Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Das ist zu wenig. Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn dann im öffentlichen Dienst gesagt wird, die Wertschätzung wird uns schon kommunikativ nicht zuteil und finanziell auch nicht. Insofern: Ergreifen Sie die Chance, hier noch einmal erheblich nachzubessern, was diesen Erhöhungstermin anbetrifft!

Es gilt natürlich – und da bin ich auch dabei – zu prüfen, dass wir hier Strukturreformen, was den öffentlichen Dienst und Bezahlung anbetrifft, angehen müssen. Insofern bin ich beim Änderungsantrag der CDU der Meinung, es würde so schnell, wie er gekommen ist, den Spielraum für Strukturreformen und auch Anpassung der Gehaltsstruktur unnötig verbauen. Insofern werden wir uns bei beiden, sowohl beim Gesetzentwurf als auch den Änderungsanträgen, enthalten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0390-2 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Bei FDP, AfD und dem fraktionslosen Kollegen. Dann ist das abgelehnt.

Dann kommen wir zur Gesetzesvorlage Drucksache 18/0390. Da empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich gegen AfD bei Enthaltung CDU die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Bei der AfD und dem fraktionslosen Kollegen. Enthaltungen? – Bei CDU und FDP. Damit ist dieses Gesetz so beschlossen.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 8:

Gesetz über den Beauftragten bzw. die Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Land Berlin (Berliner Aufarbeitungsbeauftragtengesetz – AufarbBG Bln)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/0416

Erste Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0416-1

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0416-2

in Verbindung mit

lfd. Nr. 37:

Aufarbeitung und Folgen der SED-Diktatur evaluieren

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/0427

Ich eröffne die erste Lesung zum Gesetzesantrag auf Drucksache 18/0416. Diesen Gesetzesantrag habe ich vorab mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten überwiesen – und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. – In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Otto, bitte schön, Sie haben das Wort!

Jetzt kann ich eigentlich zwei Präsidenten begrüßen. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben zwei Drucksachen zu verhandeln, die sich mit Aufarbeitung der SED-Diktatur beschäftigen. Ich werde häufig gefragt – auch in den letzten Tagen von Journalisten –: Ist das eigentlich noch so wichtig? –, aber dann sage ich denen: Ja, das ist sehr wichtig. Es ist zum einen wichtig für die Opfer, für Leute, die in Haft waren, die berufliche Nachteile hatten, die einfach die Diktatur ertragen mussten. Es ist zum Zweiten wichtig für alle Menschen, die in der DDR gelebt haben, weil die wollen, dass wir uns mit dieser Geschichte befassen und dass das auch in einem Parlament eine Rolle spielt. Und es ist zum Dritten wichtig für alle Menschen, die später geboren sind oder die vielleicht erst jüngst in unser Land gekommen sind, denn ich glaube, dass auch diese Geschichte – die Geschichte der Teilung, auch die Geschichte der Mauer und die Geschichte der friedlichen Revolution – zur Geschichte des ganzen Landes und der ganzen

(Florian Swyter)

Bevölkerung gehört und gehören muss. – Deshalb freue ich mich darüber, dass wir das heute wieder diskutieren.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir haben einen gemeinsamen Antrag von fünf Fraktionen mit dem Titel: Aufarbeitung und Folgen der SEDDiktatur evaluieren. – Wir haben uns mal umgeguckt – und das ist eine Anregung aus dem Bundesland Thüringen –, wie das eigentlich in anderen Bundesländern ist und wie die damit umgehen. Wie stellen die fest, wie weit sie schon gekommen sind? Wie stellen die fest, was man noch tun muss, was man vielleicht vergessen hat oder wo man vielleicht umsteuern muss? – Da gibt es die Idee der Evaluierung, und wir haben aufgeschrieben, zu welchen Schwerpunkten das geschehen soll. Da geht es um Rehabilitierungsfragen, um Sozialleistungen und um Beratungseinrichtungen, aber auch um die Entwicklung der gesellschaftlichen Debatte, um Erinnerungskultur und um Wissenschaft. Was machen eigentlich unsere Universitäten in Berlin? Und es geht auch um Bildungsfragen. Wie kommen eigentlich Diktatur und Revolution in der Schule vor? Es ist auch lohnend, das mal festzustellen und zu evaluieren, und das wollen wir vom Senat geleistet sehen.

Die Frage ist noch, wer das im Senat macht, wo da die Kapazitäten sind und wer das am besten kann. Ich kann mir auch vorstellen, dass man sich dafür durchaus externer Expertise bedient und sagt: Okay! Im Bereich Wissenschaft z. B. lassen wir das von Historikern aus anderen Bundesländern untersuchen. Im Bereich Bildung kann man das auch machen. – Das ist weitgehend noch offen, und das muss der Senat dann für uns machen.

Ich glaube, diese Evaluierung und dieser Bericht, den wir erwarten, und die Vorschläge, die wir erwarten, werden – ich hoffe, im kommenden Jahr – eine ganz neue Basis für die Aufarbeitung im Land Berlin legen. Das ist wichtig, und es steht diesem Parlament sehr gut an, dass wir das hier auf den Weg bringen – gemeinsam, mit den fünf Fraktion, die das eingereicht haben –, und ich hoffe, dass der Senat uns nicht enttäuscht. Ich bin mir da eigentlich ziemlich sicher. – Es klatscht keiner, aber macht das ruhig mal!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Der Senat nickt zustimmend.

[Heiterkeit]

Das ist die Evaluierung. Das ist der eine Punkt heute. Der zweite Punkt ist die Novellierung des Gesetzes über die Beauftragte oder den Beauftragten – bisher: für StasiUnterlagen, jetzt neuer Name – zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Land Berlin. Damit ist nicht gemeint, dass man sich mit dem Geheimdienst und den StasiUnterlagen nicht mehr beschäftigen soll, sondern im Gegenteil: Wir wollen, dass diese Beauftragte oder der

Beauftragte ein breiteres Arbeitsfeld und eine komplexere Aufgabe bekommt.

Wir haben zum Zweiten hineingeschrieben, dass die Aufgabe anders ist. Die Aufgabe soll insbesondere enthalten, dass die Initiativen und die Verbände, die in Berlin tätig sind, besser unterstützt werden. Das ist auch eine finanzielle Verpflichtung für uns. Ich erinnere an die Haushaltsberatungen.

Und wir haben zum Dritten in diesem Entwurf ein Rederecht im Parlament eingeführt. Wir wollen, dass die oder der Beauftragte hier auch zu uns spricht. Das ist ein neuer Schritt, dieses Thema in der parlamentarischen Praxis besser zu berücksichtigen und seinen Stellenwert deutlich zu erhöhen. Ich freue mich, wenn wir das in den Ausschüssen bereden und wenn wir dieses Gesetz hoffentlich im September hier beschließen und verabschieden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Stefan Förster (FDP) und Florian Graf (CDU)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Thema der Aufarbeitung der Folgen des SED-Regimes ist mit Sicherheit nicht beendet. Ich möchte dazu als Beispiel die Welle der Ostalgie nennen, die uns auf vielen Feldern erreicht. Es gibt Hotels, wo der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker über dem Bett hängt – in einer merkwürdigen Verklärung der Retro-Idee. Es gibt allenthalben diese ekelhaften DDRDevotionalien an den Straßenecken zu kaufen. Es gibt Eisverkäuferinnen, die in Pionierblusen dastehen – sei es aus Ignoranz, oder sei es aus Unwissen. Ich glaube, das sind Gründe, die uns zeigen, dass wir uns weiter mit dieser Materie beschäftigen müssen, und von daher ist die CDU bei beiden Anträgen auch an der Seite der Antragsteller.

Der SED-Staat, der sich zynischerweise „Deutsche Demokratische Republik“ nannte, hat 17 Millionen Menschen systematisch ihrer elementaren Menschenrechte beraubt, hat sie an der Reisefreiheit gehindert und hat sie systematisch bespitzelt. Hundertausende sind von der Stasi verfolgt worden, direkt persönlich drangsaliert worden, und Zigtausende saßen in Gefängnissen, wobei teilweise ihr Vergehen nur darin bestand, sich auf das zu berufen, was ihnen auch nach den DDR-Gesetzen zugestanden hätte. Die Zahl der Todesopfer ist umstritten,

(Andreas Otto)

aber ich denke, dass wir von einer vierstelligen Zahl ausgehen müssen.

Wenn wir uns angucken, wer die DDR noch erlebt hat, sind es Menschen im Alter von 40 plus, die noch eine deutliche Erinnerung an das haben, was in der DDR passiert ist, und die mit ihrer eigenen Biografie damit klarkommen müssen. Ich glaube, daraus ist relativ klar ableitbar, dass die Position des bisherigen Stasi-Beauftragten weiter verstetigt werden muss und dass wir mit diesem Entwurf dafür sorgen, dass wir uns nicht wieder von Jahr zu Jahr weiterhangeln müssen, um dann zu sagen: Es gibt wieder eine Verlängerung. – Vielmehr haben wir jetzt tatsächlich mal einen großen Schritt gewagt und gesagt: Ja, in zehn Jahren werden wir das wieder evaluieren! –, aber im Grundsatz wissen wir, dass wir diese Position dauerhaft brauchen, und das ist auch gut so.

Es ist auch richtig, den Fokus dieser Tätigkeit zu erweitern. Wir haben sie bisher unter der Bezeichnung „StasiBeauftragter“ geführt, aber es gibt noch weitere Aspekte der SED-Diktatur. Die Unterdrückungsmechanismen hörten ja nicht auf. Sie waren schon in der Schule da, sie waren im Beruf da, und sie waren an der Grenze da. Deshalb ist es richtig und gut, diesen erweiterten Fokus zu legen.

Wenn ich hier noch eine Anregung beibringen darf, die wir bereits im Kulturausschuss diskutiert haben, so ist es die Erweiterung um einen Beirat.

[Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Das ist eine sinnvolle Angelegenheit, und zwar nicht, weil die AfD jetzt hier einen Antrag vorgelegt hat, was auch immer die Quellen dafür sein mögen – wir haben das ja bereits in den Ausschussberatungen erörtert –, sondern weil wir, institutionell verankert, dort eine Netzwerkbildung betreiben können. Das ist ein kluger und richtiger Gedanke.

Ich möchte mich auch insbesondere bei der Koalition bedanken, dass sie den Weg gewählt hat, dieses ganze Thema auf eine breite parlamentarische Zustimmung zu stellen. Stellvertretend bedanke ich mich bei Frau Dr. West dafür. Das kann man auch mal sagen.

Der letzte Punkt: Der Antrag zum Thema Evaluierung hat uns relativ kurzfristig erreicht, sodass nennenswerte inhaltliche Auseinandersetzungen damit gar nicht mehr möglich waren. Ich will nur einen Punkt ansprechen, bei dem ich etwas Bauchschmerzen habe, und das ist der Begriff der Aussöhnung. Man fragt sich, wie man die Aussöhnung evaluieren will. Wer soll sich mit wem aussöhnen? – Die DDR und ihre Institutionen gibt es Gott sei Dank nicht mehr. Natürlich gibt es die Opfer und die Leidtragenden, aber die haben einen individuellen Prozess zu bewerkstelligen. Jeder muss seinen Frieden damit finden und muss seinen eigenen Weg finden, mit dem Erlebten klarzukommen. Was es noch gibt, das ist die

SED, denn die Linkspartei hat ja als Partei des Demokratischen Sozialismus die Nachfolge der SED angetreten – in organisatorischer, in rechtlicher, in – was die Mitglieder angeht – personeller Hinsicht und – darum ging es ja auch – in finanzieller Hinsicht. Das war abstoßend und bleibt auch abstoßend. Meine Meinung ist in dem Zusammenhang bekannt. Es ist jetzt aber Aufgabe der Linkspartei, ein Angebot zu machen, auf diese Menschen zuzugehen, vielleicht einen Prozess der Aussöhnung zu starten. Aber das kann nicht passieren mit einem Antrag, den wir hier im Parlament beschließen oder den das Abgeordnetenhaus in irgendeiner Weise aufoktroyiert, sondern das ist ein individueller Prozess. Deshalb halte ich es für unangebracht, das in diesem Antrag darzulegen. Diese Bauchschmerzen möchte ich hier, da wir es heute beschließen – wir werden das auch mit unseren Stimmen tun; das ist keine Frage –, protokollrelevant noch einmal darlegen. Unsere Aufgabe als Parlament ist es, dafür zu sorgen, dass sich so etwas auf deutschem Boden nie wiederholt, dass es nie wieder eine Diktatur gibt. Wenn wir dazu mit diesen beiden Initiativen einen Beitrag leisten können, dann sollten wir das tun. Ich bin optimistisch, dass es uns damit gelingt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Dr. West das Wort. – Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Bewertung zeitgeschichtlicher Ereignisse gehen Meinungen oft extrem weit auseinander, vor allem dann, wenn es um selbst erlebte Geschichte geht, die das eigene Leben tief geprägt hat. Wer Traumatisches erleben musste, hat immer seine ganz eigene Wahrheit, an der auch eine noch so um Objektivität bemühte Forschung nichts zu ändern vermag. Helfen können da nur das aufrichtige Gespräch, das Zuhören und die Bereitschaft der Nachgeborenen, die Bedeutung einer Last zu erkennen, die man selber nicht trägt. Das ist zumindest meine Wahrnehmung der schwierigen Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur. Ich selber gehöre zu den Nachgeborenen, habe die DDR weder aus der Nähe persönlich erlebt, noch aus der Ferne wirklich bewusst wahrgenommen. Dafür war ich einfach viel zu jung.

Wir hier im Abgeordnetenhaus kommen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen und berufen uns auf ganz unterschiedliche Traditionen. So ist meine Partei, die im Osten neu gegründete SPD, eng verbunden mit der friedlichen Revolution, an der sich viele unserer Mitglieder aktiv beteiligt haben, und deren Erbe deshalb ein bedeutender Teil unserer eigenen Tradition ist, auch wenn man

(Dr. Robbin Juhnke)