Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

(Dr. Manuela Schmidt)

Wieder einmal eine Lex AfD? – Der Rechnungshof jedenfalls kommt als überparteiliche und neutrale Instanz – das haben die Kollegen vorhin auch schon gesagt –, zu der gleichen Einschätzung wie die AfD und im Übrigen auch wie das Deutsche Steuerzahlerinstitut. Sowohl der Senat, aber auch CDU und FDP, müssen sich die Frage gefallen lassen, wie ernst Sie es wirklich mit der Schuldenbremse meinen. Wir als AfD-Fraktion verfolgen jedenfalls konsequent das Konzept Schulden abbauen, konsolidieren und nachhaltig investieren.

[Beifall bei der AfD]

Weiter fordert der Rechnungshof den Senat auf, Bauinvestitionen besser vorzubereiten und zu planen. Dies wurde bereits 2015 bemängelt. Was bedeutet das eigentlich? Neue Baumaßnahmen sowohl auf Landes- als auch auf Bezirksebene werden oftmals in die Haushaltspläne eingestellt, ohne dass die Bauplanungsunterlagen vollständig vorliegen und die Abgeordneten damit eine abstimmbare Vorlage hätten. Abgesehen von der Gesetzeswidrigkeit hat das zur Folge, dass sich die Kostenrisiken gewaltig erhöhen. Genau deshalb hören wir immer wieder, dass die Kosten für öffentliche Bauwerke steigen und steigen, der Kostenrahmen nicht eingehalten werden kann und anderes mehr. Eine wesentliche Ursache dafür ist diese nicht abgeschlossene Bauplanung.

[Beifall bei der AfD]

Ein weiterer Punkt ist das bisher fehlende Investitionsmanagement. Geld für Investitionen ist zwar vorhanden, wird aber nicht ausgegeben, da das dauerhafte Zuständigkeitsgerangel zwischen Senat und Bezirken erheblich blockiert. Hier müssen klare Regeln und Verantwortlichkeiten her, um dringend notwendige Baumaßnahmen tatsächlich umzusetzen. Und: Bisher wurde vom Senat gar nicht ermittelt, wie hoch der gesamte Erhaltungs- und Investitionsbedarf im öffentlichen Raum tatsächlich ist. Auch dazu haben wir im Hauptausschuss einen Auftrag erteilt und gehen davon aus, dass wir die Antwort noch vor den anstehenden Haushaltsberatungen im Herbst dieses Jahres vorliegen haben. Nur damit können wir als Abgeordnete in die Lage versetzt werden, seriös und nachhaltig Prioritäten festzulegen. Alles andere ist Flickschusterei.

[Beifall bei der AfD]

Weiterhin wird ein fundamentaler Punkt unserer Arbeit sein, den Rechnungshof mehr Rechte zuzubilligen, als da wären: Wir erwarten, dass der Rechnungshof endlich Zugang zu landeseigenen Gesellschaften bekommt und diese ebenso prüfen kann wie den Berliner Kernhaushalt. Wir wollen, dass der Landesrechnungshof in Beratungsfunktion Großprojekte wie zum Beispiel die Offenhaltung des Flughafens Tegel vorab in ihrer Wirtschaftlichkeit prüfen kann, damit wir konkrete Unterlagen erhalten, über die wir sprechen und debattieren können. Zudem soll der Rechnungshof Zugang zu den Vorgängen im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling bekommen. Damit wäre eine transparente Finanzpolitik

in Zukunft gewährleistet und Berlin könnte sich von der Hauptstadt der Armut zur Wohlstandhauptstadt entwickeln. Das ist unser Motto, daran halten wir fest, dafür kämpfen wir! – Noch einmal schönen Dank an den Rechnungshof für den Bericht. – Vielen Dank, meine Herren und Damen!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Walter das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aber vor allem: Sehr geehrte Frau Präsidentin Claßen-Beblo! Schön, dass Sie heute hier sind! Ihnen, Vizepräsident Schubert und allen Direktorinnen und Direktoren am Landesrechnungshof gilt der sehr ausdrückliche Dank der Grünen-Fraktion und zwar nicht nur für diese Vorlage des wie immer wichtigen und detailscharfen Jahresberichts, sondern insbesondere auch für den allzeit hoch konstruktiven Austausch im Unterausschuss Haushaltskontrolle. Insofern: vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Herr Kollege Freymark! Schön, dass Sie hier vorhin Ihre drei Minuten Redezeit hatten, und mit welcher Leidenschaft Sie dieses Thema hier vertreten haben.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Genau, das ist in der Tat Applaus wert. – Ich würde mir diese Leidenschaft von Ihnen, ehrlich gesagt, auch im Unterausschuss Haushaltskontrolle wünschen, da hat man leider nicht so viel von Ihnen mitbekommen. Aber das, was Sie heute berichtet haben, lässt für die Zukunft hoffen. Weil es um das Haushaltsjahr 2015 geht, glaube ich, dass es gute Tradition war, durchaus einmal selbstkritisch zu sein. Ich erinnere mich an Reden von Herrn Goiny. Sie haben das an dieser Stelle leider verpasst, schade, aber da haben Sie durchaus noch Steigerungspotenzial.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Danny Freymark (CDU): Danke schön!]

Zurück zum Bericht: Der diesjährige Bericht befasst sich zunächst mit der Finanzlage und der finanzwirtschaftlichen Entwicklung Berlins. Auch der Landesrechnungshof bestätigt den positiven Umstand, dass die unverändert günstige gesamtwirtschaftliche Entwicklung wie in den letzten Jahren auch künftig zu soliden Steuereinnahmen führen wird. Die daraus abgeleitete Forderung ist deshalb völlig richtig, die Haushaltsüberschüsse des Landes sowohl für die Schuldentilgung als auch die dringend notwendigen Investitionen zu nutzen. An dieser Stelle gibt es keinen Dissens. Aus Sicht der Koalition ist es richtig und politisch geboten, die Haushaltskonsolidierung nicht zu

(Dr. Kristin Brinker)

vernachlässigen, aber dennoch einen klaren Schwerpunkt auf Investitionen zu legen, und zwar nicht um ihrer selbst willen, sondern in der festen Überzeugung, dass kaputte Schulen, zu wenig Kitaplätze, marode Brücken, schlechte Straßen, fehlende Fahrradwege, veraltete Behörden oder unbespielbare Sportflächen auch eine Verschuldung der öffentlichen Hand darstellen. Dass es sich rächt, die öffentliche Infrastruktur jahrzehntelang auf Verschleiß fahren zu müssen, sehen wir an viel zu vielen Stellen in unserer Stadt. Die Berlinerinnen und Berliner haben es zu Recht satt. Die Koalition wird dies bekanntlich anpacken und auch hier Konsolidierung vorantreiben, allein mit – um nur ein Beispiel zu nennen, Frau Schmidt hat es auch schon erwähnt – 5,5 Milliarden Euro für den Bau und die Sanierung der Berliner Schulen.

Die Investitionsquote ordentlich zu steigern und damit ein Jahrzehnt der Investitionen für Berlin zu beschreiten, bleibt aber selbstverständlich nicht ohne Herausforderungen. Dies liest man in den Rechenschaftsberichten der letzten Jahre und auch in dem jüngsten Bericht, und es lässt sich beispielhaft an einem Punkt festmachen: Bei der Fülle an zukünftigen Projektrealisierungen und Bauvorhaben braucht es möglicherweise an einzelnen Stellen noch stärker als bisher ein neues Bewusstsein – und zwar stadtweit – für eine ordnungsgemäße und vollständige Bauplanung mit vorschriftsmäßigen Gesamtkostenkalkulationen und verbindlichen Terminplanungen. Entsprechende Auflagen an die Hauptverwaltung hat der Unterausschuss Haushaltskontrolle demzufolge auch für das Haushaltsjahr 2014 etwa am Negativbeispiel der Staatsopernsanierung beschlossen. Wir wissen, dass daraus bereits gelernt wurde und Veränderungen auf den Weg gebracht wurden. Dennoch: Darauf, wie wichtig es ist, gerade im Hinblick auf die Bauplanung einen grundsätzlichen Bewusstseinswandel einzuleiten, weist auch der aktuelle Bericht hin, wenn es um die Veranschlagung von Ausgaben für Baumaßnahmen in den Bezirkshaushaltsplänen geht.

Aber auch den übrigen Hinweisen im Jahresbericht 2017 werden wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier nachgehen, sie prüfen und dann mögliche Konsequenzen daraus ableiten müssen, von aufgelisteten Förderungsmängeln bei der Schwangerschaftskonfliktberatung bis hin zu Rechtsverstößen bei der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Wir als Grünen-Fraktion werden dazu in der guten und kritischen Tradition unserer ehemaligen Abgeordneten Jochen Esser und Clara Herrmann unseren Beitrag leisten und sehen den Beratungen und Diskussionen im Unterausschuss mit großem Interesse und großer Vorfreude entgegen. Und vielleicht – an die AfD gerichtet – sind dann auch Sie, Frau Dr. Brinker, bei den Diskussionen dabei. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Meister das Wort. – Frau Abgeordnete, bitte schön!

Danke schön! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich schließen wir uns dem Dank an den Rechnungshof für diesen ausführlichen Bericht in aller Form an. Manchmal denke ich mir, es muss ein Stück weit ein ermüdendes Geschäft sein, in jedem Jahr die gleichen Punkte zusammenzutragen. Thema Schuldenabbau – Schuldenstand 2005: 61 Milliarden Euro. Elf Jahre später, Schuldenstand: 59 Milliarden Euro. Extremer Anstieg im Bereich der Sanierungen. Ich muss ganz ehrlich sagen – das war nichts! Das war gar nichts!

[Beifall bei der FDP]

Getilgt worden ist dort über die Jahre so gut wie nichts. Das, was getilgt worden ist, fehlte an anderer Stelle,

[Sebastian Walter (GRÜNE): Ach!]

nämlich im Bereich der Sanierungen und der Investitionen. Jetzt bleibt es auch mit der Tilgung zurückhaltend, und Sie verlagern das Problem auf die nächsten Generationen,

[Zuruf von Frank Zimmermann (SPD)]

auf die Generationen, die auch ein eigenes Anrecht haben zu entscheiden, wie sie ihre Gesellschaft und ihre Stadt gestalten möchten.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Mal ganz abgesehen davon, dass wir im Moment in einer Phase der Niedrigzinspolitik sind, nicht wissend, wie lange die noch vorhalten wird. Somit beinhaltet auch dieser Haushalt ein unkalkuliertes Risiko.

Was wir mittlerweile wissen, ist, dass aus dem Sanierungsstau im Bereich der Schulen von anfangs – dazu noch einmal eine Zahl aus dem Bericht des Rechnungshofs – im Jahre 2004 850 Millionen Euro, heute 5,5 Milliarden Euro geworden sind, die es, ich denke, da sind wir uns alle einig, gilt, in die Hand zu nehmen, um dem Sanierungsbedarf endlich Herr zu werden.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Wir hätten es sehr begrüßt, wenn Sie sich angesichts dieser Herausforderungen dazu hätten entscheiden können, sich mit einer Schulinfrastruktur GmbH, ähnlich wie in Hamburg, dieser Mammutaufgabe zu stellen. Aber es bleibt ein bisschen im Klein-Klein, es bleibt ein bisschen in der Verantwortungslosigkeit – machen es jetzt die Bezirke, macht es die Hauptverwaltung? Machen es die vier zu gründenden Schulinfrastruktur GmbHs, die, wie die Pressemitteilung des Senats es verlauten lässt, den Bezirken als Dienstleister zur Verfügung stehen, wenn sie

(Sebastian Walter)

denn darauf zurückgreifen mögen? Ich bin mir nicht ganz sicher, wie lange wir noch darauf warten sollen, dass diese Aufgabe endlich gewuppt wird. Frau Bentele fragte nach einem Ablaufplan und einem genauen Zeitplan dieser anstehenden Sanierungen. Auch diese Frage konnte nicht beantwortet werden, auch diese Frage hat der Rechnungshof noch einmal mit aufgeworfen, nicht nur nach der Zahl der Sanierungen, sondern auch danach, wann was geschieht.

Ich glaube, dass wir an diesem Punkt auch noch einmal darüber nachdenken müssen, wie wir unsere Schulen ausstatten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Schulen auch in ihrer Eigenverantwortlichkeit mehr finanzielle Mittel brauchen, weil sonst vorne wieder das Bröckeln anfängt, wenn wir hinten endlich mit der Sanierung fertig sind.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben einen immer noch viel zu großen Anteil von Ausnahmen nach § 24 Abs. 3 Landeshaushaltsordnung, von Bauplanungsunterlagen, die nicht vorliegen, von aber schon einmal angemeldeten Haushaltstiteln. Auf das Kostenrisiko wurde schon hingewiesen. Es gibt viele weitere Punkte, die der Rechnungshof angesprochen hat. Auch ich freue mich auf die dann am Ende des Tages immer noch konsensuale Beratungen im Unterausschuss Haushaltskontrolle. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Bevor wir diesen Tagesordnungspunkt schließen, möchte ich Frau Präsidentin Claßen-Beblo noch einmal herzlich im Namen des Hauses für die geleistete Arbeit danken. – Ich bitte Sie auch sehr herzlich, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofs diesen Dank weiterzugeben. Vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Es wird die Überweisung des Berichts an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

lfd. Nr. 4.1: