Protokoll der Sitzung vom 06.07.2017

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

beim Standesamt verschaffen kann. Das schlagen wir auch vor. In Mitte konnte erst auf erheblichen Pressedruck in den letzten Wochen dafür gesorgt werden, dass man einen Termin über die Webseite beim Standesamt bekommt. Das ist wirklich kein Hexenwerk der Digitalisierung, sondern schlicht eine Anmeldung auf einer Webseite. Das sollte in allen Bezirken möglich sein.

[Beifall bei der FDP]

Insgesamt sind wir der Auffassung, es muss noch mehr Best-Practice-Austausch zwischen den Bezirken geben. Die Onlineanmeldung ist nur ein Beispiel. Wissenstransfer erfahrener Standesbeamter brauchen wir, um die neuen schnell auszubilden. Wir verlangen auch, dass umgehend überlegt wird, die sechsmonatige Ausbildungszeit der Standesbeamten zu verkürzen. Diese konkreten Maßnahmen werden kurzfristig die Wartezeiten verkürzen und mittelfristig die Personalengpässe auflösen. – Es ist unsere Stadt. Machen wir sie auch zu einer funktionierenden Stadt!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. West das Wort. – Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Ich freue mich, dass Ihnen das Thema Standesämter genauso am Herzen liegt wie uns. Weil dem so ist, haben wir hier im Parlament im März schon über zwei Koalitionsanträge zu dem Thema diskutiert. Ich verstehe im Übrigen sehr, dass es Ihnen da nicht schnell genug gehen kann. Und nein: Wir dürfen und werden uns auf keinen Fall damit zufriedengeben, wie es momentan läuft. Monatelange Wartezeiten in einigen Bezirken sind inakzeptabel.

Wenn ich jetzt aber einmal ausblende, dass Sie als Opposition natürlich immer ein Haar in unserer Regierungssuppe finden müssen, hilft das, was Sie hier konkret – offensichtlich etwas panisch – vorschlagen, nur sehr bedingt weiter. Sie beantragen sinngemäß, dass die Terminvergabe der Berliner Standesämter unter einem Dach vereinheitlicht wird. Ferner beantragen Sie, dass sich Land und Bezirke auf der fachlichen Ebene zusammensetzen, um die Organisationsabläufe in den Ämtern zu verbessern. Das finden wir beide sehr gut, und deswegen haben wir genau das auch vor einigen Monaten ins Parlament eingebracht. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie dem sogar zugestimmt.

[Sebastian Czaja (FDP): Wir haben gedacht, es passiert was!]

Aber, glauben Sie mir, Papier ist geduldig, und das alles wird nicht dadurch schneller, dass wir es nochmal ins Parlament einbringen, denn Panik löst keine Probleme.

Neu kommt in Ihrem Antrag allerdings das Thema Personalentwicklung dazu. Zu den Einzelpunkten komme ich gleich noch. Ja, es ist im Moment schwer, neue Standesbeamte zu bekommen. Dadurch, dass erfreulicherweise demnächst vermutlich sehr viele schwule und lesbische Paare vor dem Standesamt stehen werden, kommen neue Herausforderungen auf uns zu.

Zu den Forderungen im Einzelnen: Wie Sie vielleicht der Presse entnehmen konnten, arbeitet der Senat bereits daran, Standesbeamte aus dem Ruhestand zurückzuholen. Dass man die Ausbildung verkürzt, ist dringend nötig. Ich freue mich, dass die zuständige Staatssekretärin bereits angekündigt hat, genau das umzusetzen. Erfahrene Kolleginnen und Kollegen in der praktischen Ausbildung einzusetzen, ist sehr gut, allerdings schon gängige Praxis. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Standesämtern bessere Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten, ist ein tatsächlich zu lösendes Problem. Lassen Sie uns daher im Ausschuss darüber miteinander reden.

Übrig bleibt zum Schluss dann nur noch Ihre Forderung, kurzfristig jedem Bezirk mindestens zwei zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Es wird zwar vermutlich aufgrund der Öffnung der Ehe tatsächlich notwendig sein, hier kurzfristig nachzusteuern. Wenn man allerdings genauer hinschaut, kann man erkennen, dass bislang die Personalausstattung nicht der wesentliche Grund für lange Wartezeiten war, sondern dass es Bezirke gibt, die ihre Standesämter gut managen, und solche, die es überhaupt nicht hinbekommen. Was wir auf keinen Fall tun sollten, ist, jetzt mit der Gießkanne heranzugehen. Das löst keines der von Ihnen beschriebenen Probleme.

Damit zukünftig kein Paar mehr ewig warten muss, bis die Hochzeitsglocken endlich läuten, bis man einen neuen Pass, einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde, eine neue Geburtsurkunde oder, oder, oder – bekommt, muss man, liebe FDP, deutlich dickere Bretter bohren, als pauschal Geschenke an die Bezirke zu verteilen. Hier müssen wir eigentlich über die Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken reden. Ich bin froh, dass Sie das offenbar mittlerweile auch tun wollen, wie ich gelesen habe. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Keine Panik! Vielmehr wünsche ich uns allen den Mumm, grundlegend etwas zu ändern. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

(Dr. Maren Jasper-Winter)

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Dregger das Wort! – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich kann es kurz machen. Erstens: Ich begrüße den Antrag der FDP, weil er ein existierendes Problem behandelt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie haben es zutreffend beschrieben, und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Zweitens: Ich hoffe, dass der Senat das Problem auch erkannt hat. Wir warten auf einen Krisenreaktionsplan, den wir noch nicht kennen.

Drittens: Wir haben die Erfahrung mit den Bürgerämtern gemacht, wo wir in den vergangenen zwei Jahren eine vergleichbare Situation erlebt haben. Dort hat geholfen, dass wir in der gemeinsamen Koalition aus SPD und CDU die notwendigen personellen Ressourcen hinzugefügt haben, um die Situation zu verbessern. Wir haben 107 Stellen in relativ kurzer Zeit geschaffen, und das hat die Lage in den Bürgerämtern entspannt. Ich glaube, daraus kann man lernen, und das kann man hier auch anwenden.

Der mir selbst wichtigste Punkt: Wir brauchen keine kurzfristige, sondern eine langfristige Lösung. Das ist die Digitalisierung der Berliner Verwaltung. Es ist gar nicht einzusehen, dass Menschen, die heiraten wollen, ihre Urkunden selbst mitbringen müssen, um sie dem Standesamt vorzulegen, denn alle Daten, die dafür notwendig sind, liegen dem Land vor. Sie müssen nur durch Zugriffsberechtigungen und die notwendigen digitalen Strukturen im Hintergrund so verfügbar gemacht werden, dass nicht der Bürger und die Unternehmen laufen müssen, um ihre Anliegen vorzubringen, sondern die Behörde muss laufen und das Notwendige – möglichst digital – einsammeln. Deswegen haben wir gemeinsam in der Koalition in der letzten Legislaturperiode das EGovernment-Gesetz für Berlin geschaffen. Das hat die Strukturen durchaus verändert und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in den nächsten Jahren die digitale Verwaltung zum Regelfall wird und die analoge zur Ausnahme. Das ist ohne Zweifel ein Mammutprojekt, das wir kritisch, aber konstruktiv begleiten sollten. Es stellt einen völligen Paradigmenwechsel dar und wird dafür sorgen, dass Verwaltungsanliegen der Menschen und Unternehmen zukünftig effizient geregelt werden können, auch wenn sie heiraten wollen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Schrader das Wort. – Bitte!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Standesämter haben momentan Schwierigkeiten, ihre Aufgaben zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger zu erledigen. Insofern ist es gut, dass wir heute darüber reden. Ich finde aber, wir dürfen die Diskussion nicht auf die Standesämter beschränken. Ich sage Ihnen auch, warum: Wir haben hier über die verschiedenen Baustellen im öffentlichen Dienst in den letzten fünf Jahren immer wieder beraten. Die endlosen Warteschlangen bei den Bürgerämtern und auch die katastrophalen Zustände beim LAGeSo haben wir nicht vergessen.

Ganzheitlich angegangen wurden diese Probleme leider nicht. Die Linke hat sich jahrelang für ein strategisches Personalentwicklungskonzept für den gesamten öffentlichen Dienst eingesetzt, aber betrieben hat man in den letzten Jahren lieber Flickschusterei, z. B. einzelne Stellen bei den Bürgerämtern. Man hat das ohne eine ganzheitliche Betrachtung sämtlicher Ämter für Bürgerdienste, zu denen auch die Standesämter gehören, getan. Das Ergebnis ist, dass wir jetzt mit den Standesämtern die nächste Baustelle haben.

Dank des Beschlusses des Bundestags zur Ehe für alle haben wir in Zukunft noch mehr Bedarf. Das ist etwas, was mich ganz besonders freut!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Wie ich gehört habe, will die FDP in NordrheinWestfalen diesem Antrag im Bundesrat gar nicht zustimmen. Das finde ich schade. So viel zum Thema Konsequenz bei der FDP in dieser Frage.

Die FDP hat hier ein paar Vorschläge gemacht nach dem Motto: hier mal zwei neue Stellen oder da mal ein paar Beamte aus dem Ruhestand holen. – Da muss ich schon sagen: Klar, Notfallmaßnahmen kann man machen; das macht der Senat ja auch.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Er muss es machen!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Krestel?

Nein! Ich möchte lieber ohne Zwischenfragen reden. Danke! – Diese Notfallmaßnahmen als Konzept ist nichts anderes als die Weiterführung dieser Flickschusterei der letzten fünf Jahre. Wir haben doch Herausforderungen

mit der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes insgesamt. Aber hier und da mal ein Trostpflaster draufzukleben oder kurzfristig Löcher zu stopfen, kann doch nicht unser Anspruch sein.

[Beifall bei der LINKEN]

Wenn Sie eine Verkürzung der Ausbildungszeit vorschlagen, habe ich meine Zweifel, ob das nicht nach hinten losgeht, weil es zulasten der Qualität gehen könnte.

Wir müssen die Personalentwicklung im öffentlichen Dienst insgesamt neu aufstellen und dabei sämtliche Bürgerdienstleistungen in den Blick nehmen. Es sind dafür erste Schritte gemacht worden, zum Beispiel mit der gemeinsamen AG Ressourcensteuerung, mit der deutlichen Aufstockung der Personalbudgets der Bezirke, aber wir sind natürlich noch lange nicht am Ende. Aber so müssen wir an die Sache herangehen, und nur so können wir die Probleme nachhaltig lösen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Joschka Langenbrinck (SPD): So lange tun wir nichts oder was?]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Ubbelohde das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man könnte meinen, dieser Senat und auch schon seine Vorgänger unter Beteiligung der CDU mit ihrem ehemaligen Innensenator waren in den letzten Jahren gar nicht wirklich in Berlin,

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

fern der Realität negativer Zustände und damit fern von jedem Berliner, der gegenüber der Verwaltung ein Anliegen hatte. Nun brennt es, eine Krisensitzung jagt die nächste, und ein völliger Kollaps der Standesämter steht nahezu überall bevor, wenn er in Mitte und Pankow nicht schon traurige Realität ist. Sie tragen dafür die politische Verantwortung. Seit 2001 findet in fast allen Bezirken eine permanente Aufgabenverdichtung allein unter Kostenaspekten und nie wirklich aufgabenkritisch statt. Das ist in der Tat nicht nur ein Thema der Standesämter, sondern der Ämter im Allgemeinen. Neben der grundsätzlichen Abkoppelung der Berliner Beschäftigten von der bundesdurchschnittlichen und Brandenburger Einkommensentwicklung fanden sogar Absenkungen der Besoldung statt wie von A 11 auf A 10.

Die Aufgabenwahrnehmung wurde zudem erschwert durch die Umstände einer wachsenden Stadt, insbesondere durch den ungebremsten Zustrom von Asylanten und

Migranten, von denen Tausende, wenn überhaupt Papiere besitzend, nur ungenügend Dokumente bei sich haben. Überlastung, Stress, Demotivation, hohe Bearbeitungsrückstände, stetig gestiegene Krankenstände begleitet von fehlenden Beförderungsperspektiven – das will offenbar die Berliner Politik nicht mehr wahrhaben und lässt nicht nur unsere Staatsbediensteten im Regen stehen, sondern auch die übrigen Bürger. Dazu kommen noch über 20 Standesbeamte – Achtung! –, die vor dem verdienten Ruhestand stehen, und kein Ersatz ist in Sicht. Ich denke, Sie wissen das.

Der kurzgesprungene Antrag der FDP könnte dabei von einer Krisensitzung des Senats abgekupfert sein; nicht zu Ende gedacht und nicht zielführend.

Erstens: Es ist bei den gegebenen und von mir geschilderten Rahmenbedingungen doch wohl völlig weltfremd anzunehmen, dass ausgebildete Standesbeamte aus anderen Bundesländern gerade nach Berlin wechseln.

Zweitens: Jeder weiß, dass es nicht entscheidend ist, auf welchen Wegen Termine gemacht werden, sondern ob Beschäftigte und Anwärter überhaupt da sind, die diese Termin bearbeiten können.

Drittens: Beamte aus dem Ruhestand zu holen, wie übrigens in Reinickendorf vom zuständigen Stadtrat gemeinsam mit dem Bezirksamt bereits praktiziert, ist ausschließlich eine kurzfristige kleine Löschaktion, mehr nicht, zumal auch für die Kollegen im Ruhestand die gegebenen Rahmenbedingungen nicht wirklich einen positiven Anreiz darstellen, oder? Da müsste gegebenenfalls die Langeweile schon schmerzhafter sein als die zu erwartende Pein im Behördendasein.

[Beifall von Thorsten Weiß (AfD)]