Wie also ist vor diesem Hintergrund der Antrag der AfD einzuordnen? – Sie leugnen den Klimawandel, Sie sind für die Atomkraft und entdecken für sich nun den Naturschutz. Auch hier basieren Ihre Argumente nicht auf Tatsachen. Sie spielen leider mit der Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Hier schüren Sie die Angst, dass die bestehenden Steganlagen aus Gründen des Röhrichtschutzes mit einer Rückbauverfügung belegt werden. Diese Gefahr besteht allerdings nicht. Ich möchte in die
sem Zusammenhang auf § 67 BNatSchG verweisen, der Ausnahmen beim Röhrichtschutz zulässt. Das heißt, dass Ihre Argumente nicht richtig sind.
Eines muss man Ihnen allerdings lassen: Sie scheinen sich wirklich mit dem Thema Röhricht befasst zu haben. Zumindest stimmen die Zahlen, die Sie in Ihren Antrag geschrieben haben. Sie sagen, dass Berlin zwei Drittel seiner Röhrichtbestände bis 1990 verloren hat. Richtig. Von 1990 bis 2010 gab es einen Zuwachs von 23 Prozent, das ist auch richtig. Aber nun bitte ich Sie eindringlich, einmal nachzurechnen, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion. Wenn Sie beispielsweise bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus zwei Drittel Ihrer Stimmen verlieren und bei der darauf folgenden Wahl ein Wunder geschieht und Sie wieder 23 Prozent Stimmen mehr bekommen würden, dann würde sich Ihre Fraktion sehr deutlich verkleinern.
In absoluten Zahlen lässt sich das noch besser ausdrücken. Betrachtet man den Röhrichtbestand am Müggelsee über einen längeren Zeitraum, so erfährt man, dass 1953 insgesamt 11 000 m² Röhrichtfläche vorhanden waren, 2010 waren es nur noch 1 400 m². Sie sehen, wir haben die Natur an unseren Seen und Flüssen in den letzten Dekaden über alle Maßen zurückgedrängt. Erst seit wenigen Jahren beginnt sich die Natur wieder zu regenerieren. Dieser Regenerationsprozess ist bei den Röhrichtbeständen sehr wichtig, da sie wie Kläranlagen wirken, als Kinderstube für Fische und als Lebensraum für Insekten und manche Vogelarten, wie Sumpfrohrsänger oder Drosselrohrsänger, dienen.
Dort, wo die Entscheidungen zu treffen sind, bei denen der Naturschutz anscheinend im Gegensatz zu den Interessen einzelner Gruppen steht, darf der Naturschutz nicht als Drohkulisse aufgebaut werden. Es muss ein fairer Interessenausgleich geschaffen und klar kommuniziert werden, dass es sich bei Naturschutz nie um einen Selbstzweck handelt. Es wird fast immer im Interesse der Natur und eben auch der Menschen agiert. An wenigen Stellen können die Regelungen zum Röhrichtschutz noch praxistauglicher gemacht werden. Wir werden uns dazu im Ausschuss beraten. Das Streichen mehrerer wichtiger Paragrafen im Berliner Naturschutzgesetzt, so wie von der AfD-Fraktion gefordert, ist jedoch der völlig falsche Weg. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Dr. Susanne Kitschun (SPD)]
Vielen Dank, Dr. Altug! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, dann verfahren wir so.
In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Hier hat jetzt Herr Abgeordneter Luthe das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beginnen wir mit nüchternen Zahlen: Wir haben in Berlin nach dem Bericht unseres Verfassungsschutzes etwa 700 gewaltorientierte Rechtsextremisten. Wir haben nach dem gleichen Bericht 960 gewaltbereite Linksextremisten. Wir haben sukzessive in den letzten Jahren eine Vielzahl von schändlichen und das Zusammenleben massiv gefährdenden Taten erlebt.
Am 27. Juni 2011 wurde ein Brandanschlag auf das Kinder- und Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus der SJD – Die Falken in Neukölln verübt. Im Dezember 2016 ein Brandanschlag auf das Café K-Fetisch in Neukölln. Und in der Nacht zum 23. Januar vermutlich ebenfalls ein rechtsextremistischer Brandanschlag auf bekannte Neuköllner Gewerkschafter und einen Buchhändler, der dem linken Spektrum zugeordnet wird. Das ist zu verurteilen. Das haben wir hier an vielen Stellen bereits getan.
Am 3. März dieses Jahres hat es einen Brandanschlag auf sechs Fahrzeuge der Firma Securitas gegeben, am 21. April einen Anschlag auf fünf Autos vor der Firma Schiller Burger in der Herrfurthstraße und am 18. Juni einen Brandanschlag am S-Bahnhof Treptower Park und gleichzeitig auf viele weitere Bahnverbindungen und Bahnstationen in ganz Deutschland, zu denen sich jeweils linksextremistische Gruppen bekannt haben.
Wir haben insgesamt eine Atmosphäre, in der offensichtlich immer weiter, und zwar sowohl von der extremen Rechten wie von der extremen Linken systematisch meines Erachtens Terror verbreitet wird. Wir haben aber bisher keine Position dieses Hauses gefunden, um ganz deutlich zu machen, dass es keine Rechtfertigung für derartige Gewalt und Anschläge in einer politischen Auseinandersetzung gibt, und zwar weder von rechts noch von links.
Wir erleben Anschläge auf die Infrastruktur, Straßenschlachten in der Rigaer Straße, Autozündler, Angriffe
gezielt auf Polizeibeamte, auf die mit Steinen von einem Dach geworfen wird, was man nur als Tötungsabsicht auslegen kann, Angriffe auf die Feuerwehr, auf Sanitäter, Drohungen gegen Kinder in der Rigaer Straße nach dem Motto: Wenn du dich noch mal beschwerst: Wir wissen, wo das Schlafzimmerfenster deiner Kinder ist. – Das können wir doch nicht hinnehmen. Das kann doch dieses Haus nicht unterstützen.
Ich halte in der bisherigen Debatte die Diskussion über die Frage einseitig, vor allem, wie es in der Vergangenheit hier gelaufen ist: Rechts finden wir ganz schlimm, wollen wir nicht. Extremistischen Tendenzen müssen wir da in jeder Form begegnen. Wir haben umfangreiche Programme des Verfassungsschutzes zum Thema rechter Musik, viele Broschüren usw. Aber auf dem linken Auge scheint dieses Haus blind zu sein, und das darf nicht sein.
Die Frage ist nicht so sehr, was politisch rechts oder links einzuordnen ist, denn damit haben offensichtlich auch viele andere ihre großen Schwierigkeiten. Ich erinnere an den Angriff auf das Restaurant „Vertikal“, zu dem sich eine linksextremistische Gruppe bekannt hat. Die haben gesprayt: Ausländerbonzen raus! – Da tut sich jedenfalls die Senatsverwaltung für Justiz genau wie die Innenverwaltung sehr schwer einzuordnen: War das denn jetzt rechts, oder war es links? – Das ist mir herzlich egal. Entscheidend ist: Das hat es nicht zu geben in unser Stadt, an keiner Stelle.
Ich unterstelle nicht, Herr Kollege Lux, ich stelle fest, dass wir bisher eine Vielzahl von Positionen ausschließlich in Bezug auf rechte Gewalt formuliert haben. Es fehlt hier die deutliche Aussage – wenn wir die nicht treffen, erwecken wir den Eindruck, als sei uns das egal – hinsichtlich linker Gewalt. Es sind beides totalitäre Auslegungen einer Ideologie.
Ja! – Das Wesentliche der totalitären Herrschaft liegt nicht darin, dass sie bestimmte Freiheiten beschneidet oder beseitigt, noch darin, dass sie die Liebe zur Freiheit in den menschlichen Herzen ausrottet, sondern einzig darin, dass sie die Menschen, so, wie sie sind, mit solcher Gewalt in das eiserne Band des Terrors schließt, dass der Raum des Handelns – und dies allein ist die Wirklichkeit der Freiheit – verschwindet. Das ist die Definition von
Hannah Arendt zu totalitären Regimen. Das, was wir an linksextremistischen Bestrebungen in dieser Stadt erleben müssen, ist genau wie die rechtsextremistischen Bestrebungen totalitär und widerstrebt damit der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Wir müssen uns gegen beides wenden –
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Gewalttaten und allein schon Gewaltbereitschaft von Extremisten sind in keiner Weise hinnehmbar und immer wieder Anlass, auch hier für uns als demokratisch gewähltes Parlament, daran zu erinnern, dass sie niemals vereinbar mit Demokratie sind, gleich, aus welcher Richtung sie kommen. Vor diesem Hintergrund ist auch ganz klar, dass wir ein wachsames Auge in alle Richtungen extremistischer Erscheinungsformen haben müssen.
Vor etwa hundert Jahren begannen gewaltsame Auseinandersetzungen extremistischer Kräfte, anderer Kräfte auch in unserer Stadt, und unsere Stadt hat das intensiv über ein ganzes Jahrhundert erleben müssen. Diese Koalition – R2G – hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vom letzten November bereits deutlich dazu bekannt, dass die Grundlage für den Umgang mit Rechts-, Linksextremisten wie allen anderen Extremisten, die Gewalt nicht ablehnen und sie zur Durchsetzung politischer Mittel anwenden wollen, ganz klar die Ablehnung ist. Sie können nicht Teil des politischen Diskurses werden. Das ist richtig, das gilt bis heute. Ich wünsche mir, dass diese Haltung von allen demokratischen Parteien im Hause geteilt wird.
Ich habe das als Haltung auch immer vorausgesetzt. Brandanschläge sind immer feige, Steinwürfe auf Polizisten sind immer heimtückisch, und Antisemitismus ist immer widerlich.
Deshalb sollten wir an dieser Stelle nicht der Versuchung erliegen, hier getrennte Anträge mit einseitigen Positionen in den Raum zu stellen. Ich glaube, das wird der Sache nicht gerecht, und es verkompliziert die Situation.
Die FDP hat hier einen Entschließungsentwurf vorgelegt, der aber genau das tut, der sich einseitig mit Linksextremismus und linksextremistischen Straftaten, Gewalttaten, befassen will. An dieser Stelle sage ich: Kehren wir lieber zurück zu dem, was wir hier durchaus schon hatten und was ich auch als Konsens vermuten würde, nämlich die Ablehnung extremistischer Gewalt insgesamt. Das muss ich an Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, wirklich kritisieren.
Vielen Dank! – Herr Kollege Dörstelmann! Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie die einseitige Positionierung gegen rechte und rechtsextremistische Gewalt, die hier in der Vergangenheit beschlossen worden ist, für falsch halten?
Herr Kollege Luthe! Sie unterstellen, dass ich das für falsch halten könnte. Natürlich unterstellen Sie auch, dass das einseitig gewesen sei. Das ist aber nur Bestandteil einer Gesamthaltung, die jeden Extremismus ablehnen sollte. Die Frage ist, ob man mit einem so überschriebenen Antrag wie dem Ihren – Keine parlamentarische Unterstützung für linke Gewalt – das richtige Zeichen setzt, dass wir jede Form von extremistischer Gewalt ablehnen. – Herr Kollege Woldeit hatte noch eine Frage.
Vielen Dank, Herr Kollege Dörstelmann! – Wie bewerten Sie denn dann vor diesem Hintergrund, dass wir schon verschiedenste Anträge hatten, wo wir gemeinsam mit allen Fraktionen jeglicher extremistischer Gewalt entgegenstehen und sogar im Innenausschuss bei einem Antrag von CDU und AfD mit einem Änderungsantrag einen Appell starten wollten – das waren die Kollegen Dregger, Luthe und ich –, dass wir eine gemeinsame Resolution des Innenausschusses verabschieden, wo wir uns darauf