität darauf legen, dass der Flughafen in Schönefeld eröffnet wird. Das ist der effektivste und dauerhafteste Lärmschutz. In der Zwischenzeit muss man versuchen, Verkehre nach Schönefeld zu verlegen, um hier Entlastung zu bringen. Auch das ist angegangen worden. Das sind alles Themen, die miteinander zusammenhängen. Glauben Sie mir, es gibt ganz viele Anwohner, die würden sich sehr gern vom Flughafen verabschieden. Das aktuelle Volksbegehren ist ein Stück weit Augenwischerei und entspricht nicht dem, was die Menschen in dieser Stadt und vor allem die rund 300 000 Anwohner wollen und zu Recht einfordern.

Für uns ist wichtig, dass wir unsere Aufmerksamkeit darauf legen, dass der Flughafen fertiggestellt wird. Wenn man sich das Gesetz ansieht, dann ist es so, dass wir in dem Passus eine Zehnjahresfrist und das Thema Schließungsverfahren haben. Wie bekannt ist, ist Tegel ein geschlossener Flughafen mit einem beklagten Schließungsbescheid, und der Flughafen wird nur noch weiterbetrieben, bis der BER eröffnet ist.

[Harald Moritz (GRÜNE): Das ist aber schwebend unwirksam!]