Protokoll der Sitzung vom 11.01.2018

Danke! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht so, dass Frau Radziwill und ich immer einer Meinung waren, aber wenn man den Antrag genau liest, der ja nur sage und schreibe zwei Zeilen umfasst, sieht man, dass es genau das ist, was Frau Radziwill ausgeführt hat:

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Es geht Ihnen nur darum, eine Reform zu stoppen und rückabzuwickeln, denn dann bleibt nur noch der Status vor der Reform übrig. Alles, was Sie dann in der Begründung über Seiten hin schreiben, mag interessant sein, findet sich aber nicht in Ihrem Antragstext. Insofern erlauben Sie mir, dass ich zu diesem Zwei-Zeilen-Antrag der FDP in drei Punkten kurz Stellung nehme.

Erstens: Es ist zumindest mein Eindruck, dass die FDP nicht ganz verwunden hat, dass sie in der letzten Legislaturperiode im Bundestag nicht dabei war und insofern dieses Thema im Bundestag nicht begleiten konnte, und deshalb jetzt den sehnlichen Wunsch verspürt, im Berliner Abgeordnetenhaus dieses Thema nachzuholen. Ich würde mir aber von der FDP wünschen, dass sie sich um

(Ülker Radziwill)

die Themen kümmert, die hier vor Ort geregelt werden können,

[Paul Fresdorf (FDP): Das machen wir ja auch!]

wie das umgesetzt wird, und sich nicht der Aufarbeitung der letzten vier Jahre, in der sie nicht im Bundestag war, widmet.

Zweitens: Ich glaube, dass der Kompromiss zur Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung durch das Pflegeberufegesetz am Ende einen guten, gelungenen Kompromiss darstellt. Er bringt nämlich die Möglichkeit, nach der Ausbildung in allen Versorgungsbereichen, sei es in der Krankenpflege, in der Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege, zu arbeiten. Dies ermöglicht aus meiner Sicht eine möglichst umfassende Ausbildung für einen immer stärker im Wandel befindenden Pflegebereich und erhöht somit die Einsatz-, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und legt eben auch die Grundlagen für die notwendige Akademisierung im Pflegebereich. Zugleich, das müssen Sie auch sagen, bleiben in diesem Kompromiss die bisherigen Abschlüsse in der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erhalten für diejenigen, die sich von Anfang an sicher sind, dass sie nur in diesem einen, spezialisierten Sektor ihre Ausbildung machen wollen. Insofern, glaube ich, geht Ihre Kritik, die sich gar nicht im Antrag, sondern nur in der sehr umfänglichen Begründung findet, etwas daneben.

Drittens – das möchte ich doch sagen –: Mit der Einführung des Ausbildungsfonds durch das Pflegeberufegesetz, was ein sehr gelungener Teil ist, werden eben auch die Schulgelder im Pflegebereich endlich abgeschafft, was die Attraktivität für den Pflegeberuf deutlich erhöht, was wir als rot-schwarze Koalition bereits in der letzten Legislaturperiode für Berlin durchgesetzt haben, und wir freuen uns, dass das jetzt auch bundesweit gilt. Insofern denke ich, dass diese Diskussion eigentlich auf der Bundesebene zu führen ist. Sollten Sie aber die Leidenschaft haben, dies auch im Berliner Abgeordnetenhaus zu tun, freuen wir uns darauf, dies im Ausschuss zu machen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Fuchs das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Land Berlin soll sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen, dass die generalistische Pflegeausbildung nicht umgesetzt wird. Das ist der Antrag. Allein aus diesem einen Antragssatz stellt sich mir übrigens die Frage, ob wir über das gleiche Pflegeberufe

gesetz reden. Im neuen Pflegeberufegesetz wird für zwei Jahre eine generalistische Ausbildung durchgeführt, ja, danach gibt es Wahlmöglichkeiten. Das ist genau dieses Ypsilon-Prinzip, das Sie in Ihrer langen Begründung auch beschreiben.

Zu diesem neuen Pflegeberufegesetz sagt übrigens die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege: Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege unterstützen das Gesetzesvorhaben, welches die bisher getrennten Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildung zu einer gemeinsamen Pflegeausbildung zusammenführt ausdrücklich. Sie, also die alte Ausbildung, ist auch nicht mehr zeitgemäß. Es wird nämlich auch darauf hingewiesen, dass in Krankenhäusern immer mehr pflegebedürftige und demenzkranke Menschen zu betreuen sind und umgekehrt in den Pflegeeinrichtungen immer mehr medizinische, pflegerische Versorgung stattfinden muss.

Nach den ersten beiden generalistischen Jahren kann also eine spezialisierte Fachrichtung eingeschlagen werden, das Ypsilon-Modell. Dieses Gesetz bietet die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Das lässt aber der Text Ihres Antrags leider gar nicht erkennen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Catherina Pieroth-Manelli (GRÜNE)]

Ebenso steht in diesem Gesetz, dass bis zum Jahr 2025 die Zahlen dieser ersten Phase des neuen Gesetzes untersucht und dem Bundestag als Bericht vorgelegt werden müssen. Hier sehe ich die Aufgabe der Länder, entsprechend der Zahlen das Gesetz nachzusteuern und entsprechende Änderungen, die ohne Zweifel nötig sind, einzufügen. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Einen sehr wichtigen Punkt haben Sie allerdings in Ihrer Begründung angesprochen. Es geht um die Anerkennung und Stärkung des Pflegeberufes in der Öffentlichkeit. Hier ist Berlin aktiv. Auf der Homepage www.altenpflege-deine-chance.de zeigt das Berliner Bündnis für Altenpflege – gefördert übrigens durch den Senat –, wie spannend und abwechslungsreich dieses Berufsbild ist. Eine ganz besondere Rolle kommt dabei selbstverständlich der Bezahlung der Pflegekräfte zu. Sie werden es hoffentlich alle mitbekommen haben, dass Frau Senatorin Kolat mit den Kassen, den Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen einen Pakt für die Pflege schmieden will. Hier geht es um einen flächendeckenden Tarifvertrag im Pflegebereich.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Catherina Pieroth-Manelli (GRÜNE) – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Ein anderer wichtiger Schritt, er ist bereits angesprochen worden, ist, dass es mehr Geld für die Pflegekräfte der ambulanten Pflegedienste geben wird. Darauf haben sich die Pflegekassen unter Federführung der AOK Nordost, der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege, Gleichs

(Dr. Gottfried Ludewig)

tellung und der Arbeitsgemeinschaft Ambulante Pflege geeinigt. Auf das Jahr 2018 gerechnet entspricht das einer Lohnerhöhung von über 5 Prozent. Ein wichtiger Teil dieser Regelung ist allerdings auch, dass die mehr als 600 ambulanten Pflegedienste dieses Mehr nur erhalten, wenn sie den Großteil der Erhöhung auch ihren Pflegekräften als Gehaltserhöhung zukommen lassen.

Die Pflegekassen und das Land Berlin werden das entsprechend kontrollieren, schärfer kontrollieren. Eine angemessene Entlohnung trägt zur Attraktivität des Berufes bei. Die Steigerung der Attraktivität der Berufe in der Pflege ist ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung des Fachkräftemangels. Die Beendigung des Mangels muss das Ziel sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Mohr das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Berliner! Zunächst einmal möchte ich der FDPFraktion, namentlich Herrn Seerig für den Antrag zum Thema generalistische Pflege danken. Liebe FDP! Wir beide, Sie als FDP und wir als AfD haben es manchmal wirklich nicht leicht. Denn was ist in der Zeit der großen Koalition passiert, wo unsere beiden Parteien nicht im Bundestag vertreten waren? Es haben sich zwei Parteien über vier Jahre hinweg auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Dabei kommt meistens nur eine halbgare Suppe heraus. Es wird an einem Problem bzw. dessen Symptom herumgedoktert, statt sich den wirklichen Ursachen zu stellen, so auch beim Thema der generalistischen Pflegeausbildung. Statt mehr junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, wird durch die generalistische Pflege lediglich eine Art Qualitätsverlust garantiert. Ausgangspunkt ist das für uns wohl alle unstrittige Problem der alternden Gesellschaft mit viel zu wenig Kindern und noch viel weniger Menschen, die gewillt sind, sich dem Thema Pflege als Beruf zu widmen.

Was geschieht? – Statt sich dem Problem der mangelnden Attraktivität zu widmen – dazu gehört ganz klar eine Verbesserung der Rahmenbedingungen wie Arbeitsbelastungen, Arbeitszeiten, Bezahlung, Urlaub und so weiter –, wird versucht, das Personalangebot zu flexibilisieren, um dadurch eine Umverteilung vornehmen zu können. Das, was auf Bundesebene durch den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wurde, ist und bleibt aus unserer Sicht weder zielführend noch sinnvoll. Viel zu viele Fragen bleiben ungeklärt. Können alle spezialisierten Ausbildungsinhalte in gewohnter Tiefe vermittelt werden? Können Schulen und Lehrer den neuen Anforderungen über

haupt gerecht werden? Die Vorlieben der Menschen sind eben nicht alle gleich. Der eine kann nun einmal besser mit kleinen Kindern umgehen, der andere mit Senioren. Aufgrund der demografischen Katastrophe brauchen wir als Gesellschaft aber vor allem eines, mehr Altenpfleger, und das auf allen Ebenen, ob stationär, teilstationär oder ambulant.

[Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Da sind wir bei des Pudels Kern. Es bedarf einer großen gesellschaftlichen Anstrengung, dass der Altenpflege speziell und überhaupt der Pflege als Ganzes wieder die Wertschätzung widerfährt, die sie verdienen. Das passiert, wie so oft, in allen Berufen monetär und durch spürbare Entlastung der Pflegekräfte durch mehr Personaleinsatz. Was das Monetäre betrifft, gibt es seit diesem Jahr wenigstens einen kleinen Tropfen auf den heißen Stein. Das haben wir eben schon zur Kenntnis nehmen dürfen.

Aber nun komme ich zurück zum Antrag. Herr Seerig und die FDP haben mit dem sogenannten Stuttgarter Modell eine Weiterentwicklungsmöglichkeit der Pflegeausbildung identifiziert, die auch wir als AfD-Fraktion für durchaus sinnvoll erachten und die letztendlich in einen guten Kompromiss zur Neuordnung der Pflegeausbildung münden könnte. Die Ausbildung würde mit einem gemeinsamen Lernen beginnen, aber dann eben, nennen wir es ein Zwischenexamen, spezialisiert weitergehen. In jedem Fall ist aus Sicht der AfD-Fraktion eine komplett generalistische Pflegeausbildung großer Murks. Genau deshalb werden wir im Ausschuss auch der FDPAufforderung, Berlin möge sich der Bundesratsinitiative gegen die Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung aussprechen, zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Pieroth-Manelli das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reform der Ausbildung der Pflegeberufe ist nun wahrlich kein neues Thema. In den letzten zehn Jahren hatten wir lange Debatten zum Für und Wider der Reformschritte. Es wurden auch lange Debatten auf der Bundesebene geführt, auch mit Beteiligung der Länder. Schließlich wurde das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe verabschiedet. Dabei gibt es durchaus einiges zu kritisieren. Die Art und Weise, wie der Kompromiss zwischen CDU und SPD im Bund zur Pflegeberufereform zustande kam und dann durchgedrückt wurde, war nicht ganz sauber.

(Stefanie Fuchs)

Wir Grünen hegen seit jeher eine große Sympathie für die Pflegeausbildung mit Spezialisierung auf eines der drei Felder: die Krankenpflege, die Kinderkrankenpflege oder auch die Altenpflege. Aber im Gegensatz zur FDP wollen wir eines nicht: weitere Debatten, weitere Verunsicherung der Auszubildenden und Ausbilderinnen, eine sich noch länger hinziehende Hängepartie.

Wir sind uns doch alle einig, dass die Ausbildung der Pflegeberufe reformiert werden musste. Wir haben jetzt ein Gesetz. Wir sollten nicht weiter alle verunsichern. Es ist auch nicht so, dass alles definitiv entschieden wäre. Es gibt noch keine neue Ausbildungsverordnung für die Pflegeberufe, und damit besteht die Möglichkeit, die Ausbildung weiter auszugestalten, und das ohne erneute gesetzliche Änderungen. Und das Pflegeberufereformgesetz ist zwar beschlossene Sache, aber es soll in einer sechsjährigen Erprobungszeit evaluiert werden. Die integrative Ausbildung ist somit nicht vom Tisch, sondern Teil der Evaluation.

Das eigentliche Ziel der Reform muss doch sein, die Attraktivität der Ausbildung zu steigern und neue Karriereoptionen zu eröffnen, denn – wie wir alle wissen – der demografische Wandel ist in vollem Gange, und im Alter nehmen auch die altersspezifischen Erkrankungen wie zum Beispiel Demenz zu. Dafür brauchen wir zunehmend spezialisiertes Personal.

De facto haben wir jetzt schon einen Fachkräftemangel, und das vorhandene Personal klagt über Überlastung und fehlende Aufstiegschancen. Hier gilt es gegenzusteuern, und das können wir auch mit der Ausbildungsreform erreichen.

Letztendlich geht es doch in erster Linie um die Arbeitsbedingungen und die Vergütung in der Pflege. Und da ist der rot-rot-grüne Senat – Stefanie Fuchs hat es eben gesagt – schon auf sehr gutem Wege. Erstmalig gibt es in Berlin ein Pflegeressort. Das Thema wird endlich ernsthaft angegangen. Und unsere Gesundheitssenatorin konnte am Dienstag ein tolles Ergebnis verkünden: erstmalig eine Lohnerhöhung von rund 6 Prozent für die Pflegekräfte in ambulanten Pflegediensten. Das nenne ich Anerkennung und Wertschätzung für harte Arbeit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zum Schluss noch ein Wort zur FDP! Ich finde Ihren Antrag, ehrlich gesagt, ein wenig frech. Erst wollen Sie im Bund keine Verantwortung für genau diese Themen übernehmen,

[Holger Krestel (FDP): Wieso denn nicht?]

und jetzt wollen Sie hier über das Abgeordnetenhaus versuchen, Bundespolitik zu machen. Das ist erst mal unglaubwürdig, und ich halte es da mit Kollegin Radziwill, dass das die neue FDP zu sein scheint: schöne Pla

kate, knackig-kurze Anträge, in diesem Fall zwei Zeilen und somit auch nur ein Satz,

[Holger Krestel (FDP): Reicht doch!]

und dann aber kneifen! Wenn es nicht um so viele Menschen und deren Wohlergehen ginge, würde ich da einfach nur lachen. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An sich mag es gut sein, für verschiedene Bedarfe im Arbeitsleben verschiedene Leute spezialisiert auszubilden. Man kann die Spezialisierung aber auch zu weit treiben. Wer hat schon was von einem Unterschied zwischen einer Bürokauffrau und einer Kauffrau für Bürokommunikation? Da sich die Aufgabengebiete über die Lebensarbeitsdauer eines Arbeitnehmers ohnehin verschieben, sind vor allem grundlegende Fähigkeiten in der Ausbildung wichtig. Auch werden nicht alle Diabetiker in einem Altersheim leben und alle Alzheimerleute in einem anderen. Und es gibt auch Diabetiker mit Alzheimer.