Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Wir als AfD-Fraktion wollen den Schwung des Reformationsjahres nutzen und die Erinnerung an die Reformation durch die Aufwertung des Reformationstages zu einem gesetzlichen Feiertag noch deutlicher in der Öffentlichkeit verankern. Wir begrüßen es, dass nun auch insbesondere in den nordwestdeutschen Bundesländern erste Schritte zu einer Verankerung des Reformationstages als gesetzlicher Feiertag beschritten wurden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass sich die Parteien der neuen großen Koalition in Niedersachsen ebenso wie CDU und SPD in Schleswig-Holstein auf einen zusätzlichen Feiertag verständigt haben. In Bremen hat sich Bürgermeister Sieling für den Reformationstag stark gemacht, und in Hamburg sind alle sechs Fraktionen in der Bürgerschaft für einen zusätzlichen Feiertag. Halten wir also fest: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen werden aller Voraussicht nach neben Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag bekommen. Wir von der AfD-Fraktion sagen klar und deutlich: Hier sollte Berlin nicht länger abseits stehen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir wollen, dass künftig auch die Berliner von einem zusätzlichen Feiertag profitieren, denn Berlin soll keine Insel bleiben, zumal Berlin nicht weniger durch Reformation und Protestantismus geprägt wurde als die benachbarten norddeutschen Bundesländer. Der Reformationstag ist auch in Berlin einen Feiertag wert.

Wir sind zudem davon überzeugt: Das Gedenken an die Reformation tut der ganzen Gesellschaft gut. Es geht uns mit unserem Antrag auch nicht etwa darum, den Protestantismus wiederzubeleben oder zu aktualisieren. Gott behüte, das ist nicht unsere Aufgabe! Es geht vielmehr darum, uns das christliche Erbe, in dem wir stehen, in seiner ganzen Breite bewusst zu machen.

[Beifall bei der AfD]

Welcher Tag wäre dazu besser geeignet als der Reformationstag? Ich kann an dieser Stelle nur an die noch zweifelnden Katholiken unter uns appellieren: Lassen Sie sich nicht durch falsch verstandenes Konkurrenzdenken leiten,

(Präsident Ralf Wieland)

schließlich hat auch die katholische Kirche entscheidende Impulse durch die Reformation bezogen. Man muss nicht so weit gehen zu behaupten, der Protestantismus habe die katholische Kirche gerettet, aber in einem Punkt hatte Nietzsche unzweifelhaft recht, wenn er schreibt, dass auch die katholische Kirche durch die Herausforderung des Protestantismus wieder zu Kräften fand und neues Leben entwickelte. Deswegen spricht meines Erachtens – das hat das Gedenkjahr gezeigt – auch aus katholischer Sicht nichts gegen den Reformationstag. Luther und die Reformation bieten heute für alle Menschen, Christen und Nichtchristen, die Möglichkeit der Selbstbesinnung.

Noch ein Wort an die evangelischen Würdenträger: Fast einhellig ertönt aus allen Landeskirchen der Wunsch, den Reformationstag als Feiertag aufzuwerten. Auch der Berliner Landesbischof Dröge hat sich diesbezüglich geäußert. Das freut uns. Ich kann vor diesem Hintergrund nicht verstehen, warum er sich gestern gegen den Antrag der AfD-Fraktion aussprach und vor einer Politisierung dieser Frage warnte. Um es klar zu sagen: Es ist nicht die AfD-Fraktion, die die Aufwertung des Reformationstages unnötig politisiert, sondern es ist der Bischof unserer Landeskirche, der dieses tut. Ich glaube nicht, dass es dem Ansehen der Landeskirche guttut, wenn der Landesbischof einen sinnvollen Vorschlag, den er selbst befürwortet, nur deshalb ablehnt, weil er von einer Partei kommt, die ihm persönlich nicht passt.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die evangelische Kirche ist nicht die Unterorganisation irgendeiner Partei, sondern sie sollte die Vertretung aller Gläubigen sein.

Wir als AfD-Fraktion kommen unserer parlamentarischen Verantwortung jedenfalls mit dem vorliegenden Antrag nach. Wir wollen den Reformationstag aufwerten und die fragwürdige Ungleichbehandlung der Berliner mit unseren Nachbarbundesländern beseitigen. Berlin hätte dann zusammen mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen immer noch die niedrigste Anzahl an Feiertagen in Deutschland, weit hinter den süddeutschen Bundesländern. Wir brauchen nach Auffassung der AfD den arbeitsfreien Reformationstag als Tag der Besinnung auf unsere christlichen Wurzeln, als Tag der Familie, des ehrenamtlichen Engagements oder einfach als Tag der Ruhe. Bitte verweigern Sie sich nicht diesem berechtigten Anliegen! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Verrycken das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Trefzer! Ich denke, wir reden jetzt hier gerade über den AfD-Antrag, der zum Ziel hat, dass wir nicht alle 500 Jahre das Reformationsjubiläum in Berlin zelebrieren, sondern ein bisschen öfter. Sie begründen das mit zwei Argumenten – erstes Argument: Luther ist ein wichtiger Theologe gewesen. Zweites Argument: Berlin hat zu wenig Feiertage. Das steht, glaube ich, in dem Antrag drin.

Wenn wir uns die beiden Argumente näher anschauen, stellen wir fest: Bei dem ersten Argument wird Ihnen sicherlich keiner widersprechen, dass Luther ein wichtiger Theologe gewesen ist; aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Bei Luther ist eben ein großer Schatten, den wir in den letzten Jahren der Luther-Dekade und im Reformationsjahr gemeinsam mit der evangelischen Kirche immer wieder diskutiert und aufgearbeitet haben, sein vormoderner, tendenzieller Antijudaismus, der aus meiner Sicht ein ganz großes Problem bei der Würdigung der Personalie Luther ist.

Zweiter Punkt – die Frage der Feiertage: Da haben Sie natürlich recht, Berlin ist im Augenblick zumindest mit Hamburg und Bremen bei neun Feiertagen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 10,5 Feiertagen. Das ist aus meiner Sicht nicht wirklich der große Skandal, sodass wir jetzt hier aufmuskeln und viele weitere Feiertage einführen müssten.

Aber vielleicht ist es gar nicht schlecht, sich gemeinschaftlich darüber zu unterhalten, was sich Berlin an Feiertagen in den nächsten Jahren überlegen müsste, ohne Druck, ohne Zwang, ohne Stress, aber persönlich kann ich mir auch einen anderen Feiertag vorstellen. Zum Beispiel könnte man sich überlegen, dass die drei monotheistischen Religionen Islam, Judentum und Christentum über einen gemeinsamen Feiertag nachdenken. Dieses Jahr war z. B. das Neujahrsfest der Juden und Muslime am gleichen Tag. Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, dass man den 27. Januar als Feiertag einführt, den Tag der Befreiung von Auschwitz.

[Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, den 8. Mai als Feiertag einzuführen, so wie es die Brandenburger gemacht haben, den Tag der Befreiung vom Faschismus, auch ein ganz wichtiger Tag in unserer Geschichte. Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, den 23. Mai als Feiertag einzuführen, den Tag des Grundgesetzes,

[Beifall von Bernd Schlömer (FDP)]

hätte für mich persönlich auch den Vorteil, dass ich nicht nur zu Pfingsten in meinen Geburtstag reinfeiern könnte. Also es gibt viele gute Gründe und Argumente zu überlegen, dass wir vielleicht von neun auf zehn kommen. Ich glaube, schon mal signalisieren zu können, dass wir trotz

(Martin Trefzer)

drei Ausschussberatungen am Ende wahrscheinlich ein negatives Votum in Berlin aussprechen werden. Ich glaube, wir sollten uns überlegen, wie wir die multikulturelle Stadt Berlin repräsentieren, wie wir das christliche Gedankengut sicherlich auch mitnehmen und – das wäre mein Schlussappell – vielleicht bei der AfD-Fraktion christliche Motive wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit ein Stück weit mehr in den nächsten parlamentarischen Reden hören werden. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Seibeld das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der AfD! Vielleicht sollte man, bevor man so was beantragt, mit denen sprechen, die es angeht. Vielleicht hätten Sie mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vorher mal sprechen sollen. Die Presseerklärung, die der Bischof dazu gestern hat verlauten lassen, klingt so, als wäre das nicht erfolgt.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Falsch!]

Natürlich liegt es da nahe, dass man nach dem Reformationsjubiläum und den erfolgreichen, wunderbaren Feierlichkeiten, die wir auch in Berlin hatten, darüber nachdenkt, ob der Reformationstag grundsätzlich ein Feiertag sein sollte. Dafür spricht einiges. In jedem Fall bedarf es dazu aber aus meiner Sicht einer breiten gesellschaftlichen Diskussion, im Übrigen mit der evangelischen Kirche, keinesfalls an ihr vorbei, mit dem Einzelhandel, mit breiten Gesellschaftsschichten in dieser Stadt. Keinesfalls kann man das übers Knie brechen. Ich glaube auch nicht, dass das sinnvoll ist.

Besonders spannend fand ich Ihre Begründung im Antrag, es wäre doch eine Ungleichbehandlung, dass die Brandenburger frei hätten und die Berliner nicht. Christliche Feiertage sind nicht dazu da, frei zu haben, sondern fürs christliche Gedenken und in die Kirche zu gehen.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der LINKEN]

Heute Morgen in der ökumenischen Andacht, wo Sie beispielsweise die Möglichkeit gehabt hätten, Ihre christliche Einstellung auszuleben, kann ich mich gar nicht erinnern, dass einer von Ihnen dagewesen ist.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Wir sind ja sonst die meisten!]

Ich sprach von der AfD-Fraktion, Herr Wild!

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Mir scheint, das Ganze ist eher vorgeschoben und instrumentalisiert, anstatt es darum geht, des Reformationsjubiläums zu gedenken oder gemeinsam mit der evangelischen Kirche neue Feiertage einzuführen.

Im Übrigen: Der Kollege hat es schon gesagt, ich kann mir auch den einen oder anderen Feiertag vorstellen. Ich kann mir allerdings auch beispielsweise vorstellen, dass man darüber nachdenkt, ob Adventssonntage wirklich verkaufsoffen sein müssen. Wir müssen vielleicht gar nicht über neue Feiertage nachdenken.

[Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN]

Auch damit würde man viel breitere Gesellschaftsschichten erreichen, nämlich diejenigen, die an den Adventssonntagen in den Geschäften stehen und arbeiten, anstatt sich mit dem zu beschäftigen, was es eigentlich ist, nämlich der Adventszeit. Lassen Sie uns das Ganze diskutieren! Es ist sicherlich keine Absage an den Reformationstag als solches, aber auf dieser Ebene, glaube ich, werden wir damit nicht weiterkommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Kittler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Drittel bis drei Viertel der Berlinerinnen und Berliner sind konfessionslos, in der Regel Atheistinnen und Atheisten. Ich bin eine von ihnen, und ich lebe in einem Berlin, das damit sehr gelassen umgeht, so wie ich mit gläubigen Menschen gelassen umgehe, völlig unabhängig davon, welcher Religion sie anhängen. Der alte Geist von Laissez-faire – jeder nach seiner Fasson – hat sich durchgesetzt. Der Anteil der Protestantinnen und Protestanten, für die der Reformationstag eine hohe Bedeutung hat, liegt in Berlin bei etwa 20 Prozent. Er ist in den letzten Jahrzehnten gesunken und wird es weiter tun, denn der Anteil unter ihnen, der über 60 Jahre alt ist, beträgt 44 Prozent.

Nach Befragungen und Schätzungen ist davon auszugehen, dass etwa 12 Prozent derer, die Kirchensteuer bezahlen, gar nicht an Gott glauben. Wenn die AfD also meint, gerade in Berlin sei in der Gegenwart eine protestantische Prägung festzustellen, so sprechen die Zahlen für sich und einfach mal dagegen. Was hinter dem Antrag steckt, ist ja auch übersichtlich: Sie wollen mal wieder das angeblich christliche Abendland vor dem Untergang retten, und da wir diese Gefahr nicht sehen, werden wir den Antrag ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN]

(Fréderic Verrycken)

Christliche Feiertage, die sich in der Geschichte zum Teil mit anderen Bräuchen verwoben haben, haben wir genug. Für die Mehrheit der Berliner Bevölkerung werden diese Tage genutzt, um sich Zeit für Freunde und Familie zu nehmen.

Ob wir genug Feiertage haben, ist ja die andere Frage. Herr Verrycken hat es schon angesprochen. Darüber haben wir im Parlament übrigens auch schon mehrfach diskutiert. Wenn die Menschen in den anderen Bundesländern mehr arbeitsfreie Zeit haben, dann sollten wir an anderer Stelle darüber reden und auch darüber, welche Anlässe ein Feiertag brauchte. Ich würde z. B. den einen Vorschlag von Herrn Verrycken durchaus unterstützen: Machen wir den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag! Es ist an der Zeit – gerade auch im Blick hier nach rechtsaußen, denn Herr Laatsch hat das gerade heute wieder bestätigt.

[Beifall bei der LINKEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Trefzer?

Nein! – Denken wir über die schöne Idee nach, die gerade aus Thüringen gekommen ist, den 1. Juni, den Tag des Kindes, zum Feiertag zu machen! Dabei will ich es jetzt belassen. Herr Verrycken hat noch andere schöne und bedenkenswerte Vorschläge gemacht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]