Protokoll der Sitzung vom 28.04.2016

[Harald Moritz (GRÜNE): Das ist aber schwebend unwirksam!]

Nein, nicht schwebend unwirksam, das ist Voraussetzung für den Planfeststellungsbeschluss gewesen und insofern die Antwort auf das Volksbegehren. Wenn man ganz formal wird, dürfte der Flughafen dann schon mal nicht mehr am Netz sein, sondern wird nur noch weiterbetrieben und ist geduldet. Das ist die Situation in Tegel.

Für uns ist wichtig, dass wir das, was die Anwohner betrifft, so gut wie möglich handeln. Gleichwohl wissen wir um die Gesamtsituation. Jetzt aber Kraft, Energie und finanzielle Ressourcen dafür einzusetzen und Untersuchungen für Lärmbereiche zu machen, die den Anwohnern gar nichts bringen, das halte ich persönlich auch für Augenwischerei und nicht ehrlich in der Debatte. Das muss man so sagen.

[Beifall von Roman Simon (CDU)]

Wir streuen den Menschen Sand in die Augen, wenn wir jetzt anfangen und suggerieren würden, es passiere etwas. Ganz im Gegenteil: Es muss alles darangesetzt werden, dass der BER 2016/2017 fertiggestellt ist und ans Netz geht. Das ist die ehrlichere Variante als jetzt zu sagen, wir reden über Schallschutzfenster, die dann doch nie kommen werden. Das ist nicht ehrlich an der Stelle. Es ist

viel wichtiger zu sagen: Wir konzentrieren uns auf die Fertigstellung und konzentrieren uns darauf, welche Luftverkehre wir von Tegel nach Schönefeld verlegen können. Das ist die richtigere Variante anstatt zu sagen, wir machen einen Antrag, der nur für die Kulisse geschrieben ist. Ich glaube, das ist nicht ehrlich, und insofern werden wir dem auch nicht zustimmen.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Brauner! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Harald Wolf – bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns hier im Haus alle darüber einig, dass der beste Lärmschutz für Tegel die Fertigstellung des BER wäre. Nur die Realität – wir haben es gerade heute wieder gehört – ist, dass es momentan keinen gesicherten Fertigstellungstermin für den BER gibt. Damit laufen wir in ein rechtliches und dadurch auch finanzielles Risiko. Man kann sich jetzt darüber streiten – der Streit wird ab dem 1. Januar 2017 sicherlich vor Gericht ausgetragen werden –, ob der 1. Januar 2017 der Stichtag ist, mit dem die Übergangsregel für Tegel ausläuft, oder ob es der 1. Januar 2019 ist. Die Frage aber, ob vonseiten des Senats und vonseiten des Landes etwas unternommen wird, zum Beispiel die entsprechenden Untersuchungen für die Ausweisung von Lärmschutzbereichen oder die Neufestlegung von Lärmschutzbereichen vorzunehmen, sollte so beantwortet werden, dass man damit jetzt beginnen werde, was aus meiner Sicht die Rechtssicherheit für das Land Berlin erhöhen würde.

Ich rede nicht davon, dass man die vom Kollegen Stroedter genannten Milliarden Euro in die Hand nimmt, um Schallschutz zu installieren. Wir reden auch nicht darüber, dass Maßnahmen umgesetzt werden, die den Einwohnern von Tegel, von Pankow und darüber hinaus wirklich bei der Lärmminderung helfen, denn so schnell werden die nicht umgesetzt und auch nicht umgesetzt werden können. Es geht aus meiner Sicht allein um die Frage: Schafft man größere Rechtssicherheit für das Land und reduziert man das Prozessrisiko und damit auch mögliche Kosten, die anfallen könnten.

Deshalb lautet mein Plädoyer, in Maßen und schrittweise mit vorbereitenden Untersuchungen zu beginnen und ansonsten energisch an der Fertigstellung des BER zu arbeiten, damit der BER möglichst schnell ans Netz gehen kann und die versprochene Entlastung vom Fluglärm in Tegel und im Berliner Norden endlich Wirklichkeit wird. Das ist der entscheidende Punkt. Aber die Frage, wie man das rechtliche Risiko minimieren kann und dass man sich nicht nach dem 1. Januar 2017 ellenlang vor Gerichten mit Bürgern und Bürgerinitiativen darüber

streiten muss, die halte ich für entscheidend, nachdem heute wieder erklärt worden ist, dass wir keinen definitiven Fertigstellungstermin für den Flughafen BER haben und dass das damit bis weit in das Jahr 2018 hinein

[Stefan Evers (CDU): Vier Wochen später!]

oder bis 2019 hinauslaufen kann, wodurch das Prozessrisiko immer größer wird. Deshalb mein Plädoyer, mit vorbereitenden Untersuchungen zu beginnen, denn dann hat man vor Gericht auch bessere Chancen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag Drucksache 17/2092 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen Linke und Piraten bei Enthaltung Grüne – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist die Piratenfraktion, die Linksfraktion. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der SPD, die CDU-Fraktion. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich komme zur

lfd. Nr. 9:

Baunutzungsplan ersetzen – Bürgerbeteiligung stärken, Investoren in die Pflicht nehmen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 16. März 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 13. April 2016 Drucksache 17/2838

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2499

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, es wird ein bisschen kompliziert. Der Baunutzungsplan ist ein komplexes Thema. Deshalb will ich hier am Anfang sagen: Er ist 1958 aufgestellt worden. Beschlossen wurde er 1960 vom Senat. Und er gilt nur für den Westteil der Stadt. Bei der Gelegenheit ist ein Blick in die Verfassung von Berlin ratsam, konkret Artikel 65. Ich zitiere:

Parallel zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Berlin sollen Rechtsvorschriften, die bisher nur in Teilen des Landes Berlin galten,

durch Rechtsvorschriften ersetzt werden, die im ganzen Land gelten.

Der Baunutzungsplan hat als Bebauungsplan Gesetzescharakter, und insofern greift der Artikel 65.

Aber es geht aktuell um diverse inhaltliche Konflikte mit diesem Plan, die an der Kleingartenkolonie Oeynhausen in Wilmersdorf mehr als deutlich geworden sind. Im Baunutzungsplan ist das nämlich eine Baufläche, in diversen Flächennutzungsplänen seit Ende der Siebzigerjahre aber Grün. Der erfolgreiche Bürgerentscheid von 2011 wurde nicht umgesetzt, weil der Bezirk es nicht vermocht oder gewollt hat, den Baunutzungsplan durch neues Baurecht abzulösen. Fakt ist: Solange der Baunutzungsplan mit anderen Planungszielen des Landes kollidiert, besteht Handlungsbedarf – und das schon seit sehr langer Zeit.

Das Fortbestehen des Baunutzungsplans führt zu rechtlichen Komplikationen. Es stellt sich die Frage, ob durch Planänderung Ansprüche auf Schadenersatz ausgelöst werden. Wann wäre der Stichtag zum Beginn der sogenannten Siebenjahresfrist, nach deren Ablauf kein Anspruch darauf mehr besteht? Wann war dieser Tag für Oeynhausen? Mit dem Beschluss 1960? In den Achtzigerjahren? Mit dem letzten Flächennutzungsplan in WestBerlin 1984? Oder erst mit dem Erschließungsangebot des Investors von 2011? – Zu dieser Frage gab es unterschiedliche Rechtsgutachten. Die einen sagten, die Frist sei längst verstrichen; die anderen sagten, sie habe gerade erst begonnen. Wir wollen auch deshalb rechtliche Klarheit und fordern, dass auf der Grundlage des Flächennutzungsplans wenn nötig neue Bebauungspläne aufgestellt werden.

Ein weiteres Problem: In Gebieten des Baunutzungsplans ist die Errichtung von Gebäuden, die nicht Sonderbauten sind, genehmigungsfrei. Nach § 62 – neu – oder § 63 – geltende Bauordnung – gilt:

Eine bauliche Anlage, die kein Sonderbau ist, bedarf keiner Genehmigung und ist genehmigungsfrei gestellt, wenn das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und den Festsetzungen nicht widerspricht oder die erforderlichen Befreiungen erteilt worden sind.

Der Baunutzungsplan ist also aktueller denn je, weil er nicht einmal ein Genehmigungsverfahren nach sich zieht. Das verhindert im Übrigen politische Kontrolle und öffentliche Beteiligung an der Stadtentwicklung, und deshalb wollen wir den Baunutzungsplan aufheben.

[Beifall bei der LINKEN]

Vielleicht noch ein Argument: Ohne einen neuen Bebauungsplan kann auch das Modell der kooperativen Baulandentwicklung nicht zur Anwendung kommen. Ein Anteil von Sozialwohnungen kann nicht durchgesetzt werden, ebenso wenig die Mitfinanzierung der sozialen

(Harald Wolf)

Infrastruktur. Das Gerede von der gemischten Stadt ist an der Stelle Makulatur.

Das Fortbestehen des Baunutzungsplans verursacht ökologische Konflikte. Die mögliche Verdichtung steht teilweise im Widerspruch zu übergeordneten Planungsabsichten, und das ohne den erforderlichen ökologischen Ausgleich.

Zusammengefasst: Baunutzungsplan und Planungskultur passen nicht zusammen. Ein Uralt-Planungswille ist Grundlage für eine bald 60 Jahre später erfolgende städtebauliche Entwicklung ohne die geringste Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Senat hat in der Beantwortung meiner Anfrage eingeräumt, dass Befreiungen von diesem Plan erteilt wurden, mit Überschreitungen der zulässigen Bebauungsdichte um bis zu 100 Prozent. Grundzüge der Planung sind dann nicht nur berührt, sie werden schlicht negiert. Der Baunutzungsplan ist nur noch Staffage. Er täuscht einen Bebauungsplan vor, den es in Wirklichkeit nicht gibt. Ohne Bürgerbeteiligung sind der willkürlichen Aushandlung von Investoren und Bezirksämtern hier Tür und Tor geöffnet. Auch an den Flächennutzungsplan fühlt sich dann keiner gebunden, denn der ist ja nachrangig. Beispiele gibt es in vielen Bezirken – von Charlottenburg-Wilmersdorf über Tempelhof-Schöneberg bis Friedrichshain-Kreuzberg. Zu hören ist von „kompensatorischen Maßnahmen für Verwaltungsermessen“. Sie können sich jetzt da bitte selbst darunter vorstellen, was das sein könnte.

Um es klarzustellen: Wir möchten den Baunutzungsplan nicht ersatzlos außer Kraft setzen. Wir wollen aktuelle Bebauungspläne. Der Senat sagt selbst: Nach fast 60 Jahren seiner Geltung bildet dieser Plan kein einheitliches Ganzes mehr ab. Seine Planungsprinzipien sind weitgehend nicht mehr Maßstab für die städtebauliche Entwicklung.

Uns ist klar, das ist kein schnelles Projekt. Aber wann wollen wir denn anfangen? Wenn wir heute ein Datum der Ablösung beschließen und den Senat zu den notwendigen Schritten auffordern, dann können Bezirke und Abgeordnetenhaus rechtzeitig die neuen B-Pläne auf den Weg bringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Haußdörfer. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie besprochen, der Baunutzungsplan gilt seit 1958 im Westteil unserer Stadt. Und man kann, glaube ich, schon sehen, dass die vollständige Willkür und die

Allmacht des privaten Kapitals sicherlich das eine oder andere Lehrbeispiel gebracht, aber sicherlich nicht die Stadt in den Ruin getrieben haben. Dennoch hat sich seit 1958 baulich und planungstechnisch einiges geändert. Und weil der Baunutzungsplan nun eben kein einheitliches Ganzes mehr abbildet, fordert die Fraktion Die Linke, ihn zu ersetzen.

Doch was würde das eigentlich bedeuten, wenn wir den Baunutzungsplan zum 1. Januar 2018 aufheben? – Das würde auf jeden Fall groß angelegte Planungsprozesse mit sich bringen, denn der Senat soll ja auf Grundlage der Flächennutzungspläne Bebauungspläne aufstellen, und die Bezirke sollten innerhalb von zwei Jahren mindestens Aufstellungsbeschlüsse festlegen. Ich gebe ehrlich zu, bei dem einen oder anderen Bauprojekt wünschte ich mir so eine Verpflichtung, innerhalb von zwei Jahren dieses und jenes zu tun. Aber dennoch wäre der allumfassende Planungsaufwand nur mit einem enormen finanziellen und personellen Aufwand zu stemmen. Ich bin mir auch sicher, dass die Senatsverwaltung zu diesem Zeitpunkt in diesem Bereich dazu nicht in der Lage ist. Und erst recht bezweifle ich dies bei dem einen oder anderen Bezirk.

Hinzu kommt eben auch noch der finanzielle Aufwand. Der Antrag fordert, die Mittel für nötige Grundstücksankäufe und die Planungsleistungen bereitzustellen. Die Mittel für das zusätzliche Personal sollten wir hingegen auch nicht vergessen.

Die Floskel zu mehr Bürgerbeteiligung über das gesetzliche Maß hinaus würde mit einer Aufhebung des Baunutzungsplans im Übrigen auch nicht eintreten. Nach der Aufhebung käme verstärkt der § 34 zum Zuge, und das – das wissen wir durch das eine oder andere Beispiel – muss nicht besser sein. Abgesehen davon erforderten weitere Ausführungen auch Verbindlichkeiten für alle Bezirke und erst recht neue gesetzliche Regelungen.

Mit der Forderung, die Investoren in die Pflicht zu nehmen, suggerieren Sie, dass hier in Berlin jeder Bauherr machen könne, was er wolle, und dem Senat und den Bezirken alles egal sei. Ich glaube, wir können festhalten: Das ist mitnichten der Fall. Im Gegenteil, kooperative Baulandentwicklung findet statt. Eine Bindung von 25 bis 30 Prozent bezahlbarem Wohnraum ist verhältnismäßig; sicherlich in der Bewertung für den einen oder anderen zu wenig, vielleicht für manchen auch etwas zu viel. Aber dennoch halten wir dieses für verhältnismäßig und angemessen. Aufwendungen für soziale Infrastruktur werden bereits anteilig durch den Bauherrn übernommen. Das ist schon gängige Praxis. Natürlich wird dies auch oft vonseiten der Bauherren beklagt. Aber das halten wir aus!

Im Ausschuss waren wir uns fraktionsübergreifend einig, dass einige Denkansätze durchaus richtig und auch weiterzuverfolgen sind, aber dass die Forderungen des Antrags über das Ziel hinausschießen. Wir werden dem

(Katrin Lompscher)

Antrag deshalb hier heute so nicht zustimmen können. – Herzlichen Dank!