Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

Warum brauchen wir dann in Teilen eine doppelte Staatsbürgerschaft? Was hat es denn für praktische Erwägungen, so etwas zu haben? Wenn jemand in unser Land kommt, weil er Teil unserer Gesellschaft werden möchte – und davon gehe ich aus, wenn er herkommt –, dann hat das ganz praktische Erwägungen, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu haben, denn ich habe oft noch Sachen, die ich in meinem Herkunftsland regeln muss. Da geht es um Besitzverhältnisse, um rechtliche Sachen, da geht es aber auch darum, dass ich ohne Probleme zurückreisen kann, um Familienangehörige zu besuchen und den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Dafür macht es sogar Sinn, auch doppelte Staatsbürgerschaften zu ermöglichen.

[Ülker Radziwill (SPD): Sehr richtig!]

Was wir wollen, ist, dass dies kein unbegrenzter Zustand sein wird. Wir sagen, die Enkelgeneration derer, die in die Bundesrepublik Deutschland eingewandert sind, muss sich dann entscheiden. Sie müssen dann sagen, ich möchte diesen Pass oder jenen.

[Ülker Radziwill (SPD): Was ist, wenn die auch familiäre Bindungen haben?]

Ich finde die Annahme ein bisschen schwierig, dass ich sage, in der dritten Generation kann ich die Identität meiner Großeltern, die staatliche Identität, nur bei mir tragen, wenn ich auch diesen Pass habe. Dann bin ich wirklich schon so lange auch mit meiner Familie hier, dass ich sagen kann, ich kann mich entscheiden, welche Identität ich annehmen möchte, und dann ist es so.

Eine Einbürgerung muss verbindliche Bedingungen vorgeben. Es muss ein klares Regelwerk geben. Voraussetzungen für eine Einbürgerung müssen insbesondere gute Sprachkenntnisse sein, denn diese sind auch Schlüssel, um an einer Gesellschaft teilhaben zu können. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis muss seit mindestens vier Jahren vorliegen. Die eigene Sicherung des Lebensunterhalts, des Lebensunterhalts der Familie muss gegeben sein. Eine Straflosigkeit und ein bestandener Einbürgerungstest, vor allem das uneingeschränkte Bekenntnis zur

Rechtsordnung unseres Landes ist essenzielle Voraussetzung, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Für uns Freie Demokraten ist klar, die Einbürgerung soll gleichermaßen Motivation und Ziel eines Integrationsprozesses sein. Diese Voraussetzungen müssen dann erfüllt sein. Grundsätzlich möchten wir, dass alle Länder, alle Herkunftsländer außerhalb der Europäischen Union gleich behandelt werden, wenn wir uns anschauen, wie wir mit der doppelten Staatsbürgerschaft umgehen. Wir werden bei der direkten Abstimmung über diesen Antrag den Antrag ablehnen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat die Kollegin Bayram das Wort.

[Zuruf von der CDU: Kandidatin für den Bundestag!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Man muss keine doppelte Staatsbürgerschaft haben, um diesen Antrag abzulehnen. Ich selbst habe ganz bewusst auf die türkische Staatsbürgerschaft verzichtet, als ich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen habe, und zwar, weil ich nicht wollte, dass der türkische Staat weiterhin Einfluss hat. Das ist eine Entscheidung, die mir heute auch immer wieder leichtfallen würde, weil es eine richtige und gute Entscheidung war.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dennoch ist es falsch, dass man den Menschen abverlangt, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Insoweit ist der Antragstext, dass die Optionsregelung, die wir schon einmal hatten, wieder eingeführt werden soll, relativ harmlos. Darüber kann man diskutieren, würde ich ablehnen. Aber das, was dahintersteht und was in der Begründung steht, zeigt doch, worum es der AfD und auch Herrn Curio mit diesem Antrag eigentlich geht. Da ist von Fremdstaaten und fremden Kulturen und Ähnlichem die Rede. Auch in seiner Rede hat Herr Curio hier etwas von „unserem Deutschland“ und „unserem Staat“ und „unserem Rechtsstaat“ gesagt. Und ich habe mich ehrlich gefragt: Von welchem Deutschland redet der eigentlich?

[Thorsten Weiß (AfD): Von unserem!]

Jedenfalls nicht von meinem.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Lachen von Thorsten Weiß (AfD)]

(Paul Fresdorf)

Spannend und entlarvend ist tatsächlich, was in dem Antrag in der Begründung steht, und zwar steht da, er wolle zurück zu einer Regelung, die Ende der Vierzigerjahre gegolten haben soll. Man stellt sich die Frage, ob Sprache und Begründung eher zum Ende der Vierzigerjahre Deutschlands oder zum Anfang der Vierzigerjahre passen.

[Karsten Woldeit (AfD): Hör auf!]

Das ist eine Frage, die man hier aufwerfen muss. Ich kann klar sagen, Kollegen von der AfD: In das Deutschland, von dem Sie träumen, will keiner zurück und ich auch nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dieses Wasser, das Sie predigen, das verschütten Sie doch selbst mit dem Wein, den die Frau Weidel trinkt. Sie will irgendeine völkische Gesellschaft einführen und beschäftigt selbst eine Mitarbeiterin für ihren Haushalt, die Geflüchtete ist. Diese Ansprüche, die Sie anmelden, wie Deutschland sein soll, sind in der Praxis so überholt, dass Sie sie selbst nicht erfüllen können. Normalerweise würde ich sagen, das ist keine glaubwürdige Politik, aber Ihnen kann man das ja noch nicht einmal vorwerfen, weil man sagen muss, mein Gott, die versuchen hier, mit rechten Sprüchen Stimmung zu machen. In der Realität ist Deutschland viel weiter, als die AfD vielleicht befürchtet. Deswegen können wir froh sein, dass selbst die AfD von unserer vielfältigen Gesellschaft profitiert und im Alltag diese manchmal zu leben gezwungen ist. Das zeigt doch, dass Deutschland viel weiter ist, als Sie das erkennen und Sie das jemals zurückdrehen können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie führen hier vor – Herr Wild wird uns das gleich auch wieder erzählen –: Wenn Liebe zu seinem Land zum Hass gegen Menschen wird, dann ist doch irgendwas mit dieser Liebe krank, oder?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es kann doch nicht sein, dass Sie unter dem Stichwort „Vaterliebe“ sozusagen Menschen davon abhalten wollen, doppelte Staatsbürgerschaft zu haben und vielleicht eben das ursprüngliche Mutterland auch noch zu achten.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Vaterliebe!]

Es ist ja jetzt auch kein Geheimnis, warum Sie, Herr Curio, gerade heute diesen Antrag einbringen. Am 24. September ist eine Bundestagswahl. Deswegen will ich diese Gelegenheit hier nutzen, deutlich zu machen: Wer diese AfD wählt, der wählt einen Rückgang Deutschlands in finstere Zeiten, wie wir sie nicht mehr haben wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der AfD]

Ich kann nur deutlich sagen: Stimmen Sie nicht nur gleich in der Sofortabstimmung mit einem klaren Nein gegen diese AfD, sondern auch für ein klares Ja für die doppelte Staatsbürgerschaft!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Thorsten Weiß (AfD): Das haben doch Ihre Linken geschrieben!]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter!

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Gäste! Auch wer meint, er müsse einen anderen Pass haben als den deutschen, der ist mit Sicherheit nicht voll integriert. Integration heißt, Teil des Ganzen zu sein. Das sagt Heinz Buschkowsky. Der Antrag der Kollegen der AfD führt wichtige Punkte zur Begründung der Unterstützung der Bundesratsinitiative an. Der wesentliche Punkt ist für mich die Überfremdung, der mit dem regelmäßigen Doppelpass ein weiteres Tor geöffnet wurde. Man hat doch nichts dagegen, dass hart arbeitende türkische Mitbürger Deutsche werden können, dass sie Deutsche werden können, wenn sie ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder in Deutschland sehen. Dann gibt es halt Susanne Öztürks und Heinrich Sahins. Aber betrifft das wirklich so viele Menschen in Deutschland?

[Zuruf von der SPD: Ja!]

Betrifft es wirklich so viele Menschen in Deutschland? Betrifft es so viele Leute, die im Herzen Deutsche werden wollen? Wenn Sie sich die Vornamen der Kinder der Gastarbeiter der dritten und vierten Generation anschauen, werden Sie sich wundern, da kann man Zweifel bekommen.

[Philipp Bertram (LINKE): Ich zweifle an Ihrem!]

Um eins noch einmal klarzustellen: Integration ist Bringschuld desjenigen, der sich in unsere deutsche Gesellschaft als vollwertiges Mitglied einfügen möchte.

[Steffen Zillich (LINKE): Genau! – Zurufe von der CDU]

Dazu gehören die deutsche Kultur, das deutsche Recht, das Beherrschen der deutschen Sprache und das Bekenntnis, mit allen Rechten, Pflichten und im Rahmen der hiesigen Gepflogenheiten Teil unserer Nation und Teil unseres Volkes zu werden.

(Canan Bayram)

Dazu gehört auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Diese steht bekanntlich in Teilen im Widerspruch zum islamischen Recht. Wer darum als Moslem Deutscher werden will, muss sich klar zu unserem Rechtssystem bekennen und Teile des islamischen Rechts ablehnen.

Nationalstolz und Patriotismus gehören eigentlich auch zu den Bedingungen, die es braucht, um eine Staatsbürgerschaft zu erlangen, aber daran mangelt es ja bereits bei etlichen Mitgliedern sogar hier im Haus.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Schneider?

Ja, gerne!

Bitte sehr!

Herr Kollege! Ich bin ein bisschen stutzig geworden. Wussten Sie eigentlich, dass der Name Andreas aus dem Griechischen stammt, und halten Sie sich jetzt für einen schlechten Deutschen?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Andreas heißt „der Starke“, und das ist auch gut so.