Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

[Zurufe von den GRÜNEN]

Je mehr Videoüberwachung, desto besser! – Ich unterstütze den Antrag der CDU-Fraktion. – Schönen Dank!

[Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Dann kommen wir zur zweiten Rederunde. Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dregger das Wort.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Bitte, bitte, lieber Senat, schaff mir eine Rechtsgrundlage! Ich kann es nicht allein!]

Sehr geehrter Herr Kollege Lux! Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Tatsachen. Und Sie scheinen die Tatsachen anders wahrzunehmen als über 80 Prozent der Berlinerinnen und Berliner. Wenn Sie glauben, dass die Kriminalitätsschwerpunkte dieser Stadt Orte der Entspannung und des Wohlbefindens sind, dann befinden Sie sich in einer gefährlichen Parallelwelt, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wo anders Sie derartige Vorstellungen entwickelt haben als in den Kreisen Ihrer eigenen Partei.

[Beifall bei der CDU – Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der AfD – Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Sehr geehrter Herr Innensenator! Sie haben hier in Ihrer Intervention dargelegt, dass Sie der Empfehlung der Polizei folgen. Ich weiß nicht, wer Ihnen da Empfehlungen gibt.

[Karsten Woldeit (AfD): Kandt!]

Ich kenne nur Polizeibeamte, die das empfehlen, was wir vorschlagen. Dazu gehören auch die Deutsche Polizeigewerkschaft, die Gewerkschaft der Polizei, inzwischen auch der Deutsche Beamtenbund und viele andere verantwortungsvolle Experten für Sicherheitsfragen in dieser Stadt. Deswegen empfehle ich Ihnen: Reden Sie mal mit denen!

[Karsten Woldeit (AfD): Ganz genau!]

Lassen Sie sich beraten, denn wer beratungsresistent ist, macht Fehler!

Drittens: Es ist jetzt verschiedentlich angeklungen, sozusagen in völliger Desinformation der Öffentlichkeit, es gehe hier um eine flächendeckende Videoüberwachung. Das ist das Wort, das der Innensenator verwendet hat. Ein Kollege hat von „Rundumschlag“ gesprochen und von

„uferlos“. Das ist absolut nicht zutreffend. Es geht darum, an den gefährlichen Orten dieser Stadt auch der Polizei das Recht zu geben, dieses Mittel einzusetzen.

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

Ob und inwieweit sie es einsetzt, überlasse ich gerne den Sicherheitsexperten der Polizei. Aber wenn man ihr die gesetzliche Ermächtigung dazu nicht gibt, dann kann sie dieses Mittel nicht einsetzen. Und genau dafür wollen wir jetzt sorgen: dass sie die gesetzliche Ermächtigung bekommt.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Lux?

Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Kollege Dregger! Würden Sie mir zustimmen, dass jeder Park, der tagsüber vielleicht noch so friedlich ist, jede Grünanlage, wo sonst nichts passiert, jede Straße auch in den Außenbezirken zu einer bestimmten Zeit, wenn sich die entsprechenden Personen dort herumtreiben, ein gefährlicher Ort sein kann? Müsste man dann nicht nach Ihrer Logik zu einer Videoüberwachung dieser Orte in ganz Berlin kommen?

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Also, ich glaube, dass es klug ist, sich sehr genau anzusehen, an welchen Orten welche Gefahrenlagen entstehen. Und ich glaube auch nicht, dass das Gegenstand der politischen Entscheidung ist, wo ein solcher gefährlicher Ort ist, sondern das ist doch etwas, was die Fachleute, diejenigen, die für Sicherheit sorgen, überprüfen und festlegen müssen. Wir können doch nur den gesetzlichen Rahmen schaffen.

Und da möchte ich mal auf Ihren Hinweis und auf den des Herrn Innensenator eingehen. Sie meinen, wir hätten keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorgeschlagen, sondern einfach einen Antrag gestellt. Ich möchte in Erinnerung rufen, falls es Ihnen entfallen sein sollte, dass wir in dieser Legislaturperiode mit Drucksache 18/0057 vom 22. Dezember 2016 unsere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in das Abgeordnetenhaus eingebracht haben. Sie wurde von Ihnen im März 2017 abgelehnt. Was Sie fordern, haben wir vorgelegt. Sie waren nicht bereit mitzugehen, und deswegen werden wir weiterhin aktiv sein, um dieses Thema voranzutreiben.

[Beifall bei der CDU]

(Andreas Wild)

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Videotechnik kein Allheilmittel ist. Natürlich brauchen wir eine starke Polizei, auch was die personelle Stärke anbetrifft. Aber wenn Sie die Leute glauben machen wollen, wir hätten in der letzten Legislaturperiode nicht dafür gesorgt, dann ist das nicht zutreffend. Dann ist das Irreführung. Wir haben in den fünf Jahren – in denen wir übrigens auch noch den Haushalt saniert haben – 1 391 neue Stellen im Polizeivollzug geschaffen, und diese sind auch besetzt worden. Ich finde, das sollte man erwähnen. Und wenn Sie diesen vernünftigen Weg fortführen wollen, dann erhalten Sie dabei unsere volle Unterstützung.

Herr Kollege Schrader! Sie haben Fakten angemahnt. Ich finde, ich habe ein paar Fakten vorgetragen. Die Fakten sind folgende: Während die Zahl der Fahrgäste bei der BVG seit 2008 um 25 Prozent gestiegen ist, weil Berlin eine wachsende Stadt ist, ist die Zahl der körperlichen Übergriffe gegen Personen, gegen Fahrgäste, über 20 Prozent zurückgegangen. Das ist ein Faktum, das habe ich mir nicht ausgedacht,

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

das habe ich nicht erfunden, sondern das können Sie nachlesen. Und das gilt auch für Übergriffe auf Beschäftigte der BVG: über 47 Prozent Rückgang. Also empfehle ich uns: Nehmen wir die Fakten zur Kenntnis! Lassen wir die Polizei ihren Job tun, wie übrigens in fast jedem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, in dem Videoüberwachung an gefährlichen Orten auf Plätzen und Straßen ermöglicht wird! Es ist nicht einzusehen, dass wir davon ausgehen, dass ausgerechnet Berlin die sicherste Stadt ist, die das nicht brauchte, womit die anderen Bundesländer hervorragende Erfahrungen machen. Deswegen fordere ich Sie auf: Kommen Sie endlich zur Vernunft! Folgen Sie meinetwegen Heinz Buschkowsky, wenn Sie schon nicht uns folgen wollen! Das ist ein vernünftiger Mann. Ich habe aber den Eindruck, dass die Zahl derjenigen in der SPD, die, so wie er, sich nicht in die Irrealität verabschieden wollen, sehr klein geworden ist. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) – und Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Zimmermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dregger! Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn wir aufhören würden, uns gegenseitig Nichtstun vorzuwerfen, könnten wir vielleicht Raum freischaufeln für die Auseinandersetzung mit den eigentlichen Details, die wichtig

sind. Man könnte die Polemiken weglassen, das wäre vielleicht ganz hilfreich.

[Heiko Melzer (CDU): Nur zu!]

Ich glaube, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer, die der Debatte folgen, es auch für sehr vernünftig hielten, wenn wir uns auf dieses Niveau begeben könnten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dann könnten wir nämlich dazu kommen, dass wir gegenseitig um die besten Vorschläge ringen und auch sachlich an den Formulierungsvorschlägen arbeiten, so, wie wir das übrigens vor Ende der letzten Wahlperiode auch versucht haben, Herr Dregger. Sie sagen immer, wir hätten alles verhindert. Sie wissen wie ich, dass wir zusammengesessen und darüber beraten haben. Es ist nicht gelungen, eine gemeinsame Linie zu finden. Ich will mal weglassen, woran genau das gelegen hat, aber es gab das Bemühen, etwas zu tun.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wenn wir als Ergebnis von heute festhalten könnten, dass wir diese ewige Abrechnung mit irgendwelchen vergangenen Zeiten aufgeben würden und uns nicht um die Vergangenheit, sondern gemeinsam um die Zukunft kümmern würden, dann wären wir einen Schritt weiter.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Steffen Zillich (LINKE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich will zwei, drei Anmerkungen zur Rechtsgrundlage loswerden, da hier, vor allen Dingen von Herrn Luthe, bestritten wurde, dass wir eine geeignete Rechtsgrundlage haben. Es gibt eine klare Formulierung in § 24 ASOG, die kennen alle. Die hat bestimmte Voraussetzungen. Wir haben jetzt beschlossen, im Senat und in den Fraktionen, dass wir die zulässige, die mögliche Auslegung dieser Formulierung anwenden – nicht mehr und nicht weniger. Deswegen steht es auf einer gesicherten Rechtsgrundlage, was der Senator jetzt umsetzt. Entscheidend ist, dass nicht Sie und nicht wir eine Verwerfungskompetenz haben zu sagen, die Norm reicht nicht oder taugt nichts. Das sind schon andere, die dann entscheidend erklären müssten, ob das Gesetz ausreicht oder nicht, das sind nicht wir hier in diesem Hause.

Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die Frage No-goAreas. Es gibt leider eine verfestigte Wahrnehmung, es gebe Gegenden in der Stadt, in die man besser nicht mehr gehe. Über die Jahrhunderte hat es immer Ecken gegeben, die etwas stärker belastet waren als andere. Das gibt es jetzt leider auch in Berlin. Was wir aber nicht machen sollten, Herr Dregger, ist, ein Stigma für bestimmte Gegenden zu erzeugen, sodass die Leute glauben, da könne man nicht mehr hingehen. Denn dann, wenn sich die Betrachtung so entwickeln sollte, Herr Dregger, wird der Ort objektiv gefährlicher. Es ist so – in der Physik gibt es die Heisenbergsche Unschärferelation –, dass wir fests

(Burkard Dregger)

tellen müssen: Die Betrachtung des Objekts ist mit entscheidend. Das Objekt kann sich durch die bloße Betrachtung verändern. Spielen Sie nicht damit! Versuchen Sie nicht, eine Stimmung zu erzeugen, die No-go-Areas behauptet! Es gibt sie nicht, und wir werden auch verhindern, dass es in dieser Stadt No-go-Areas gibt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dregger?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege! Darf ich Sie jetzt so verstehen, dass Sie davon ausgehen, dass es in Berlin keine kriminalitätsbelasteten Orte gibt,

[Zuruf von der SPD: Nein!]

weil Sie sagen, es gebe keine Fakten, die das belegen können? Dann bitte ich Sie, in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik zu schauen!

Vielen Dank für die Frage, Herr Dregger! Das ist eine schöne Übung, die wir jetzt mal durchdeklinieren können. Ich sage, es gibt keine No-go-Areas. Ich sage nicht, dass es keine kriminalitätsbelasteten Orte gibt. Es gibt sie. Die Polizei stellt sie fest, es sind zehn an der Zahl zurzeit. Die nehmen wir ernst. Lassen Sie uns auf dieser Basis konkret beraten, was wir an diesen kbO verbessern können. Lassen Sie uns aber nicht gegenseitig polemisch vorwerfen, dass wir die Realität verkennen. Das ist nicht der Fall.