Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An sich mag es gut sein, für verschiedene Bedarfe im Arbeitsleben verschiedene Leute spezialisiert auszubilden. Man kann die Spezialisierung aber auch zu weit treiben. Wer hat schon was von einem Unterschied zwischen einer Bürokauffrau und einer Kauffrau für Bürokommunikation? Da sich die Aufgabengebiete über die Lebensarbeitsdauer eines Arbeitnehmers ohnehin verschieben, sind vor allem grundlegende Fähigkeiten in der Ausbildung wichtig. Auch werden nicht alle Diabetiker in einem Altersheim leben und alle Alzheimerleute in einem anderen. Und es gibt auch Diabetiker mit Alzheimer.
In der Altenpflege herrscht Personalnotstand, und das ist das Problem, weil wir seit langen Jahren nicht genug für unseren Nachwuchs sorgen. Wenn wir so weitermachen, müssen wir in Kauf nehmen, selbst in alten Tagen auf Pflege in vertrautem Kulturkreis zu verzichten. Eine Differenzierung der Pflegeausbildung ist für das Grundproblem des Personalmangels keine Lösung. Mit folgenden drei Maßnahmen könnten wir dem Pflegenotstand entgegenwirken:
Erstens: Wir könnten die Versorgung unserer Alten durch die Stärkung der Familienstruktur verbessern.
Wir könnten die häusliche Pflege durch Angehörige stärken. Dafür müssten die ausfallenden Einkünfte der vorher Berufstätigen durch Lohnersatzleistungen ausgeglichen werden, aber sicher nicht vom Arbeitgeber.
Zweitens: Wir könnten aus dem Ausland Pflegekräfte anwerben, zum Beispiel von den Philippinen, denn mit Leuten aus christlichen Ländern gibt es erfahrungsgemäß weniger Anpassungsschwierigkeiten. Wir gewähren den Kandidatinnen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in der Altenpflege, und wer von diesen Arbeits
migranten zum Entschluss kommt, nicht mehr in der Pflege arbeiten zu wollen, der kann problemlos in sein Heimatland zurückkehren und von dort einen neuen Antrag stellen, wenn er andere Aufgaben in Deutschland erledigen möchte.
Drittens: Die Altenpflege ist ein Mangelberuf. Es findet sich zu wenig interessierter Nachwuchs. Verdiente eine Altenpflegerin aber 4 000 Euro oder eine Pflegehelferin 2 800 Euro brutto, würden sich schon Bewerber finden, wahrscheinlich sogar welche, die muttersprachliches Deutsch sprechen. Mangelberufe zeichnen sich übrigens vor allem dadurch aus, dass ihre Bezahlung mangelhaft ist. – Schönen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Tagesordnungspunkt 20 war Priorität der FDP unter der lfd. Nr. 3.2. Die Tagesordnungspunkte 21 und 22 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 23 war Priorität der AfD-Fraktion unter der lfd. Nr. 3.1.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal kommt ein praktikabler Vorschlag von der Europäischen Kommission. Die AfD möchte einen dieser seltenen Glücksfälle nutzen und fordert den Senat auf, mit dem Vorschlag COM(2015) 452 im Bundesrat aktiv zu werden. Es geht dabei um die Schaffung einer für alle 28 Mitgliedsländer der EU verbindlichen Liste von sicheren Herkunftsstaaten. In Artikel 5 des Entwurfes heißt es – ich zitiere –:
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedsstaaten.
An sich bedarf es damit grundsätzlich keiner Mitwirkung des Bundesrates. Doch da es nach dem deutschen Gesetz freisteht, bei Bedarf die Anwendung durch Rechtsvorschriften konkret zu regeln, sollten zwei Bestimmungen aufgenommen werden: Erstens: Kein EU-Mitgliedsstaat darf im Asylkontext einen der als sicher eingestuften Staaten als unsicher qualifizieren. Zweitens: Die Liste darf durch nationale Gesetzgebung um weitere sichere Herkunftsstaaten ergänzt werden.
Der Schengen-Raum hat eine einzige gemeinsame Außengrenze. Das sind 50 000 km, wenn man die Seegrenzen hinzuzählt. Dennoch prüfen die 26 Länder des Schengen-Raumes individuell die Sicherheit der jeweils anderen 169 Staaten. Dabei entsteht natürlich eine verwirrende Beliebigkeit. Nach der EU-Verordnung, die uns hier vorliegt, ist die Türkei zum Beispiel ein sicheres Herkunftsland, in Deutschland nicht. Dafür ist nach deutschem Dafürhalten der Senegal sicher, während die EU dazu noch keine Meinung hat. Ein Senegalese wird dementsprechend vielleicht in Frankreich versuchen, einen Asylantrag zu stellen. Ein Kurde versucht das Gleiche natürlich in Deutschland. Wer könnte es diesen Menschen übelnehmen?
Hier aber liegt ein klassischer Fall von sogenanntem Asyl-Shopping vor. Der Finanzexperte Bernd Raffelhüschen hat am Montag auf der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes in Köln eingeräumt, dass Deutschland sich bei dem Thema Migration tatsächlich naiv angestellt habe. Zitat:
Der im Dezember verabschiedete Berliner Haushalt von insgesamt 28,6 Milliarden Euro für das laufende Jahr sieht flüchtlingsbedingte Ausgaben von sage und schreibe 862 Millionen Euro vor. Nun wäre es billiger Rechtspopulismus, diese 862 Millionen Euro mit den 1,64 Milliarden Euro verrechnen zu wollen, die mit hoher Dringlichkeit für die Schulsanierung hier in Berlin benötigt werden. Das wäre nämlich genau die Hälfte. Aber wer will schon Rechtspopulismus? Deswegen werde ich diesen Vergleich gar nicht erst anstellen.
Man stelle sich einfach vor, man würde die 556 499 Ausländer, denen in Deutschland kein Recht auf Asyl zugesprochen worden ist und die sich dennoch in diesem Land aufhalten, tatsächlich zum Flughafen begleiten. Es käme auch noch eine EU-Verordnung hinzu, die klipp und klar darlegt, wer hier einen aussichtsreichen Antrag stellen kann und wer nicht. Die Verfahrenszeiten könnten womöglich auf ein Schweizer Niveau von 48 Stunden heruntergefahren werden.
Es kriselt überall in Europa, auch Emmanuel Macron möchte die Anträge bereits in Libyen prüfen lassen. Kurz und gut: Eine verbindliche Liste mit den angesprochenen Ergänzungen wird uns allen helfen, den tatsächlich Bedürftigen zur Hilfe zu kommen und das Asyl-Shopping zu beenden. Wir bitten daher um breite Zustimmung für unseren Antrag. – Und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Wie sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem Vorschlag der Europäischen Kommission verhält, der das DublinSystem und die Frage der Verteilung von Flüchtlingen betrifft und Ähnliches, ist ausschließlich Sache der Bundesregierung. Es ist im Europäischen Rat zu klären, entweder im Wege der offenen Koordinierung oder es ist in Frage der Diplomatie unter den Ländern, aber es ist ganz sicher nicht im Berliner Abgeordnetenhaus zu klären.
Auch wenn keine europäische Lösung zustande kommt, ist es Sache des Auswärtigen Amts und des Bundesinnenministeriums, sichere Herkunftsländer zu definieren, und nicht Aufgabe des Landes Berlin, darüber eine Regelung herbeizuführen. Selbst die Frage, ob überhaupt eine europäische Einheitlichkeit anzustreben ist oder ob nicht vielmehr die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland dagegen spricht, ist ganz sicher Entscheidung der Bundesregierung und ganz sicher nicht Sache des Berliner Abgeordnetenhauses. Hier irgendeinen Beschluss zu fassen, hieße, der Außenvertretung der Bundesregierung eher ins Handwerk zu pfuschen, statt ihr zu helfen. Es verbietet sich, hier dazu eine solche Positionierung zu finden.
Da also diese Sache in den Bund gehört, in die Bundesregierung, im Bundestag beraten werden könnte, aber vor allen Dingen auf dem internationalen Parkett und in den europäischen Institutionen verhandelt werden muss, und zwar durch die dafür zuständigen Organe, sehen wir hier unter keinem Gesichtspunkt irgendeine Substanz für eine Beratung dieses Antrags im Ausschuss. Und ich freue mich, dass hier wohl heute im Haus eine Mehrheit für eine Sofortabstimmung vorhanden ist. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Allerbeste an dem Antrag ist, dass die AfD die Vorzüge der Europäischen Union erkennt.
Sie hat erkannt, dass auch die Herausforderungen der Asyl- und sonstigen Migration national nicht allein zu lösen sind. Ich freue mich, dass diese Erkenntnis durch diesen Antrag auch dokumentiert worden ist.
Die zweite Bemerkung ist: Auch ich beschäftige mich am liebsten mit den Dingen, die ich selbst bewegen kann. Und in der Tat bewegen wir hier auf Landesebene im Zusammenhang mit dem Thema Asyl und Flucht das Thema Abschiebung und Abschiebehaft.
Nein, danke, jetzt nicht. Ich würde gerne im Zusammenhang ausführen. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. – Die Themen, die wir hier zu bewegen haben, sind die Themen der Rückführung. Dafür haben die Bundesländer die Kompetenz. In diesem Bereich liegt hier in Berlin leider auch sehr viel im Argen. Deswegen plädiere ich immer dafür, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die man verändern kann. Das ist außerordentlich zielführend.
Dritte Bemerkung: Es gibt aber auch Anlass, über diese Themen zu diskutieren. Ich halte es für einen Fehler der Koalition, dass sie eine sachliche Debatte ausschließen möchte, indem sie die Sofortabstimmung mit ihrer Mehrheit durchsetzen möchte.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns, auch wenn wir unsere Themen in Berlin bewegen, darüber im Klaren sind, was sich auf europäischer und auf Bundesebene abspielt. Ich hätte gerne diesen Antrag sachlich erörtert und genau beleuchtet. Ich hätte dabei auch die Frage beleuchten wollen, inwieweit er uns aus deutscher Sicht hilft.
Wenn man ihn aus deutscher Sicht betrachtet, muss man zunächst einmal feststellen, dass die deutsche Liste der sicheren Herkunftsländer länger ist als die, die hier vorgelegt wird. Insofern ist der Nutzen, den unser Land daraus ziehen würde, sehr begrenzt. Das einzige Land, das bei uns kein sicheres Herkunftsland ist, ist die Türkei. Wir müssen aber hier feststellen, dass sich durch die Entwicklungen in der Türkei in den letzten zwölf bis 18 Monaten ein Anstieg von Asylbewerbern und auch ein Anstieg der Anerkennungsquote feststellen lässt. Wir haben also inzwischen eine Gesamtschutzquote von 27 Prozent bei Asylanträgen aus der Türkei. Das ist ein Prozentsatz, den wir bei den anderen sicheren Herkunftsstaaten, die wir hier in Deutschland anerkannt haben, nicht haben. Leider fehlen in der EU-Liste die Maghreb-Staaten, bei denen die Gesamtanerkennungsquote unter 5 Prozent liegt: bei Algerien bei 3,26 Prozent, Marokko rund 5 Prozent, Tunesien 2,82 Prozent.
Ich fände es schon wichtig, wenn wir diese Themen erörtern würden, weil wir schon einen Einfluss haben, auch über die Gesetzgebung in den Bundesrat darauf hinzuwirken, wie Sie alle wissen, welche sicheren Herkunftsländer wir zu solchen machen sollten und welche nicht. Ich bedauere es einfach, dass hier eine sachliche Diskussion nicht ermöglicht wird. Ich halte das für nicht zielführend. Deswegen wird sich die CDU-Fraktion bei dieser Abstimmung enthalten. – Herzlichen Dank!