Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Frau Bluhm hat gerade dieses schöne Wort genannt: Wertschätzung. Die Vorsitzende des Landesverbandes sprach übrigens auch von Wertschätzung auf der Kundgebung. Genau diese empfindet sie nicht. Diese empfinden die Polizisten nicht. Diese empfinden die Beamtinnen und Beamten des Landes Berlin nicht, weil sie seit knapp 30 Jahren immer wieder benachteiligt werden, weil sie im ganzen Bundesgebiet am schlechtesten bezahlt werden.

Es gibt auch eine gewisse Symbolkraft. Allein das Nichtrückdatieren-Wollen zum 1. Januar, das damit begründet wird, es sei eine gute Tradition, zum 1. August zu besolden, das ist Quatsch, das ist erstens gar keine Tradition, schon gar keine gute Tradition. Als der Senat 1994 aus der Tarifgemeinschaft der Länder herausgeflogen ist und 2013 wieder eingetreten ist, spätestens dann hätte man wieder zur Umkehr kommen können, wie der Bund und die anderen Länder rückwirkend zum 1. Januar zu besolden. Allein dieses Symbol geben Sie an die Berliner Beamtinnen und Beamten, und das ist aus meiner Sicht ein Affront und ein Skandal.

[Beifall bei der AfD]

In der Sitzung des Hauptausschusses wurden wir dafür kritisiert, auch seitens der CDU, dass wir keinen Än

derungsantrag eingebracht haben. Das haben wir in der Tat nicht. Wissen Sie auch warum? – Wir alle kennen das Abstimmungsverhalten hier im Haus. Glauben Sie denn wirklich, dass ich mit meinen Kollegen der linken bis linksextremen Seite dieses Hauses eine Steilvorlage gebe, aus vermeintlich moralischen Gründen einen Antrag ablehnen zu dürfen, weil man keinem AfD-Antrag zustimmen kann? Wir haben das doch gesehen. Das kann ich auch belegen. Als sich alle Fraktionen durchringen konnten, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, habe ich den Antrag auf Einsetzung gestellt. Was war die Folge? – Können wir nicht zustimmen! Also musste ein anderer Antrag gestellt werden.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Da stand nur Grütze in Ihrem Antrag!]

Ja, ja! – Noch mal: Ich gebe dort keine Steilvorlage, aber unterm Strich kann ich dem, was im CDU-Antrag stand, auch zustimmen. Das ist in der Tat richtig.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Dann können Sie ja beitreten!]

Ja, genau! – Unabhängig davon: Noch ist nicht alles verloren bei der Wertschätzung der Beamtinnen und Beamten. Ich habe, wie gesagt, noch mal mit denen gesprochen. Ein dringender Appell, auch an den Finanzsenator: Bessern Sie nach! Und wenn es hier nicht geht und Sie nicht willens und in der Lage sind, gibt es noch andere Bereiche. Nehmen wir Dienst zu ungünstigen Zeiten! Nehmen wir Zulagen! Nehmen wir andere Zeichen der Solidarität, der Wertschätzung! Und geben Sie den Beamtinnen und Beamten das Gefühl, dass sie wirklich wertgeschätzt werden. – Ich danke Ihnen.

[Beifall bei der AfD]

Dann hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Lux das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht alles schlecht. Der öffentliche Dienst bietet Vorteile für junge Menschen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt sich Job nach Job in der privaten Wirtschaft suchen müssen, unsichere Arbeitsverhältnisse haben. Der öffentliche Dienst bietet eine Möglichkeit, Dienst an der Gemeinschaft zu leisten. Und der öffentliche Dienst ist attraktiv. Wir waren doch gerade eben bei Polizeibeamtinnen und -beamten. Da haben etliche erzählt, dass sie etwas anderes gelernt haben, dass sie in der privaten Wirtschaft aber nicht unterkommen wollten,

[Zuruf von Florian Swyter (FDP)]

weil sie für die gute Sache wirken wollen. Ich finde, wir als Land, wir als Staat bieten dem öffentlichen Dienst und allen, die dort beschäftigt sind, auch eine gewisse Sicher

heit, eine Unkündbarkeit, ein geregeltes Einkommen, die Möglichkeit des Aufstiegs, in der Regel gute Beschäftigungsmöglichkeiten, Rechtssicherheit, Rechtsschutz. Und das ist einiges wert. Und dass wir uns das diese Jahre auch mehr kosten lassen, ist ein Erfolg der rot-rot-grünen Koalition.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Hier sind vielleicht noch einige in sehr, sehr satten und vielleicht übersatten Jahren aufgewachsen und können meckern, was das Zeug hält, eines hat die Debatte gezeigt: So wie sich hier alle streiten, wer jetzt wie viel und wer noch mehr für den öffentlichen Dienst tun will, das zeigt ja, dass die Politik ein Interesse daran hat, den öffentlichen Dienst wertzuschätzen. Das nehme ich allen Fraktionen hier auch ab, dass sie Gutes tun wollen für den öffentlichen Dienst. Deswegen wäre es auch richtig, wenn sie die höchste Beamtenbesoldungserhöhung in den letzten Jahren mit beschließen würden, insbesondere weil es einen sozialen Faktor gibt, weil wir gerade die unteren Einkommen, die aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten viel weniger am Monatsende übrig haben, noch stärker bevorzugen. Auch das ist ein richtiges Signal, das wir uns hier leisten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir werden auch noch einiges mehr tun. An den Taten soll man uns dann messen und gerne auch in vier Jahren gucken. Das ist das härteste Versprechen im gesamten Koalitionsvertrag, dass wir in vier Jahren im Bundesdurchschnitt liegen.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Woldeit von der AfD?

Na klar.

Vielen Dank, Herr Kollege Lux! Sie sprachen gerade davon, dass es eine Attraktivität des Dienstes hat, hier in Berlin zu arbeiten. Jetzt gibt es auch die unteren Besoldungsstufen, es gibt auch die höheren Besoldungsstufen. Und dort gibt es eine besondere Konkurrenzsituation, wenn ich mir z. B. den Landesrechnungshof angucke, der direkt konkurriert mit dem Bundesrechnungshof, wo wir auch noch die Zulage oberste Bundesbehörde haben und auch die Vakanzen. Frau Claßen-Beblo beklagt es ja, und sie arbeitet und versucht. Wie, denken Sie, schafft es die Koalition, auch diesem Missverhältnis gerecht zu werden?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Durch viel Arbeit!]

Sie wissen genauso wie ich: In Berlin dauert einiges immer ein bisschen länger, bis es zu Potte kommt. Aber wir sind ja gerade durch das Tal gegangen. Ich kann auch verstehen, dass es bei den Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst noch nicht angekommen ist, was wir hier beschließen. Sie werden es erst etwa beim Weihnachtsgeld wirksam haben, wenn es bei manchen Leuten wirklich verdoppelt ist und in den unteren Bereichen noch auf 1 300 Euro in zwei Jahren steigen wird von 640 Euro. Das ist ein Riesensprung. Das werden die Kolleginnen und Kollegen merken. – Aber wir sehen auch, dass wir als Arbeitgeber attraktiver werden müssen. Wir tun es für diese Stadt. Deswegen sind Sie ja auch hier Abgeordnete und nicht in anderen Bundesländern.

Herr Kollege Lux! Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Melzer?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Alles, was die Redezeit verlängert, findet er gut!]

Na klar.

Vielen Dank, Herr Lux! Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie auf Ihre Berechnungen kommen, dass die jetzige Besoldungserhöhung – 2,8 Prozent – die höchste in den vergangenen Jahren ist, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass im Jahr 2016 3 Prozent Erhöhung stattfanden, 2015 3 Prozent, 2014 3 Prozent –

[Zuruf von Carola Bluhm (LINKE)]

oder ob vielleicht Ihre Dialektik, das sei die höchste Erhöhung, daran bemessen ist, dass sie noch ein paar Sondersitzungen im Senat machen, um noch einmal in 0,1Prozent-Schritten nach vorne zu kommen? Mit Blick auf die letzten drei Jahre zumindest haben Sie unrecht mit Ihrer These.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Bitte schön, Herr Kollege!

Lieber Kollege Melzer! Sie haben sich gerade so getraut, über den allgemeinen Entwicklungen im öffentlichen

Dienst 0,5 Prozent draufzusetzen, allenfalls, höchstens. Diese Koalition setzt 1 Prozent drauf,

[Heiko Melzer (CDU): Stimmt doch gar nicht! – Carola Bluhm (LINKE): 290 Millionen!]

Und diese Koalition wird auch aus der Versorgungsrücklage aussteigen, das heißt, noch einmal 0,2 Prozent mehr. Diese Koalition wird beim Weihnachtsgeld, das jetzt 640 Euro für alle ist, auf 800 gehen ab A 9 oder A 10 und auf 1 000 Euro bei denen, die darunter liegen. Diese Koalition tut deutlich mehr, damit wir den Bundesschnitt erreichen werden. Darauf bezog sich meine Aussage, das sind die größten und verlässlichsten Schritte. Und am Ende der Wahlperiode werden wir irgendwie im Bundesdurchschnitt liegen. Darauf können Sie sich verlassen. Und wenn nicht, können die Beamtinnen und Beamten das selber bewerten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch im Bereich Abbau des Beförderungsstaus usw. deutlich mehr tun für den öffentlichen Dienst. Ich finde, wir sollten uns gemeinsam nicht schlechtreden, sondern diesen Weg dort gemeinsam gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Swyter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Rede, die ich hier gerade einmal vor zwei Wochen gehalten habe, fast noch einmal halten,

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

denn bedauerlicherweise haben Sie unser Mindestangebot, um das, was Sie vorgelegt haben, zu verbessern, nicht aufgegriffen.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben die Hand gereicht. Ich habe seinerzeit gesagt, im Grundsatz gute Ansätze, es geht in die richtige Richtung, aber es ist zu kurz gesprungen. Ich habe auch auf einen Aspekt hingewiesen, der auch für die Gewerkschaften zu Recht von Bedeutung ist. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier Gewerkschaftsinteressen vertreten muss, aber hier an der Stelle ist es nun wirklich evident, dass Sie den Erhöhungstermin nicht auf den 1. Januar 2017 gelegt haben, sondern weiter verschleppend fortführen wollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die diese Arbeit zu leisten haben. Das ist schade.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Karsten Woldeit (AfD)]

Es ist wirklich ein Hohn, wenn man dann noch sagt, es ist historisch begründet. Ausführungen dazu haben wir

vorhin schon gehört. Es war seinerzeit historisch begründet, dass Berlin ausgeschieden ist.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aha! Ach so! Jetzt ist es historisch begründet!]

Nun sind sie wieder Mitglied in der TV-L. Und es ist nun einmal so, dass man dann auch einen Gleichlauf erreichen muss, was die Erhöhungstermine anbetrifft. Es wäre auch – und das will ich auch sagen – finanziell darstellbar gewesen. Und das Ärgerliche an der Geschichte ist: Ich habe weder im Hauptausschuss noch in dieser Debatte noch vor zwei Wochen auch nur ein Wort dazu gehört, warum das nicht möglich sein soll, außer allgemeine fiskalische Hinweise.

[Beifall bei der FDP]