Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

Wir stehen dazu.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

„Täuschung durch Sprache“, Beispiel 2: Sie fordern,

Werte der eigenen kulturellen Identität zu vertreten... gegenüber einer Ideologie des dogmatischen Multikulturalismus – einer Ideologie, welche importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur hierzulande gleichstellt.

Dies ist – mit Verlaub – Täuschung durch Sprache in Reinform. Begriffe wie „dogmatischer Multikulturalismus“ oder gar „Geschichtsblindheit“ werden dem Schulgesetz unterstellt. Wer ist hier geschichtsblind, Herr Curio?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Ihre Haltung!]

Und noch ein Knaller an derselben Stelle: Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Da sage ich Ihnen mal was als jemand, der nicht zu dieser kulturellen Einheit gehört: Ich bin jeden Tag von Neuem stolz und glücklich, zu einem Staat zu gehören, in dem Menschen, die nach kultureller Einheit schreien, zur Minderheit gehören. Sie können mir nichts, Herr Curio! Sie können auch in Zukunft wutschäumend Ihre Anträge einbringen, aber ich bleibe hier genauso wie 16 Millionen andere Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Florian Graf (CDU) und Paul Fresdorf (FDP)]

Zusammen mit der Mehrheit der Deutschstämmigen pfeifen wir auf Ihre kulturelle Einheit, die sowieso eine Mär ist. Mein Deutschland ist bunt. Unser Grundgesetz bietet den richtigen Rahmen für unser Zusammenleben.

Und Sie werden mein Land nicht in Ihr Einheitsgrau verwandeln können.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Buchholz?

Keine Zwischenfragen! – Ich schließe ab mit einem Dauerbrenner unter Beispielen für „Täuschung durch Sprache“: Sie schreiben – und ich zitiere –

Beispiele (für vermeintliche Täuschung) wären etwa die gezielt gewählten Fehlbezeichnungen „Flüchtlinge“ und „Schutzsuchende“ für illegale Migranten...

Hier erst mal meine rationale Bewertung: Im vorliegenden Zitat unterstellen Sie, dass alle Einwanderinnen und Einwanderer, die als Flüchtlinge oder Schutzsuchende bezeichnet werden, eigentlich illegale Migrantinnen und Migranten sind.

[Zurufe von der AfD: Nein! Quatsch!]

Das steht so da! – Im selben Atemzug unterstellen Sie, dass jeder, der es nicht so sieht wie Sie, Täuschung durch Sprache betreibt.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Das ist unter Niveau!]

Es ist schon perfide, wenn man durch solch gezielten Einsatz von Sprache die komplette Drehung der Sachlage erreicht.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und jetzt meine emotionale Bewertung: Ich fühle mich angesprochen, wenn Sie alle Flüchtlinge zu illegalen Migrantinnen und Migranten deklarieren.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Machen wir doch gar nicht! – Frank-Christian Hansel (AfD): Thema verfehlt!]

Und ich könnte sagen, dass es mir egal sei, weil meine Flucht jetzt 25 Jahre zurückliegt und genug Gras darüber gewachsen ist, es ist mir aber nicht egal. Es reißen alte Wunden auf aus der Zeit, als sich über mich und meine Flüchtlingswelle der Hass ergossen hat. Und aus dieser persönlichen Betroffenheit und stellvertretend für all diejenigen, die heute Ihren Hass spüren und noch nicht antworten können, habe ich nur einen Satz für Sie: Schämen Sie sich!

[Starker Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – (Dr. Maja Lasić) Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Georg Pazderski (AfD): Das ist ja wie beim SPD-Parteitag! – Torsten Schneider (SPD): Schlimm für euch alte Männer!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt die Abgeordnete Frau Bentele das Wort. – Bitte schön!

[Georg Pazderski (AfD): Aber wenigstens sind wir hübsch! – Heiterkeit bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Da sieht man Ihre Maßstäbe!]

Das will ich nicht bestreiten, Herr Pazderski, aber Frau Bentele hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Um die Emotionen wieder ein bisschen herauszunehmen: Interessant war ja, dass Herr Curio kaum zu seinem Antrag geredet hat, sondern eine generelle Debatte über Integration, Leitkultur und anderes geführt hat.

Herr Curio! Ich möchte Ihnen auch mal eines zurufen: Sie verstehen sich ja als Partei, die nah bei den Leuten ist und ihnen auch zuhört, aber Ihre Anträge, die Sie hier einbringen, sind irgendwie auch von der Form her schwer verdaulich. Warum schreiben Sie nicht einfach vorne hinein, was Sie eigentlich wollen, sondern verstecken das irgendwo in irgendwelchen Anhängen? Wir stimmen hier nicht über Begründungen oder Anhänge ab. Schreiben Sie doch vorne ganz klar und deutlich, was Sie wollen!

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Ich glaube, man kann über Schulziele, was der Auftrag der Schule sein soll und Bildungs- und Erziehungsziele für unsere Schüler trefflich streiten. Ich bin mir sicher, jede Fraktion hier, jeder Abgeordnete hätte dazu eine andere Auffassung. Insofern ist es wirklich die Frage, ob man sich zu Beginn jeder Legislatur noch lange Diskussionen über das Schulgesetz und seine verschiedenen Paragrafen antun soll oder ob man sich nicht überlegen soll: Was passiert eigentlich in der Schule? Ich glaube, das ist die Diskussion, der wir uns stellen sollten.

Da würde ich Sie auch gern mal einladen mitzumachen, denn dazu hört man gerade auch im Bildungsausschuss nicht so viel von Ihnen. Sie wollen, dass totalitären Lehren entgegengetreten werden soll. Sie wollen, dass auch ein Europaverständnis gelehrt werden soll, in dem souveräne Staaten Platz haben. Ich würde mal sagen, das macht man am besten mit gutem Geschichtsunterricht, Herr Dr. Curio.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Wo ist der geblieben? Wer ist schuld daran?]

Genau. – Gerade bei diesem guten Geschichtsunterricht, denke ich, ist der Kampf oder die Diskussion, wenn wir darüber sprechen, dass wir verschiedene Fächer in der 5. und 6. Klasse fusionieren, wo der Platz des Geschichtsunterrichts ist, welche Methoden wir da anwenden wollen, welche Inhalte wir rausstreichen wollen. Da ist die Diskussion. Da muss sie stattfinden.

Was ist die Aufgabe des Staates und seiner Organe? – Wir wollen streiten für eine bessere politische Bildung. Wir wollen schon seit langer Zeit Politik als eigenes Schulfach einrichten und dafür die Stundentafel erhöhen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Das sind die Diskussionen, die wir mit den Eltern führen müssen.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Sie wollen, Sie wollen, dann machen Sie doch was! Sie hatten fünf Jahre Zeit!]

Ja, wir konnten es ja nicht allein machen.

[Georg Pazderski (AfD): Sie hätten die Koalition verlassen können müssen! Das ist das Thema! – Dr. Maja Lasić (SPD): Das ist nicht das Thema!]

Wegen des Politikunterrichts, ja? – Dann stellen Sie sich jetzt an unsere Seite und kämpfen Sie es mit uns durch, genauso wie z. B. eine andere Frage: die Stärkung der kulturellen Bildung. Vor Kurzem wurde Frau Scheeres der Musik-Gordi 2017 dafür überreicht, dass an der Grundschule 80 Prozent des Musikunterrichts ausfällt und dass zehntausend Kinder auf Wartelisten unserer Musikschulen stehen. Bei den Haushaltsberatungen ist genug Gelegenheit, zur Stärkung der kulturellen Bildung beizutragen und diese Posten zusammen mit unseren Vorschlägen deutlich zu stärken.

Stärkung der deutschen Sprache: An vielen Schulen wird nach dem Prinzip Schreiben nach Gehör gelernt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich da an unsere Seite stellen und diesen Quatsch mit bekämpfen, sodass unsere Schüler auch mit einem besseren Deutsch aus der Schule rauskommen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Ich glaube, ich habe Ihnen ganz konkrete Punkte für die Debatte genannt, wo wir gern zusammen streiten können, deshalb predigen Sie hier nicht Theorie von der Kanzel.

Vielleicht noch ein allerletzter Punkt: Tappen Sie auch nicht in die Falle der Linken, die sagen, Gesellschaft wird in der Schule verändert! Da kann ich Sie nämlich beruhigen: Die Schule und auch Institutionen haben nur eine ganz geringe Prägekraft; Traditionen und Identität werden im Elternhaus gelehrt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Torsten Schneider (SPD): Konservatives Familienbild!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Kittler das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag entspricht der Strategie der AfD, Angst zu verbreiten.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Die Kurzzusammenfassung dieses Antrags ist: Die AfD will das Schulgesetz ändern, weil sie das deutsche Volk in Gefahr sieht.

[Karsten Woldeit (AfD): So ist das doch!]