[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]
Wir wollen, dass alle Arbeitnehmer sichere und gute Perspektiven haben. Wir wollen, dass die Belastung durch Befristungen so wenigen Arbeitnehmern wie möglich zugemutet wird.
Ich habe mich vor Kurzem mit Angestellten der Vivantes Therapeutische Dienste getroffen, einer hundertprozentigen Tochter eines Landesunternehmens. Eine Mitarbeiterin erzählte, dass sie zwei Jahre zwar bei Vivantes direkt, also im Mutterunternehmen, aber sachgrundlos befristet angestellt war. Nach Auslaufen der Befristung wurde ihr ein Vertrag in der inzwischen ausgegründeten Tochter angeboten – mit 600 Euro weniger Monatsgehalt. Sie sagte: Ich hatte keine Wahl. Was soll ich denn tun? Ich musste das annehmen. – Sie macht jetzt die gleiche Arbeit wie vorher, nur für wesentlich weniger Geld. Eine andere Mitarbeiterin erzählte, dass ihr Vertrag zwei Mal, jeweils für ein Jahr sachgrundlos befristet wurde, und jedes Mal wurde ihr erst wenige Tage vor Auslaufen des Vertrags gesagt, wie es eigentlich weitergeht. – Ganz ehrlich, ich wusste nicht, was ich diesen Frauen als Rechtfertigung sagen sollte. Ich habe mich in diesem Moment geschämt – ich habe mich geschämt, dass wir so rücksichtslos mit Angestellten des Landes Berlin umgehen. Wertschätzung und Anerkennung sieht anders aus.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Roman Simon (CDU)]
Das sind keine Einzelfälle. Gerade in den Töchterunternehmen sind die Zahlen sachgrundloser Befristungen nicht unerheblich. Als Beispiel: In den Töchterunternehmen von Vivantes sind 570 von 625 Befristungen sachgrundlos – 570 Menschen und ihre Familien, die im Ungewissen gehalten werden, 570 Menschen, die hart arbeiten und sich trotzdem Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Damit muss Schluss sein.
Deshalb wollen wir überall dort, wo das Land Berlin direkt oder indirekt als Arbeitgeber Verantwortung trägt, die sachgrundlosen Befristungen abschaffen. Damit
Dass das Problem natürlich nicht nur im öffentlichen Dienst und den Landesunternehmen besteht, ist uns durchaus bewusst. Natürlich gibt es das auch in der freien Wirtschaft. Deshalb geht es uns auch um die Vorbildfunktion Berlins und das klare Signal: Uns ist es wichtig, dass die Menschen in Berlin gut und sicher arbeiten und leben können. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die rotgrüne Bundesregierung hat in der Agenda 2010 diese sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse und viele weitere Flexibilisierungsinstrumente auf dem Arbeitsmarkt gefördert und deren Ausweitung gefordert.
Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ist wichtig und hat dazu beigetragen, Hundertausende neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber es ist klar, befristete Arbeitsverhältnisse dürfen unbefristete Arbeitsverhältnisse nicht einfach ersetzen. Deshalb wollen wir als CDU offenkundige Missbräuche abstellen. Gerade Berufsanfänger, die eine Familie haben oder gründen wollen, brauchen eine verlässliche Perspektive. Durch die Neuregelung von Zeit-, Leiharbeit und Werkverträgen hat die Bundesregierung bereits wichtige Verbesserungen für die Arbeitnehmer erzielt. Hier wird es weitergehen.
Aber die Argumentation von Rot-Grün mit der Agenda 2010 war ja auch nicht falsch. Und der Erfolg gibt den rot-grünen Protagonisten von damals recht. Befristete Verträge waren und sind wichtig für den Erst- und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Der Anteil der Befristungen ist stabil unter neun Prozent. Fast drei Viertel aller befristeten Beschäftigten werden im Anschluss an die Befristung bei dem gleichen Arbeitgeber weiterbeschäftigt, und zwar nicht in Kettenverträgen, sondern sie werden weiterbeschäftigt. Kettenverträge sind ausgeschlossen. 37 Prozent werden im Anschluss in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen, andere werden in einem sachlich begründeten befristeten Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt. Und der Anteil der in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommenen Arbeitnehmer steigt von Jahr zu Jahr.
Für Unternehmen ist diese Befristung auch ein Instrument der Flexibilisierung. Kleine Unternehmen, die bestimmte
Personengrenzen überschritten haben, sind darauf angewiesen, auch flexibel auf Aufträge reagieren zu können.
Der großen Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger ging es noch nie so gut wie heute. Unsere Wirtschaft wächst. Es gibt in Deutschland mehr Beschäftigte als je zuvor. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf dem tiefsten Stand seit 1991. Die Arbeitslosenquote ist so gering wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch junge Menschen finden wieder Ausbildung und Arbeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist die niedrigste in ganz Europa. Löhne und Renten sind deutlich gestiegen und steigen weiter.
Deswegen können wir alle frei und selbstbestimmt in diesem Land leben. Diese Erfolge in Deutschland kommen allen zugute, gerade auch den unteren und mittleren Einkommen. Dennoch gibt es auch in Deutschland – –
Vielen Dank, Herr Kollege! – Ich würde vor dem Hintergrund Ihrer gerade gemachten Ausführungen gerne wissen, wie Sie denn die in Deutschland seit Jahren sinkende Reallohnentwicklung bewerten und ob Sie vor dem Hintergrund Ihre Aussagen vielleicht nicht revidieren wollen.
Nein, es gibt da nichts zu revidieren. Ich glaube, Frau König hat das ganz richtig gesagt: Wir sind in einem Land, in dem wir gut und gerne leben, und zwar voller Begeisterung. Und alle Generationen und alle Schichten und alle Ausbildungsstände, egal, wo sie sich befinden in Deutschland, profitieren von diesem gemeinschaftlichen Aufschwung. Und ein solcher Aufschwung kommt nicht von alleine. Der kommt dadurch, dass gut regiert wird. Und dieses gute Regieren auf Bundesebene haben wir fortzusetzen, und wir haben dafür Sorge zu tragen, dass gutes Regieren auf Landesebene nach neun Monaten Pause endlich wieder Einzug hält.
Wir wollen hier als CDU in diesem Land regieren, das Land voranbringen und nicht ideologisch borniert in die Sackgasse führen. Diese Erfolge in Deutschland kommen
allen zugute, gerade auch den unteren und mittleren Einkommen, so setze ich fort. Dennoch gibt es auch viele ungelöste Probleme und Menschen, denen wir zu helfen haben, weil es ihnen weniger gut oder gar schlecht geht. Das ist und bleibt unser Auftrag. Deutschland ist ein lebens- und liebenswertes Land, in dem man gut wohnen und arbeiten und leben kann. Wir als CDU nehmen diesen Auftrag zur Kraftanstrengung an. Wir wollen für Deutschland und Berlin jeden Tag unsere Arbeit einbringen für die Menschen in unserer Heimat. – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier oft von Sicherheit und Unsicherheit. Bettina König hat es ausgeführt: Befristete Beschäftigung schafft Unsicherheit. Man weiß ja nicht, wie es weitergeht. Das hört man immer wieder. Man weiß nicht, ob man sich die Wohnung noch leisten kann, ob man in Urlaub fahren kann, ob man sich trauen kann, eine Familie zu gründen, ob man andere Verpflichtungen eingeht. Das weiß man eben nicht, also eine massive Unsicherheit. Diese Unsicherheit macht viele krank. Das heißt, wir haben ein massives gesellschaftliches Problem, das hausgemacht ist, was der Gesetzgeber so wollte. Dagegen gehen wir jetzt vor, und das ist gut. Befristete Beschäftigung führt oft zu schlecht bezahlter Arbeit, auch das hat Bettina König ausgeführt. Befristete Beschäftigung führt oft zu Lücken in der Erwerbsbiografie, weil es eben nicht so ist, dass sich direkt eine Beschäftigung an die andere anschließt. Und wozu führen Lücken in der Erwerbsbiografie? – Zu geminderten Rentenansprüchen. Und wozu führen geminderte Rentenansprüche? – Im Zweifelsfall in Altersarmut. Und wer hat die abzufedern? – Die Allgemeinheit, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Institut der befristeten Beschäftigung ohne Sachgrund muss zwingend beendet werden.
Es gehört auch zu den neoliberalen Verheißungen, dass sachgrundlose Befristungen zu weniger Arbeitslosigkeit führen würden. In Wahrheit ist das nichts als eine Subventionierung von Unternehmen und die Unterstützung von Hire-and-fire-Mentalität. Es führt nicht zu weniger Arbeitslosigkeit, und es führt auch nicht dazu, dass Leute den Weg in dauerhafte Beschäftigung finden. Sachgrundlose Befristungen sind Teufelszeug – das sage ich mal so klar. Wenn ein Unternehmen meint – es gibt auch viele
unserer landeseigenen Unternehmen, die das sagen –, na ja, aber dann können wir doch mal erproben, ob die Leute passen und ob das so funktioniert, dann sage ich: Dazu gibt es eine Probezeit, und da kann man das erproben. Dann kann das Unternehmen sehen, ob es funktioniert, und dann kann der oder die Beschäftigte sehen, ob es funktioniert. Aber dazu muss man Leute nicht in Unsicherheit setzen.
Wir haben im öffentlichen Dienst hier in Berlin rund 1 000 Beschäftigte ohne Sachgrund befristet; ungefähr 600 in der Hauptverwaltung, 600 in den Bezirksämtern. Bei den Neueinstellungen haben wir viel mehr befristete Beschäftigungsverhältnisse, im Wissenschaftsbereich sogar um die 80 Prozent. Und die meisten der Betroffenen sind Frauen. Das heißt, auch hier haben wir wieder eine erhebliche strukturelle Diskriminierung. Das muss sich ändern. Wir möchten, dass der öffentliche Dienst, dass die landeseigenen Unternehmen, dass die Unternehmen mit Beteiligung des Landes mit gutem Beispiel vorangehen. Ich weiß, dass Berlin keine Insel ist. Ich weiß, wie die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen sind. Die Versprechungen von Herrn Schultze-Berndt, dass er weiter regieren will, die, hoffe ich, werden sich nach dem 24. September nicht erfüllen, denn genau Ihre Regierung ist es im Bund, die diesen neoliberalen Verheißungen immer wieder zum Durchbruch verhilft, was dazu führt, dass der Spalt zwischen Arm und Reich in diesem Land immer weiter auseinandergeht.
Und das ist genau das, was nicht zielführend ist und was nicht dazu führt, dass mehr Sicherheit in diesem Land geschaffen wird. Mein Dank geht an Bettina, die die Initiative für diesen Antrag ergriffen hat.
Ich bin froh, dass die rot-rot-grüne Koalition hier in Berlin die Kraft findet, diesem Missstand der befristeten Beschäftigung erst mal einen Riegel vorzuschieben, zumindest im öffentlichen Bereich.
Ich will noch einen Aspekt dazu nennen, warum das so wichtig ist, nicht nur für die Betroffenen hier im Land Berlin, sondern warum das auch ein wichtiges Zeichen setzt für die Diskussionen, die vor uns liegen. Wir reden sehr viel von Digitalisierung der Arbeitswelt. Wir reden von Entgrenzung von Arbeit, von der Aufhebung der Identität von Arbeitsort und Familienort und Wohnort, von völlig neuen Arbeitsformen. Die Senatsverwaltung hat dazu eine große Tagung gemacht, hat eine Reihe in die Welt gesetzt „Digitalisierung der Arbeit“. Da gibt es ein Riesenregulierungserfordernis, was damit zusammenhängt.
Eben doch! Wie möchten sich denn Menschen organisieren, wenn sie völlig vereinzelt sind? Ich weiß, dass Ihnen Gewerkschaften Teufelszeug sind. Ich halte die Organisationsmöglichkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für zentral für den sozialen Frieden in diesem Land.
Wir brauchen auch gerade wegen der Entgrenzung der Arbeit, wegen der Digitalisierungsentwicklungen wirksamen Arbeitnehmerschutz und damit auch wirksamen Schutz vor manchesterkapitalistischen Verhaltensweisen, die wir plötzlich wieder kriegen.
Ich denke, R2G setzt ein wichtiges Zeichen mit diesem Antrag. Ich bitte um Zustimmung. Ich glaube, wir machen da einen guten Job. – Danke schön!