Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

lfd. Nr. 23:

Autobahnprivatisierung verhindern

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0331

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Für die Fraktion hat der Abgeordnete Buchholz das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben heute als Koalition einen Antrag eingereicht, bei dem wir um Sofortabstimmung bitten, denn es geht um ein sehr dringendes, eiliges Thema, bei dem sich das Bundesland Berlin zum Beispiel auch im Bundesrat verhalten kann, verhalten muss. Wir erleben gerade auf der Bundesebene, dass die CSU gegen alle wirtschaftliche und verkehrspolitische Vernunft die Maut für die Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt hat. Wir erleben zweitens, dass CDU und CSU gerade gemeinsam versuchen, die Privatisierung der deutschen Autobahnen durchzusetzen. Wir sagen es in einem Satz: Wir halten davon gar nichts, die Autobahnprivatisierung wollen wir verhindern.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es gab und gibt immer wieder die Illusion – es gab sie in den Neunzigerjahren, in den Zweitausenderjahren –, Private können so vieles so viel besser, zum Beispiel alles billiger machen. Wir haben in Berlin ganz konkrete Erfahrungen mit teilstaatlichen Modellen, mit öffentlichprivater Partnerschaft – die berühmten ÖPP-Modelle. Aber wie sind denn die Erfahrungen, meine Damen, meine Herren? Sie sind schlecht. Wir haben zum Beispiel bei der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe erlebt, was für ein Konstrukt – um nicht zu sagen, Vertragsmonster – wir geschaffen haben. Die Privaten haben tatsächlich regelmäßig sehr viel daran verdient. Und was ist letztlich aus dem Unternehmen geworden? Es sind massiv Arbeitsplätze abgebaut worden. Nachdem die Schonfrist abgelaufen war, sind die Preise massiv erhöht worden. Erst jetzt nach der Rekommunalisierung der Wasserbetriebe konnten wir sie deutlich senken, und wir mussten sie senken. Es gab dazu ja auch einen Hinweis vom Kartellamt. Wir sehen aber: Das war alles, aber kein Erfolgsmodell.

Es gab und gibt immer wieder die Diskussion: Geht es bei der Sanierung von Gebäuden und anderem nicht mit den Privaten besser? – Dabei muss man sich aber über eines im Klaren sein, das sagen auch die Rechnungshöfe

(Bernd Schlömer)

des Landes und des Bundes sehr einhellig: Oftmals werden öffentlich-private Partnerschaften nur aus einem Grund eingegangen, nämlich weil man letztlich ein Finanzierungsmodell schaffen will. Dann muss man aber anerkennen – und da sind unsere Haushaltspolitikerinnen und Haushaltspolitiker auch sehr hart hinterher –, oftmals ist das eine Illusion. Es geht darum, entweder einen Schattenhaushalt zu schaffen, damit man teilprivat finanzieren kann.

[Heiko Melzer (CDU): Zum Glück geht staatliches Bauen schnell bei Flughäfen!]

Kollege Melzer! – Das ist das eine, was man merkt.

[Heiko Melzer (CDU): Momentan müssen wir den Bau eines Flughafens finanzieren!]

Oder es geht schlicht darum, die Beteiligungsmöglichkeiten – die die Landtage und der Bundestag haben müssen, wenn es um öffentliches Eigentum, wenn es um einen Teil der Daseinsvorsorge geht – aushebeln zu wollen, weil man eine private Trägerschaft hat oder weil man nachher vielleicht sogar eine Aktiengesellschaft hat. – Sie können ja einmal bei Ihren Kollegen im Bundestag nachfragen, welcher Einfluss noch auf die Deutsche Bahn besteht. Viel Spaß beim Nachfragen! Da ist nicht mehr viel übriggeblieben.

Wir stellen darum in dem Antrag klar: Wir wollen keine Privatisierung von Autobahnen, weder von bestehenden – diese haben übrigens der Steuerzahler und die Steuerzahlerin schon einmal bezahlt; sie gehören der Öffentlichkeit, sie gehören der öffentlichen Hand –, noch wollen wir eine Privatisierung beim Bau und beim Betrieb von neuen Autobahnstrecken. Dafür gibt es Anfragen von Privaten, ob Versicherungsunternehmen, ob Bauunternehmen. Was erleben wir dann aber? Es geht ihnen auch darum, das wirtschaftliche Eigentum in ihren Büchern haben zu wollen. Das heißt dann auch, es wird sehr schwierig, mit einer öffentlichen Kontrolle über – eigentlich komplett – die staatliche Infrastruktur für dieses Land, nämlich unsere Autobahnen, wirklich gebieten zu können. Dann kommt wieder Herr Dobrindt mit seiner Maut ins Spiel. Was wird das Ende vom Lied sein? Teilprivatisierte oder ganz private Autobahnen, Teilabschnitte, wo Sie eine hübsche Maut zahlen sollen. Dann sollen alle, die die Autobahn benutzen, jedes Mal dafür blechen.

Ich bin übrigens an vielen Stellen für eine nutzerorientierte Bezahlung, aber das geht in der Bundesrepublik Deutschland am einfachsten über unsere Benzinpreise. Das ist viel einfacher als viele andere – –

Herr Buchholz! Ich muss Sie jetzt einmal kurz unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Gläser?

Bitte schön!

Herr Gläser, Sie haben das Wort.

Geschätzter Herr Kollege Buchholz! Vielen Dank für Ihren Vortrag ohne Punkt und Komma! Ich habe mit besonders großer Freude gehört, dass Sie die Mautpläne der Union kritisieren.

[Zuruf von der SPD: Frage!]

Teilen Sie meine Auffassung, dass die Parkraumgebühren in der Innenstadt – die von Ihrem Senat bedauerlicherweise auch immer weiter vorangetrieben werden, wobei die Parkzonen immer weiter ausgeweitet werden – auch eine Form der Maut sind, der Straßenbenutzungsgebühr?

[Katalin Gennburg (LINKE): Ach, komm!]

Die Frage könnten Sie sich eigentlich selbst beantworten, also dass eine Parkgebühr nicht das Gleiche ist wie eine Maut. Da sollten Sie vielleicht einfach noch einmal nachlesen, wo die Unterschiede liegen. Es ist, glaube ich, offensichtlich, dass das nicht deckungsgleich ist. Übrigens zahlt man die Parkgebühren in der Innenstadt dafür, dass man tatsächlich ein Stück weit öffentlichen Raum mit einem Fahrzeug belegt, und zwar ziemlich lang. Die meisten Fahrzeuge sind ja eher Stehzeuge, weil sie 23 Stunden am Tag auf irgendwelchen Parkplätzen stehen.

[Georg Pazderski (AfD): Wenn sie so lange über die Autobahn fahren würden!]

Das sollte man auch mitbedenken.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Florian Dörstelmann (SPD)]

Ich sehe, es blinkt noch ein Licht.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Melzer?

(Daniel Buchholz)

Bitte schön!

Herr Melzer! Sie haben das Wort.

Vielen Dank! – Die Parkgebührenfrage haben Sie jetzt für die SPD mit einem Ja zu Gebühren beantwortet. Ich möchte noch – –

Sind Sie denn dagegen? Sie haben die Parkgebühren nicht abgeschafft.

Darf ich zuerst meine Frage stellen?

Danke schön! – Ich möchte noch auf einen vorhergehenden Satz von Ihnen eingehen. Sie haben gesagt, die Finanzierung von Autobahnen und anderer Infrastruktur können Sie sich über Benzinpreise vorstellen. Nur damit wir allesamt wissen, was wir da zu erwarten haben: Was heißt das aus Ihrer Sicht für die Benzinpreise? Sind wir dann bei 5 Euro pro Liter?

[Oliver Friederici (CDU): Ich glaube, ja!]

Entschuldigung, Herr Melzer! Das Prinzip haben Sie aber, glaube ich, auch nicht verstanden. Momentan werden die Autobahnen steuerfinanziert gebaut, das heißt, aus dem großen Steuertopf. Dazu zählen natürlich auch die Benzinsteuer und andere Abgaben, die dafür verwandt werden. Das ist tatsächlich auch der vernünftigste Ansatz, weil dann jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler nach dem, was er schultern kann, seinen Beitrag an der öffentlichen Infrastruktur leistet.

[Heiko Melzer (CDU): Und dann werden die Steuern erhöht!]

Das gilt für Straßen, das gilt für die Feuerwehrautos, die wir beschaffen, das gilt für die Schulen, das gilt für die öffentliche Infrastruktur, für die Daseinsvorsorge. Da müssten Sie mir einmal erklären, ob sich die CDU jetzt davon verabschiedet hat. Ihre Frage suggeriert das ja ein bisschen. Ich glaube, wir haben das System besser verstanden. Ich bleibe dabei – und auch Ihre Nachfrage zeigt

das –, es gibt gute Gründe dafür, dass wir als Koalition deutlich von Berlin aus das Signal senden wollen: Die Autobahnprivatisierung ist großer Unsinn, –

Kommen Sie bitte trotzdem zum Ende Ihrer Rede?

Ja, gern! – und zwar egal, in welcher Rechtsform, mit welchen vermeintlichen Teiluntergesellschaften man diese Infrastrukturen dann benamst. Der einfachste und klarste Weg ist, diese Infrastruktur schlichtweg nicht zu gründen, sondern es in der Bundesrepublik Deutschland beim bewährten System zu belassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Friederici das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war nun wieder eine Rede aus der sozialdemokratischen Ideologieecke. Man kann sich wirklich nur wundern, wie schlimm es um die Berliner SPD steht, die nun wirklich überhaupt nicht mehr bundespolitisch reüssieren kann.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Wer im Glashaus sitzt …!]

Gestern haben CDU/CSU und SPD einen Kompromiss beim Finanzausgleich und den Beziehungen zwischen Bund und Ländern erzielt. Gestern hat auch die SPD einer Teilprivatisierung der Bundesautobahn zugestimmt, nämlich dem, eine Betriebsgesellschaft zu gründen, mit der man planen, bauen und auch die Bauabnahme schneller machen kann. All das haben auch die Sozialdemokraten gestern im Bund beschlossen. Es war große Einmütigkeit darüber – in diesem Paket –, dass die Sozialdemokraten das auch in der nächsten Wahlperiode anwenden wollen, wenn sie dann mit ihrem VielleichtOppositionsführer Martin Schulz im Bundestag traurig opponieren werden.

[Heiterkeit von Frank-Christian Hansel (AfD)]