Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Wir wollen, dass die Risiken nicht mehr einseitig auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Ich freue mich, dass es in Berlin eine Koalition gibt, die den Mut und die Kraft für diesen Schritt hat. Wir sind beim Thema gute Arbeitsbedingungen in Landesverantwortung im ersten Jahr Rot-Rot-Grün einen guten Schritt vorangekommen. Wir zeigen den Berlinerinnen und Berlinern, dass wir Wort halten und gemeinsam das Leben in dieser Stadt tatsächlich besser und gerechter machen, damit mehr Menschen in unserer Stadt optimistisch in die Zukunft blicken können. Wer für das Land Berlin arbeitet, tut dies künftig, wo immer es geht, mit sichereren Perspektiven, und das ist gut so. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Schultze-Berndt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Wohlstand und unsere Lebensqualität hängen wesentlich vom stetigen und nachhaltigen Wachstum unserer Wirtschaft ab. Sie muss international wettbewerbsfähig bleiben, ihre Fähigkeit zu Innovationen ausbauen und ausreichend neue Arbeitsplätze schaffen,

[Torsten Schneider (SPD): Was kostet der Mensch?]

auch und gerade im digitalen Zeitalter und im Zeitalter der Globalisierung. In der sozialen Marktwirtschaft setzen wir auf die Kraft und die Kreativität des Einzelnen, von Arbeitnehmern und Unternehmen. Wir setzen auf Aufstiegschancen für alle, die bereit sind, dafür ihren Beitrag zu leisten.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wir wissen auch, dass Solidarität und soziale Gerechtigkeit unverzichtbar sind. Wir lassen in Deutschland niemanden zurück, und wir wollen vielen eine Chance zu Teilhabe und eigenverantwortlicher Lebensgestaltung geben.

Deutschland hat heute die geringste Arbeitslosigkeit seit über 25 Jahren. Derzeit gibt es 44 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, so viele wie noch nie zuvor. Jahr für Jahr kommen eine halbe Million neue hinzu, viele von ihnen sozialversicherungspflichtig und gut bezahlt. Die Zahl der offenen Stellen wächst beständig. Die Jugendarbeitslosigkeit ist die niedrigste in Europa. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze übersteigt bundesweit die Zahl der Bewerber. Das war nicht immer so. Die rotgrüne Koalition hat Deutschland im Jahr 2005 mit über 5 Millionen Arbeitslosen hinterlassen. Im Sommer dieses Jahres lag die Arbeitslosigkeit unter 2,5 Millionen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von nur noch 5,5

Prozent, und das ist eine großartige Bestätigung der Politik mit Weisheit, Vernunft und Augenmaß.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Sozial ist, was Arbeit schafft. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Mehr Arbeitsplätze bedeuten mehr Wirtschaftswachstum, höhere Löhne, mehr Steuereinnahmen, mehr Sozialbeiträge, mehr Wohlstand für unser Land. Wir als CDU wollen uns insbesondere den Langzeitarbeitslosen widmen. Wir wollen eine Chance auf Arbeit für jeden Menschen in Deutschland, denn Arbeit dient der Selbstverwirklichung des Einzelnen und schafft Lebensqualität.

[Udo Wolf (LINKE): Ganz schön lange für eine Herleitung!]

Wir finden uns mit der hohen Zahl der Langzeitarbeitslosen nicht ab. Wir werden und haben ihre Qualifizierung, Vermittlung und Reintegration in den Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. Viele der heute vorhandenen Langzeitarbeitslosen haben multiple Vermittlungshemmnisse. Für viele Langzeitarbeitslose waren befristete Arbeitsverhältnisse der Einstieg in unbefristete Arbeitsverhältnisse. Natürlich wäre es uns als CDU am liebsten, wenn wir nur noch unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnisse hätten und die Befristungsquote bei null läge. Die Realität ist aber eine andere, das ist ganz klar. Die befristeten Stellen waren für viele Menschen in den letzten Jahren die Brücke in den Arbeitsmarkt und eine Brücke in eine unbefristete Beschäftigung. Schauen wir uns die heutigen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt an, so sehen wir Regionen mit Vollbeschäftigung und einen eklatanten Fachkräftemangel. Die Brücke in die unbefristete Festanstellung hat funktioniert.

Selbstständige, freie Berufe, Handwerk und Mittelstand bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft und stehen weltweit für hohe Qualitätsstandards. Sie schaffen mit Abstand die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Allgemeinwohl. Wir als CDU wollen ihre Leistungen öffentlich anerkennen und fördern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Düsterhöft?

Bitte, Herr Düsterhöft!

Danke schön! – Auch Ihnen vielen Dank für den sehr interessanten und netten Vortrag über unsere soziale Marktwirtschaft und die Positionierung der CDU zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Ich frage mich, wann Sie zum Thema Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, sprich § 14 Abs. 2, kommen. Bisher haben Sie eventuell am Rande etwas über § 14 Abs. 1 gesprochen. Ich bin auf Ihren Beitrag zum Thema gespannt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das Schöne an dem Thema ist: Es ist ein sehr komplexes.

[Torsten Schneider (SPD): Ja! Aber haben Sie auch eine Meinung dazu?]

Es ist offensichtlich ganz wichtig, mit einfacher Sprache darzustellen, worum es uns geht.

[Torsten Schneider (SPD): Ja!]

Uns geht es, um es ganz einfach zu formulieren, darum, dass wir für die Menschen eine Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt zu leisten haben. Für viele dieser Menschen ist eine befristete Tätigkeit oder auch eine Leiharbeit oder eine zusätzliche Ausbildung der Weg in eine reguläre und unbefristete Beschäftigung. Und dieses als eine gesellschaftliche Aufgabe darzustellen, daran lag mir in besonderer Art und Weise.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Isenberg?

Bitte, Herr Isenberg!

Herr Kollege! Verstehen Sie eigentlich, dass die Menschen oftmals konkrete Probleme haben und eine konkrete Lösung haben wollen und erwarten, dass das Land Berlin hier ordnungspolitisch eingreift und auch eine Leitplanke in der sozialen Marktwirtschaft aufbaut, oder wollen Sie den Einzelnen allein lassen?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich Ihre Frage nicht ganz verstanden, aber ich glaube, dass meine Fortsetzung der Rede Ihnen auf Ihre Frage eine Antwort geben wird.

Wir brauchen Personen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Mehr junge Menschen als bisher sollten aus unserer Sicht den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Dazu brauchen wir eine neue Gründungskultur, in der Erfolg anerkannt und Scheitern nicht diffamiert wird.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wer sich selbstständig macht, geht oft größere Risiken ein und arbeitet mehr und härter für seinen Erfolg. Gerade diejenigen, die sich frisch selbstständig gemacht haben, schauen auf eine ungewisse Zukunft. Diese unternehmerisch handelnden Menschen wissen häufig nicht, wie sie finanziell die kommenden Wochen und Monate überstehen können. Hier ist das Instrument der befristeten Einstellung von Mitarbeitern ganz wichtig, diese Scheu, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen, mit der Hoffnung, ihnen künftig dauerhaft unbefristet einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu können, sehr wichtig.

Diese Position der befristeten Einstellung teilen wir im Übrigen – – Ich nehme gern die Zwischenfrage an.

Noch erteile ich das Wort, und wir hatten schon zwei, Herr Schultze-Berndt, fahren Sie bitte mit Ihrer Rede fort!

Okay, vielen Dank, Entschuldigung!

[Heiterkeit bei Sabine Bangert (GRÜNE)]

Diese Position der befristeten Einstellung für Gründer teile ich im Übrigen mit der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die einen Antrag der Linken im Bundestag auf Abschaffung der sachgrundlosen Befristung abgelehnt hat, mit Hinweis darauf: Wir brauchen diese flexiblen Instrumente.

Im hier vorliegenden Antrag geht es darum, dass in Berlin die öffentliche Hand und alle dem Land gehörenden Institutionen, Organisationen und Unternehmen mit sofortiger Wirkung auf die sogenannte sachgrundlose Befristung von Mitarbeitern verzichten sollen. Ja, die öffentlichen Auftraggeber haben eine besondere Verantwortung. Wir kennen alle Frau Nahles, die allen politischen Gegnern „auf die Fresse hauen“ will. Im Ministerium von Frau Nahles, der SPD-Fraktionsvorsitzenden, dem Ministerium für Arbeit und Soziales, waren 2016 41,6 Prozent aller Befristungen sachgrundlos.

[Paul Fresdorf (FDP): Empörend!]

Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen können und uns enthalten. Wir wollen, dass alle Menschen einen Arbeitsplatz haben und von der Arbeit leben können. Wir als CDU glauben, dass die Umsetzung dieses Gesetzes für die Senatsverwaltungen, die Universi

täten, die städtischen Gesellschaften und Firmen ernsthafte Herausforderungen darstellt. Ich denke, dass eine ganze Reihe von Personen künftig nicht mehr eingestellt werden kann, weil die jetzt vorliegende Regelung zu restriktiv ist. Damit verhindern wir, dass diese Personen eine Perspektive auf eine dauerhafte Beschäftigung erhalten. Wir stehen an der Seite der Existenzgründer.

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede! Sie haben Ihre Zeit schon überschritten.

Wir stehen an der Seite der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Und wir stehen an der Seite all derjenigen, die einen Job haben wollen und darauf hoffen, dass ihre Familie davon leben kann. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Schubert das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schultze-Berndt! Sie wissen, ich schätze Sie als Reinickendorfer Abgeordneten, aber diese Märchenstunde war mir dann doch zu viel.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

In der Schule hätte es geheißen: Thema verfehlt, weitgehend verfehlt, mangelhaft minus!

Über was reden wir denn hier? – Berlin ist Hauptstadt der Prekarität, leider immer noch. Über 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Dienstleistungssektor. Gerade da haben wir einen hohen Anteil an prekären Beschäftigungen, an sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen, an Leiharbeit etc. Es ist unser erklärtes Ziel als Koalition, diese Prekarität zurückzudrängen und gute Arbeit in Berlin zu schaffen. Einen wichtigen Beitrag kann der öffentliche Dienst leisten, wenn im öffentlichen Dienst und in den landeseigenen Unternehmen sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden.