Protokoll der Sitzung vom 11.01.2018

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Schubert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte bisher das Gefühl, dass wir hier durchaus sachlich diskutieren können, zumindest gab es sachliche Redebeiträge. Insofern sollte man den Wert dieser Plenardebatten auch nicht künstlich kleinreden. Ich finde es richtig, dass wir dieses Thema beenden, weil dieser Antrag unsäglich ist.

[Georg Pazderski (AfD): Dann aber gar nicht darüber reden, wenn er so unsäglich ist!]

Nicht nur, dass wir es eigentlich nicht zu behandeln haben, nicht nur, dass der Bundesrat diesen Antrag bereits 2015 zur Kenntnis genommen hat, diese Richtlinie, nein, er unterstellt auch Dinge, die einfach bodenlos sind. Der Begriff „Asyl-Shopping“, den Sie als umgangssprachlich bezeichnen, den gibt es so nicht. Wir kennen aus der Migrationsforschung Push-and-Pull-Faktoren, das Einkaufen gehört nicht dazu.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Möglicherweise meinen Sie „Hopping“, aber dann sollten Sie vielleicht mal in einen Sprachkurs für Englisch gehen, Mister Bronson.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Das ist grundsätzlich verkehrt, was Sie da erzählen.

Aus meiner Sicht als Vertreterin meiner Fraktion finde ich auch das Problem, sichere Herkunftsstaaten ins Unendliche auszuweiten, ein systematisches, ein politisches Problem.

[Herbert Mohr (AfD): Ne, alle herkommen!]

Wenn man sich die Richtlinie der Europäischen Union einmal anguckt, was sie alles auflistet, was es dann doch noch für Probleme in den Staaten, die sie dort auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten gesetzt hat, dann zeigt sich, es gibt in fast allen Staaten Verfolgung von Lesben, Schwulen, Transgender.

[Georg Pazderski (AfD): In Russland auch!]

Es gibt in fast allen Staaten Verfolgung von Roma.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD) – Lachen bei der AfD – Peter Trapp (CDU): In China gibt es auch Verfolgung!]

Es gibt in fast allen Staaten Verfolgung von Menschen mit Behinderungen. Das mögen Sie alles lächerlich finden, dann kann man aber nicht sagen, dass es für diese Bevölkerungsgruppen ein sicherer Zustand ist. Insofern darf man das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten zumindest kritisch hinterfragen. Meine Fraktion lehnt es ab.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und ich hatte die Gelegenheit, auf Einladung der RosaLuxemburg-Stiftung

[Lachen bei der AfD]

mehrfach in Belgrad zu sein und mir dort die Situation beispielsweise der Roma anzuschauen, auch die Art und Weise, wie gesellschaftliche Integration nicht funktioniert, trotz EU-Hilfen.

[Gunnar Lindemann (AfD): Funktioniert auch in Deutschland nicht!]

Insofern können wir nur feststellen, dass es für diese Bevölkerungsgruppe keine Sicherheit gibt. Insofern müssen wir dort von einer gruppenbezogenen Verfolgungssituation ausgehen,

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

was für eine Überarbeitung des Einwanderungsrechts zwingend Berücksichtigung finden muss.

Zur Türkei hat der Kollege Dregger – da muss ich ihm ausnahmsweise zustimmen – das Richtige gesagt. Die Türkei als sicheren Herkunftsstaat einzuordnen, kann man unter der Bedingung, dass ein Journalist wie Deniz

(Burkard Dregger)

Yücel seit über zehn Monaten als Geisel in Haft sitzt, nicht ernsthaft wollen und behaupten. Insofern ist mein Petitum, den Quatsch wegzustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die FPD-Fraktion hat nun der Kollege Krestel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir Anträge so „wegstimmen“, das habe ich so noch nicht gehört, Frau Vorrednerin, aber gut.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich möchte erst einmal etwas grundsätzlich sagen: Wir hatten vorhin schon so eine kurze Debatte bei dem CDUAntrag um das Verbot des Flaggenverbrennens. – Kollege Zimmermann! Hat die SPD denn mittlerweile das Verständnis, dass das Berliner Abgeordnetenhaus so eine Art zu groß geratene Bezirksverordnetenversammlung ist? Wir haben hier durchaus das Recht, gerade als Hauptstadt dieses Landes, mit bundespolitischen Themen umzugehen und Anträge, die auf eine Bundesratsinitiative hinauslaufen, zu behandeln.

[Frank Zimmermann (SPD): Aber nicht, der Bundesregierung das Geschäft zu verderben! – Beifall von Karsten Woldeit (AfD)]

Das klingt ja nach Kartellrecht, Kollege!

[Heiterkeit von Paul Fresdorf (FDP)]

Wir machen hier politische Arbeit und dürfen uns mit den Themen beschäftigen, die wir für unser Land für wichtig halten – Punkt!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

Jetzt kommen wir einmal zur Sache, weil wir bei diesem Antrag dagegen stimmen werden! Die FDP steht für ein Europa freier Völker und Staaten, und wir möchten auch keine EU-Steuern. Die Belastung der EU-Bürger ist in der Regel ohnehin schon zu hoch. Wir möchten, dass kein Land in Europa einem anderen vorschreiben darf, welche Herkunftsländer es für sicher hält und welche nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das ist die politische Entscheidung in jedem Parlament der EU-Länder. Gerade bei jemandem, der wie ich in zwei Ländern der EU zu Hause ist, schrillen bei solchen Fragen immer die Alarmglocken, weil man nicht nur die kulturellen, sondern genauso auch die politischen Unterschiede zu schätzen weiß. Wenn die Europäische Union eine Zukunft haben soll, dann auf der Grundlage freiwilliger Zusammenarbeit und fruchtbarer Diskussionen. Wir

brauchen kein Parlament in Europa, das uns bestimmte Listen vorschreibt, die wir dann ergänzen dürfen usw.

[Beifall von Paul Fresdorf (FDP) – Georg Pazderski (AfD): Aber die Staubsaugerwattzahl!]

Ja, den Staubsauger brauchen wir auch nicht, Herr Kollege! – Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Die zentralistische EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten ist nicht freiheitlich-liberal. Das hat ein bisschen den Charakter eines Fünfjahresplans, und dafür steht die FDP nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Lux das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschäftsordnung des Berliner Abgeordnetenhauses ist großzügig: Sie erlaubt, sich mit Anträgen, von wem sie auch sind, in zwei Lesungen zu befassen und sie auch in Ausschüssen zu diskutieren. Andere Landtage sind deutlich strenger, dort kann man so etwas schon nach der ersten Lesung ohne Debatte mit einfacher Mehrheit wegstimmen. Das hätte ich hier auch gern getan. Ich will jetzt aber auch noch einige Worte verlieren.

Erstens ist der Antrag, wie vom Kollegen Zimmermann bereits ausgeführt, nah an der Unzulässigkeit, weil er weit über unsere Kompetenz hinausgeht. Die außenpolitische und auch die völkerrechtliche Vertretung ist Sache der Bundesregierung.

Zweitens sind die Bedingungen, die Sie in den Antrag hineinschreiben, wie sich der Senat im Bundesrat zu verhalten hätte, ein viel zu weit gehender Eingriff in das Kerngeschäft der Exekutive, überhaupt nicht bestimmbar und überhaupt nicht voraussehbar. Sie wissen ja gar nicht, wie dort verhandelt wird, und geben hier schon Bedingungen mit, dass nur bestimmte Änderungsanträge, die noch gar nicht absehbar sind, irgendwie abzulehnen sind. Es ist also völlig unbestimmt und unverständlich, was Sie hier wollen.

Drittens ist Ihr Antrag auch – das ist eine politische Wertung – unwürdig für ein Parlament. Sie unterstellen Asylsuchenden generell, dass sie shoppen gehen, einkaufen gehen – wir hatten vorhin eine ganz andere Debatte. Dieses Grundrecht zu kommerzialisieren, setzt ganze Gruppen, die von Krieg, Flucht usw. betroffen sind, unter einen bestimmten Verdacht. Ich finde es richtig, dass wir uns hier nicht mehr als nötig diesem Wortgebrauch stellen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

(Katina Schubert)