Vielen Dank, Frau Haußdörfer! – Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat das Wort der Herr Abgeordnete Otto. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Baunutzungsplan ist letztendlich ein Relikt Westberliner Stadtplanung und Stadtentwicklung. Wir sind 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, wir müssen den loswerden. Wir müssen ihn loswerden, weil er eine geordnete Entwicklung des im Moment wachsenden Berlin nicht ermöglicht, sondern behindert. Deshalb ist diese Initiative richtig. Ich kann Sie kurz daran erinnern, dass auch wir als Bündnis 90/Die Grünen bereits in der letzten Legislaturperiode einen solchen Anlauf genommen haben, nämlich zu sagen, der Baunutzungsplan muss durch einzelne Bebauungspläne für einzelne Quartiere ersetzt werden. Das kann man durch Textbebauungspläne oder dergleichen auch einfacher gestalten. Aber all das ermöglicht eine differenziertere Betrachtung und Entwicklung der einzelnen Ortsteile von Berlin. Das ist nötiger denn je.
Ich bin nach wie vor enttäuscht, dass es der amtierende Bausenator trotz vieler Ankündigungen nicht geschafft hat, eine Planungsoffensive für Berlin auf den Weg zu bringen. Wir brauchen eine B-Planoffensive, Herr Senator, in Ihrem Haus und in den Bezirken, damit die Orte, die Kieze mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, Infrastruktur usw. entwickelt werden können. Die hemdsärmelige Neubaupolitik, die sich im Wesentlichen darauf konzentriert, Zahlen in die Luft zu werfen, wie viele Tausend Wohnungen dieses und nächstes Jahr irgendwo entstehen sollen, reicht nicht. Wir brauchen klare Planung und Ziele, und dann muss es endlich losgehen, Herr Geisel, auch in Ihrem Haus.
Da kann man ruhig mal klatschen. – Insofern stehen wir dem Anliegen der Linken sehr offen gegenüber. Es muss aber wohl durchdacht sein, denn wenn man diesen Plan aufhebt, drohen auch einige Gefahren. Was ist mit Nutzungen, die unter dieser Überschrift Baunutzungsplan Bestandsschutz haben, wenn der Baunutzungsplan wegfällt? Da gibt es Nischennutzungen wie Bolzplätze und dergleichen. Das ist kleinteilig, aber man muss sich Gedanken machen, wie man die Überführung dieses veralteten Planungsinstruments in eine moderne Stadtplanung
macht. Dafür brauchen wir – da würde ich ausnahmsweise der Kollegin Haußdörfer recht geben – etwas länger. Wir müssen – das ist die Erwartung an den Senat – von Ihnen, Herr Senator, eine Liste der Bebauungspläne bekommen, die Sie dazu bereit sind aufzustellen. Zudem brauchen wir einen Zeitplan, wann das passiert und wann das losgeht. Das alles brauchen wir auch von den Bezirken. Und dann können wir – da ist ein Zeithorizont von einem Jahr sicherlich etwas knapp; vielleicht braucht man dazu zwei oder drei Jahre – schrittweise diesen alten Baunutzungsplan durch neu aufzustellende Bebauungspläne in den einzelnen Ortsteilen ersetzen. – Da brauchen Sie gar nicht den Kopf schütteln, Herr Brauner, das ist so. – Da muss man hin, damit wir eine differenzierte Planung machen können.
Dieser Baunutzungsplan ist eine Gleichmacherei aus einer Zeit, wo man es eilig hatte und wo man für differenzierte Planungen vielleicht nicht die Muße hatte. Das ist aber 25 Jahre nach 1990 anders. Das ist die Anforderung an den Senat – und wenn nicht an diesen, dann an den nächsten. Wir brauchen moderne Stadtplanung, und zwar als Offensive. Das ist die Anforderung. In dem Sinn sind wir sehr dafür, dass der Baunutzungsplan aufgehoben wird. Bezüglich des Antrags werden wir uns enthalten, aber wir bleiben dran. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Otto! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Evers. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lompscher! Sie werden verstehen, dass wir Ihrem Antrag, der in seinen Auswirkungen vor allem von der Immobilienlobby begrüßt würde, so nicht zustimmen werden. Warum das so ist, hat der Kollege Otto gerade schon ausgeführt. Wenn wir tatsächlich – angesichts der normativen Kraft des Faktischen, dass nämlich in den Bezirken und im Senat Bebauungspläne auch ein gutes Dutzend Jahre und länger liegen können, wie wir leidvoll erfahren haben – den Baunutzungsplan aufheben würden und innerhalb einer angemessenen Frist zur Aufstellung von Bebauungsplänen kämen, dann müssten wir reihenweise Bauten nach § 34 Baugesetzbuch genehmigen. Das würde bei dem einen oder anderen Feierlaune auslösen – komischerweise offenbar auch bei Ihnen –, aber jedenfalls nicht bei uns. Auf einem abstrakten Niveau, in einer idealen Welt, in der wir nicht allerorten mit Verwaltungskrise, unzureichender Personalausstattung und gewaltigen anderen städtebaulichen Herausforderungen in der Stadt, wie Wohnungsbau in neuen Größenordnungen und die Unterbringung von Flüchtlingen in einem Maß, wie wir es nie erwartet hätten, zu kämpfen hätten, könnten wir das gerne diskutieren, aber das ist nicht der Fall. So
richtig das Ziel sein mag, so unrealistisch ist es, innerhalb des von Ihnen gesetzten Rahmens ihm nur einen Schritt näherzukommen. Im Gegenteil: Sie würden die Situation lediglich verschlimmbessern bzw. drastisch verschlimmern.
Insofern wird es Sie nicht überraschen, dass auch wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden. Aus guten Gründen werden es auch die anderen Oppositionsfraktionen nicht tun. Ich empfehle Ihnen, noch einmal über die Wirkungen dessen, was Sie hier fordern, nachzudenken. Vielleicht nutzen Sie die letzten verbleibenden Sekunden, um das zurückzuziehen, denn es ist, sosehr das Ziel auch zu begrüßen ist, das falsche Mittel und wäre in seinen Auswirkungen dramatisch zum Nachteil unserer Stadt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Evers! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte!
Der Kollege Evers lässt mir keine andere Chance, als hier noch einmal ein paar Dinge klarzustellen. Wir haben nicht vorgeschlagen, einen Baunutzungsplan aufzuheben und ihn durch nichts zu ersetzen.
Genehmigungen nach § 34 können nicht weniger verheerend sein als derzeitig erteilte Genehmigungen nach dem Baunutzungsplan. Ich habe vorhin dargestellt, dass es Usus ist und es nicht nur im Bezirk CharlottenburgWilmersdorf zahlreiche Beispiele dafür gibt, dass Genehmigungen erteilt werden, die die Regelungen dieses Plans bei Weitem sprengen oder sogar konterkarieren. Vor diesem Hintergrund wollen Sie im Ernst sagen, dass es sinnvoll ist, diesen Plan nicht aufzuheben? Das leuchtet mir nicht ein. Aber da wir diese Diskussion vermutlich in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen, werde ich es dabei belassen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Herr Evers, Sie verzichten darauf zu replizieren. – Dann hat jetzt das Wort für die Piratenfraktion der Herr Abgeordnete Prieß. – Bitte!
Vielen Dank Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Liebe Gäste, sofern Sie noch da sind! Wir haben im Grunde die Argumente, die ich jetzt vorbringe, schon gehört. Der Baunutzungsplan von 1958 bis 1960 ist sicherlich veraltet, und er gibt die heutigen Anforderungen an die Bauleitplanung einfach nicht mehr
korrekt wieder. Das ist unbestritten. Die Genehmigungspraxis in den Bezirken, Abweichungen vom Baunutzungsplan zuzulassen, ohne dabei die Bürger und die Träger öffentlicher Belange zu beteiligen, sehen auch wir als Piraten kritisch. Aber dennoch halten wir den in dem Antrag eingeschlagenen Weg, den Baunutzungsplan einfach aufzuheben, für falsch, weil er die Probleme unserer Auffassung nach keinesfalls löst.
Der eingeschlagene Weg wird aus unserer Sicht aus drei Gründen nicht zum Erfolg führen. Erstens: Was bekommen wir, wenn der Baunutzungsplan aufgehoben wird? – Es wurde schon ausgeführt: Viele künftige Bauvorhaben werden dann einfach nach § 34 Baugesetzbuch genehmigt, wenn sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Die Genehmigungspraxis in Berlin, vor allem im Ostteil der Stadt, zeigt aber, dass eine Baugenehmigung auf diesem Weg recht leicht zu bekommen ist. Eine Bürgerbeteiligung oder eine Mitwirkung der Träger öffentlicher Belange sind hier ebenfalls nicht vorgesehen.
Zweitens: Die Aufstellung neuer Bebauungspläne, die der Antrag der Linksfraktion den Bezirken abverlangen will, ist auch jetzt schon möglich. Neue Planungsabsichten können in B-Plänen festgesetzt werden, die den überkommenen Bauleitplan überplanen. Das Verfahren ist zeitaufwendig und arbeitsintensiv, aber es wird auch heute schon vorgenommen, wenn man mit dem Bauleitplan nicht weiterkommt. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen findet dann statt. Die Bezirksämter sind zumeist mit den bearbeiteten B-Plänen sehr gut ausgelastet. Freie Kapazitäten für eine große B-Planoffensive – vor allem in den westlichen Bezirken – kann ich nicht erkennen.
Und ein drittes Problem: Der Baunutzungsplan ist ein Element der Bauleitplanung. Nach § 1 Baugesetzbuch gelten für die Aufhebung der Bauleitplanung die gleichen Bedingungen wie für die Aufstellung oder die Änderung. Das heißt, für die im Antrag geforderte Aufhebung müssten die Schritte der Öffentlichkeitsbeteiligung und Einbindung der Träger öffentlicher Belange durchgeführt werden wie bei einem B-Planverfahren, und das bei einem Bauleitplan, der große Bereiche der westlichen Stadt betrifft. Allein diese Beteiligungsverfahren würden nach unserer Auffassung die Kapazitäten der Bauverwaltung auf längere Zeit völlig überlasten.
Das kann natürlich nicht Ziel dieses Antrags sein, auch wenn uns die Intention, die dahintersteht, durchaus sympathisch ist. Man muss dabei aber beachten, dass man bei einer solchen Aufhebung von Bauleitplänen den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun kann. Deswegen muss erst die Aufstellung neuer Bebauungspläne und neuer Pläne erfolgen. Erst dann kann der überkommene Bauleitplan aufgehoben werden. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Prieß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/2499 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Linke bei Enthaltung Grüne und Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Die Linke. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. – Dann ist dieser Antrag abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 10 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nr. 3.1. Der Tagesordnungspunkt 11 steht auf der Konsensliste.
zur Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Hauptausschuss hat der Vorlage mehrheitlich gegen Grüne bei Enthaltung Linke zugestimmt.
Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU, die Piratenfraktion, die Linksfraktion. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen?
Bahnflächen für verkehrliche Nutzungen sichern und freigestellte Bahnflächen für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung nutzen
Ich stelle einmal klar, weil es hier kurz Verwirrung gab. Zum Tagesordnungspunkt 11 A wollte die Fraktion Die Linke mit Nein stimmen. Da gab es Verwirrung. Deshalb sage ich das gleich.
Jetzt komme ich aber zum Tagesordnungspunkt Bahnflächen. Ich bin gespannt. Es ist schön, dass wir einmal so ausführlich über Stadtentwicklung reden können. Ich bin auf Ihre Argumente zu unserem folgenden Antrag gespannt.
Berlin ist durch die Eisenbahn im Wortsinn groß geworden, und auch mit Abstrichen bestimmt die Bahnstruktur die Stadtstruktur noch heute. Sie nimmt in unserer Stadt erhebliche Flächen ein. Wir werben daher für eine sachliche Auseinandersetzung mit unserem Antrag, weil Flächen in Berlin eben begrenzt und zunehmend unter Druck sind. Bahnflächen stellen ein erhebliches Potenzial für die Stadtentwicklung dar, für einen nachhaltigen Verkehr genauso wie für Grünvernetzung und auch als Bauflächen für Infrastruktur oder Wohnen.
Der Senat weiß aber wenig über Bahnflächen. Er hat keinen Überblick über verkaufte Bahnflächen, obwohl der Ausverkauf von Bahnflächen, also ehemaligen öffentlichen Vermögens in Größenordnungen stattfindet. Sogenannte nichtbetriebsnotwendige Flächen wurden vom Bund schon vor Jahren privatisiert und finden sich jetzt bei illustren Projektträgern wie CA Immo, Groth-Gruppe und Krieger mit diversen bekannten Konflikten. Die bundeseigene Bahntochter DB Immobilien hat in Berlin in den letzten zehn Jahren zusätzlich sage und schreibe 1,6 Millionen Quadratmeter Fläche verkauft. In den kommenden Jahren sollen weitere 1,2 Millionen Quadratmeter hinzukommen.
Die Bahn stimmt ihre Überlegungen zum Verkauf bislang aber nur in ausgewählten Einzelfällen mit Berlin ab. Im Konfliktfall steht Berlin nur der Klageweg offen. Welche Bahnflächen bzw. welche Grundstücke dies bislang gewesen sind oder sein werden, also diejenigen, die zum Verkauf stehen oder verkauft worden sind, dazu gibt es nur Angaben zu Flurstücken und Kilometern, die kein Mensch verorten und verstehen kann.